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Am Abend saßen wir gerade beim Abendessen, als das Gespräch plötzlich eine unangenehme Wendung nahm. Dally, der ebenfalls mit am Tisch saß, erzählte, dass sein Kumpel Buck ihm gerade gestanden hatte, dass er schwul sei. Mit einem angewiderten Gesichtsausdruck erzählte er, dass er das nie von ihm erwartet hätte und dass er gar nicht wüsste, wie er jetzt damit umgehen sollte. Seine erste Reaktion war gewesen, sich um zu drehen und ohne ein weiteres Wort das Haus zu verlassen. Aber jetzt fragte er sich, wie er sich weiterhin verhalten sollte. Ob er jemals wieder mit Buck reden sollte, ob er sich sorgen machen müsste, dass er was von ihm wollte und ob das nicht gesetzlich verboten sei. Also wollte er Darrys Meinung dazu hören.
Pony und ich warteten auf Darrys Reaktion wie zwei Verbrecher, die auf ihren Urteilsspruch warteten. Zuerst saß Darry nur mit seinem üblichen ernsten Blick da und hörte zu. Dann geschah das, was wir bereits befürchtet hatten, sein Gesicht verzog sich zu einer Grimasse.
„Also ich würde mich von seiner Wohnung fernhalten wenn ich du wäre. Wer weiß, vielleicht beobachtet er dich jedes Mal wenn du bei einer seiner Partys im Schlafzimmer verschwindest. Oder wenn du duschst…"
„Also meinst du auch ich soll nichts mehr mit ihm zu tun haben?", fragte Dally und rührte mit dem Löffel in seiner Kaffeetasse.
„Sicher ist sicher", nickte Darry.
„A…Aber ihr seid doch Freunde…", warf Pony leise ein. Ich sah zu ihm herüber, er sah schlecht aus. Dally sah ihn überrascht an, dann antwortete er: „Klar sind wir das. Aber Darry hat Recht. Was, wenn er mich die ganze Zeit beobachtet? Ich kann mir jetzt nicht mal ein neues Hemd anziehen wenn er dabei ist".
„Nur weil er… auf Männer steht, heißt das doch nicht, dass er bei jedem Jungen Hintergedanken hat", widersprach Pony, immer noch mit leiser Stimme.
„Weißt du's? Ich finde es auf jeden Fall ekelig!" Dallys harsche Worte brachten Pony zum Schweigen.
„Genau, und es ist unnormal", stimmte ihm Darry zu.
„Aber, das macht sie doch nicht automatisch zu schlechten Menschen…", versuchte Pony es erneut, diesmal mit einem fast verzweifelten Unterton. Ich konnte nur hoffen dass die beiden das nicht bemerkten...
„Ach wer weiß schon was in den Köpfen von solchen Kranken abläuft", knurrte Dally und starrte auf den Tisch.
„D…Denkst du auch so, Darry? Das solche Leute krank sind?", mischte ich mich jetzt ein. Aber tief im Inneren wollte ich die Antwort gar nicht hören.
„Also normal ist das jedenfalls nicht! Vermutlich ist es eine psychische Sache. Schlechte Kindheit oder so. Es wird schon seinen Grund haben, warum es verboten ist" antwortete Darry fest und ich wünschte, ich hätte nicht gefragt.
„Aber…", begann Pony erneut, „wenn es verboten ist und Buck es dir trotzdem erzählt hat, heißt das doch, dass er dir vertraut. Weil du sein Freund bist".
„Vielleicht wollte er ja auch nur heraus finden ob ich bereit wäre, mit ihm ins Bett zu steigen", meinte Dally grimmig.
„Du solltest mit ihm darüber reden… es muss furchtbar für ihn sein. Erst muss er es die ganze Zeit geheim halten und als er endlich den Mut aufbringt, es dir zu erzählen, rennst du weg und willst nichts mehr mit ihm zu tun haben. Nur weil du Angst hast…"
„Ich habe keine Angst!", fuhr Dally ihn an und Pony zuckte zusammen. Aber ich sah, dass Dally über Ponys Worte nachdachte. So wie ich das sah, wollte er auch weiterhin gerne mit Buck befreundet sein, aber da er sich mit dem Thema noch nie auseinander gesetzt hatte wusste er jetzt nicht, ob es richtig war. Darum war er auch zu uns gekommen.
Plötzlich bemerkte ich, dass Darry Pony misstrauisch ansah. Es war gewöhnlich nicht Ponys Art so vehement auf einen Standpunkt zu beharren und seine Position derart zu verteidigen, schon gar nicht gegenüber Dallas, vor dem er immer großen Respekt hatte.
„Natürlich können wir nicht wissen wie das ist", warf ich deshalb schnell ein, „aber ich habe mal im Fernsehen gesehen, dass es genetisch bedingt sein soll. Also können die Leute da gar nichts für und wenn Dally Buck schon immer gemocht hat, dann sollte er ihn auch weiterhin mögen, denn dann war er schon immer… so". Ich könnte mich täuschen aber ich glaubte, einen Funken Hoffnung in Dallys Augen gesehen zu haben.
Darry gab nur ein unzufriedenes Knurren von sich, sagte aber nichts. Stattdessen stand er auf und begann, dass Geschirr abzuräumen und abzuwaschen. Dabei waren wir noch gar nicht fertig mit Essen.
Später, als Dally wieder weg war und ich mich gerade im Badezimmer fürs Schlafengehen fertig machte, hörte ich plötzlich Darrys Stimme nebenan aus der Küche.
„Warum hast du Buck eben so verteidigt?"
„Ich… ich weiß nicht… ich fand es einfach nicht richtig…" Ponys Stimme war so leise, dass ich ihn kaum verstand.
„Ich habe das Gefühl, dass hier irgendwas faul ist. Willst du mir vielleicht irgendwas sagen?" Oh shit! Pony konnte ja vieles, aber er konnte seinen Bruder nicht anlügen. Ich musste handeln. Schnell eilte ich nach nebenan in die Küche und rief: „Pony, ich bin fertig im Bad. Du kannst jetzt rein". Darry sah mich finster an. Aber ich hatte erreicht was ich wollte, Pony warf Darry einen letzten Blick zu, dann ging er so schnell es ging an mir vorbei ins Bad. Dafür wandte Darry sich jetzt mir zu.
„Soda…erzähl mir mehr von Ponys Freundin. Warum will er sie uns nicht vorstellen!" Es war keine Frage, es war eine Aufforderung. Oh. Mein. Gott. Da hatten wir den Salat.
„Na ja… sie ist… ihre Eltern… sie ist eine Soc und sie will nicht, dass jemand von ihr und Pony erfährt, verstehst du… Ihre Eltern und Freunde würden es nicht akzeptieren und vor uns hat sie Angst…", log ich.
„Sag Pony, er kann sie uns ruhig einmal vorstellen, wir tun ihr schon nichts, egal wer sie ist", erklärte Darry und wandte sich wieder dem Geschirr zu.
Mit einem komischen Gefühl im Magen ging ich in dieser Nacht zu Bett. Ausnahmsweise kuschelten Pony und ich auch nicht mehr wie sonst, sondern blieben still nebeneinander liegen und warteten darauf einzuschlafen.
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Genau eine Woche verging, ohne dass etwas nennenswertes passierte. Aber wenn ich gedacht hatte, dass Darrys Misstrauen sich mit der Zeit legen würde, hatte ich mich geirrt. Ihm waren in letzter Zeit einfach zu viele Ungereimtheiten aufgefallen und er wurde von Tag zu Tag misstrauischer. Er wusste, dass etwas im Busch war und es ärgerte ihn ohne Ende, dass er nicht dahinter kam, was es war.
Plötzlich hatte ich eine Idee, wie wir Darry etwas Entspannung verschaffen konnten. Wie wir alle liebte er die Natur und da er, anders als die Jahre zuvor, Samstags nicht arbeiten musste schlug ich vor, dass wir doch alle gemeinsam mal aus der Stadt raus und aufs Land fahren könnten. Bäume sehen, vielleicht im Wald spazieren gehen. Das größte zusammenhängende Stück Grün, was Darry seit Jahren gesehen hatte, war der Park. Klar kostete das Spritgeld, aber ich überzeugte ihn, dass es das wert war. Vor allem, wo er doch jetzt die berufsinternen Fahrten bezahlt bekam. Und je länger Darry darüber nachdachte, desto besser gefiel ihm die Idee, ich konnte es ihm ansehen. Dazu kam, dass das Wetter auch noch ausgesprochen schön war – perfektes Picknick Wetter.
So stimmte Darry bald zu und ich lief sofort zu Pony, um ihm von unserem Ausflug zu erzählen. Als er davon hörte geriet er vollkommen aus dem Häuschen. Ich denke von uns dreien vermisste er die freie Natur am meisten. Als unsere Eltern noch gelebt hatten, hatten wir oft Ausflüge aufs Land unternommen. In Windeseile zog er sich seine Lieblingshose und ein frisches Hemd an und stand nach knapp zehn Minuten abflugbereit in der Tür. Auch Darry und ich zogen uns ordentliche Klamotten an und Darry griff sich noch ein paar Geldscheine, damit wir uns unterwegs noch etwas zu Essen kaufen konnten.
Pony ging das alles noch viel zu langsam. Aufgekratzt sprang er die Veranda hinunter und rannte zum Auto wo er ungeduldig auf uns wartete. Um ihn ein bisschen zu ärgern ließen wir uns weit mehr Zeit als nötig gewesen wäre und grinsten ihn nur gelassen an, während er uns drohte, was er alles mit uns anstellen würde, wenn wir unsere Ärsche nicht endlich in Bewegung setzen würden.
Nachdem ich den Kampf mit Pony um den Beifahrersitz zu meinen Gunsten entschieden hatte, saßen wir endlich alle im Wagen und Darry fuhr los zum nächsten Supermarkt. Dort deckten wir uns mit Sandwiches, Getränken und Keksen ein. Gerade wollten wir den Parkplatz wieder verlassen, als uns plötzlich Witz Matthews vor den Wagen sprang. Hätte Darry nicht eine Vollbremsung hingelegt hätte er ihn voll erwischt. Aber Witz schien das gar nicht bemerkt zu haben. Mit seinem üblichen breiten Grinsen lehnte er sich bei mir ins herunter gelassene Fenster.
„Na ihr drei Hübschen, wo wollt ihr denn hin?", fragte er, ohne seine Zigarette aus dem Mund zu nehmen. Eine unbedachte Kopfbewegung von ihm und sie würde mir auf den Schoß fallen und Löcher in meine Hose brennen.
„Wir fahren aufs Land", erklärte Pony fröhlich. Statt einer Antwort zog Witz nur eine Augenbraue hoch und sah Darry und mich fragend an. Als ich nickte und Darry ihm weiterhin böse Blicke wegen seinem Stunt von eben zuwarf, wurde sein Grinsen noch breiter und ich bekam echt Angst um meine Hose. Aber nichts passierte und Witz schaffte es sogar, deutlich die Worte: „Cool, kann ich mit kommen?" hervor zu bringen. Natürlich durfte er mitkommen. Und während sich hinter uns schon eine beträchtliche Fahrzeugschlange gebildet hatte, stieg Witz zu Pony auf den Rücksitz und mit quietschenden Reifen verließen wir den Parkplatz.
Es dauerte ewig bis wir aus dem dichten Stadtverkehr raus waren und Darry hatte Witz mehr als ein Mal gedroht, ihn an der nächsten Kreuzung raus zu schmeißen, sollte er nicht endlich seine Klappe halten. Aber Witz wäre nicht Witz, wenn er sich dadurch vom Witze Reißen und Rumalbern hätte abhalten lassen. Und Pony, der ja sowieso schon so ausgelassen war, ließ sich natürlich sofort anstecken. Und ich muss sagen, im Gegensatz zu Darry bin ich schon einiges gewöhnt von den beiden und abgehärtet. Aber an dem Tag übertrafen sie sich doch selber und auch ich verlor mehr als nur ein Mal die Geduld. Irgendwann hatte Darry dann endgültig die Schnauze voll und hielt am nächst besten Parkplatz an. Zu meinem großen Ärgernis mussten Pony und ich Plätze tauschen, so dass der Kleine nach vorne durfte, obwohl ich doch eigentlich gewonnen hatte. Aber ich sah ein, dass es so das Beste war. Und niemand wollte Witz Matthews neben sich sitzen haben, wenn er Auto fuhr. Das war schlichtweg die Hölle, vor allem wenn er so aufgekratzt war wie jetzt.
Also stieg Pony mit einem siegessicheren Grinsen nach vorne und ich setzte mich hinter ihm auf die Rückbank. Aber ich ließ es mir nicht nehmen, ihm mein Knie mit voller Kraft in die Rückenlehne zu donnern. Von da an verlief die Fahrt einigermaßen ruhig. Witz versuchte zwar jetzt mich zu ärgern, aber ich ging nicht darauf ein und so gab er es nach einer Weile auf. Auch Pony wurde vorne etwas ruhiger und konzentrierte sich auf die Lieder im Radio, während er leise mitsang.
Wir hatten die Stadt noch nicht lange verlassen, da ließ Witz plötzlich verlauten, er habe Hunger. Sofort fing auch Pony an. Und auch wenn ich es nicht wahrhaben wollte, die Idee, jetzt etwas zu essen, klang sehr verlockend. Darry erklärte sofort, dass er nicht anhalten würde und dass es auch noch nichts zu essen gäbe. Wir würden uns doch wohl noch die letzten paar Meter gedulden können. Aber wir konnten nicht und so jammerten wir so lange, bis Darry wutschnaubend nachgab und am Straßenrand anhielt.
„Meinetwegen, dann hol die Kekse aus dem Kofferraum, aber beeil dich!", knurrte er und ich lief sofort um sie zu holen. Ich hatte die Tür noch nicht richtig geschlossen, da fuhr er bereits weiter.
„Und wehe ihr krümelt mir hier alles voll!", drohte er. Und nachdem Witz und Pony versorgt waren und zufrieden an ihren Keksen knabberten, nahm auch er einen an.
Es dauerte noch fast eine dreiviertel Stunde, bevor wir unser Ziel endlich erreicht hatten. Über einen holprigen Feldweg waren wir zu einer Stelle gekommen, an der wir das Auto parken konnten, von dort aus mussten wir zu Fuß weiter. Pony war, gleich nachdem er aus dem Auto gesprungen war, auf die Wiese gelaufen und hatte mehrere Räder geschlagen. Er war wirklich vollkommen euphorisch. Irgendwann kam er angeschossen, schlug Witz auf den Arm und rief: „Du bist!". Damit war das Spiel eröffnet und wir vier jagten wie die Bekloppten über die Wiesen und spielten Fangen wie kleine Kinder. Es machte unbeschreiblich viel Spaß. Die Sonne war warm, die Vögel im nahen Wald sangen und der seichte Wind war angenehm kühl auf unseren erhitzten Gesichtern.
Aber irgendwann waren wir alle so erschöpft, nichts in der Welt hätte uns dazu bringen können uns noch einen Meter zu bewegen. Vollkommen fertig ließen wir uns zu Boden sinken und lagen einfach nur keuchend da. Ich fühlte mich so wohl, es hätte nicht mehr viel gefehlt und ich wäre eingeschlafen. Aber kurz bevor das passierte, stand Darry auf, ging zum Feldweg zurück und sammelte unsere Sachen auf, die wir dort in einer Plastiktüte hatten liegen lassen. Er rief uns zu, wir sollten aufstehen, aber keiner von uns machte Anstalten, ihm zu folgen. Plötzlich hagelten kleine Hölzer und Grasbüschel auf uns nieder und in Windeseile waren wir auf den Beinen.
Nach einem Fußmarsch von etwa zehn Minuten erreichten wir schließlich den Waldrand.
„Ich hoffe, wir werden nicht von irgendwelchen Zecken aufgefressen", murmelte ich, während Pony bereits wieder voraus lief.
Nachdem wir eine Weile querfeldein durchs Unterholz gestapft waren, stießen wir plötzlich auf einen kleinen Trampelpfad und wir beschlossen, ihm zu folgen. Mit jedem Schritt war ich froher, den Einfall zu diesem Ausflug gehabt zu haben. Der Boden war weich und übersäht mit Moos, Nadeln und Blättern und die Bäume waren hoch und ihre Kronen waren so dicht, dass sie angenehmen Schatten spendeten. Ich hatte schon fast vergessen wie ein Wald duftet, es war herrlich.
Darry und ich hatten eine Wette abgeschlossen, wer mehr Tiere sehen würde – es zählte alles was Kaninchengröße hatte oder drüber – während Witz die Tüte trug und von jedem Baum oder Busch Blätter abriss und sie eingehend betrachtete. Bei jedem Blatt erklärte er, es sei das schönste und perfekteste, welches er je gesehen hätte und bereits beim nächsten Blatt änderte er seine Meinung wieder. Ich glaube, Witz war überhaupt noch nie aus der Stadt heraus gekommen, jedenfalls machte es den Eindruck.
Pony hatten wir inzwischen ganz aus den Augen verloren. Doch plötzlich kam er dicht vor uns aus dem Gebüsch gesprungen und jagte uns, die wir gerade angestrengt einem Hasen auflauerten, einen Heiden Schrecken ein.
„Ich hab einen super Platz gefunden, wo wir essen können!", rief er freudig und hüpfte um uns herum. Seine Schuhe hatte er ausgezogen und an den Schnürsenkeln zusammengebunden in der Hand.
„Mensch Pony, zieh deine Schuhe wieder an, wer weiß, was hier alles rum liegt", sagte ich, aber Pony schüttelte den Kopf.
„Ich pass schon auf. Und so ist es viel schöner, solltet ihr auch machen!"
„Nee, lass mal besser. Das ist mir zu piksig mit den ganzen Nadeln und alledem", meinte ich abwinkend. Aber Witz fand die Idee toll. Schnell zog auch er Schuhe und Strümpfe aus und stakste dann unsicher hinter Pony hinterher.
„Wie weit ist es denn noch!", fragte Darry, nachdem wir bereits seit über fünf Minuten hinter Pony hergegangen waren.
„Nicht mehr weit, da vorne ist es schon", antwortete er und Darry und ich reckten etwas die Hälse um besser sehen zu können. Und endlich erreichten wir die Stelle. Vor uns schlängelte sich ein kleiner Bach und ein paar Schritte weiter war eine kleine Lichtung, auf der wir alle genügen Platz hatten um uns auszustrecken. Pony hatte nicht übertrieben, der Ort war perfekt. Auch Darry und Witz waren ganz begeistert und Pony war stolz, einen so schönen Platz gefunden zu haben.
„Wird aber auch Zeit, ich habe nämlich großen Hunger", erklärte ich und ging am Ufer des Baches entlang bis ich auf der Lichtung ankam, wo ich mich ins Gras fallen ließ. Bald ließen sich auch die anderen neben mir nieder und Witz schüttete den Inhalt der Plastiktüte vor uns aus. Wie gut, dass wir es gewohnt waren, immer mehr zu kaufen als eigentlich nötig, da ja immer jemand da war, der es aufaß. So war auch dieses Mal genug für alle da. Gierig stürzten wir uns auf die Sandwiches und die übrig gebliebenen Kekse. Zum Abschluss zauberte Pony noch eine Tüte Weintrauben hervor, die er wohl im Laden hatte mitgehen lassen. Darry guckte etwas tadelnd, sagte aber nichts. So ließen wir uns alle noch die Weintrauben schmecken, wobei wir versuchten, uns gegenseitig die Weintrauben in den Mund zu werfen. Darry konnte das richtig gut, er fing fast alle auf, ich hingegen nur eine einzige und die hatte Pony direkt über meinem Mund fallen lassen.
Nachdem wir auch die letzten Trauben wieder vom Boden aufgesammelt hatten, ließen wir uns satt und zufrieden zurück fallen. Ich glaube, eine Traube müssen wir übersehen haben, denn als ich später wieder aufstand, hatte ich einen dicken, runden Fleck auf meinem T-Shirt. Aber vorerst lagen wir alle im Gras und betrachteten die Wolken und die Blätter über uns. Wenn die Sonne von oben durch die Baumkronen schien, leuchteten die Blätter saftig grün und ich beschloss, dass dieses Grün von nun an meine Lieblingsfarbe war. Witz und Darry spielten Wolkenraten, aber nachdem sie sich partout nicht einigen konnten, ob die letzte Wolke eher wie ein Kaninchen oder eher wie ein Fußballer ausgesehen hatte, gaben sie es auf und lagen einfach schweigend da. Es dauerte nicht lange und ich war eingeschlafen.
Lautes Geschrei weckte mich eine Weile später wieder auf. Verschlafen richtete ich mich auf und konnte im ersten Moment gar nichts sehen, weil die Sonne so blendete. Die anderen lagen nicht mehr neben mir, aber als ich mich umsah, fand ich sie unten am Bach. Dort stand Darry und hatte sich Pony über die Schulter geworfen, dieser zappelte und schrie wie am Spieß. Witz stand daneben und hielt sich vor Lachen den Bauch.
Gespannt sah ich zu, was Darry mit Pony vorhatte, auch wenn ich schon so eine leise Ahnung hatte.
„Das wird dich lehren, mir nicht irgendwelche Sachen in den Mund zu stopfen während ich schlafe!", rief Darry und griff den immer noch wie verrückt zappelnden Pony, bevor er ihn mit einem lauten Platsch in den Bach fallen ließ. Witz konnte sich nicht mehr halten vor Lachen und wäre beinahe hinterher gestürzt. Darry blickte zufrieden grinsend auf den armen Pony hinab, der bis zum Oberkörper im Wasser saß. Ich war inzwischen aufgestanden, um mir das Spektakel von nahem zu betrachten. Aber als ich Pony da so sitzen sah musste ich auch lachen. Er saß breitbeinig auf dem steinigen Grund des Baches, während sich sein T-Shirt zusehends mit Wasser voll sog und funkelte Darry böse an.
„Ich kann's nicht glauben dass du das getan hast!", rief er wütend und schlug mit der Hand aufs Wasser, so dass es nur so spritzte.
„Und du hör auch auf zu Lachen!", rief Pony mir zu und stand auf. Schwerfällig kämpfte er sich die kleine Böschung hinauf und stand plötzlich triefend und tropfend vor mir. Ich hatte gerade noch genug Zeit mich umzudrehen um wegzulaufen, bevor er sich auf mich stürzte und damit meine schönen, trockenen Sachen vollkommen durchnässte.
Pony und ich wälzten uns auf dem Boden herum, bis ich es endlich geschafft hatte, mich los zu reißen und mit einem großen Satz über den Bach sprang. Aber ich hatte mich verschätzt, er war doch breiter als erwartet und so währe ich fast rückwärts rein gefallen, hätte ich mich nicht im letzten Moment an irgendeinem Gestrüpp festhalten können. Als ich wieder Halt gefunden hatte, zog ich mich auf dem Bauch weiter, bis ich wieder festen Boden unter den Füßen hatte. Die Böschung war hier doch um einiges steiler als auf der anderen Seite.
„Komm doch her wenn du dich traust!", rief ich und streckte Pony die Zunge raus. Ich wusste, dass Pony nicht so weit springen konnte wie ich, schon weil er kleiner war. Und wenn selbst ich es nur knapp geschafft hatte, würde Pony es auf keinen Fall ganz bis hinüber schaffen.
„Was denn? Kannst du etwa nicht so weit springen? Oder traust du dich nur nicht? Dann musst du wohl unten durch", neckte ich und warf Pony ein leeres Schneckenhaus an den Kopf, welches ich soeben entdeckt hatte.
„Ja kleiner Bruder, wir warten. Was ist denn nun?", meinte Darry grinsend und wich nur knapp einem Schwinger von Pony aus. Als dieser zu einem zweiten ansetzte, nahm Darry einen kleinen Anlauf und sprang zu mir hinüber. Er schaffte es ohne Probleme, er war halt viel trainierter als wir beide.
„Hey, wartet auf mich!", rief jetzt Witz, trat ein paar Schritte zurück und versuchte ebenfalls sein Glück. Auch er schaffte es, wenn auch knapp. Aber mit vereinten Kräften gelang es uns, ihn zu uns hoch zu ziehen. Nun standen wir alle breit grinsend da und sahen zu Pony herüber. Ich wusste es war eine schlechte Idee gewesen, denn ich kannte Ponys Stolz. Spätestens jetzt würde er auf jeden Fall versuchen, zu uns hinüber zu kommen, koste es was es wolle.
„Ihr werdet schon sehn! Wartet's nur ab!". Damit ging er mehrere Schritte zurück und machte ein paar Probe Hüpfer. Er atmete einmal tief ein und rannte los. Aber er sprang viel zu früh ab. Mit einem lauten Klatsch landete er im Wasser und stieß sowohl Schmerzens- als auch Frustrationsschreie aus. Als wir drei zu ihm runter sahen, saß er erneut auf dem Hosenboden und Wassertropfen rannen ihm übers Gesicht. In den Händen hatte er ein paar Grashalme, das hieß er hatte die Böschung zum Mindest berührt. Ich weiß es war fies, aber wir konnten nicht anders als zu applaudieren und Pony damit noch wütender zu machen. Während er mit aller Kraft versuchte, sich an der glitschigen Böschung hoch zu ziehen, zogen Darry und ich schnell unsere Schuhe aus, denn in den Turnschuhen hatten wir viel zu wenig Halt. Wir warfen die Schuhe hinüber auf die andere Seite, wobei Darry seine bis in den Wald hinein schleuderte. Er musste wirklich lernen, seine Kräfte etwas besser zu beherrschen. Aber jetzt begriff ich, warum Pony sich geweigert hatte, seine Schuhe wieder an zu ziehen. Mir wurde bewusst, wie lange es her war, dass ich barfuß über Gras gelaufen war. Bei uns zu Hause gab es kein Gras und die Wiesen im Park waren voller Hundehaufen und Scherben, da konnte kein vernünftiger Mensch barfuß laufen. Auch Darry schien das Gefühl von frischem Gras unter seinen Füßen zu genießen, denn er lief hin und her und versuchte mit den Zehen einzelne Grashalme auszurupfen. Ich fand das so spannend, dass ich nicht mehr auf Pony achtete. Ein Fehler. Denn plötzlich schoss seine Hand empor und fasste mich am Fußgelenk. Mit einem heftigen Ruck brachte er mich zu Fall und ich rutschte unaufhaltsam die Böschung hinunter. Ich versuchte noch, mich irgendwo fest zu halten, aber ich schaffte es nicht. So landete ich neben Pony im Wasser und konnte nur einen lauten Fluch ausstoßen. Jetzt waren meine Klamotten vollständig nass. Während der Übeltäter ein paar Schritte entfernt stand und nur schadenfroh lachte. Na warte, der konnte was erleben. Mit lautem Indianergeheul warf ich mich auf ihn und drückte ihn unter Wasser. Aber ich hatte seine Stärke unterschätzt, denn es dauerte nicht lange und ich war derjenige, dessen Kopf unter Wasser gedrückt wurde. Nicht sehr angenehm. Doch plötzlich merkte ich, wir neben mir jemand ins Wasser sprang und Ponys Hand verschwand von meinem Kopf. Endlich konnte ich wieder auftauchen und nach Luft schnappen. Da sah ich, dass Darry meinen kleinen Bruder in den Schwitzkasten genommen hatte, während Witz vor ihm stand und ihm Wasser ins Gesicht spritzte.
„Ja, du hast es nicht anders verdient du kleines Blag!", rief ich Pony zu und weidete mich an seinem hilflosen Strampeln. Gegen Darrys Griff hatte er sowieso keine Chance, das wusste er doch. Es dauerte nicht lange und die ganze Sache artete in eine jeder-gegen-jeden Wasserschlacht aus.
Leider hat auch die schönste Wasserschlacht einmal ein Ende, und zwar dann, wenn man anfängt zu frieren. Und nicht nur mir machten die kalten, nassen Klamotten langsam zu schaffen, auch Pony zitterte bereits wie Espenlaub. Aber ihm war sowieso immer schnell kalt. Also beendeten wir die Sache damit und stiegen aus dem Wasser. Nachdem wir unsere Shirts und die Jeans zum Trocknen ausgebreitet hatten, legten wir uns erneut auf das weiche Moos auf der Lichtung und dösten vor uns hin. Pony hatte sich dicht neben mich gelegt und ich musste mich immer wieder beherrschen, mich nicht einfach an ihn zu kuscheln, so wie zu Hause im Bett.
Ich bin mir nicht sicher, aber ich glaube ich bin wieder eingeschlafen, denn als ich mich später wieder aufsetzte, war es bereits kurz vor sechs und Pony lag auch nicht mehr neben mir. Er saß ein paar Schritte entfernt im Schneidersitz und versuchte aus den Gänseblümchen, die überall um uns herum wuchsen, einen Kranz oder eine Kette oder so was zu flechten. Ihm gegenüber saß Darry und kaute auf einem Grashalm herum, während er gedankenverloren vor sich hin starrte. Hätte er mehr angehabt als nur seine Unterwäsche, hätte er richtig draufgängerisch ausgesehen. Witz lag etwas weiter weg und schnarchte ziemlich lautstark.
„Was machst du da?", fragte ich und krabbelte zu meinen Brüdern hinüber.
„Das siehst du doch, ich flechte einen Blumenkranz".
„Ja, wie ein Mädchen", murmelte Darry. Pony warf ihm einen bösen Blick zu und entgegnete: „Das sagst du doch nur, weil du es nicht kannst".
„Ich habe jedenfalls nicht vor, es zu versuchen".
„Aber ich will es versuchen. Sieht nicht so schwer aus", meinte ich und pflückte drei Blumen. Ich hatte schon einmal einem Mädchen die Haare geflochten. Lange, braune Haare, ganz weich und schön. Ich versuchte mich daran zu erinnern, wie es ging und probierte ein bisschen herum. Bald fiel es mir wieder ein, aber irgendwas schien ich dennoch falsch zu machen. Ponys sah ganz anders aus als meins. Also beobachtete ich ihn eine Weile und stellte fest, dass er es vollkommen anders machte als ich. Kein Wunder, dass meins nichts wurde. Anscheinend konnte man Blumen also doch nicht so flechten, wie man Haare flocht. Nun, mir sollte es Recht sein. Mit Ponys Hilfe schaffte ich es, einen recht ordentlichen Blumenzopf hin zu bekommen. Darry quittierte meine Bemühungen lediglich mit einem Knurren und dem Kommentar, dass wir beide Mädchen sein und das bloß zu Hause niemandem erzählen sollten. Wir ließen uns davon nicht abhalten und als wir fertig waren, verbanden wir unsere beiden Ketten zu einem Kranz, den wir Darry umhängen wollten. Aber der sträubte sich und so legten wir ihn dem schlafenden Witz um den Hals, welcher davon nichts mitbekam. Während wir beide gespannt auf Witz Reaktion warteten, ging Darry los und suchte seine Schuhe. Anschließend sah er nach unseren Klamotten und erklärte, dass sie inzwischen getrocknet sein.
„Weckt Witz auf, ich will noch etwas spazieren gehen", befahl er. Sofort nahm Pony einen langen, buschigen Grashalm und begann, Witz damit im Gesicht zu kitzeln. Ich benutzte einen anderen, um ihn an der Schulter und am Oberarm zu kitzeln, wo er erfahrungsgemäß sehr empfindlich war. Nachdem er sich ein paar Mal mit der Hand am Arm und im Gesicht gekratzt hatte, dauerte es nicht lange, und er öffnete genervt die Augen.
„Was glaubt ihr beiden eigentlich, was ihr da tut!", fragte er und schnappte Pony den Grashalm weg. In einer einzigen Bewegung sprang er auf und versuchte nun seinerseits Pony mit dem Grashalm zu kitzeln. Plötzlich bemerkte er die Blumenkette.
„Was ist das!", fragte er und starrte ungläubig auf die Blumen um seinen Hals.
„Die haben Pony und ich gemacht. Eigentlich war sie ja für Darry gedacht, aber der sträubt sich. Und im Nachhinein betrachtet steht sie dir sowieso viel besser", grinste ich. Witz klatschte in die Hände und rief mit gespielter Verzückung: „Wie hübsch! So was habe ich mir ja schon immer gewünscht!", bevor er Pony und mir Kusshände zuwarf.
„Hilfe, ich bin von Verrückten umgeben!", stöhnte Darry.
„Ja, muss wohl in der Familie liegen…"
„Wie bitte…" Darrys vernichtender Blick traf mich und ich hatte gerade noch genug Zeit auf zu springen, bevor er auf mich zugesprintet kam, um mir das Fell über die Ohren zu ziehen für diese freche Bemerkung. Aus Angst um mein Leben rannte ich in den Wald, aber da ich barfuß war und Darry seine Schuhe bereits wieder anhatte, hatte er mich schnell eingeholt und hielt mich mit festem Griff fest. Gerade wollte er mir zeigen wo's lang ging, als wir einen Hund bellen hörten. Ziemlich laut und ziemlich nah. Und im nächsten Augenblick tauchte vor uns ein Mann aus dem Gebüsch auf, ein Angler wie's aussah. Vorsichtig aber entschlossen sah er Darry und mich an, vor allem Darry.
„Was geht hier vor?", fragte und kniff die Augen zusammen. Erst da wurde mir bewusst, was für ein Bild wir beide hier mitten im Wald abgeben mussten. Schnell wand ich mich aus dem Griff meines Bruders und sagte hastig: „Es ist nicht so wies aussieht! Das ist mein Bruder, wir haben nur ein bisschen herum gealbert". Der Mann musterte Darry und mich noch immer misstrauisch. Im Gegensatz zu mir schien Darry die ganze Sache gar nicht peinlich zu sein – warum auch, er war ja auch nicht halbnackt, so wie ich. Stattdessen zündete er sich lässig eine Zigarette an und sah dem Mann unverwandt in die Augen. Dem wurde Darrys starrender Blick bald unangenehm und er wandte sich wieder mir zu.
„Bist du sicher, dass alles in Ordnung ist? Ich habe einen Hund…"
„Nein, nein, es ist alles in Ordnung. Machen Sie sich keine Gedanken. Wir waren nur ein bisschen im Bach baden", versicherte ich und hoffte, dass der Mann mir glauben würde. Gerade wollte er zu einer Antwort ansetzen, als plötzlich Pony im Gebüsch auftauchte. Erleichtert stellte ich fest, dass er zum Mindest seine Hose angezogen hatte.
„Hey Darry, Soda wo bleibt ihr denn, wir… oh, hallo…was ist denn hier los?"
„Nichts, wir klären gerade ein Missverständnis", erklärte ich, während Pony irritiert zwischen Darry, mir und dem fremden Mann hin und her blickte.
„Und wer ist das?", fragte der Mann und musterte Pony eingehend.
„Auch mein… Bruder", sagte ich und überlegte mir, wie unglaubwürdig die ganze Sache klang. Drei Brüder im Wald, davon zwei halb nackt… Mein Gott war mir das peinlich. Aber ich kam nicht mehr dazu, weiter darüber zu grübeln, denn in dem Moment entdeckte Pony den Hund zu den Füßen des Mannes. Er war groß und schwarz und sah ziemlich unfreundlich aus.
„Wie süß", rief Pony, „was ist das für einer? Wie heißt er?"
„Ein Schäferhund Mischling, ihr Name ist Kim", erklärte der Mann mit einem leichten Anflug von Stolz.
„Darf ich sie mal streicheln?", fragte Pony und sah den Hund begeistert an. Als der Mann nickte machte er langsam ein paar Schritte auf den Hund zu und hielt ihm seine Hand entgegen. Sofort begann das schwarze Riesenvieh aufgeregt daran zu schnüffeln. Ihm schien zu gefallen was er roch, denn er ließ es ohne weiteres zu, dass Pony ihm über den Kopf streichelte. Er begann sogar fröhlich mit dem Schwanz zu wedeln und Pony fasste das strahlend als Einladung auf, den ganzen Hund von Kopf bis Fuß zu streicheln und zu tätscheln. Als er sich vor ihm auf die Knie ließ, leckte er ihm sogar die Hände ab und als er einen Moment lang mit den Streicheleinheiten inne hielt, um Darry und mich anzusehen, stupste er ihn vorwurfsvoll an den Arm.
„Ich glaube sie mag dich", meinte der Mann lächelnd und tätschelte dem Hund stolz den Kopf.
„Ja, ich glaube auch", freute sich Pony und fing an, auf den Hund einzureden. Mir persönlich gefiel die ganze Sache nicht, ich traute dem Vieh nicht über den Weg. Ich wartete nur darauf, dass der Hund sich jeden Moment auf meinen kleinen Bruder stürzte.
„Darry, ich will auch so einen Hund haben!", sagte Pony verzückt. Darry schnaubte.
„Das wüsste ich aber. Wo willst du denn bei uns so einen großen Hund halten?"
„Ach wir haben doch genug Platz".
„Bei uns hätte er gar keinen Auslauf, oder willst du jeden Tag mit ihm hier raus fahren? Abgesehen davon ist doch den ganzen Tag keiner zu Hause".
„Aber ich…"
„Vergiss es, das schlag dir mal ganz schnell wieder aus dem Kopf", entschied Darry und ich konnte ihm nur zustimmen. Geknickt sah Pony den großen Hund an.
„Hörst du das? Gemein… Aber wart's ab, wenn ich größer bin und ein eigenes Haus habe, mit einem großen Garten, dann hole ich mir auch so einen schönen, großen Hund wie dich". Ich konnte nur mit den Augen rollen.
„Sagt mal Jungs, wo bleibt ihr denn? …Oh, was für ein cooler Hund!"
„Lasst mich raten, auch ein Bruder von euch?", fragte der Mann spöttisch, nachdem er seine Aufmerksamkeit von seinem Hund auf Witz gerichtet hatte.
„Ein Freund", meinte Darry knapp. Auch Witz hatte sich inzwischen wieder Hose und T-Shirt angezogen und ich kam mir unter den ganzen Leuten furchtbar nackt und entblößt vor.
„Ich geh mir auch mal was anziehen", erklärte ich und verzog mich so schnell ich konnte.
Als ich kurze Zeit später fertig angezogen und mit Ponys Shirt in der Hand zurück kam, war Pony immer noch mit dem Hund beschäftigt und jetzt hockte auch Witz neben ihm am Boden. Auch er streichelte den Hund, aber etwas zaghafter. Er hielt sich mit Bedacht von dessen Schnauze fern. Auch der Mann war in die Hocke gegangen und erzählte den beiden von seinem Hund. Wie alt er war, wo er ihn her hatte, was er alles für Kunststückchen konnte und so weiter und so fort. Darry lehnte etwas gelangweilt an einem Baum und rauchte seine Zigarette zu Ende. Ich gesellte mich zu ihm und beobachtete Pony seufzend. Ich wusste ja, dass er ein Hundenarr war, aber ein etwas weniger gefährlich aussehender wäre mir lieber gewesen.
„Früher hatten wir auch einen Hund. Der war toll. Nicht war Soda? Sein Name war Punky und er war fast genauso groß wie sie hier. Er hatte so einen lustigen Wirbel auf dem Kopf, damit sah er aus wie ein kleiner Punk, daher der Name", schwärmte Pony und ich wusste, dass er uns noch wochenlang mit dem Wunsch nach einem Hund in den Ohren liegen würde.
Die drei redeten noch ewig weiter und der Hund war vom vielen herum Rollen auf dem Waldboden schon ganz schmutzig geworden, überall hatte er Blätter und Nadeln hängen. Pony von ihm los zu reißen war ein Akt. Immer wieder standen sie auf und es hieß: „So, wir müssen dann weiter", aber Pony fand immer wieder einen neuen Aufhänger für ein Gespräch und der Mann ging sofort bereitwillig drauf ein. Und auch Witz war keine Hilfe. Es war mittlerweile schon zwanzig nach sieben und wenn wir uns nicht beeilten, würden wir nachher noch im Dunkeln durch den Wald laufen. Und das wollte ich definitiv nicht.
„Komm schon Pony, es reicht jetzt wirklich. Ich will noch zum Auto zurück, bevor es dunkel wird", drängte ich.
„Nur noch ein bisschen", bat er, aber Darry und ich hatte endgültig genug.
„Entweder du stehst jetzt auf oder wir gehen ohne dich!" Pony seufzte laut und erhob sich widerwillig.
„Tut mir Leid, ich wollte euch nicht so lange aufhalten. Und verzeiht mein Verhalten vorhin", sagte der Angler.
„Kein Problem, das war sehr mutig von Ihnen. Einen schönen Abend noch".
„Danke, euch auch. Sag Tschüss Kim!" Niedergeschlagen streichelte Pony dem Hund ein letztes Mal über den Kopf und verabschiedete sich von ihm. Hätte der Mann seinen Hund nicht an der Leine von Pony weggezogen, würde er heute noch dort sitzen und ihn streicheln. Sowohl Darry als auch ich stießen einen erleichterten Seufzer aus, als der Mann und der Hund endlich außer Sichtweite waren.
„Hier, zieh das an!" Damit warf ich Pony sein T-Shirt zu und er zog es langsam über den Kopf.
„Bitte überleg es dir doch noch einmal Darry, so ein Hund hat auch viele Vorteile. Und ich werde mich auch gut um ihn kümmern, wirklich!"
„Pony, ich habe gesagt es gibt keinen Hund und damit basta. Ich will davon nichts mehr hören!" Enttäuscht ließ Pony den Kopf hängen und schmollte von da an. Schnell holten wir unsere restlichen Sachen von der Lichtung und machten uns dann zu einem letzten Spaziergang durch den Wald auf. Wir wanderten noch fast zwei Stunden, bevor wir endlich wieder am Auto ankamen. Es dämmerte bereits aber wenigstens hatte sich Ponys Laune inzwischen wieder etwas gebessert.
Da ich fuhr, hielten wir auf dem Rückweg noch schnell und besorgten uns ein paar Burger, die wir dann im Auto verzehrten. Darry meckerte, dass ich nur wieder Geld zum Fenster rausschmiss, da wir zu Hause genug zu Essen hätten und außerdem würden wir Zeit verschwenden. Aber da weder Pony noch Witz noch ich es eilig hatten, war Darry eindeutig überstimmt und wir ließen uns die Burger schmecken. Nach einem so anstrengenden Tag an der frischen Luft waren wir verständlicherweise sehr hungrig. Ich aß meinen Burger und ließ den gesamten Tag noch einmal an mir vorüber ziehen bis Darry mich aus meinen Gedanken riss, indem er sagte: „Soda, das war die beste Idee die du seit langem hattest!" und wir stimmten ihm alle zu.
„Ok, raus mit euch. Ich muss noch einmal schnell bei der Tankstelle vorbei fahren, heute wollte son Typ kommen und die kaputte Zapfsäule reparieren, ich muss nachgucken ob alles in Ordnung ist. Nicht dass uns heute Nacht das ganze Ding um die Ohren fliegt weil der Kerl Scheiße gebaut hat".
„Kann ich nicht mitkommen? Ich will noch nicht nach Hause", bat Pony.
„Ich dachte du spielst noch mit ne Runde Skat?", fragte Darry.
„Ich hab's mir anders überlegt, spielt ihr beide alleine. Ich fahr lieber noch ein bisschen Auto"
„Ich warne dich, hinter dem Lenkrad dieses Wagens hast du nichts zu suchen, verstanden!", warnte Darry sofort. Darry hatte nichts dagegen, dass Pony Auto fuhr obwohl er keinen Führerschein hatte, aber bei seinem eigenen Wagen war er kleinlich. Außer ihm und mir durfte den niemand fahren. „Soda, du lässt ihn nicht fahren!" Pony und ich versprachen es ihm und wir hatten auch nicht vor, dieses Versprechen zu brechen. Das war es nicht wert.
Darry und Witz stiegen aus und verschwanden im Haus um Skat zu spielen. Sofort sprang Pony aus dem Wagen und setzte sich nach vorne.
Als wir an der Tankstelle ankamen, kam Steve uns sogleich entgegen gelaufen. Aber als er Pony sah, guckte er etwas verstimmt.
„Ich dachte wir könnten heute Abend mal einen drauf machen, nur wir beide. Aber du musst wohl Babysitten wies aussieht", meinte Steve und reichte mir eine Cola. Ich nahm einen Schluck und gab sie an Pony weiter, der Steve mürrisch ansah.
„Nur damit du's weißt, ich brauche keinen Babysitter mehr. Aber Soda ist halt gerne mit mir zusammen. Lieber als mit dir, tut mir Leid für dich", knurrte er. Also wirklich, manchmal waren diese ewigen Streitereien zwischen den beiden echt nervig.
„Tut mir Leid, Steve. Das war ein anstrengender Tag und ich bin echt müde. Ich glaub ich geh gleich ins Bett wenn ich nach Hause komme. Aber nächstes Wochenende bestimmt, versprochen!", versuchte ich meinen Freund zu beruhigen, während Pony nur schadenfroh grinste.
„Aber nächstes Wochenende bestimmt! Und dann ohne Anhang!"
„Versprochen. Aber was ist jetzt mit der Zapfsäule? Alles wieder in Ordnung?"
„Ja ich glaub schon, sieht gut aus. Kannst ja noch mal eben gucken kommen". Das tat ich. Ich sagte Pony, er solle im Wagen auf mich warten und ging dann mit Steve die Zapfsäule inspizieren. Anscheinend war wirklich alles in Ordnung, also gab ich grünes Licht und Steve ging den Check für die Handwerker ausstellen. Eigentlich hatte ich vorgehabt, noch eine Weile mit Steve zu plaudern, aber da er und Pony sich heute anscheinen wieder mal gar nicht vertrugen, gab ich den Plan schnell wieder auf und machte mich mit Pony wieder auf den Weg nach Hause.
Es war inzwischen dunkel geworden und überall waren die Straßenlaternen und die Neonlichter angegangen.
„Soda?"
„Ja?"
„…kann ich dich küssen?" Ich sah meinen Bruder überrascht an.
„Ich fahre Auto!"
„Du siehst so cool aus wenn du Auto fährst, weißt du das? Am liebsten würde ich…"
„Pony!"
„Tschuldigung. Also hältst du jetzt da vorne an oder was?" Ich warf einen letzten ungläubigen Blick auf Pony, aber dann musste ich grinsen. Bei der nächsten sich bietenden Gelegenheit fuhr ich rechts ran und stellte den Motor ab. Ich hatte die Handbremse noch nicht ganz angezogen, da lehnte Pony sich bereits zu mir rüber. Ehe ich mich versah hatte er mir die Arme um den Hals geschlungen und seine Lippen auf meinen Mund gepresst. Es war, als hätte jemand einen Schalter umgelegt. Bis zu diesem Augenblick hatte ich noch alles kritisch durchdacht, was passieren würde, wenn uns jemand sah, oder was Darry sagen würde, wenn wir zu lange weg blieben. Aber von dem Moment an, als Pony mich küsste, war mir alles egal. Das einzige was zählte war Ponys Mund. Ohne dass ich es merkte, hatte ich meine Hände auf seine Schultern gelegt und begonnen, ihn zu streicheln. Als wir uns für einen kurzen Augenblick voneinander lösten um Luft zu holen, nutzte ich diesen Moment um rüber zu ihm auf den Beifahrersitz zu klettern und mich über ihn zu knien. Bei unserem nächsten Kuss hatte ich eindeutig die Oberhand, als ich seinen Mund mit meiner Zunge erkundete und er ergab sich bereitwillig. Plötzlich fühlte ich seine Hände an meinem Arsch und ich gab ein leises Stöhnen von mir. Das schien ihn zu ermutigen und er ließ eine Hand unter mein T-Shirt wandern. Auch ich hatte sein T-Shirt bereits ein Stück hoch geschoben und strich mit beiden Händen über seine Brust und seinen Bauch und ab und zu kitzelte ich seine Seiten. Aber irgendwann kniff er mir dafür derbe in die Seite und so ließ ich es sein. Ich merkte schnell, wie meine Hose enger wurde und ich verfluchte meine Hormone. Ich spürte deutlich, dass es Pony ähnlich erging wie mir, aber im Gegensatz zu mir schien er keine Lust zu haben, sich zu beherrschen. Denn mit einem Mal spürte ich seine Hände an meiner Hose und an meinem Reißverschluss. Für einen kurzen Moment dachte ich darüber nach, ihn einfach machen zu lassen. Aber schnell siegte mein Verstand und ich schaffte es mit letzter Kraft, Ponys Hände wieder zurück unter mein Shirt und weg von meiner Hose zu schieben. Er zog einen Schmollmund, aber ich wusste, dass er verstand dass es so besser war. Selbst wenn wir nicht in einem Auto mitten auf einer belebten Straße gewesen wären, wäre das zu viel gewesen. Als er erneut einen enttäuschten Seufzer ausstieß, löste ich meinen Mund von seinem und begann stattdessen, Küsse über sein gesamtes Gesicht zu verteilen, bis runter zum Schlüsselbein. Dort reagierte er besonders sensibel auf meine Berührungen und stieß immer wieder leise und laute Seufzer aus. Als ich auch dort jeden Zentimeter Haut mit Küssen bedeckt hatte, schob ich sein Shirt noch weiter hoch, und machte auf seiner Brust weiter. Er hatte die Augen geschlossen und seine Hände ruhten still auf meinen Hüften, so sehr konzentrierte er sich auf meine Küsse und die Berührungen meiner Hände. Ab und zu hielt ich inne um ihn anzusehen. Er bot einen einfach unwiderstehlichen Anblick und ich konnte nicht anders als anzufangen, mich an ihm zu reiben. Mit einem Stöhnen begann er, meine Bewegungen zu erwidern. Und wieder war er mit seinen Händen an meiner Hose.
„Pony, nicht!", murmelte ich, leicht außer Atem und weniger nachdrücklich als beabsichtigt. Wieder gab er ein frustriertes Knurren von sich. Mir wurde plötzlich bewusst, dass wir beide keine Erlösung finden würden an diesem Ort. Keine Chance. Und je länger wir das hier fortsetzten, desto schwerer würde es am Ende sein, sich zurück zu halten. Also nahm ich all meine Willensstärke zusammen und löste mich von Pony. Zwar versuchte er, mich fest zuhalten, aber ich schaffte es schließlich zurück auf den Fahrersitz.
„Was ist los?", fragte er. Er sah besorgt aus.
„Nichts. Aber wir müssen aufhören solange wir uns noch halbwegs unter Kontrolle haben", antwortete ich keuchend. Pony sah mich eine Weile schweigend an, dann ließ er sich zurück fallen.
„Wie ich das hasse", flüsterte er.
„Ja…"
„Also, fahr weiter! Ich brauche dringend eine kalte Dusche", sagte Pony nach einer kleinen Pause. Ich merkte, dass er frustriert war. Aber auch nicht weniger als ich. Irgendwas würden wir uns einfallen lassen müssen, so konnte es ja nicht ewig weiter gehen. Ich merkte schon jetzt, dass es von Mal zu Mal schwerer wurde, sich zu beherrschen.
Während der Rückfahrt warf ich immer wieder kurze Blicke auf meinen kleinen Bruder, aber Pony sah mich nicht an. Abwesend blickte er aus dem Fenster und sagte kein Wort.
Als ich den Wagen vor dem Haus geparkt hatte stieg ich nicht sofort aus.
„Bist du sauer?", fragte ich, seine abweisende Haltung versetzte mir einen kleinen Stich. Es war doch nicht meine Schuld.
„Ich bin nicht sauer. Jedenfalls nicht auf dich. Es macht mich einfach wütend dass wir nicht einfach allen Leuten sagen können ‚Wir sind zusammen' und alle es akzeptieren würden. Ich möchte dich so gerne küssen ohne ständig Angst haben zu müssen, dass Darry im nächsten Moment um die Ecke kommt".
„Ich weiß was du meinst. Irgendwann werden wir es ihm sagen müssen, so oder so. Und wir sollten dankbar sein, dass wenigstens Witz zu uns hält. Stell dir vor wir wären ganz alleine. Ich habe diese ewige Geheimnistuerei genauso satt wie du. Aber ich will unsere Freunde nicht verlieren und vor allem Darry nicht. Es wäre das schlimmste was passieren könnte und ich weiß nicht, was ich dann machen würde".
„Mal rein theoretisch, wenn du dich entscheiden müsstest, zwischen ihm und mir… was würdest du machen?"
„Ich bete, dass ich diese Entscheidung nie treffen muss!"
„Aber was wenn?"
Ich sah Pony fest an. „Ich würde mich für dich entscheiden. Ich liebe dich!" Ich beugte mich zu ihm hinüber und gab ihm einen Kuss auf die Stirn. Dann öffnete ich die Tür und stieg aus.
„Komm, Darry wartet sicher schon!"
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So, das war's für heute : ) würde mich über weitere Kommis freuen
