DiclaimerAlles gehört Prof. Tolkien und seinen Erben (diese Glücklichen). Mir gehört nix, ist nur geliehen und wird wieder abgegeben.

A/N.: Kleine Verzögerung wegen technischer Schwierigkeiten. Irgendwie sind mir jetzt auch die Reviewantworten durcheinander geraten, aber ich musste sie zweimal schreiben und bin fast verzweifelt. Sorry.

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21. Kapitel: Ein ganz gewöhnlicher Tag

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Am schlimmsten von allem war die Dunkelheit. Jetzt, wo der Ärger und die Wut verraucht waren, blieb nur noch diese tintenschwarze Dunkelheit. Es tröstete Hestia wenig, dass die Elben den Knebel und die Fesseln entfernt hatten, bevor sie sie in diese fürchterliche Zelle gesperrt hatten, in der es nichts gab. Nicht einmal eine Pritsche oder einen Sack Stroh, auf dem sie sich ausstrecken konnte.

Hestia hatte es aufgegeben, sich durch den kleinen quadratischen Raum zu tasten. Außer kaltem Stein und dem Holz der Tür konnte sie ohnehin nichts entdecken. Sie hockte einfach nur noch zusammengekauert in einer Ecke, die weit von der Tür entfernt war, und verfluchte ihr Schicksal. Wie sie die Elben hasste!

Marsden hatte Recht: sie waren grausam! Hestia seufzte. Sie sehnte sich nach Marsden, der immer wusste, was richtig war und was falsch. Bevor sie ihn kennen gelernt hatte, war sie wie ein Blatt im Wind, das durch die Welt trieb und sich durch Betteln und Stehlen am Leben hielt. Erst Marsden hatte ihr gezeigt, was eigentlich wirklich vorging. Wie die Unsterblichen ihr Leben in vollen Zügen genossen, hatte er ihr und ein paar anderen erzählt, mit denen Hestia ein erbärmliches Leben führte. Sie hatten sich in einem verfallenen Bauernhof weiter südlich verkrochen und ab und an Reisende auf den umliegenden Straßen überfallen. Groß war die Beute nie gewesen, aber ihnen war nicht klar gewesen, was ihnen eigentlich wirklich zustand.

Bis Marsden auf sie getroffen war. Eines Tages war er einfach da gewesen, hatte sich die heruntergekommene Truppe junger und manchmal noch zu junger Mädchen und Jungen angesehen und dann zu erzählen begonnen. Und er hatte sich um sie gekümmert. Marsden hatte sogar dafür gesorgt, dass sie genug zu Essen und neue Kleidung bekamen. Woher er das Gold hatte, wagte anfangs niemand zu fragen. Aber irgendwann hatte er es erzählt. Von den Elben hatte er berichtet, die sie im Süden vertrieben hatten, weil sie die Menschen ausplünderten und ihre Schätze so eifersüchtig horteten.

Hestia seufzte noch mal und kauerte sich noch etwas mehr zusammen. Ihr war kalt, erbärmlich kalt. In diesem Raum schien sich die eisige Kälte zu konzentrieren, die sie in den Blicken der Elben gespürt hatte, als die beiden Waldläufer sie im Hof des Hauses abgeladen hatten. Aber sie würde nichts verraten, auch wenn der Hunger an ihr nagte. Am schlimmsten war jedoch der Durst, der schon lange ihre Kehle ausgetrocknet hatte und so eindringlich war, dass er sogar ihre Gedanken störte.

Das entfernte Geräusch eines Türriegels riss Hestia aus ihrem Selbstmitleid. Schritte vernahm sie keine, aber ein Lichtschein näherte sich. Ein kleines Gitter war jetzt in der Tür zu erkennen, vor dem das Licht langsam stärker wurde und in ihre Zelle hinein schien. Hestia konnte nicht verhindern, dass Erleichterung sie durchflutete, auch wenn das Licht bedeutete, dass die Elben nun zurückkamen. Sie würden sie bestimmt foltern, Marsden hatte manchmal erzählt, wie sie ihren Opfern die Glieder verdrehten, bis sie wie hilflose Stoffpuppen herumschlenderten. Und wenn sie sie getötet hatten, stahlen sie ihre Augen und bewahrten sie in großen Gläsern auf, um sich daran zu ergötzen. Schlimmer als Orks, hatte Marsden immer gesagt.

Ein Schlüssel wurde in der Tür gedreht, dann schwang sie nach innen auf. Hestia drückte sich weiter in ihre Ecke, als sie die Silhouette des Elben erkannte, den sie von allen am meisten fürchtete. Dabei hatte sie ihn bei ihrem ersten Zusammentreffen gar nicht so schlimm gefunden, nur etwas unheimlich. Jetzt aber…

Erestor befestigte die helle Lampe, die er in den Händen gehalten hatte, an einem Haken neben der Tür und schlenderte dann einige Schritte näher. Hinter ihm bauten sich die beiden Krieger auf, die sie auch fast zu Tode erschreckt hatten. Ihre Mienen verhießen nichts Gutes. Wahrscheinlich bewahrten sie die Augen ihrer Opfer nicht nur auf, sondern verspeisten sie sofort.

„Ich werde nichts sagen", stieß sie mit zusammengebissenen Zähnen hervor und drückte sich noch etwas mehr in ihre Ecke.

Erestor wölbte etwas die Brauen. „Hatte ich überhaupt schon eine Frage gestellt?"

„Gib dir keine Mühe!"

Der dunkelhaarige Elb hinter ihm murmelte etwas, aber Erestor schüttelte nur leicht den Kopf. „Hauptmann Forlos hier meint, du hast nicht genug Respekt."

Hestia brauchte einen Moment, um den Sinn dieser Bemerkung zu verstehen, dann spuckte sie ihm vor die Füße. „Elbenpack!"

Erestor lächelte nur leicht, aber beide Krieger hinter ihm fassten an die Griffe ihrer langen, kunstvollen Dolche, die in ihren Gürteln steckten. Die Bewegungen waren so synchron, dass Hestia schluckte.

„Ah, das gefällt ihnen nun gar nicht", erklärte Erestor im Plauderton.

„Na und?" Hestia hatte Mühe, das Zittern in ihrer Stimme zu unterdrücken. „Wenn sie mich töten, erfährst du noch weniger."

„Wer sagt, dass sie dich töten würden?"

„Schmerzen machen mir nichts aus", behauptete sie gegen jede innere Überzeugung.

Im nächsten Augenblick war ihre Welt eine gänzlich andere. Sie bekam nicht wirklich mit, wie er die Zelle durchquerte, eine Hand um ihre Kehle legte und sie dann die Wand heraufdrückte, bis sie nur noch knapp auf ihren Zehenspitzen stand. Sie war nicht einmal in Augenhöhe mit Erestor und dafür war sie nach einem kurzen Blick in diese schwarzen Abgründe voller Kälte auch wirklich dankbar. So schrecklich war er ihr draußen im ‚Krummen Hund' nicht vorgekommen. Nicht so groß, so voller Kraft in der jetzt elegant gekleideten Gestalt und vor allen Dingen nicht so gefühllos.

„Schmerzen", begann er beinahe sanft, während er den Druck auf ihre Kehle langsam verstärkte, „sind eine vielfältige Erscheinung, Hestia. Sie können deinen Verstand zu einer leeren Hülle machen, wenn sie nur lange und geschickt genug auf ihn wirken. Was denkst du, wie lange hältst du wohl durch, wenn diese beiden Krieger beginnen, sich mit dir zu beschäftigen?"

Aufmerksam betrachtete er ihr Gesicht, das bestimmt schon blau anlief. Hestia röchelte einen Fluch und die beiden Krieger verzogen die Lippen wohl zu etwas, das ein Lächeln sein sollte, wenn es nicht so bedrohlich gewirkt hätte.

Erestor hingegen schnalzte tadelnd mit der Zunge. „Du bist nicht sehr einsichtig, scheint mir. Und irgendwie auch nicht sehr widerstandsfähig, wenn ich es mir recht überlege. Dabei bist du erst einen Tag hier. Wie willst du den Rest deines Lebens in diesem dunklen Loch überstehen?"

Der blonde Elb hinter ihm machte eine leise Bemerkung, auf die sein Kamerad breit grinste und Erestor zumindest eine Art Lächeln produzierte. Außerdem ließ er sie abrupt los und sie rutschte keuchend zu Boden.

„Hauptmann Haldir meint, dieser Rest dauert höchstens noch eine Minute, wenn ich dich weiter so festhalte" übersetzte Erestor. „Und das wollen wir doch nicht, oder? Dass du uns so schnell für immer verlässt. Wir haben schließlich Zeit, Hestia."

„Ich werde Euch nie etwas verraten", fauchte sie wieder wütend, aber dennoch etwas geläutert, was die Anrede anging. „Niemals in meinem ganzen Leben."

„Das ja nun beklagenswert kurz ist", amüsierte er sich. „Wie alt bist du, Mädchen? Keine zwanzig Jahre, würde ich schätzen. Dann dürften dir bei halbwegs guter Versorgung noch ungefähr fünfzig Jahre verbleiben."

Sie blinzelte verwirrt. Worauf wollte er jetzt wieder hinaus? Er würde sie sowieso töten, da war uninteressant, wie alt sie wohl werden konnte.

„Fünfzig Jahre", wiederholte er sinnend und machte eine ausgreifende Bewegung mit der rechten Hand. „Hier in diesem dunklen Raum…das ist zwar für mich nicht wirklich lang, aber wie du dich dabei fühlst, dürfte auf einem anderen Blatt stehen. Überleg es dir, Hestia. Ein halbes Jahrhundert hier in der Dunkelheit, alleine, niemals wirklich satt, niemals wirklich warm. Ah, keine schöne Aussicht für einen Sterblichen."

„Ohne mich findet Ihr Marsden niemals", erinnerte sie ihn hustend. „Eure Wege wären nicht mehr sicher."

„Keine Sorge, wir stöbern ihn schon auf", winkte Erestor ab, bevor er sich wieder zur Tür wandte und die Laterne von ihrem Haken nahm. „Es dauert zwar etwas länger, aber dieses Thema haben wir ja eben besprochen."

„Ich habe Durst", rief sie ihm nach, als die Tür hinter ihm ins Schloss fiel.

„Wie unangenehm für dich", erklang es von draußen.

Hestia kroch wieder in ihre Ecke zurück, sie saugte förmlich das schwindende Licht in sich auf, um es der zuschnappenden Dunkelheit entgegenzusetzen. Die Haut an ihrem Hals schmerzte, wo Erestors sie berührt hatte, sie brannte regelrecht, obwohl seine Hand kühl gewesen war. Das war ihr aufgefallen. Kühl, kalt,…obwohl er sie verabscheuen musste, hatte sie nichts davon wirklich gespürt. Marsden hatte es erwähnt, wenn er ihnen von den Erstgeborenen erzählte. Sie fühlten nicht wirklich etwas, ihre Herzen waren hart und kalt, ihre Grausamkeit Teil ihrer Natur, ebenso wie ihre Schönheit.

Grüblerisch kaute sie auf ihrem Daumennagel. Ob er sie wirklich den Rest ihres Lebens hier einsperren würde? Wohl kaum, Erestor wollte wissen, wo sich Marsden aufhielt. Egal, was er sagte, er konnte nicht ein halbes Jahrhundert warten. Vielleicht hatte sie ja doch noch nicht ganz verloren. Solange sie ihr Wissen für sich behielt, würde er ihr nicht wirklich etwas antun.

Sie würde nichts sagen. Sie konnte Marsden nicht verraten. Er hatte sich um sie und die anderen gekümmert.

Hestia wunderte sich nur, warum sie sich zum ersten Mal so schlecht fühlte bei der Erinnerung an die toten Elben.

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Gelegentlich bedauerte Erestor, dass er nicht bewandert in der Nähkunst war. So wäre es doch eine wahre Freude gewesen, Figwit den Mund einfach für eine längere Zeit mit Nadel und Faden zu schließen. Nicht, dass besonders Erhellendes von Figwits Lippen strömte, was aber auch nicht unbedingt zu erwarten war, es waren eher die leisen Seufzer und das unterdrückte Gestöhn, das dieser Noldo bei jeder noch so kleinen Bewegung von sich gab.

Erestor lehnte sich in seinem Stuhl zurück und stützte das Kinn in die rechte Hand. Figwit nahm gerade die Schreibfeder zur Hand, um auf eine Nachricht aus Bree zu antworten, die Erestor ihm überlassen hatte. Prompt entfloh ein gekünstelter kleiner Seufzer seinen Lippen und sehr bedächtig schlossen sich Figwits Zeigefinger und Daumen um den Gänsekiel.

„Figwit…"

„Herr?" Mit Leidensmiene sah sein Gehilfe zu ihm herüber. Zugegeben, der Anblick war nicht so schön, wo sich die großen Metallbeschläge vom Gürtel des Trolls in sein Gesicht gedrückt hatten.

„Korrigiert mich, wenn ich mich irre, aber Knochenbrüche habt Ihr doch wohl keine erlitten?"

„Nein, Eru sei Dank. Doch der Troll war schon recht schwer." Noch so ein kleiner Seufzer, der langsam wirklich an Erestors Nerven zerrte.

„Wollt Ihr Knochenbrüche gerne erdulden?"

„Herr?"

Erestor stand auf und schlenderte langsam zu Figwits Schreibtisch herüber. Davor baute er sich auf und stützte sich mit den Händen auf der peinlich sauberen Holzplatte ab. „Knochenbrüche, Figwit. Vielleicht einen Arm oder die Hände. Ich überlege auch ernstlich, mir sofort Euer Genick vorzunehmen."

„Herr?" Die Mischung aus Schrecken und Grübeln in Figwits Kinderaugen war einzigartig. Erestor hätte darüber fast vergessen, ihn weiter in Angst und Schrecken zu versetzen.

„Was sagt Euch der Begriff ‚geheim'?"

Ah, jetzt kam Figwit die Erleuchtung. Zwar nur in Etappen, aber sie kam immerhin. „Der Ork hat den Gang entdeckt und natürlich diese Ithildrim."

Was zwar der Wahrheit entsprach, aber nicht wirklich Erestors Zwecken diente. „Und dann habt Ihr Euch sofort veranlasst gesehen, mit besagtem Ork, einem sterblichen Jungen und diesem Irrlicht aus Rhûnar gleich nochmals durch die Gänge zu ziehen?"

„Und Gilnín", ergänzte Figwit verschüchtert, aber auf Vollständigkeit bedacht.

Erestor wischte den letzten Einwurf beiseite. Er war noch nicht in der Stimmung, sich mit Gilnín zu befassen. Es gab etwas, warum er ihm aus dem Weg ging, warum er überhaupt den Gedanken an ihn mied. „Ich hatte meine Gründe, diese Gänge für meine Zwecke zu nutzen. Könnt Ihr mir soweit folgen?"

Eifriges Nicken und offenkundig wenig Verständnis. „Und wofür?"

„Vielleicht gefallen mir Geheimgänge einfach."

„Wirklich?"

„Wirklich."

Figwit nagte eine Weile an seiner Unterlippe. Häufig beschleunigte das seinen Verstand, hatte Erestor festgestellt und so wartete er. Das Ergebnis war gelegentlich recht entwaffnend.

„Ihr verlasst auf diesem Weg unbemerkt Bruchtal", vermutete Figwit in einem Anflug von Brillanz.

„Unbemerkt", bestätigte Erestor betont. „Zumindest war es in der Vergangenheit so. Ich habe Angelegenheiten zu regeln, die niemanden zu interessieren haben. Nachdem aber nun halb Bruchtal dort herumspaziert ist, ein Ork eingezogen ist und der Kadaver eines Trolls herumliegt, dürfte das für die Zukunft keine Option mehr sein."

„Der Troll bereitet mir auch Sorgen", seufzte Figwit wie immer weit neben dem Thema und schob etwas die Pergamente auf seinem Schreibtisch hin und her. „Wenn er verwest, wird es fürchterlich stinken."

Darauf hatte Erestor eigentlich nicht hinausgewollt, aber Figwit hatte irgendwie Recht und Erestor prompt eine Idee. „Dann solltet Ihr Euch darum kümmern. Immerhin habt Ihr wohl die meiste Erfahrung von allen mit der Konsistenz eines Trolls."

„Uhm", machte Figwit mit einer Grimasse. „Wird es je aufhören? Ich meine, dass man mich deswegen verspottet?"

„Aber sicher", nickte Erestor und seine Lippen verzogen sich zu einem sardonischen Lächeln. „Die Ewigkeit ist lang. In ein paar tausend Jahren wird sich kaum noch einer daran erinnern."

Betrübt nickte sein Gehilfe, nur damit sich gleich danach seine Miene wieder aufhellte. „Ich habe übrigens nochmals nachgeschlagen, um einen Namen für Halbarads Tochter zu finden…"

„Verschont mich", knurrte sein Herr und wandte sich zur Terrassentür. „Ich kann keine Vorschläge mehr hören. Kümmert Euch um den Troll!"

Erestor hielt sich nicht lange auf der Terrasse auf. Mit schnellen Schritten marschierte er bis zu einer der vielen Treppen, die früher oder später alle auf eine Weg vom Haus weg in die Gärten führten. Erestor wandelte eher selten durch Bruchtals sorgfältig, aber dennoch unauffällig gepflegte Gärten. Zumeist war er ohnehin zu beschäftigt, aber diesmal erschien es ihm zumindest eine Option, etwas auszuspannen. Andererseits war Entspannung etwas, das Erestor zumeist als reine Zeitverschwendung betrachtete und so lenkte er beinahe sofort seine Schritte Richtung Übungsplatz der Garde. Das weiträumige Gelände war an einer Flanke des Hauses angelegt worden, in der Nähe der Stallungen und einer der großen Waffenkammern, auch die Quartiere der Gardekrieger befanden sich ganz in der Nähe.

Diese Nähe würden sie auch brauchen, wenn sie am Ende ihres Dienstes zu ihren Schlafplätzen krochen, befand Erestor, als er sich dem großen, bis auf einige Ausnahmen vollständig mit Sand ausgestreuten Platz näherte. Glorfindels unversöhnlicher Seele, zumindest was die Sicherheitslücke in der Verteidigung des Tales anging, war eine Übung entsprungen, die auch von einem Nazgûl hätte stammen können. Ein Teil der Krieger robbte gerade durch einen Wassergraben – Erestor korrigierte sich auf Schlammgrube, über die Dornenranken gespannt waren. Ein anderer Teil der Krieger feuerte mit recht angespannter Miene Pfeile sehr dicht über dieser Konstruktion her.

Glorfindel selber stand am Rande des Feldes, den Blick über Thranduils Kopf hinweg, der vor ihm auf einer Steinbank saß, auf seine Krieger gerichtet. Der Vanya wirkte so frisch und sauber wie der junge Morgen, während sich seine Garde in einen Haufen Orks verwandelte.

„Schneller!" donnerte Glorfindel. „Bei dem Tempo wundert es mich überhaupt nicht, dass die Trolle an euch vorbeimarschiert sind."

Erestor schlenderte heran, begrüßte mit einem wortlosen Nicken Bruchtals obersten Krieger und hob dann fragend eine Augenbraue, weil dieser seine Hände auf Thranduils Schultern hatte und mit den Daumen auf dessen Rücken herumdrückte.

„Verspannung", brummte Thranduil nur.

„Er hat die Nacht in einem Gartenstuhl auf der Terrasse verbracht", erklärte Glorfindel gnadenlos.

Düsterwalds unfreiwillige Königin hatte ihn also nicht in ihr Bett gelassen. Das hätte Erestor auch irgendwie gewundert. „Tatsache?"

„Und sie hat ihn mit Eol verglichen." Glorfindel war nicht aufzuhalten. „Stell dir das vor!"

Erestor tat es. Soweit war Celebrian mit Elrond damals zwar nicht gegangen, aber Galadriels Tochter hatte ihm immerhin ein Glas guten Rotwein ins Gesicht geschüttet. Diesen Aspekt hätte Elrond vielleicht bei seinem Ratschlag an den Elbenkönig noch erwähnen sollen. „Du hast Zauberei eingesetzt?"

„Ein bisschen", nuschelte Thranduil und kratzte angelegentlich an seinem linken Armschoner herum.

„Sie wird es überleben."

Glorfindel warf ihm einen langen Blick zu. „Varya bestimmt. Fragt sich nur, was mit ihm ist."

„Er ist der König der Waldelben, mehrere Jahrtausende alt, Krieger und außerdem war er schon einmal gebunden", zählte Erestor auf. „Da dürfte es doch wohl nicht wirklich schwierig sein, mit einer Elbin fertig zu werden."

„Ja, sicher", nickte Glorfindel und schlug ihm leicht auf die Schulter. „Du bist da ja unheimlich erfahren. Wie wäre es, wenn du dich zu Studienzwecken ein wenig mit Leiloss befasst?"

„Diesem Kind? Für was hältst du mich eigentlich?"

„Komm schon, ich weiß genau, dass du junge Elbinnen recht anziehend findest."

„Jung vielleicht, aber nicht solche, die noch mit einem Bein im Kinderzimmer stehen."

„So jung ist Leiloss nun auch wieder nicht."

„Und ob!"

„Und was war mit der süßen Teleri-Elbin damals in Alqualonde?"

Erestor räusperte sich. „Das sind uralte Geschichten."

„Aber sehr interessant", war von Thranduil zu vernehmen. „Was war mit ihr?"

„Nichts!" schnappte Erestor. „Jedenfalls nicht viel."

„Das lag aber mehr daran, dass ihre beiden Brüder euch noch rechtzeitig in der Koje des halbfertigen Schwanenschiffes erwischten. Sie haben dich beinahe ertränkt."

Thranduil schnalzte leicht mit der Zunge. „Ganz neue Seiten an dir, Erestor. Aber vielleicht sollten wir das Unternehmen mit Leiloss dann doch besser fallen lassen. Wenn ich mich recht erinnere an das, was Varya mir erzählt hat, hat sie zumindest auch einen Bruder."

„Der jetzt eigentlich hier sein sollte, um sie wieder nach Hause zu bringen", sagte Glorfindel. „Aber bei den Rhûna wundert mich überhaupt nichts mehr."

„Ist auch besser so", nickte Thranduil weise, um endlich Glorfindels Hände abzuschütteln. „Du hast dich mit dieser Hestia unterhalten?"

„Unterhalten?" So hätte Erestor es nicht wirklich genannt. „Eigentlich ist es bedauerlich, dass Estel und Halbarad sie hierher gebracht haben."

„Ich ahne, was jetzt kommt", murmelte Glorfindel kopfschüttelnd.

„Wenn ich sie irgendwo draußen in die Finger bekomme hätte, wäre das Problem bereits gelöst."

Draußen meint ohne Elronds wachsamen Blick", vermutete Thranduil. „Du hast eine Seite an dir, die einem zu denken geben kann."

„Hättest du mich aufgehalten?" wollte Erestor kühl wissen.

Thranduil erhob sich und lockerte seine Muskeln. Seine Augen hatten einen harten Schimmer, der Erestor schon von Oropher vertraut war. „Wohl kaum. Es würde zwar unsere Zeit in Mandos' Hallen verlängern, aber du kannst auf mich zählen, wenn du Hilfe brauchen solltest. An Hestias Händen klebt Elbenblut und sie hat nicht einmal wie Borzo die Ausrede, dass sie eine Kreatur Saurons ist."

„Ich gebe ihr noch zwei Tage", sagte Erestor, während Glorfindel und Thranduil zu ihren Schwertern griffen. „Dann hole ich den Standort von Marsdens Räubernest aus ihr heraus. Ohne Zauberei und Gerede."

„Wenn du es sagst", grinste Glorfindel ihm über die Schulter zu.

König und oberster Krieger marschierten nebeneinander auf das Übungsfeld, wo sich die Gardekrieger gerade vom Schlammkriechen erholten. Beide blieben einige Schritte von den völlig verdreckten Gestalten stehen.

„Also dann!" verkündete Glorfindel laut. „Die Aufwärmübungen sind vorbei. Ihr blassen Spiegelbilder einer glorreichen Reihe von Kriegern habt jetzt die Gelegenheit, im Schwertkampf mit seiner Hoheit, König Thranduil, und mir zu zeigen, ob ihr weiterhin den Titel Garde verdient oder ich euch nicht besser zum Ställeausmisten abstellen sollte."

Erestor hatte nicht vor, sich dieses grausame Schauspiel anzutun. Mit einem letzten Blick auf die Gesichter der Krieger, in denen Anflüge von Panik und unheilvollen Ahnungen sogar die langsam trocknende Schlammkruste durchbrachen, machte er sich wieder davon. Etwas unschlüssig wanderte er tiefer in den Garten hinein. Erestor war selten in der Situation, nicht wirklich etwas zu tun zu haben. Alles schien in guten Händen zu sein, selbst wenn diese Hände Figwit gehörten.

Eigentlich warteten sie nur darauf, dass Hestia den Mund aufmachte, das Versteck verriet und man mit diesen Kenntnissen einen Plan entwickeln konnte, die Bedrohung endlich aus der Welt zu schaffen.

Ich hätte nicht einmal das Wort ‚Plan' denken sollen, erkannte Erestor, kaum kreuzte Bruchtals Erbe in Begleitung seines Zwillings seinen Weg.

Die beiden sahen sich einmal kurz an, grinsten dann mutwillig und versperrten ihm auf einer schmalen Holzbrücke über einen der zahllosen Bäche den Weg. Erestor hob sehr langsam die Augenbrauen. Er kannte sie zu gut, um sich von ihnen auch nur einen Atemzug irritieren zu lassen.

„Heute so ganz offen im Sonnenschein auf einem frei zugänglichen Weg?" erkundigte sich Elladan mit einem beklagenswerten Mangel an Subtilität.

„Und was sollen mir diese Worte jetzt sagen, Elladan?"

Elrohir sah etwas unbehaglich zwischen Erestor und Elladan hin und her. Er hatte mehr von seinem Vater in dessen späteren Jahren, Elladan hingegen beängstigend viel von Elrond in seinen jüngeren Jahren. Eine Kombination, die Erestor schon immer für einen bösartigen Scherz Manwes gehalten hatte. „Wir haben uns nur gefragt…"

„…warum wir nichts von den Geheimgängen wussten", ergänzte Elladan und nahm langsam Fahrt auf. „Glorfindel wusste davon, unser Vater wusste davon und du benutzt sie sogar, um irgendwelche mysteriösen Abenteuer zu bestehen."

„Und?" Gleich kam es! Erestor lehnte sich gegen das Holzgeländer, um Elladans Auftritt entspannt genießen zu können.

Recht theatralisch griff sich Elronds Erbe ans Herz. „Wir hätten es wissen müssen. Immerhin sind wir keine Kinder und zwar schon lange nicht mehr."

Elladan schwächelte etwas in seiner Dramatik, befand Erestor, löste sich aber gleichwohl sehr ruhig wieder vom Geländer und trat dicht an die beiden heran. Immerhin zuckten sie nicht mehr zurück, so wie sie es in ihrer Jugend getan hatten. „Ein wahres Wort, Elladan. Es hat mich auch zweifeln lassen, dass ihr beide niemals dahinter gekommen seid. Wenn ich mir überlege, dass dieser Ork gerade einige Tage in Imladris war und diese Gänge gefunden hat – ihr beide hingegen schon ein ganzes Zeitalter hier lebt und nur einen Bruchteil davon kennt… du verstehst, worauf ich hinaus will, nicht wahr?"

Mit einer knappen Handbewegung scheuchte er sie auseinander und schritt einfach zwischen ihnen hindurch.

„Er könnte uns trotzdem mal mitnehmen", hörte er hinter sich Elladan verschnupft murmeln.

Erestor presste die Lippen zusammen, um nicht laut aufzulachen. Vielleicht würde er den Zwilling sogar eines Tages einmal beim Wort nehmen. Mit den beiden unterwegs zu sein, würde sicher eine ganz neue Erfahrung werden. Dabei machte er sich nicht einmal Sorgen, dass ihre Sicherheit gefährdet war. Sie waren ausgezeichnete Krieger, dafür hatte Glorfindel schon gesorgt. Aber sie besaßen eine Art, in ihrer Umgebung für ungewöhnliche Vorfälle zu sorgen. Wahrscheinlich hing es mit ihrem menschlichen Erbe zusammen. Dieser Gedanke lenkte seine Aufmerksamkeit auf einen anderen Ort, den er wohl seit einer halben Ewigkeit nicht mehr aufgesucht hatte.

Bruchtals Küchen waren eher eine Aneinanderreihung von vielen Gewölben in der Basis des Hauses, in denen sich sehr unterschiedliche Köche um die ebenso unterschiedlichen Bedürfnisse der Bewohner des Hauses kümmerten. Elrond legte Wert darauf, dass sich jeder Gast heimisch fühlte und vorfand, an was er gewöhnt war.

Erestor blieb einen Moment am Durchgang zum Bereich für die Sterblichen stehen. Er musste sich erst an die Kochschwaden, die doch recht intensiven Gerüche und vor allen Dingen an den Lärm gewöhnen. Man sollte meinen, die Menschen schüchterten ihre Speise so lange mit Geschrei und Topfgeklapper ein, bis das Essen freiwillig gar wurde. Eine Schlacht mit Orks erschien dagegen als eine stille, umgängliche Angelegenheit.

„Eren." Eine wohlgerundete Frauengestalt löste sich aus den Schwaden und kam mit einem riesigen Kochlöffel in der Hand auf ihn zu. „Dass du es wagst, dich hier blicken zu lassen."

Er lächelte und entspannte sich. Zum ersten Mal, seit er an diesem Morgen aufgestanden war. Scheinbar schuldbewusst neigte er den Kopf. „Wie ich sehe, hast du schon das Kommando übernommen, Hanne."

Tykvars Frau drohte ihm leicht mit dem Kochlöffel, bevor sie sich vor ihm aufbaute, die Fäuste in die Hüften stemmte und ihn einmal durchdringend musterte. „Du bist kaum wieder zu erkennen. Ein großer Herr bist du also. Muss ich mich jetzt vor dir verneigen?"

„Das würde ich nicht wagen, von dir zu verlangen", schmunzelte er. „Wo hast du Tykvar gelassen?"

„Er braut Bier", erzählte sie bereitwillig. „Lord Elronds Kellermeister war zwar etwas irritiert davon, aber er lässt ihn gewähren. Wie geht es dir? Ich sollte dir eigentlich die Ohren noch länger ziehen, weil du uns nie etwas gesagt hast."

„Es ging nicht", sagte er und vertraute auf ihren wirklich gesunden Menschenverstand. „Und ich bedaure sehr, dass ihr euer Wirtshaus verloren habt. Vielleicht können wir es wieder aufbauen."

„Lass nur", lachte sie lauthals. „Hier gefällt es uns allen sehr gut. Tykvar hat keine Schmerzen mehr im Knie, seit einer eurer Heiler sich darum kümmert, Sorben hängt an diesem Stallmeister wie ein Schatten und Linde kommt aus dem Schwärmen gar nicht mehr heraus."

Das konnte sich Erestor vorstellen. „Und du?"

Sie breitete die Arme aus. „Ich habe eine riesige Küche und unbegrenzte Vorräte. Keine Strauchdiebe, die sich jeden Abend prügeln und das Mobiliar zerlegen, ein kleines Häuschen hinten im Tal und meiner Schwiegertochter in Bree werden die Augen rausfallen, wenn ich ihr schreibe, wo ich jetzt lebe. Es sei dir also alles verziehen, Eren."

Die Hitze der vielen Herde hatte eine feine Schicht aus Schweiß auf ihre Haut gelegt, ihre Wangen gerötet und eine ihrer Locken klebte an ihrer linken Schläfe. Unerwartet überkam Erestor die Erinnerung an einen Abend vor vielen, vielen Jahren, als Hanne noch jung und gerade neu im ‚Krummen Hund' gewesen war. Erst hatte sie ihm diesen schmerzlichen Tritt in den Unterleib versetzt und dann später das heiße Wasser für den primitiven Badezuber in seinem Zimmer herangeschleppt. Er war nicht in guter Verfassung gewesen in dieser Nacht. Sehr müde von einer langen Reise und in Gedanken an einem anderen Ort, Jahrtausende zuvor. Hanne hatte den düsteren Moment vertrieben. Dieses eine Mal und sie hatten es nie wieder erwähnt.

Als ob sie seine Gedanken erraten würde, stahl sich ein Lächeln auf ihre fast verblühten Züge. „Man erzählt sich unter uns Menschen, dass Erestor von Imladris ein Herz aus einem schwarzen Diamanten hat…"

„Erzählt man das?"

„Vielleicht stimmt es sogar. Aber ich weiß, dass dies auf Eren nicht zutrifft." Sie räusperte sich und strich dann energisch ihre Schürze glatt. „Du hältst mich von der Arbeit ab."

„Dann will ich nicht länger stören", lächelte er mit einer leichten Verneigung und wandte sich ab.

„Ach, Eren!"

Er verharrte mitten in der Bewegung. Irgendetwas an ihrem Tonfall sagte ihm, dass ihm ihre nächsten Worte nicht gefallen würden. Sie klang mütterlich, auf diese strenge Art, die auch einen Elb, der schon beinahe ewig lebte, in die Flucht schlagen konnte. „Hanne?"

„Das Kind braucht endlich einen Namen!"

Mit einem leisen Knurren, das ihm einen erstaunten Blick von einem elbischen Koch eintrug, der gerade an ihm vorbeiging, marschierte er wieder nach draußen. Es geschah selten, dass er etwas vor sich herschob und wenn, dann wurde er wenigstens nicht dabei ertappt. Hanne musste inzwischen wissen, dass weder bei Elben noch den Dúnedain ein Name leichtfertig vergeben wurde. Zumeist war es Aufgabe der Eltern, den ersten und später dann auch den eigentlichen Namen zu vergeben, der das Wesen seines Trägers am besten widerspiegelte. Die Bitte, die Halbarad an ihn gerichtet hatte, war eine große Ehre und zugleich eine Last. Sie symbolisierte zu deutlich, dass dieses Kind nicht mehr beide Eltern hatte, die diese Aufgabe übernehmen konnten.

Erestor entschloss sich zu einem Kompromiss. Er hatte ohnehin noch keinen Namen gefunden für Halbarads Tochter. Jedenfalls keinen, der tragbar war. Canfiriel dürfte kaum die Zustimmung des erwartungsvollen Vaters finden, auch wenn mittlerweile halb Imladris der Meinung war, dass ein derartiger Name nicht treffender hätte sein können. Vielleicht kam ihm ja eine Erleuchtung, wenn er eine stumme Zwiesprache mit der Seele suchte, die das Wesen ihrer eigenen Tochter wohl am besten kennen musste.

Sie hatten Marain in einem stillen Birkenhain in die kühle Erde gebettet. Ein schöner, friedlicher Platz nicht weit vom Haus entfernt, der nicht so schattig war, wie die anderen Wälder rund um Imladris. Erestor spürte sofort, wie er ruhiger wurde, kaum betrat er den schmalen Pfad, der zu der Lichtung führte, auf der das Grab der jungen Frau war. Hier würde ihre Seele keine Furcht empfinden. Später irgendwann, wenn Halbarad einverstanden war, würde ein Grabstein aufgestellt werden, damit auch in ferner Zukunft nicht vergessen wurde, wer hier beerdigt war.

Elronds Seneschall schalt sich einen Narren, dass er wirklich geglaubt hatte, die Valar würden ihm noch länger seine Ausflüchte durchgehen lassen. Die Lichtung war alles andere als verlassen. An ihrem Rand standen bereits Legolas und Estel, die ihn mit einem kurzen Nicken begrüßten, als er sich ihnen näherte.

„Es bricht ihm das Herz", seufzte Estel mit einer Kopfbewegung zu Halbarad, der neben dem frischen Erdhügel auf dem Boden kniete. „Kannst du gar nichts für ihn tun?"

Als ob er der Richtige dafür wäre. Erestor unterdrückte einen Seufzer und legte dann lautlos die wenigen Schritte bis zu der erbarmungswürdigen Gestalt des Waldläufers zurück, dessen Schultern vor Weinen zuckten, auch wenn kein Laut über seine Lippen kam. Neben ihm lag seine Tochter auf einer Decke im Gras. Erestor konnte es zwar kaum glauben, aber das Kind war absolut still. Und dabei schlief sie nicht einmal, sondern döste nur.

„Es ist alles meine Schuld", sagte der Waldläufer dumpf. „Ohne mich könnte sie noch leben."

Ah, so ein vertrauter Vorwurf. Erestor verdrängte die Erinnerung. „Und Ihr denkt, das würde sie wollen?"

Natürlich, Marain liebte das Leben." Halbarad fuhr sich mit den Händen über die geröteten Augen. „Ihr kanntet sie nicht, Lord Erestor. Maßt Euch kein Urteil darüber an, was sie wollte oder nicht."

„Das hatte ich nicht vor. Ich ziehe nur Schlüsse aus dem Offensichtlichen."

Langsam stand der Waldläufer auf und baute seine doch recht eindrucksvolle Gestalt vor Erestor auf. Das Funkeln in seinen grauen Augen verhieß Ärger. „Und welche Schlüsse sind das wohl? Mir fällt nur der ein, dass ich durch meine Selbstsucht ihr Leben geopfert habe."

Erestor hielt der Verbitterung Halbarads auch ohne große Mühen stand. Er war viel gewohnt aus einem langen, nicht immer einfachen Leben. Tragödien hatten sich vor ihm abgespielt und er hatte gelernt, sich nicht mehr sehr davon beeindrucken zu lassen. Selbst wenn Halbarad in den nächsten Minuten auf ihn losgehen würde, hatte Erestor keine Zweifel, dass er mit dem Waldläufer fertig wurde.

„Also habt Ihr Eurer Gemahlin Gewalt angetan, um dieses Kind zu zeugen?" erkundigte er sich interessiert.

Hinter ihm atmeten Legolas und Estel scharf ein, Halbarad hingegen wurde erst blass und dann puterrot. Seine Hände ballten sich zu Fäusten, als wollte er den Elb vor sich niederschlagen und an seiner Wange zuckte ein Muskel vor unterdrückter Wut.

„Wie könnt Ihr nur…"

„Nun, welchen anderen Schluss soll ich denn aus Euren Worten ziehen? Ich nahm zwar an, auch Marain hätte sich dieses Kind gewünscht, aber so kann man sich irren. Dabei erzählte Thranduils Gemahlin, dass Marain wie eine Löwin um dieses Kind gekämpft hat."

„Bastard!"

Erestor bedachte ihn mit einem warnenden Blick. „Achtet auf Eure Worte, mein Lieber. Es würde mir nicht sehr gefallen, Euch vor den Augen Eurer Tochter den Platz an Marains Seite zu schenken."

Halbarad machte noch einen Schritt näher, sein Atem ging stoßweise. Der Tumult, der in seinem Inneren tobte, spiegelte sich in seinen Augen wieder. Sturmaugen, denen von Estel zum Verwechseln ähnlich, ein bisschen sogar denen Elronds, auch wenn der Herr Bruchtals zu noch mehr Ausdruck fähig war. „Meine Frau ist tot!"

„Und Euer Kind lebt", erinnerte ihn Erestor ungerührt. „Dank Marains starken Willen. Sie hatte mehr Mut als Ihr, Halbarad und sie hat darauf vertraut, dass Ihr diese Entscheidung verstehen werdet. Stattdessen vergrabt Ihr Euch in Selbstmitleid und ignoriert das Geschenk, für das Eure Gemahlin ihr Leben gab."

Stimmte das überhaupt? Erestor war sich nicht sicher. Andererseits hatte er festgestellt, dass die Sterblichen die Lüge aus Gnade zumeist der Wahrheit vorzogen. Hinzu kam, dass Halbarad von hoher Abstammung war und in einigen Jahren zu den Führern seines Volkes gehören würde. Sie konnten es sich in diesen Zeiten nicht erlauben, einen so hoffnungsvollen Verbündeten durch eine menschliche Tragödie zu verlieren.

„Ein Geschenk", murmelte Halbarad plötzlich und atmete tief ein. Mit einer vorsichtigen Bewegung nahm er seine Tochter vom Boden auf und hielt sie vor sich. So abrupt aus dem Halbdämmer gerissen, runzelte die winzige Dúnadan unwillig die Stirn. „Sie ist wirklich ein Geschenk."

„Das immer noch namenlos ist", war von Estel zu vernehmen.

Erestor hätte beinahe geflucht. Das hatte man nun davon, wenn man hilfsbereit war und andere aus ihrem Kummer holte. Es kam, wie es zu erwarten war. Beinahe feierlich drückte ihm Halbarad das winzige Geschöpf in die Hände. „Beschreibt ihre Seele, Lord Erestor, ich bitte Euch jetzt und hier noch einmal darum."

Wunderbar, seufzte Erestor im Stillen. Da steh ich nun und hab keine Ahnung, wer du eigentlich bist, du Zwerg. Das Kind bedachte ihn mit einem interessierten Blick, ein bläulicher Schimmer überdeckte noch das spätere Grau ihrer Augen. Ihr Stirnrunzeln verstärkte sich, je länger er sie vor sich hielt und nach den tiefen Atemzügen zu schließen, machte sie sich bereit, ihren Unmut in sehr naher Zukunft durch ohrenbetäubendes Gebrüll zu äußern.

Aber verwunderlich war es eigentlich nicht, dass sie sich so lautstark bemerkbar machte. Sie hatte sich während eines Gewitters den Weg in diese Welt erkämpft. Erestor dachte an das Tosen des Sturms, das jede normale Unterhaltung unmöglich gemacht hatte. Selbst als sie schließlich ihr Ziel erreicht hatte, war noch der Wind über das Gasthaus hinweg gefegt, hatte am Dach und den Läden gerüttelt. Sie war in eine laute, stürmische Welt gekommen.

„Sûlhin", verkündete er entschlossen.

„Sûlhin", echote Halbarad und grinste unvermittelt. „Das passt. Ich denke, sie wird wie ein frischer Wind in meinem Leben sein, so temperamentvoll wie sie ist. Ich danke Euch, Lord Erestor."

Sûlhin selber schien auch recht angetan, denn sie verzichtete fürs erste darauf, ihre Stimme erklingen zu lassen und schmatzte stattdessen, um gleich darauf ungehemmt zu gähnen. Zeit, die kleine Lady an den glücklichen Vater weiterzureichen, befand Erestor und setzte das Vorhaben auch schnellstmöglich in die Tat um.

„Ich denke, sie mag dich", meinte Estel, der näher geschlendert war.

„Wie schön", sagte Erestor mit einem gezwungenen Lächeln. Äußerungen wie diese gemahnten immer zur Vorsicht. Celebrian hatte das nach der Geburt der Zwillinge auch verkündet und mehr als einmal die Gelegenheit ergriffen, ihm die beiden Schreihälse anzuhängen, damit sie und Elrond nicht nach Westen flüchteten. „Ihr entschuldigt mich jetzt, Halbarad. Ich habe noch zu tun."

Nicht fluchtartig, aber durchaus energisch verließ Erestor die Lichtung. Für einen einzigen Morgen reichte es ihm langsam. Es verlangte ihn brennend nach etwas Ruhe und Einsamkeit. Wenn es ihm gelang, unbemerkt in seine Gemächer zurückzukommen, würde er sich dort bis zum Abend verschanzen.

„Ein guter Name." Legolas hatte sich ihm unbemerkt angeschlossen. „Sie wird Bruchtal schön durcheinander wirbeln."

Erestor streifte ihn mit einem irritierten Seitenblick. „Wieso Bruchtal?"

Thranduils Sohn lächelte boshaft. „Wie ich Halbarad verstanden habe, will er Elrond bitten, sie eine Weile hier aufzunehmen. Offenbar gab es leichte Unstimmigkeiten, weil Marain keine Dúnadan war. Er ist sich nicht sicher, ob sie bei seiner Familie wirklich glücklich wäre."

„Unsinn! Die Dúnedain sind Menschen von hohem Ehrgefühl. Sie würden niemals ein unschuldiges Kind benachteiligen."

„Das denke ich zwar auch, aber er ist noch etwas übervorsichtig." Legolas' Augen funkelten vergnügt. „Freut Euch, Erestor. Da Ihr ja ihr Namenspate seid, werdet Ihr viel Zeit mit ihr verbringen können."

„Ihr könnt wirklich nicht verleugnen, dass Ihr Thranduils Sohn seid."

„So?"

„Euer Vater hat auch diese fiese Ader, mein Junge."

Voller Unschuld schlug sich Legolas die Hände auf die Brust. „Fiese Ader? Ihr tut mir Unrecht, Erestor. Es liegt nur daran, dass wir dauernd mit den übelsten Kreaturen in unserer Heimat zu kämpfen haben, da freut man sich schon über Kleinigkeiten."

„Manche Kleinigkeiten haben verhängnisvolle Folgen."

„Oh ja, ein wahres Wort", murmelte Legolas abwesend und blieb stehen.

Erestor kämpfte gegen einen tiefen Seufzer, als er den Grund dafür entdeckte. Sie hatten gerade wieder die Brücke erreicht, auf der ihm schon die Zwillinge aufgelauert hatten. Diesmal waren es gleich drei Elben, die sich von der anderen Seite näherten. „Ich sollte diese Strecke wirklich meiden."

„Hilft nix", raunte Düsterwalds Erbprinz. „Ithildrim finden einen immer, wenn sie etwas im Schilde führen."

„Mit den übelsten Kreaturen eben meintet Ihr nicht zufällig diese drei da?"

Das beunruhigende Trio war bereits zu nah gekommen, um Legolas noch eine Antwort zu ermöglichen. Sie waren ein recht bemerkenswerter Anblick, musste Erestor zugeben. Alle drei beinahe gleich groß, sehr ähnliche Gesichtszüge und selbst ihre Kleidung war diesmal identisch. Drillinge! schoss es ihm durch den Kopf. Die ultimative Rache Saurons!

„Lord Erestor!" begann Galen.

„Wie schön, Euch endlich zu finden", ergänzte Düsterwalds unwillige Königin.

„Wir hatten Euch schon gesucht", vollendete die Jüngste im Bunde.

„Tatsächlich?" Er bedachte jeden der drei mit einem durchdringenden Blick. Große Wirkung erzielte er jedoch nicht damit. „Und wie kann ich Euch helfen?"

Zu seiner Verwunderung grinsten sie ihn breit an, Leiloss kicherte sogar fröhlich.

„Fragt lieber, wie wir Euch helfen können", verkündete Galen stolz.

„Tut es", riet Legolas gedämpft. „Eher kommen sie nicht zur Sache."

„Halt den Mund, Legolas!" schnaubte die Heilerin schon sehr königlich. „Verdirb uns nicht die Überraschung."

„Ich bitte um Verzeihung, Stiefmutter", spottete der Prinz mit einem Neigen des Kopfes.

„Noch einmal und ich kipp dir Nesseltrank in deinen Wein", drohte Varya.

„Dann siehst du aus wie ein Fliegenpilz", erklärte Galen mit der Gelassenheit eines wahren Gelehrten. „Geht aber nach zwei Wochen wieder weg. Juckt nur etwas."

„Das würdest du dem einzigen – im Moment jedenfalls – Sohn deines Gemahls antun, Varya?"

Erestor kam zu der Überzeugung, dass Tawarwaith und besonders die des Hauses Oropher einen bedenklichen Hang zu Abenteuer und Gefahren in sich trugen. Heiler forderte man einfach nicht heraus, diese Gattung Elb hatte zuviel Ahnung von den Wirkungen der Kräuter und Pflanzen. Selbst wenn sie nicht wussten, an welchem Ende sie ein Schwert halten sollten, waren sie damit jedem Krieger in ihrer Bewaffnung himmelhoch überlegen.

„Und wie könnt Ihr mir nun helfen?" fragte er deshalb, um Blutvergießen oder jedenfalls Vergiftungen zu vermeiden.

„Wir haben das hier." Mit diesen Worten stieß Galen Varya an, die prompt aus ihrer Gürteltasche eine kleine Phiole hervorholte. „Gut, was?"

„Ah", machte Erestor und fragte sich, ob er vielleicht gerade gar nicht auf dieser Brücke stand, sondern einen besonders bizarren Traum durchlebte.

„Varyas eigene Rezeptur", ergänzte Leiloss und wippte aufgeregt auf den Fußballen. „Sie hat schon funktioniert."

Irgendwie war es doch eher bedenklich, dass dieser Erfolg extra betont wurde. Gleichwohl streckte er die Hand aus und fabrizierte ein erfreutes Lächeln. „Wie schön. Dann ist ja alles perfekt."

Thranduils Gemahlin ließ die Phiole etwas über seiner Handfläche schweben. Ein leuchtendgrüner Blick bohrte sich in den seinen, ernüchternd scharf und durchdringend genug, Erestor von der Meinung abzubringen, die Heilerin sei auch nur im geringsten naiv.

„Er löst die Zunge", erklärte Galen währenddessen. „Bringt die Wahrheit zum Vorschein, ob man nun will oder nicht. Sehr praktisch, dachten wir uns, für Eure Hestia."

Erestors Finger schlossen sich um die Phiole. „Sicher?"

„Absolut", bekräftigte Varya und blinzelte ihm verstohlen zu.

„Können wir dann los?" drängte Leiloss.

„Und wohin?" fragte Legolas.

„Zu dieser Hestia natürlich. Ich will dabei sein."

„Wie unauffällig", spottete Erestor. „Ihr denkt also, diese Frau trinkt freiwillig davon, wenn wir alle sie dabei beobachten."

„Da haben wir einen Plan", verkündete Galen und bemerkte zum Glück nicht, dass Erestor und Legolas zusammen zuckten.

„Einen Plan", echote Erestor gedehnt.

„Mit dem ich nicht einverstanden bin", nörgelte Leiloss.

„Mund halten!" befahl Varya. „Anders geht es eben nicht."

„Der Plan", erinnerte Erestor die drei gegen jede Vernunft.

„Forlos sagt, Ihr lasst sie ohnehin gerade verdursten", schwatzte Galen weiter. „Nicht die schlechteste Methode, aber doch recht riskant, wenn man die Empfindlichkeit der Sterblichen bedenkt."

„Pah!" machte Varya.

„Außerdem kann es noch ein paar Tage dauern."

„Sagt also Forlos", grollte Erestor.

„Er ist loyal", kommentierte Varya mit einem boshaften Blick Richtung Legolas. „Zu seiner Königsfamilie. Außerdem konnte er mir noch nie etwas verheimlichen."

„Das bezweifle ich keinen Augenblick", nickte Erestor ergeben. So ganz langsam ging ihm auf, was Glorfindel und Elrond vor einiger Zeit gemeint hatten, als sie ihn vor den Ithildrim warnten.

„Aristil bringt Hestia etwas zu trinken", wurde der großartige Plan eröffnet. „Sie trinkt einen Schluck, wir warten einen Augenblick, bis der Trank zu wirken beginnt und schon erzählt sie Euch alles, was Ihr hören wollt."

Das klang sehr einfach. Zu einfach! Erestor runzelte die Stirn.

„Na?" drängte Galen. „Was sagt Ihr dazu?"

„Einen Versuch ist es Wert", meinte Legolas recht gelassen. „Mehr als schief gehen kann es nicht."

„Hm", machten die beiden Heiler und kratzten sich an der linken Schläfe. Synchron! Es war beängstigend.

„Was?" fragte Erestor ruhiger, als er sich eigentlich fühlen sollte.

„Es könnte sie natürlich auch umbringen", informierte ihn Galen nach einem kurzen Blickwechsel mit Varya, die nur lässig die Schultern hob. „Wir kennen die Wirkung auf Elben. Mag sein, dass es bei Menschen etwas stärker ist."

„Ich hab die Rezeptur aber schon verdünnt", ergänzte Varya noch immer sehr heiter. „Und wenn es sie wirklich tötet, ist das ein echter Unfall."

Erestors Brauen hoben sich langsam. „Unfall? Ihr seid Heilerin!"

„Sie gehört zu diesem Marsden, nicht wahr? Wie sagen die Sterblichen doch immer so treffend: Wer sich in Gefahr begibt,…"

„Kommt darin um", ergänzte Leiloss stolz. „Das hab ich schon von Hinner gehört. Schönes Sprichwort."

„Find ich auch", nickte Galen. „Gehen wir?"

„Ja, gehen wir", bestätigte Erestor mit flacher Stimme. Die Härte der Rhûna hatte ihn unvorbereitet getroffen. Noch beängstigender war, dass es sich bei Galen und Varya immerhin um Heiler handelte, die sich sonst beinahe durch regelrechte Besessenheit hervortaten, Leben zu schützen. „Ich nehme an, Ihr habt Aristil bereits eingeweiht?"

Drei umwerfend charmante Lächeln wurden ihm zugeworfen. Hinterlist verdeckt von purer, silbriger Schönheit – man lernte nie aus.

Die Dienerin wartete mit einem Wasserkrug an der Treppe, die herunter in den oberen Keller führte, in dem sich der Vorratsraum befand, den man zu Hestias Verlies umfunktioniert hatte. Aufgeregt hielt sie Erestor den Krug hin, damit dieser die Phiole darin entleeren konnte.

„Ich sag sofort Bescheid, wenn es zu wirken beginnt", versprach sie, bevor sie die Treppe hinab eilte. „Keine Sorge, sie wird es nicht merken."

Es fragte sich, ob hier überhaupt noch jemand etwas merkte. Erestor betrachtete finster die Ithildrim-Versammlung an der Treppe. „Ich gehe ihr jetzt nach. Von Euch folgt mir keiner. Legolas?"

„Verlasst Euch auf mich", sagte der Waldelb und scheuchte die drei Rhûna ein Stück weiter zurück.

„Sollen wir Euch vielleicht begleiten?" ertönte Forlos' ruhige Stimme. Zusammen mit Haldir durchquerte er die Halle und betrachtete gelassen die Versammlung. „Ihr seht aus, als könntet Ihr Rückendeckung gebrauchen."

Mit einer knappen Geste signalisierte Erestor Zustimmung. Schweigend schritten sie die Treppe herunter und ein Stück den Gang entlang, bis sie noch weit genug entfernt von der Kellertür waren, die Aristil hatte offen stehen lassen. Die Lampen waren entzündet und aus dem Keller selber schien ebenfalls Licht.

„Und was machen wir hier?" erkundigte sich Haldir gedämpft.

„Wir warten, ob dieser Wahrheitstrank wirkt, den Varya und Galen zusammengebraut haben", sagte Erestor.

„Wird er sicher", meinte Forlos und reagierte auf die zweifelnden Blicke seiner Begleiter mit einem Achselzucken. „Die Tränke wirken immer, auch wenn man es manchmal kaum für möglich hält."

Erestors Zweifel hielten an, bis Aristil wieder den Vorratsraum verließ und eilig zu ihnen kam. Ihre Augen leuchteten. Glorfindels treueste Verehrerin kicherte höchst irritierend.

„Sie hat getrunken?" fragte Erestor.

„Den halben Krug leer", berichtete Aristil. „Ihr könnt mir glauben, Herr. Ich würde Euch doch nie etwas Falsches erzählen. Dafür habe ich viel zu viel Respekt vor Euch. Und ein bisschen Furcht, wenn ich ganz ehrlich bin. Ihr seid manchmal sogar sehr Furcht einflößend."

Erestor schwante Schreckliches. „Ach wirklich, Aristil? Vor Glorfindel habt Ihr aber keine Furcht, oder?"

„Oh nein", sagte sie mit einem heftigen Kopfschütteln. „Er ist so wunderbar und immer so nett. Obwohl er ja ein bisschen leichtfertig ist, was den Umgang mit Verehrerinnen angeht. Nur von mir will er nie etwas. Das betrübt mich sehr."

„Habt Ihr zufällig etwas von dem Wasser getrunken?"

„Das musste ich. Sie ist sehr misstrauisch."

Die beiden Hauptmänner lachten unterdrückt. Schließlich fasste Haldir die Elbin sanft am Arm und lotste sie fort. „Ich bring Euch besser hier weg. Wer weiß, was sonst alles noch zur Sprache kommt."

„Ihr seid übrigens auch sehr nett", zwitscherte Aristil ungewohnt lebhaft. „Das finde ich schon sehr lange. Aber leider seid Ihr ja so selten hier in Imladris. Findet Ihr mich eigentlich anziehend, Hauptmann?"

„Durchaus, aber darüber sollten wir später reden", verklang Haldir Stimme in den Tiefen des Ganges.

„Helle Haare", stellte Forlos gedankenverloren fest. „Der Prinz erwähnte es mal."

Erestor warf ihm einen strafenden Blick zu und konzentrierte sich dann auf die Vollendung dieses glorreichen Planes, der zwar wirkte, aber seltsame Begleiterscheinungen zeigte.

Als er die Kellertür öffnete, hockte Hestia mitten im Raum auf den Boden und drückte noch immer den Wasserkrug an sich. „Immer noch durstig?"

„Nein, nicht mehr. Aber Hunger hab ich noch." Sie seufzte. „Ihr werdet mich verhungern lassen. Elben sind so, hat Marsden gesagt. Noch ein paar Tage und ich bin tot."

Erestor lehnte sich an den Türrahmen und verschränkte die Arme vor der Brust. Nachdenklich musterte er dieses schwache, sterbliche Geschöpf, das ihn beinahe das Leben gekostet hatte. „Willst du unbedingt sterben?"

„Manchmal schon. Es ist nicht leicht, wisst Ihr? Ah, nein, natürlich nicht. Ihr könnt so ein Leben nicht kennen. Ich habe keine Familie, ich hatte oft Hunger oder habe gefroren. Es ist alles besser geworden, seit Marsden sich um uns kümmert."

„Dafür tötest du Elben?"

„Elben töten Menschen."

„Sagt wer?"

„Marsden."

„Marsden", wiederholte Erestor leise. Immer wieder kam alles zu Marsden zurück. „Er hat euch auch hierher geführt."

„Ja", bestätigte sie und hielt sich den Magen. „Ich habe wirklich Hunger."

„Wo ist Marsdens Versteck?"

„Trollhöhen." Etwas erschrocken blinzelte sie. „Ihr habt mich verzaubert, damit ich es Euch verrate."

„Möglich", sagte Erestor. „Wo genau? Ich will jede Einzelheit wissen, Hestia. Jede!"

Keine halbe Stunde später schloss Erestor die Tür wieder hinter sich und überließ Hestia sich selbst. Wenn der Trank in seiner Wirkung nachließ, würde sie erkennen, dass sie zur Verräterin geworden war. Eine bittere Erfahrung für ein so junges Geschöpf, das nur die Loyalität zu Marsden zu bieten hatte, um ihren Platz in diesem Leben zu beschreiben.

Thranduils Gardehauptmann erwartete ihn. „Ihr habt erfahren, was wichtig war?"

„Alles und auch noch mehr", sagte Erestor langsam. „Dieser Trank ist ein zweischneidiges Schert, Hauptmann Forlos. Er bringt die Menschen zum Reden. Sie berichten auch von Dingen, die man gar nicht wissen will."

„Das ist die Natur der Wahrheit", meinte Forlos nach kurzem Schweigen.

Angesichts der Erfahrung, dass in Bruchtal nur wenig ein wirkliches Geheimnis blieb, war es nicht verwunderlich, dass sich an der Kellertreppe inzwischen noch mehr Wartende eingefunden hatten. Die Zwillinge hockten mit Galen und Leiloss auf den Treppenstufen, Varya hingegen war verschwunden, was sich aber auch daraus erklärte, dass mittlerweile Glorfindel und insbesondere Thranduil unter den Wartenden waren. Mitten drin stand Elrond und schien nicht wirklich erfreut von dem, was sich ohne sein Wissen abgespielt hatte.

„Sie lebt noch", kam Erestor seinen Vorwürfen zuvor. „Und wir sollten ihr ein anderes Quartier verschaffen. Ich denke nicht, dass Hestia jetzt noch Fluchtgedanken hat."

„Wie schön!" knirschte Elrond verärgert.

„Wissen wir jetzt, wo wir hin müssen?" fragte Thranduil.

Erestor nickte stumm. Er fühlte sich müde. Tage wie dieser waren selten, aber anstrengend. Einige ruhige Stunden wären ihm nun willkommen.

„Wir treffen uns alle in meinem Arbeitszimmer", verkündete Elrond. „In zehn Minuten."

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tbc

IchbinderTodNochmals ganz offiziell die Entschuldigung also und danke für das Review. Die Seite kenne ich und ich hab sogar dieses Essay vor einigen Monaten gelesen. Du hast übrigens Recht: im Englischen kommt der Wortwitz besser rüber. Aus diesem Artikel stammt sogar meine Annahme, dass man es ihnen ansieht. Und noch was: Klar kenn ich Monty Python. Ich liebe MP. Zu meinen Favoriten gehört die Organspender-Sequenz, die singenden Holzfäller und der Papagei ist tot.

Queen of Angmar: Thranduil hat das Weite gesucht. Zumindest ist er bis zur Terrasse gekommen. Irgendwie nicht sehr gut für die Gesundheit scheint mir, nicht mal bei einem Elb.

Was die Namen angehtIonnin sollte eigentlich für Mein Sohn stehen, ich hab ein Dach weggelassen. Und wie dir mit Sicherheit aufgefallen ist, hab ich mich völlig hemmungslos an deinen Vorschlägen bedient, dann aber doch einen kleinen Rückzieher bei der endgültigen Benennung gemacht. Du weißt, was Sûlhin heißt?

Kaya Unazuki: +energisches Kopfschütteln+ Das willst du nicht wirklich, dass ich ein Baby im Palast einquartiere. Nein, nein, ich will nicht.

lord elo: Schönen Urlaub wünsch ich dir. Hast du dir wohl auch verdient. Stimmt, die ersten Storys sind noch etwas holpriger als die letzte. Ich denke, das hat damit zu tun, dass man die Figuren selber noch nicht richtig kennt. Aber das ändert sich dann mit der Zeit und sie schreiben sich fast wie von selbst. Manchmal sind sie auch etwas tyrannisch, ist aber nicht zu ändern. Weißt du, irgendwie will ich mir gar nicht vorstellen, wie es ist, wenn Elrond wirklich sauer ist. Das Geplänkel zwischen Thranduil und Glorfindel ist dann wohl eher harmlos dagegen. Und ich war mir eigentlich sicher, dass die beiden zwar sauer sind, aber sich niemals ernstlich verletzen würden.

Serena: Immer noch schön? Diesmal war es der Feiertag, ich schwöre es. Wer will schon an einem Feiertag lesen? Und noch dazu über Erestor und seine langweilige Tagesroutine. Außerdem gab es da dieses kleine technische Problem mit einem Teil der Datei hier und einem Teil der Datei da. Tja, so ist es Samstag geworden.

Shelley: Glaub mir, ich bin auch sehr gespannt +seufz+. Das wird nicht einfach. Aber zumindest einige der Akteure stehen schon mal fest. Celeborn! Ich will Celeborn und den krieg ich auch. Wenn mir schon kein anderer Celeborn schenkt, dengel ich ihn mir eben selber zusammen. Das mit der Zeremonie hab ich auch irgendwo gelesen. Es galt als ziemliche Privatsache, die eigentliche Bindung. Und ich hatte nicht wirklich einen blassen Schimmer, wie ich daraus was öffentliches machen sollte. Okay, Borzo als Blumenmädchen hat natürlich einen gewissen Unterhaltungswert, aber die Zwillinge als Brautjungfern sind schon bedenklich.

Ja, aber nicht geklaut der Spruch, das war pure Absicht. Ich konnte nicht widerstehen, den Spruch von Boromir fand ich immer etwas bizarr und ich hab mich immer gefragt, ob man ihn nicht woanders unterbringen könnte.

feanen: Na, du gestresste Abiturientin? Alles noch i.o.? Lange kann es jetzt aber nicht mehr dauern. Dann hören wir vielleicht mal wieder was von Bob, dem Balrog? Vielleicht noch mal seine Version des Kampfes und wie er die verschmurgelten Reste Glorfindels nicht mehr aus dem Hemd gewaschen bekam?

Iary: ich wusste doch, das irgendwas nicht mit ihm stimmt. Ihm fehlt ein Ohr. Hast du die Rechnung vom Klonlabor nicht ganz bezahlt. Weißt du, wie der mit Sonnenbrille aussieht? Die sitzt ganz schief. +dreht cd mit RHPS den Saft ab+ Schluss mit amüsieren. Strafe muss sein.

Du bist ja auch noch gemein zu Forlos, dem Armen. Das hätte noch gefehlt, dass er mit Anhang wieder nach Düsterwald zieht. Und noch dazu so eine Ziege. Die würde nur hinter Legolas her sein und Forlos ganz unglücklich machen.

Ich kämpfe noch mit mir, ob Findel wirklich spitz kriegt, wer an seinem Schwert war. Sorry, an Ereinions Schwert, was ja noch viel schlimmer ist. Und noch drei Kapitel dürften genügen, denke ich. Dann wechsel ich mal kurz in andere Gefilde, Arenor um genau zu sein und grüble gleichzeitig, wie ich es drehe, dass Lothlorien ins Spiel kommt in einem möglichen Heiler 4.

MoonyTatze: Ich hoffe, deine Magenschmerzen sind wieder weg +Quark mit Ketchup, so was+ und der Aufsatz war ein echter Erfolg. Ich hab dir jedenfalls die Daumen gedrückt. Schon aus reinem Selbstschutz, damit ich nicht die Schuld bekomme.

Glorfindel-Tröster bist du also. Das wird ihn aber freuen. Ihn freut so was erschütternder Weise immer und er nutzt es auch aus. Jaja, ich weiß schon, der große Balrogtöter darf sich eben fast alles erlauben.

Hestia spricht, wie man sieht. Äh, ich meine hört. Sie quatscht sozusagen wie ein Wasserfall, auch wenn es nicht ganz freiwillig ist. Aber wer kommt schon gegen Elben an?

Ithiliell: Uh, nicht du auch noch. Nachwuchs in Düsterwald. Varya ist doch schon jung genug, da muss es doch nicht noch was Jüngeres sein. Außerdem hat Thranduil ja beinahe chronisch schlechte Laune. Wie der drauf ist, wenn sein jüngster Sproß ihm die Ohren wund schreit, will ich mir gar nicht erst vorstellen.

Und dann ist Varya ja auch noch sauer. Da muss Thranduil erst mal ein paar Jahrhunderte kleine Brötchen backen, bevor Legolas zum großen Bruder gemacht wird.

Loriel: Wie geht es dir? Ich hab mich richtig über dein Review gefreut. Aber ich warte immer noch auf eine Story von dir +mit Zaunpfahl wink+. Ein wenig Zauberei war hier schon im Spiel, Thranduil ist da wenn ich mich recht erinnere, gar nicht mal so unbewandert. Der Palast ist ja auch recht gut geschützt. Ich mag Elben immer dann am meisten, wenn sie entspannter sind. Wer hat eigentlich das Gerücht aufgebracht, dass die so bierernst herumgleiten.

Mi-EthirnDas erinnert mich an eine Review-Unterhaltung über die Frage, warum man irgendwie doch auf diese Mistkerle steht. Die Big Bads, die einem trotzdem quasi die Schuhe ausziehen. Ist wahrscheinlich die letzte große Herausforderung in einer Welt voller sensibler Weicheier, die sich lieber die Schuhe ausziehen lassen. Immer her mit der Kiste, übrigens. Da sag ich nicht nein, wenn ich Qualität umsonst bekomme.

Sarah0683: Sodele, das Namensproblem ist jetzt endgültig gelöst. Dabei bleibt es und basta. Ich hab mich übrigens inzwischen schlau machen lassen, war ein naturwissenschaftlicher Versager. Sie fallen gleich.

Und es war natürlich Gondolin und nicht Lindon. Keine Ahnung, wie ich auf Lindon gekommen bin. Eine gewissen Ähnlichkeit in der Aussprache ist zwar da, aber das ist auch alles. Wenn es funktionieren sollte, korrigiere ich das gleich mit dem Hochladen dieses Kaps.

Die Garde erlebt wirklich nicht gerade ihre Sternstunden. Aber Varya wäre doch gar nicht so schlimm. Sie hat ja keinen Zusammenstoß mit den Trollen gehabt und würde wohl auch kaum sehr ärgerlich sein. Eigentlich ist sie ja immer eine Freundliche. Es sei denn natürlich, man drückt ihr einen Ehemann aufs Auge, den sie zwar haben will, es aber doch irgendwie mit Rücksicht auf was weiß ich nicht nehmen möchte.

Varya konzentriert ihren Ärger jetzt lieber auf Thranduil. Der hat ja auch breite Schultern und die nötige Arroganz als Elbenkönig, um damit klarzukommen.

Wenn ich mir das Kapitel so genau begucke, muss es irgendwann im Frühling und nicht im Sommer spielen. Die haben alle so luftige Gefühle und sind auf der Suche nach heiratswilligen Spitzohren. Gut, eine der Parteien scheint regelmäßig etwas dagegen zu haben, aber geholfen hat es zumidnest Varya ja nicht sehr viel.

Ja, Sarah, Boromir mit so einer silbernen Langhaarperücke, heller Stimme und womöglich noch Gil-Galads weißem Schwert. Der Rat wäre nie zu einem Entschluss gekommen, weil sich alle vor Lachen von den Stühlen geschmissen hätten. Andererseits war sein Vater ja auch ein wenig gaga, das erklärt dann manches. Jetzt fragt sich nur noch, welches dunkle Geheimnis Faramir hütet. Ich hoffe nur, er ist nicht ein verkappter Osterhase und hoppelt einmal im Jahr durch Minas Tirith.

Luna: Schaun wir mal, was mit Heiler 4 ist. Leiloss ist noch da, wie man lesen konnte. Ich hab sie noch nicht mit Glorfindel zusammen gebracht, ist vielleicht auch besser so. Der Vanya wird mir immer rachsüchtiger. Alles nur wegen ein paar Trolle und die armen Wachen müssen dran glauben.

Chris: Langes Kapitel und diesmal ist es eigentlich auch nicht viel kürzer. Ich frag mich ernstlich, woran das liegt. Egal. Hat dir der Waffensaal gefallen? Vielleicht solltest du Glorfindel mal fragen, ob er ihn dir zeigt. Ich wette, der alte Schlawiner hat seine wahre Freude daran, Besucher herumzuführen. Aber nicht an das Schwert packen!

Was den Erkennungswert verheirateter Elben angeht, hab ich gelesen, dass man ihnen die Bindung sofort an ihrer Ausstrahlung, an den Augen anmerkt.

MoJaWenn ich mal ehrlich bin, hab ich eigentlich die erste Heiler-Story auch nur geschrieben, weil ich endlich einen Waldelbenkönig haben wollte, der nicht nur besoffen seinen Sohn tyrannisiert. Der Charakter hat mich immer fasziniert. Der einzig überlebende Elbenkönig, noch dazu in einem Reich, das an vorderster Front zu kämpfen hat. Mit ein paar Schwächen ebenfalls. Das musste einfach ein Elb sein, der sich von den anderen etwas unterschied.

Wie er mir jetzt geraten ist, war zwar nicht wirklich geplant, aber ich häng inzwischen an ihm und seinem stillen Sohn, der es faustdick hinter den Ohren hat.

AmélieEine Tüte Popcorn+grins+ setz mir doch nicht immer solche Bilder vor die Augen. Jetzt seh ich ständig die beiden Prachtelben da am Fuß der Treppe, der eine mit einer großen Tüte Popcorn, der andere mit einem Liter-Becher Cola, wie sie die Show genießen.

Maedcam! Ich hab es ja befürchtet. Galadriels Schneiderin und unfreiwillige Verlobte von Forlos. Haldir wird sich kaum beherrschen können, ihr die ganze Sache zu erzählen und dann…Diese Waldelben haben offenbar die Angewohnheit, sich immer zwangsweise die Mädels zu sichern. Mecker nicht über Thranduil, der hatte ja nun keine Alternativen mehr und außerdem hat ihm Elrond diesen elbischen Floh ins Ohr gesetzt.

Libby: Sorry wegen der Kapitelverschiebung zwischen .de und .ff. Ich hoffe, du hast Verständnis. Aber Besserung hab ich ja schon gelobt. Ja, Thranduil war wirklich fies, aber mal ehrlich, irgendwie auch umwerfend, gelle?