DisclaimerWie bereits erwähnt, liegen sämtliche Urheberrechte bei Tolkien oder seinen Erben. Ich habe nichts geklaut! Eigentlich eher geliehen, ohne zu fragen.

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A/N: +räusper+ Aufgrund kurzfristiger Änderung in der Struktur, Teilung des Kapitels wegen eindeutiger Überlänge und Arbeitsüberlastung hat sich der Post etwas verzögert. Sorry.

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24. Kapitel: Sie haben einen Troll!

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Selbst hier im Wald war die Sommernacht warm und drückend. Trotzdem hing in diesen Mauern Kälte. Sie schien zwischen den großen, grauen Steinen zu leben, aus denen die Burg errichtet war. Fröstelnd zog Marsden die Schultern hoch und atmete sofort leise zischend ein, als sich die Verletzung in seiner Schulter meldete. Er hakte den Daumen im Gürtel ein, um den Arm zu entlasten und ließ weiter seinen Blick durch das schmale Fenster über den Burghof wandern.

Das also war seine Streitmacht – ein halb betrunkene Ansammlung gescheiterter Existenzen, die weder Vergangenheit noch Zukunft hatten. Sie hatten nicht einmal einen Glauben, außer den, den er ihnen gegeben hatte, als er sie um sich scharte. Schwächlinge waren sie allesamt, selbst die stärksten Kämpfer unter ihnen. Sie waren die Gedanken nicht wert, die er an sie verschwendete und dennoch verbrachte er nun schon Jahre mit ihnen. Hatte die meisten von ihnen selbst eingesammelt, sorgfältig ausgesucht nach dem Grad ihrer Verlorenheit. Marsden fragte sich, wann das alles ein Ende haben und er endlich in seine Heimat zurückkehren konnte, um die Belohnung zu erhalten, für die er das alles auf sich genommen hatte.

Ohne Anzuklopfen wurde die Tür aufgedrückt und Evlyn schob sich mit einem Tablett herein. „Dein Tee."

Aus den Augenwinkeln beobachtete er, wie sie zögerte, einfach nur das Tablett abzustellen und sich wieder abzuwenden. „Was ist noch?"

„Das frage ich dich", brach es aus ihr heraus. „Worauf wartest du? Wir sollten längst nicht mehr hier sein. Die Elben werden kommen und-„

„Und was?" fragte er scharf und wandte sich ihr vollends zu. „Hast du etwa Angst vor ihnen? Du warst dabei, als sie durch meine Hand starben, hast sie genauso ausgeplündert wie alle anderen. Sie sind nichts Besonderes."

„Es werden diesmal Krieger kommen", flüsterte sie eingeschüchtert und fummelte mit den Bändern herum, die ihr Hemd hielten. Es gab kaum einen Mann in der Burg, der nicht schon einmal diese Bänder aufgezogen hatte.

Marsden verzog angewidert die Lippen. „Sie sind alle Krieger."

Langsam schlenderte er zu dem Tisch, auf dem sie das Tablett abgesetzt hatte und nahm sich den Becher mit Tee. Es würde grauenhaft schmecken, wie alles, was diese Trampel zusammenmischten. Keiner von ihnen hatte eine Ahnung davon, wie man die Sinne berührte. Sie waren Abschaum.

„Warum können wir nicht einfach weiterziehen?"

Die Hand mit dem Becher verharrte mitten in der Luft. „Möchtest du das?"

„Wir alle wollen das", sagte sie kaum noch hörbar.

Der Schlag mit dem Handrücken traf sie unvorbereitet. Sie wurde zurückgeworfen fast bis zur Tür. Marsden musste dem Drang widerstehen, ihr nachzusetzen und ihr sein Messer über die Kehle zu ziehen. Stattdessen sah er nur zu, wie sie wimmernd zur Tür kroch und vor ihm flüchtete. Den Schmerz in seiner Schulter ignorierte er.

„Eure Meinung zählt nicht", zischte er in den leeren Raum, der vor langer Zeit wohl das Gemach des Burgherrn gewesen war. Noch immer zeugten die Überreste einst farbenprächtiger Wandteppiche vom Stolz seines Vorgängers, genau wie das große steinerne Wappen über dem Kamin, das einer längst in Vergessenheit geratenen Familie gehörte.

Die Ironie hob seine Laune und mit dem Becher in der Hand trat er wieder ans Fenster, um die Schar der Verlorenen zu betrachten, die im Schein der Feuer ihre unbedeutenden kleinen Leben feierten. Keiner von ihnen hatte auch nur die geringste Ahnung, was die Ehre einer Familie war. Und keiner von ihnen konnte sich auch nur ausmalen, was es hieß, diese Ehre zu verlieren. Dabeizustehen, wenn das Wappen zerbrochen, die Banner verbrannt und der Name geächtet wird.

Feigheit vor dem Feind! Ecthelions Stimme klang wie ein Donnergrollen in Marsdens Ohren.

Er war noch jung gewesen, als die Schande über seine Familie kam. Sein Vater war ein Waldläufer des Südens, hoch angesehen und seine Familie fast so alt wie Gondor selbst. Marsden hatte sich nie vorstellen können, etwas anderes als ebenfalls ein Waldläufer zu werden. Gondor zu verteidigen, wie es seit Generationen Tradition war. Bis zu diesem Tag, an dem der Sohn des Statthalters nicht nur die Nachricht vom Tod des Vaters überbracht, sondern auch das Ende ihrer Ehre verkündet hatte. Marsden hatte nie wirklich erfahren können, was genau geschehen war und so hatte er sich aufgemacht nach Ithilien, wo angeblich die Ehre der Familie von seinem eigenen Vater angesichts einer Horde Orks verraten worden war.

Er war seinem Schicksal begegnet und er bereute nichts.

Marsden seufzte und die Linien in seinem Gesicht glätteten sich, um das strenge Gleichmaß edelsten Dunedain-Blutes wieder hervortreten zu lassen. Nicht mehr lange. Er hatte die Boten nach Süden geschickt. In einigen Wochen würde er die Antwort erhalten. Was konnte er noch mehr wollen, als das Leben Elronds, der jetzt bereits dem Tod näher als dem Leben sein musste und die Gewissheit, dass viele der Erstgeborenen den Weg in Mandos' Hallen gegangen waren? Was konnte sein dunkler Mentor sich noch wünschen?

Marsden hatte seinen Teil des Handels eingelöst und bald würde der winzige Teil Gondors, der Marsdens Familie gehörte, auch wieder in die Hände des rechtmäßigen Erben zurückfallen.

„Feigheit vor dem Feind", murmelte Marsden sinnend. „Ecthelion, du Narr, ich habe diesem Feind gegenüber gestanden und lebe immer noch. Er hat mich nicht angerührt."

Unruhe auf der Wehrmauer riss ihn aus seinen düsteren Gedanken. Er beugte sich weiter vor, um erkennen zu können, was da vorging. Über dem großen Holztor liefen einige der Wachen zusammen und gestikulierten aufgeregt nach unten. Andere im Hof rannten herbei und lösten den schweren Querriegel, der das Tor gegen Angreifer verschloss. Marsden holte sein Schwert und befestigte es an seinem Gürtel, während er darauf wartete, dass der Grund dieses Aufruhrs erschien. Es dauerte einen Augenblick, dann liefen drei seiner Männer in den Burghof.

„Angriff!" erklang es. „Wir werden angegriffen. Die Elben marschieren auf die Burg zu."

Einen Moment wollte Marsden es einfach nicht glauben. Es konnte nicht sein. Die Erstgeborenen konnten nicht wissen, wo ihr Unterschlupf war und für eine zufällige Suche war zuwenig Zeit vergangen. Verräter, es musste einen Verräter in ihrer Mitte geben. Marsden unterdrückte einen Wutschrei. Damit konnte er sich später beschäftigen.

Er beugte sich aus dem Fenster. „Schließt das Tor!" schrie er in den Hof herunter. „Alle zu den Waffen."

Die beiden schweren Holzflügel bewegten sich bereits wieder, als erneut Unruhe auf der Wehrmauer aufkam.

„Wartet!" brüllte eine der Wachen zu den Männern am Tor herunter. „Es kommen noch welche."

Marsden fühlte, wie sich ein ungutes Gefühl in seinem Brustkorb bildete. Irgendetwas Ungewöhnliches ging vor. Er hatte zu viel Erfahrung und zu gute Instinkte, um sich jetzt zu täuschen. Zwei weitere Männer rannten durch den Torbogen, kreideweiß vor Angst.

„Sie haben einen Troll!"

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Elladan war beinahe dankbar, als sie auf die ersten Sterblichen trafen, die die Nähe von Marsdens Räubernest ankündigten. Zumindest bedeutete es, dass Hestia ihnen keine Lügen erzählt hatte, was andererseits dank der freundlichen Unterstützung der allzeit hilfsbereiten Tränkemischer aus Rhûnar ja auch unwahrscheinlich gewesen war.

Inzwischen hatte sich eine gewisse Routine eingestellt. Sie rannten vor dem Troll weg, er rannte ihnen hinterher. Man musste schon so beschränkt an Geistesgaben wie Raff sein, der dabei noch der schlaueste des Trolltrios gewesen war, um sich nicht Gedanken darüber zu machen, warum die Elben immer schön zusammen blieben und nicht einfach in den Tiefen des Waldes verschwanden, um der Jagd ein Ende zu machen. Elladan jedenfalls wünschte sich dringend ein wenig Abwechslung in diesem Spiel und die drei Burschen, die über dem Lagerfeuer ihr Abendessen brieten, als die Elben aus dem Dickicht trabten, kamen ihm gerade recht.

„Überlasst sie mir", verlangte er und zückte sein Schwert.

„Wenn du unbedingt willst", nickte Elrohir und lehnte sich an einen Baum. „Aber denk an Raff. Wir haben nicht ewig Zeit."

„Wir könnten sie eine Weile entkommen lassen", schlug Legolas mit diesem irrwitzigen Lächeln vor, um das Elladan ihn wirklich beneidete. Offenbar wurde es in seiner Familie als besondere Methode der Einschüchterung harmloser Gemüter vererbt.

Auf die drei Räuber jedenfalls wirkte es. Sie waren zwar aufgesprungen, standen aber jetzt wie angewurzelt da und wussten wohl nicht so recht, was sie machen sollten.

„Jaja", meinte Elladan und ging langsam auf sie zu. „Das ist doch etwas ganz anderes, als harmlose Reisende auf dem Weg in den Westen zu überfallen. Einer gegen drei, das dürfte euch gefallen."

„Ihr seid auch drei", krächzte einer von ihnen und die Panik in seinen Augen verschaffte Elladan tiefe Genugtuung. „Einer ist doppelt."

„Wir sind nur Zuschauer", kam es von Elrohir.

Wie auf ein geheimes Zeichen zückten die Räuber ihre Schwerter und stürzten unter lautem Gebrüll vor. Es war beinahe lächerlich. Elladan stieß dem Mann zu seiner Linken das Schwert in die Brust, zog dem mittleren mit einer schwungvollen Fußbewegung die Beine unter dem Körper weg und sprang dann einfach über den Dritten hinweg. In der Luft machte er eine Rolle und kam sicher in Rücken des Angreifers wieder zum Stehen. Der Räuber machte noch einige Schritte, völlig verwirrt, wo sein Ziel abgeblieben sein mochte.

„Hier bin ich", half ihm Elladan auf die Sprünge.

„Hinter dir", bestätigte Elrohir und zeigte über die Schulter des Mannes. „Ich würde mich umdrehen."

„Darauf fall ich nicht rein", knurrte der Räuber und ging mit erhobenem Schwert auf Elrohir los. „Zauberei! Ihr seid Elben!"

„Dann eben nicht", meinte Elrohir achselzuckend. „Wir hatten dich gewarnt."

Es war der Gedanke an all die Toten, die nie ihren Weg zu den Grauen Anfurten gefunden hatten, die mehr Kraft in den Hieb legten, als Elladan eigentlich geplant hatte. Fast bis zum Heft fuhr das Schwert in den Rücken des Mannes und tötete ihn, bevor er auf die Knie sank und dann ganz zu Boden fiel.

Der Dritte! Elladan verdrängte mit langen Jahrhunderten der Übung die Rachgelüste, die ihn schon seit dem Unglück seiner Mutter immer wieder begleiteten. Er hätte sich wirklich keine Gedanken um den letzten Räuber machen sollen. Sein Sturz hatte ihn mitten in das Lagerfeuer befördert und er wälzte sich jetzt verzweifelt auf dem Rücken, um die Flammen zu ersticken, die seine Haare und seine Kleidung erfasst hatten. Elladan gab ihm einen Tritt, um ihn aus der Glut zu stoßen und beugte sich dann über ihn. „Wie viele meines Volkes hast du getötet?"

„Keinen", stieß der Verletzte schmerzverzerrt hervor. „Gnade."

Elladan zögerte. Es war nicht seine Art, einen am Boden liegenden Gegner abzuschlachten. „Von mir?"

„Raff kommt", verkündete Elrohir und nahm ihm damit die Entscheidung ab. „Wir sollten gehen."

Etwas unschlüssig machte Elladan zwei Schritte. Seine Begleiter kannten solches Zögern jedenfalls nicht. Sie fassten ihn an den Armen und zogen ihn mit sich. Gerade noch rechtzeitig verließen sie den Ort, bevor Raff in der ihm eigenen, lautstarken Art auf die Lichtung polterte.

„Essen", hörten sie ihn hinter sich grölen. „Frisches Essen."

Das nächste, was zu hören war, stammte aus der Kehle des überlebenden Räubers und war ein gellender Entsetzensschrei. Elladan wandte sich um und bereute es gleich darauf wieder. Er hatte nicht gewusst, dass Trolle genau wie Katzen mit ihrem Futter erst etwas spielten.

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„Wie weit noch?"

Hestia duckte sich etwas unter Erestors kalter Stimme. „Eine Stunde, vielleicht weniger."

Glorfindel stimmte ihr im Stillen zu. Es entsprach der Beschreibung, die sie vom Standort der Burg gegeben hatte und der Wegstrecke, die bereits hinter ihnen lag. Wenn alles gut gegangen war, befanden sich die beiden Hauptmänner jetzt bereits in der Burg und versuchten zu finden, was Elrond zu ihrer aller Entsetzen dort vermutete. Raff sollte ebenfalls nicht mehr weit entfernt sein.

Etwas weiter vor ihnen tropfte wie ein grün-brauner Schatten einer von Thranduils Gardisten aus einem Baum. Er zupfte sich gelassen ein Blatt aus den Haaren und deutete vor seinem König eine leichte Verbeugung an. „Drei Wachen, vielleicht zweihundert Meter voraus."

„Haben sie uns bemerkt?" fragte Thranduil.

„Natürlich nicht, Hoheit. Sie sind nicht mehr sehr nüchtern, scheint mir."

Gildor räusperte sich leicht. „Ich denke, es wird langsam Zeit, dass unsere Ankunft gemeldet wird."

„Ah", machte Glorfindel mit einem strahlenden Lächeln. „Wir sind wahre Könner im lauten Anschleichen. Thranduil, schick doch Gaellas mit einer Handvoll Kekse voraus."

„Du nimmst mir die Worte aus dem Mund", bestätigte Thranduil in dem Überschwang, der einem Kampf zumeist voraus ging.

„Hauptsache, niemand nimmt Gaellas die Kekse weg."

Glorfindel drehte sich um, aber der Sprecher war nicht zu identifizieren. Alle Krieger hinter ihm zeigten völlig harmlose Mienen. Ausgenommen Gaellas natürlich, der hastig etwas in seine Gürteltasche zurückstopfte. Seine leicht aufgeplusterten Wangen verrieten ihn trotzdem.

„Gaellas!" Thranduil war völlig ungerührt. „Runterschlucken und dann rückt Ihr mit fünf weiteren Kriegern vor. Zeigt diesem Abschaum, dass wir da sind."

Fünf Krieger in direkter Nähe des Angesprochenen setzten sich ohne weitere Absprache in Bewegung. Die Waldelben harmonierten so gut miteinander, wie man es auch von Kriegern ihres Ranges erwarten konnte.

„Ich hoffe nur, die anderen sind schon da", murmelte Galen zweifelnd.

„Das werden wir merken", kommentierte Erestor und brachte Mornen mit einem Zungenschnalzen dazu, aus seinem leichten Dösen zu erwachen und weiterzugehen.

„Und wenn nicht?" fragte Estel.

„Dann sollten wir unsere Strategie überdenken."

Galen hustete überrascht. „Es gibt also keinen Plan B?"

„Plan B?" Erestor runzelte die Stirn und Glorfindel amüsierte sich prächtig.

„Ihr wisst schon: Plan B eben", rief der Rhûnar-Heiler und fuchtelte etwas nervös mit seinem Kampfstab herum. „Es gibt immer einen Plan B oder sogar einen Plan C."

„In Eurer Heimat womöglich", sagte Erestor noch immer scheinbar völlig verständnislos. „Bei uns hier gelingt bereits der erste Plan."

„So wie die von Elladan?"

Noch etwas hektischer und Galen hätte Thranduil seinen Kampfstab in die Seite gerammt. Legolas' Vater wich leicht aus und packte die Waffe dann an ihrem oberen Ende, kurz unterhalb der Silberhülse, die sich so schnell in die tödlichen Segmente teilen konnte. „Meister Galen, beruhigt Euch. Natürlich gibt es einen Plan B, wie Ihr es nennt."

„Tatsächlich?" Erestor wölbte die dunklen Brauen.

„Ja?" meinte Galen hoffnungsvoll.

Glorfindel wusste genau, was das seltsame Glimmen in Thranduils dunkelblauen Augen für eine Bedeutung hatte. Andererseits gönnte er ihm das kleine Vergnügen, Varyas besten Freund etwas aus der Fassung zu bringen. Die Ithildrim zeigten allesamt eine übergroße und außerdem unerklärliche Anhänglichkeit an den Sinda, die ihn schon in genug Schwierigkeiten gebracht hatte und außerdem Thranduils Nerven und üblicherweise gut verborgene Gutmütigkeit arg strapazierte.

„Plan B", begann Thranduil mit sehr großer Ernsthaftigkeit und klopfte dem Heiler freundlich auf die Schulter. „Wenn ich mich recht erinnere, besteht Plan B darin, dass wir angreifen."

„Und?" drängte Galen, als nichts weiter kam. „Wir greifen doch sowieso an."

„Seht Ihr", lächelte Thranduil. „Plan B ist wie Plan A nur ohne Troll. Genial in seiner Schlichtheit."

„Ja, genial", murmelte Estel kopfschüttelnd.

„Jetzt erinnere ich mich wieder", behauptete Erestor mit einem nachdenklichen Nicken. „Und dann war da noch Plan C."

„Wie A – nur ohne Troll und ohne Hauptmänner", grinste Glorfindel. „Mir fällt es auch gerade wieder ein."

Es dauerte leider nicht sehr lang und Galens Unruhe legte sich urplötzlich. Ein äußerst sadistisches Lächeln hob seine Mundwinkel. „Ich hoffe nur, keiner von Euch fängt sich eine Verletzung ein, die den Einsatz des einzigen, hier mitreitenden Heilers erforderlich macht."

„Ich bin überzeugt, Ihr werdet Euer Bestes geben", warnte ihn Erestor stirnrunzelnd.

Galen nickte. „Aber natürlich, Lord Erestor. Wie immer."

„Autsch", machte Estel. „Jetzt wird er gemein."

Reiter lenkten sie ab. Es war die Gruppe um Gaellas, die sich ihnen schnell näherte. Thranduils Krieger kaute nicht auf irgendetwas herum und das war wohl das deutlichste Zeichen, dass es nun mit der Ruhe vorbei war.

„Die Burg ist näher als erwartet, Hoheit", meldete er. „Wir haben die Wachen aufgescheucht und sie rennen bereits zurück. Einer unserer Späher meldete, dass aus Osten ebenfalls Unruhe aufkommt. Wenn wir dieses Tempo beibehalten, kommen wir kurz nach dem Troll dort an."

So war es geplant. Glorfindel wusste nicht warum, aber plötzlich überkam ihn das Gefühl, dass er etwas übersehen hatte, was wirklich wichtig war. Etwas, das über den Ausgang dieser Attacke entscheiden würde. Er behielt seine Bedenken für sich, so ungenau wie sie waren. Stattdessen bildete er mit Erestor und Thranduil zusammen die erste Reihe Reiter, die sich über den Weg hoch zur Burg bewegten. Wenn Hestias Angaben richtig waren, würde der Weg auf einem freien Gelände vor der Burganlage enden und den Elben ermöglichen, in breiter Front anzugreifen.

Wachsam prüften seine Augen immer wieder das Dickicht am Wegrand und die Baumkronen, ob von dort vielleicht doch ein Hinterhalt erfolgen würde. Eigentlich war es unwahrscheinlich, denn die Späher hätten jeden Sterblichen entdeckt und dennoch war es Glorfindels Ahnung, die ihn mit grimmiger Unruhe erfüllte.

Er war beinahe enttäuscht, als nichts passierte, was seine Befürchtungen bestätigte. Aber das war dann nur ein kurzer Moment, denn zuviel bot sich den staunenden Blicken der Neuankömmlinge dar, als sie den Punkt erreichten, von dem aus sie erstmals die alte, verwitterte Burganlage erkennen konnten.

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Forlos wusste in dem Moment, in dem er den Fuß in den eigentlichen Wehrturm setzte, dass Elrond mit seinen Befürchtungen recht gehabt hatte. Er spürte die tiefe Verzweiflung, die sich in diesem Gebäude gefangen hatte, als würde er sie selber empfinden.

In den Schatten eines Durchgangs geduckt, rang er etwas nach Atem. Eigentlich wollte er nicht mehr weitergehen. Er hatte eine zu genaue Vorstellung davon, was die Zukunft für ihn und Haldir bereithielt.

„Sie sagte, es gäbe Keller", überlegte Haldir scheinbar ungerührt. „Habt Ihr Gilníns Waffe?"

Forlos nestelte an der größeren seiner Gürteltaschen herum. Die beiden Schließen daran waren zwar zuverlässig, aber bei weitem nicht so kompliziert, wie es ihm jetzt vorkam. Als ob seine Finger ihm nicht wirklich gehorchen wollten, versuchten sie, die Lederschlaufe über die kugelförmigen Silberknöpfe zu ziehen.

„Forlos", sagte Haldir leise und umfasste sein Handgelenk.

Der Tawarwaith hob den Kopf. Er wusste, dass er ihre kostbare Zeit verschwendete. Ausgerechnet jetzt zu versagen drohte, wo es wichtig war, dass ihr Vorhaben gelang.

„Wir können es nicht ungeschehen machen." Haldirs Worte bewiesen, dass auch er die Botschaft nicht überhört hatte. „Aber wir können es wenigstens beenden."

Der Galadhrim hatte Recht. Es brachte nichts, über Versäumnisse und Vergangenheit zu lamentieren. Das zumindest hatte er in Rhûnar gelernt. Mit neuer Entschlossenheit zückte er Gilníns exzentrischen Messingapparat. „Schicken wir sie zu Lorien."

„Hm?" machte Haldir irritiert und hob eine Augenbraue.

„Ich sagte ‚zu' – nicht ‚nach'."

„Euer Glück. Ich dachte schon, Ihr hegt einen Groll gegen mich."

Vorsichtig und lautlos bewegten sie sich weiter durch die unterste Etage dieses Wehrturms. Ein angenehmer Ort war es nun wahrlich nicht, wie Forlos ohne große Überraschung feststellte. Wenn alle Mutmaßungen stimmten, hielten sich Marsden und seine Spießgesellen bereits eine ganze Zeit hier auf und man hätte erwarten können, dass sie sich entsprechend eingerichtet hätten. Ein Elb hätte es jedenfalls getan. Doch davon war nur wenig zu merken.

Zentraler Raum war der Eingangsbereich, von dem einige Durchgänge abgingen. Alles war mit einer dicken Dreckschicht bedeckt, Feuchtigkeit im Laufe der Jahre durch die unverschlossenen wenigen Fenster gekrochen. Auf den wahllos herumstehenden Überresten von schweren Holzmöbeln lag deutlicher Verfall. An der Rückwand der Halle hingen vor der grauen Bruchsteinwand noch die Fetzen eines großen Banners, die Farben ausgeblichen und mit einer Schicht Schimmel besetzt, der den Stoff nach und nach zersetzte. Forlos wunderte sich etwas, dass die Sterblichen das zuließen. Selbst sie mussten bei jedem Atemzug spüren, wie sich der Schimmel in der Lunge ausbreitete und Schaden anrichtete. Es war nicht gut, sich längere Zeit hier aufzuhalten.

Aber vielleicht war es genau das, was zu dieser Verlassenheit führte. Die Sterblichen benutzten diese Ebene wohl nur, um schnell den Treppenaufgang zu erreichen, der gegenüber der Position der beiden Elben hinaus in den nächsten Stock führte. Es knirschte leicht aus dieser Richtung und dann eilte die lebenslustige Köchin die Treppe herab. Sie hatte eine Hand auf ihre Wange gelegt, Tränen verschmierten ihr Gesicht und aus ihrem Mund kamen Beschimpfungen, die sogar Forlos noch sprachlos machten. Es schien, dass Marsden handgreiflich geworden war. Sicher nicht, weil sie ihn zurückgewiesen hatte. Forlos konnte sich einfach nicht vorstellen, dass diese Person überhaupt jemanden zurückwies.

Zielstrebig durchquerte sie die Halle und ging dabei an den beiden im Schatten wartenden Elben vorbei. Sie war so nah, dass sie sie hätten berühren können. Etwas, das nur im absoluten Notfall geschehen wäre. Ihr Weg führte sie hinaus durch die große Eingangstür, hinter der die Lagerfeuer und Silhouetten der übrigen Bewohner der Burganlage zu erkennen waren. Es schienen überhaupt nicht sehr viele Menschen das Gebäude selber zu bewohnen. Wenn Forlos die Geräusche ausgrenzte, die von draußen hereindrangen, war es im Turm selber sehr still.

„Ich denke, die Keller finden wir dort", verkündete Haldir gedämpft und zeigte an der Treppe vorbei auf einen dunklen Gang. Als Forlos fragend die Stirn runzelte, deutete er wortlos auf den Boden. In der dicken Dreckschicht waren Fußspuren deutlich zu erkennen. Drei Pfade hatten sich mehr oder weniger gebildet. Ein sehr breiter kam von der Eingangstür und führte beinahe direkt zu Treppe. Ein zweiter kam aus der Richtung, aus der auch die beiden Hauptmänner gekommen waren und ein dritter reichte von der Treppe in eben den Durchgang, den Haldir meinte. Im restlichen Dreck waren nur vereinzelt Spuren zu entdecken, die meisten davon eindeutig von Ratten und nicht von Menschen, obwohl sich Forlos nicht sicher war, ob es zwischen den beiden hier beheimateten Spezies überhaupt große Unterschiede gab.

Ein letzter Blick zur Eingangstür und dann glitten die beiden schnell und geräuschlos hinüber in den dunklen Bogen, der sie zu ihrem Ziel führen sollte. Niemand kam ihnen in die Quere und sie erreichten einen ebenso dunklen Gang, der bis vor eine schmale Holztür führte, die weit genug offen stand, dass die beiden Elben sich durch die Öffnung schieben konnten, ohne sie weiter bewegen zu müssen. Forlos war sich sicher, dass dieses Gebilde sonst entweder erbärmlich in den Angeln quietschen oder womöglich sogar ganz mit riesigem Getöse zusammenfallen würde.

Der Gang dahinter war eine Überraschung. Nicht der Gang selbst eigentlich, sondern eher der Geruch, der das Dunkel durchzog. Beide Elben hatten wohl damit gerechnet, dass es hier noch sehr viel stärker nach Schimmel und Unrat stinken würde, stattdessen empfing sie jedoch eine unverkennbare Mischung verschiedener Kräuter, die jeden anderen Geruch überdeckten. Wenn Forlos noch irgendeinen Zweifel gehabt hatte, dass sie finden würden, was sie befürchtete, so war dieser nun ausgelöscht.

Kalte Ruhe überkam ihm, während er langsam neben Haldir den nur spärlich beleuchteten Gang entlang ging, dann eine steile, schmale Steintreppe hinunterstieg und einen recht großzügigen Raum erreichte, in dem drei lange Tische voller Kräuterbündel, Tiegel, Flaschen und Ölbrenner herumstanden. Der Raum selber war leer und die Elben schritten schweigend an den Tischen entlang in dem Versuch herauszufinden, was genau dort zusammengebraut wurde.

Haldir zischelte leise und zog so Forlos' Aufmerksamkeit auf sich. Der Galadhrim hielt ein Stück Pergament hoch, das auf einem kleinen Stapel gelegen hatte. Teures Pergament, leicht angeknickt in der Mitte und bereits mit Löchern versehen, wo es später mit anderen zusammengenäht werden sollte.

„Vorsicht", flüsterte Forlos unwillkürlich und schüttelte dann sofort den Kopf. Haldir trug Handschuhe. Mit was auch immer dieses Pergament getränkt war, es würde ihm wohl wenig anhaben. „Wir sollten alles hier verbrennen."

„Aber nicht jetzt, sonst schneiden wir uns den Rückzug ab", sagte Haldir und zeigte auf eine schmale Holztür, die ebenfalls geöffnet war. „Da lang. Er kann nicht mehr weit sein."

Wenn das überhaupt möglich war, bewegten sie sich noch vorsichtiger. Eine gute Idee, wie sich gleich darauf herausstellte. Eine Weile ging es an leeren Kammern vorbei, die vom Verlies bis zum Vorratsraum alles sein konnten. Zu verfallen war ihr Zustand, um es jetzt noch erkennen zu können. Dann machte der Gang einen scharfen Knick und sie hörten Stimmen, leises Gemurmel und Gelächter.

„Zwei", befand Haldir und musterte zweifelnd Gilníns Messingspritze. „Sollen wir wirklich…?"

Forlos war erleichtert, dass der Galadhrim nicht auf diesem Ding beharrte. „Nein, ich bin dafür, sie umzubringen."

„Ganz meine Meinung", atmete Haldir auf und steckte die Spritze in seine Tasche zurück. „Verdient haben sie es sowieso. Also, leise und heimlich oder lieber anders?"

Die Wahl fiel eindeutig auf ‚lieber anders'. Ohne weiteres Wort nahmen die beiden ihre Bögen vom Rücken, legten Pfeile ein und bauten sich dann so schnell im Gang auf, dass die zwei Wachen an seinem hinteren Ende nur etwas verwundert guckten, dann die Münder öffneten und tot umfielen. Fast vor Schreck, aber die Pfeile in ihren Herzen waren wohl auch dafür verantwortlich.

Die beiden hatten eine schmale Holztür bewacht, die von außen mit einem Riegel und einer Eisenkette versehen war. Es gab nicht einmal eine Sichtluke in der Tür, soviel Angst hatten die Räuber wohl vor dem, der dahinter gefangen war. Forlos musterte etwas betrübt sein Schwert.

„Nur zu", erklärte Haldir und schob seine eigene Waffe betont lautstark in die Scheide zurück. „Ich bin sicher, Stahl aus Düsterwald hält das aus."

„Wieso? Befürchtet Ihr, Stahl aus Lothlorien taugt nur zum Brotschneiden und könnte zerbrechen?"

„Ihr wollt doch wohl nicht in dieser Lage über die Qualität unserer Waffenschmiede diskutieren?"

„Ich versuche nur, mein Schwert zu schützen. Es ist neu!"

„Ein Geschenk?"

„Ja." Forlos holte aus und hieb die Klinge auf die Eisenkette. Funken schlugen und eines der Kettenglieder zersprang in zwei Teile. „Meines Königs."

„Wie schön für Euch." Haldir atmete einmal tief durch, zerrte die Kette aus ihrem Ring und zog dann die Tür auf.

Dunkelheit erwartete sie, grauenhaft genug für den Gefangenen. Hastig holte Forlos eine der rußenden Wandfackeln und hielt sie in die enge Zelle, die sich hinter der Tür befand. Erst schien sie verlassen, doch dann entdeckte er die zusammengesunkene Gestalt ganz in eine Ecke gedrückt.

„Elbereth steh uns bei", murmelte Haldir und rang sichtlich um Fassung. Schließlich gab er sich einen Ruck und betrat vorsichtig den Raum.

Forlos blieb an der Tür stehen, seine Aufmerksamkeit wechselte zwischen dem Gang und dem Verlies. Haldir war zwei Schritte vor dem Gefangenen stehen geblieben und dann langsam in die Hocke gegangen. Vorsichtig streckte er die Hand aus und strich ehemals dunkle, lange Haare zurück, die jetzt in verdreckten, glanzlosen Strähnen in das Gesicht des Elben hingen, der geblendet den Unterarm vor die Augen gehoben hatte.

„Herr", hörte man den Galadhrim-Hauptmann mit ungewohnter Sanftheit sagen. „Es ist vorbei und Zeit für Euch, nun zu gehen."

Zögernd senkte der andere den Arm und Forlos hatte das Gefühl, das Spiegelbild seiner eigenen Hoffnungslosigkeit lange Jahrhunderte zurück zu sehen. Es war nur ganz kurz, dann keimte so etwas wie Erkennen und damit verbunden auch neue Hoffnung auf.

„Haldir o Lorien." Wie ein leiser Windhauch füllten die Worte den Raum.

Celeborns Hauptmann nickte. Immer noch behutsam umfasste er die erbärmlich dünnen Schultern des Elben und zog ihn auf die Füße. Er hielt ihn fest, da er wohl der Standfestigkeit des Anderen nicht zu trauen schien. Aus gutem Grund, befand Forlos. Der Elb war geschwächt, Hunger, Dunkelheit und Kummer hatten ihn zu einem bleichen Schatten des Geschöpfes gemacht, das er einst gewesen sein musste.

„Wir bringen Euch nach Hause, Meister Ardalos. Lord Elrond wartet bereits voller Sorge auf Eure sichere Heimkehr."

Bruchtals Heiler, der schon seit Jahren die Passage in den Westen angetreten haben sollte, seufzte irgendwie erleichtert. „Er lebt?"

„Sicher. Es bedarf schon mehr als eines Buches, um ihn zu gefährden."

Forlos verbiss sich die Bemerkung, dass es allerdings nicht sehr viel mehr bedurfte. Dieses Buch hatte Lord Elrond niedergestreckt und mehr Glück als alles andere war der Grund, dass er noch unter ihnen weilte. Aber Ardalos wäre wahrscheinlich in einzelne Teile zerfallen, wenn man ihm das jetzt mitgeteilt hätte. Auch so war der Elb nicht gerade in einem Zustand, der den Rückweg aus der Burg zu einem Spaziergang machen würde.

„Wir müssen noch etwas warten, bis wir endgültig die Burg verlassen können", erklärte Haldir, bevor er sich mit dem geschwächten Heiler in Bewegung setzte. „Das ist übrigens Hauptmann Forlos von der Leibgarde König Thranduils."

„Mein König war gerade zufällig da", beantwortete Forlos freundlich den verwunderten Blick von Ardalos. „Er lässt es sich ungern entgehen, Räuberpack auszuradieren. Es war also keine Mühe. Könnt Ihr laufen? Wir werden vielleicht etwas schneller unterwegs sein."

Ardalos verharrte mitten in der Bewegung und seine knochigen Hände klammerten sich mit unerwarteter Kraft in Haldirs Arm. „Wir können noch nicht gehen", hauchte er und wurde so bleich wie ein Laken. „Eru mag mir vergeben, dass es mir auch nur einen Atemzug nicht gegenwärtig war. Es ist die Erleichterung über eine Rettung, die mir schon nicht mehr möglich schien und auch die Freude, dass es meinen alten Freund Elrond gut geht…"

„Ich will nicht drängen", unterbrach Haldir den Heiler stirnrunzelnd. „Aber Ihr solltet wirklich zur Sache kommen."

„Ach verzeiht mir. Ich habe solange nicht mehr ohne Angst sprechen können."

„Meister Ardalos…" Auf Haldirs Wange zuckte ein Muskel. „Zur Sache!"

„Meliara, meine Gefährtin", stieß Ardalos hervor und Tränen füllten seine Augen. „Er hält sie gefangen."

„Wo?" blaffte Forlos. Er hatte es gewusst! Hatte es einfach gewusst, dass sie nicht hier reinspazieren, diesen unseligen Heiler einsammeln und wieder verschwinden würden. „Weiter oben im Turm?"

„Genau", nickte Ardalos müde. „Denkt Ihr denn, ich hätte ihm sonst das Geheimnis gegeben, das meinen alten Freund Elrond so gefährden würde?"

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Das Auftauchen der Burgsilhouette im Licht des Vollmondes war das vereinbarte Zeichen, mit dem die Hetzjagd durch den Wald beendet wurde. Gleichzeitig tauchten die drei Elben zwischen den Stämmen der letzten Baumreihen vor dem freien Gelände ab. Raff, von seinem schnellen Imbiss mit neuem Tatendrang beflügelt, donnerte ungebremst an ihnen vorbei. Außerdem schien er Appetit bekommen zu haben, denn es interessierte ihn wohl überhaupt nicht mehr, wo die Elben abgeblieben waren, wenn sozusagen der Tisch beziehungsweise eine ganze Burg wie ein Festmahl auf ihn wartete.

Er grölte freudig auf und stürmte dann auf das Burgtor zu. Irgendwann war es sicher einmal stabil und fast uneinnehmbar gewesen, aber die Zeiten waren wohl schon etwas länger vorbei. Der Zahn der Zeit und Raffs beachtliche Körpermasse waren etwas, das auch das wehrhafteste Tor nicht wirklich lange aushielt.

„Ich gebe einem Troll Deckung", knurrte Legolas etwas irritiert. Er stand mittlerweile nicht mehr hinter einem Baum, sondern am Rand des offenen Geländes, den Bogen in den Händen und durchlöcherte all diejenigen, die Raff durch Pfeile oder auch kurzerhand mit aus der Wehrmauer entfernten Steinen bei seinem durchaus lobenswerten Tun behinderten, den Elben den Zugang zur Burg etwas zu erleichtern. Der Troll wusste zwar nicht, welchen unschätzbaren Dienst er den Kriegern Bruchtals und Düsterwalds erwies, aber irgendwo würde es irgendwann irgendjemand zur Kenntnis nehmen und die Verdammnis dieser Kreatur war vielleicht eintausend Jahre kürzer als ursprünglich geplant. Eine gute Tat jagte in dieser Nacht förmlich die nächste.

„Eigentlich könnten sie jetzt langsam auftauchen", nörgelte Elladan herum, der auch nicht mehr wirklich viele Pfeile in seinem Köcher hatte.

„Stell dich nicht so an", wies ihn Elrohir mit einem boshaften Lächeln zurecht. „Dann greifen wir eben alleine an. Bis wir drin sind, hat Raff sowieso die Hälfte der Räuber verspeist."

„Die andere Hälfte sind immer noch zu viele." Elladan stieß einen triumphierenden Laut aus. „Hah, hast du das gesehen, Bruder? Das waren zwei mit einem Pfeil."

„Sie standen hintereinander."

„Und? Mach mir das erstmal nach."

Auf der Mauer stolperte einer der Räuber schreiend zwischen seinen Kumpanen herum. Elladans Pfeil hatte ihm regelrecht die Leiche eines anderen Verteidigers an die Brust geheftet. Der Mann hatte wahrscheinlich nicht nur Schmerzen, sondern auch noch Panik. Jedenfalls war er nicht mehr fähig, zwischen vorne und hinten zu unterscheiden. Er stolperte voran, der Tote vor ihm verfing sich an einer Zinne und beide fielen über die Burgmauer.

„Der andere zählt nicht", behauptete Elrohir. „Er ist runtergefallen und nicht richtig getroffen worden."

„Natürlich zählt er!" protestierte Elladan gekränkt. „Ohne meinen Schuss wäre es schließlich nicht passiert."

„Ihr zählt doch wohl nicht im Ernst die toten Gegner?" erkundigte sich Legolas. „Das ist unglaublich."

„Stell dich nicht so an", grinsten die Zwillinge.

Das alte Tor gab auf. Und sofort darauf gab es auch nach. Splitter flogen regelrecht durch die Luft und selbst Raff war überrascht, mit welcher Wucht es nach innen aufflog. Er stolperte durch den Torweg und landete erst einmal auf dem Bauch.

„Unser Troll ist hingefallen", stöhnte Elladan. „Das ist so peinlich."

„Dann solltest du ihm wieder aufhelfen", ertönte eine vertraute Stimme voller Sarkasmus ein Stück hinter ihnen.

Die drei fuhren herum und sahen sich einer Phalanx aus berittenen Elben gegenüber, die zwischen der letzten Baumreihe erschienen war. Glorfindel, Thranduil und auch Erestor, von dem der Kommentar gekommen war, standen beinahe direkt vor ihnen. Ein Stück dahinter winkte Galen ihnen zu, den Halbarad und Estel in die Mitte genommen hatten.

„Wir haben schon überlegt, ohne euch anzufangen", meinte Elladan, der sich schnell wieder gefangen hatte. „War es nett unterwegs?"

„Sehr nett", meinte Glorfindel und deutete mit einer Kopfbewegung auf die Burg. „Und bei euch?"

„Höchst erfrischend", erzählte Elronds Erbe mit einem falschen Lächeln. „Es sind die Kleinigkeiten, die die ganze Sache doch mit Aufregung füllen."

„Wie ein Troll, der Sonnenlicht verträgt", ergänzte sein Bruder.

Legolas fing einen fragenden Blick seines Vaters auf und zuckte nur die Achseln. Das Objekt des Gesprächs hatte sich wenigstens wieder aufgerappelt und stampfte unversehrt und hungrig in den Burghof.

„Ein Bergtroll", vermutete Erestor nachdenklich. „So weit hier oben im Norden findet man sie gewöhnlich nicht. Sie stehen dem dunklen Herrscher sehr nah. Sie dienen ihm und er gibt ihnen Kraft."

„Ein nettes Rätsel für die Winterabende am Kamin", bemerkte Thranduil mit einem leicht ätzenden Unterton in der Stimme. „Wir sollten langsam angreifen, sonst ist der Troll wieder auf dem Rückweg nach Süden, bis wir zu einem Ergebnis gekommen sind."

„Die Ungeduld der Jugend", spottete Erestor, hielt aber gleichwohl Elladan die Hand hin, um ihn hinter sich auf sein Pferd zu ziehen.

Elrohir stieg hinter Glorfindel auf und Legolas fand seinen Platz hinter Thranduil, der ihm zuvor kurz und mit deutlicher Erleichterung über die Unversehrtheit seines Sprösslings zunickte. Aus dem Burghof war panische Schreie zu hören und auch die Verteidiger auf der Wehrmauer schienen völlig orientierungslos, gegen wen sie die Burg denn nun verteidigen sollten: den Troll oder die Elben. Die meisten entschieden sich für den Troll und so waren es nur wenige Pfeile, die den Angreifern entgegen schwirrten. Den meisten davon konnten sie problemlos ausweichen, kaum einer traf ins Ziel und wenn, richtete er nicht wirklich Schaden an. Die Rüstungen der Krieger waren ganz andere Herausforderungen gewöhnt, als die eher schwache Gegenwehr völlig verwirrter Strauchdiebe.

Gildor preschte mit dem Großteil der Krieger voran auf das Tor zu. Niemand machte ihm die Angriffsspitze streitig. Nicht nach dem, was ihm diese Sterblichen angetan hatten. Die anderen folgten etwas langsamer, umgeben von Leibwachen, die wohl gerade begriffen, in was ihre Fürsten sich stürzen wollten. Für Bedenken war es allerdings zu spät. Aus dem Sattel heraus deckten sie die verbliebenen Männer auf der Wehrmauer mit Pfeilen ein. Es war beinahe erbärmlich, wie die sich sofort duckten und dann versuchten, dem tödlichen Hagel zu entkommen.

Als die Elben den Burghof stürmten, hielt Raff schon blutige Ernte unter denen, die sich dort aufgehalten haben.

„Wo hat er eigentlich seine Keule?" wunderte sich Elladan.

Der riesige Troll wütete zwischen den Lagerfeuern und primitiven Unterkünften und es interessierte ihn nicht im Geringsten, wen er unter seinen Füßen zerquetschte oder förmlich mit bloßen Händen in Stücke riss. Raff brauchte keine Keule, denn Raff war in einem Blutrausch. Wer ihm gerade noch entkommen konnte, geriet in die Reichweite der Elbenschwerter. Gildor schien nicht bereit, Gnade walten zu lassen. Wann immer ihm oder einem seiner Krieger ein Sterblicher zu nahe kam, war das dessen Ende. Einzig die Frauen und einige der noch sehr jungen Wegelagerer, die eher noch Kinder waren, behielten ihr Leben.

Legolas stutzte bei dieser Beobachtung und sah sich dann um. „Wo ist eigentlich Hestia?"

„Irgendwo bei Erestor", knurrte Thranduil vor ihm. Düsterwalds König hatte zwar sein Schwert gezückt, beschränkte sich im Moment allerdings darauf, einem Halbwüchsigen, der mit dem Mut der Verzweiflung auf ihn losging, mit einem Tritt ins Gesicht die Nase zu brechen und ihn gleichzeitig ins Land der Träume zu schicken.

Hestia war eindeutig nicht bei Erestor. Elronds Seneschall hatte sein Pferd bereits bis vor zur Treppe des Wehrturms getrieben. Der Grund dafür war der Mann, der im Eingang des Turms erschienen war. Marsden schien die Lage im Burghof mit einem Blick zu erfassen. Er wirkte nur einen Moment noch unschlüssig, dann wich er wieder langsam in den Turm zurück. Allerdings nicht ohne vorher noch etwas zu unternehmen, das alle völlig unvorbereitet traf.

„Raff!" brüllte er aus voller Kehle und der Troll hielt inne. „Greif die Elben an, du schwachsinniger Trampel. Halt sie mir vom Leib!"

Nicht nur die Angreifer hielten völlig überrascht inne, auch die sterblichen Verteidiger, unter denen der Troll so gewütet hatte, erstarrten und wandten sich ihrem Anführer zu, der kurz den Blick aus seinen kalten Augen über sie schweifen ließ.

„Töten kannst du die Menschen nachher", ergänzte er dann und verschwand wieder im Turm.

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chris: Langsam denke ich, dass sich Elrond nach diesem Abenteuer einen längeren Urlaub verdient hab. Die Entspannungsgeschichte hab ich schon fertig. Da kann er dann mal so richtig die Seele baumeln lassen und nur an sein Vergnügen denken.

Die Verwandtschaftverhältnisse kommen noch. Allerdings jetzt ein Kapitel später, weil ich das hier wegen Überlänge geteilt habe, was auch wiederum erklärt, warum es zu so nachtschlafender Zeit gepostet wurde.

Abendsternchen: Eigentlich hast du Recht. Figwit mag ja etwas schusselig sein, aber das tut seiner Entschlossenheit keinen Abbruch. Wenn der Chef den Troll raus haben will, dann kriegt der Chef den Troll eben raus. Egal, was es kostet. Super Sekretär. Auch haben will.

Das mit dem Schmetterling fand ich auch etwas äh sehr verspielt, um mal ganz ehrlich zu sein. Aber es hätte ja noch schlimmer kommen können: Bärchenstickerei auf der Robe oder so. Oder sie hätten ihm wirklich diese Henkelfrisur gegeben.

Amicahelena: Ach, im Grunde weiß Erestor den Burschen wohl ganz gut zu schätzen. Aber der Geheimelb kann das eben nicht richtig zeigen, sein goldenes Herz, seine innere Wärme…okay, ich hör auf, sonst taucht er hier auf und sticht mich ab.

Die beiden Hauptmänner sind echte Helden. Gehen meilenweit und stehen stundenlang, wenn es die Chefs wollen. Im Feuer, mein ich, im Feuer…

Moony Tatze: Ja, sie haben es geschafft. Sie schaffen es immer. Sie haben schließlich einen Plan. Einen von Elladan gelegentlich, aber das macht ja nix. Am Ende kommt was Gutes dabei raus. Ich schätze, Eru hat Mitleid und lässt sie überleben. Ohne gebrochene Handknochen und den ausufernden Einsatz sämtlicher später wieder anwesender Heiler.

Moony, bleib bei deinem Elb. Den anderen bring ich schon unter, keine Sorge +grinszufrieden+

Annchen: Fragen über Fragen, und ich hab hier keine einzige beantwortet. Sorry, so war das gar nicht geplant. Eigentlich war das hier das vorletzte Kapitel mit schon einigen Lösungen, aber diese Elben brauchen echt lange, um eine Burg zu erobern.

Luna: Eher Hauptmänner, die neue Stiefel brauchen. Gut, dass Elbenschuhwerk so gute Qualität hat. Hoffe ich jedenfalls inständig. Figwit ist wirklich ein recht Süßer, stell ich fest. Dabei sollte er eigentlich gar nicht so groß ins Spiel kommen. Naja, so kann man sich irren.

Donnfindel: Ich schätze, die Peepshow ist wirklich nix für Elben. Verzeihung, werter Krieger. Raff ist doch nur ein Bergtroll. Die vertragen wirklich Sonnenlicht, natürlich mit freundlicher Unterstützung des Sonnenschutzfaktors aus Mordor. Der hat ein Herz für Trolle und schenkt ihnen ein Leben an der Sonne. Gegenleistung wird erwartet +ggg+

Aida: Ich kenn ja das Verhältnis zwischen Gilnín und Erestor, ich bastel nur noch daran rum, wie ich das wohl beschreiben soll. Dabei erschien es mir am Anfang noch recht einfach, aber so langsam bekomm ich Schweißausbrüche. Aber gerade eben, wo ich das hier schreibe, ist mir wieder was eingefallen. Danke für das Review, mit der Antwort kam die Erleuchtung. Danke +rutsch auf Knien rum+

Weißt du, solange du nicht Haldir oder Forlos mit dieser Küchenschlampe verkuppeln willst, bin ich für alle Mutmaßungen offen. Andererseits hab ich für Forlos gerade eine Heiratsannonce in der Imladris Times aufgegeben und wollte erstmal abwarten, wer sich da so meldet. Und Haldir hat die Hoffnung auf Aristil wohl noch nicht ganz aufgegeben.

Turamarth: Das hab ich letztens auch festgestellt. Der Ernstheitsgrad steigert sich zusehends. Eigentlich ist es jetzt mal wieder Zeit für eine kürzere Heiler-Story, die aber fröhlicher ist. Das Kapitel hier ist ja auch nicht gerade eine rosa Wolke mit Elben drauf.

Naja, ich dachte, Elrond meinte, der Troll stürmt rein, sorgt für Unruhe unter den Sterblichen und löst sich dann in Luft auf. Oder so ähnlich zumindest. Man kann als großartiger Stratege nicht jede Einzelheit bedenken. Wer kommt schon darauf, dass es ein Bergtroll ist.

Iary: So, jetzt ist endgültig Schicht im Schacht. Methos wird umgetauscht gegen einen hm…hm…eine Celeborn bitte. Ich nehme im Notfall natürlich auch das Original. Dann kannst du deinen Unsterblichen Reiter wieder mit Bier abfüllen und ich ziehe mich mit dem Strohwitwer aus Lorien in einen lauschigen Talan zurück, um mal die Garantiebedingungen auszuhandeln und die Ware zu testen. Nur eine 8,0 – so was aber auch.

Shelley: Nix verhauen rute wegnimmt. Weißt du eigentlich, dass du meine ALLERERSTE Reviewerin warst, damals in längst vergangener Zeit. Hach sag und mal drückt.

Stümmt, wird oft und gern genommen. Auslöser war hier aber eigentlich mein Handspiegel im Badezimmer und mein bekloppter Kater, den ich mit dem Lichtfleck durch die Gegend gejagt habe. Der kleine Spinner kann sich stundenlang dranhalten.

Hestia ist jetzt erstmal weg. Kommt aber im nächsten wieder vor, die Arme. Gut geht es ihr da nicht und ich würd im Leben nicht mit ihr tauschen wollen.

Queen of Angmar: Na komm, der Überelb hat doch seine Stärken. Wenn er nicht die Ruhe behalte würde, wer dann? Stell dir nur mal die Nervenbelastung vor, unter der der ständig lebt. Die Zwillinge, Erestor auf Abwegen im Umland, Glorfindel auf Abwegen in Schlafzimmern, Figwit überhaupt nicht geistig anwesend und dann noch die Gäste aus Rhûnar. Konnte doch keiner ahnen, was die anrichten.

Varya übt wahrscheinlich, königlich zu sein. Dürfte erfahrungsgemäß schief gehen, schätze ich mal so. Das Chaos folgt ihr – wie du treffend bemerktest – wie ein Schatten.

Amélie: Findel, mein Herz. Das war eine schöne Story mit Elrond, gelle? Ich war ja hin und weg und hab den Elb mal in einem ganz anderen Lichte erblickt. Ja, da fing es an und wohin führte es wohl?

Du hättest ‚ehemals' idyllisches Tal schreiben sollen. Das hörte schon auf, als er den kleinen Dunadan von Arathorn aufgenommen hat und seine Bengels endlich etwas zum Spielen hatten. Sägeschwingender Figwit mag ja noch angehen, aber wirklich sägend? Die Vorstellung macht mich schaudern.

feanen: Hallo, Isländerin. Geht es dir endlich richtig gut? Schon den nächsten Urlaub geplant? Ich hab in den letzten Wochen ein paar tolle Krimis von einem Isländer gelesen. Die Beschreibung von Land und Leuten macht einen sehr neugierig.