DisclaimerWie auch zuvor liegen sämtliche Urheberrechte bei Tolkien oder seinen Erben. Mir gehört herzlich wenig, aber Spaß macht es trotzdem, mit den Sachen anderer Leute zu spielen. Ich gebe es ja wieder ab!

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A/N: Amélie hatte den Stress mit dem Findeln und ich danke ihr auf Knien. Und was Hestias Schicksal angeht, kam mir die Idee bei einer Bemerkung von Sarah. Danke an meine Helfer.

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25. Kapitel: Plan D

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Chaos war ein Wort, das in sehr milder Form beschrieb, was sich nach Marsdens Ankündigung im Burghof abspielte. Zu Beginn hatte es ja noch zwei recht genau definierte Fronten gegeben, die sich gebildet hatten. Zum einen war da der Troll, der gegen alle war, aber wohl die Sterblichen bevorzugte, weil sie einfacher zu erwischen waren und zum anderen die Elben, die sich vom Troll fernhielten und Marsdens Räuber attackierten. Mit Marsdens etwas überraschender Bekanntmachung, dass er auf gar keiner Seite stand und außerdem noch gemeinsame Sache mit Raff machte, verwischten sich die Linien doch ein wenig.

Galen machte erst einmal das für ihn Naheliegende – er stieg von seinem Pferd und schickte das Tier hinaus. Im Burghof war es nur gefährdet und er mochte sein Reittier wirklich sehr. Außerdem war es eines von Thranduils Pferden und er hatte damals bei seiner ersten Reise nach Imladris bereits eines verloren. So langsam würde Varyas König sonst den Eindruck bekommen, dass Rhûna mit Leihgaben nicht sehr sorgfältig umgingen und das wollte Galen nun wahrlich nicht.

Galens Füße hatten kaum den Boden berührt, da kesselten ihn drei hünenhafte Sterbliche ein. Wahrscheinlich versprachen sie sich bei ihm leichte Beute. Der Rhûnar-Heiler lächelte scheinheilig und stützte sich auf seinen Stab. „Drei gegen einen? Ist das nicht etwas unverschämt?"

Sie lachten. Galen unterdrückte einen Seufzer. Natürlich lachten sie. Er war kleiner als die anderen Elben, eindeutig kein Krieger und Sterbliche ihrer Kategorie gewöhnlich so intelligent wie ein leerer Putzeimer.

„Galen, brauchst du Hilfe?" rief ihm Estel zu, der genau wie die meisten anderen ebenfalls sein Reittier aus dem Getümmel geschickt hatte und einen kleinen Jungen am Kragen gepackt hatte, der wohl mit einem Knüppel auf ihn losgehen wollte. „Verzieh dich, du Bengel, bevor ich wirklich beleidigt bin."

„Nein, geht schon", wehrte Galen ab. „Und du?"

„Ha-ha!" machte Estel. Der Junge trat ihn heftig vors Schienbein und fing sich dafür eine schallende Ohrfeige ein. Der ganze Heldenmut fiel daraufhin in sich zusammen und der Bengel machte, dass er davon kam.

„Also dann", lächelte Galen strahlender als zuvor und wandte sich wieder seinen Angreifern zu, die kein Wort Sindarin verstanden hatten. „Wem soll ich denn nun als erstem das Genick brechen?"

Mangelnde Absprache war schon immer ein Hauptproblem der Sterblichen gewesen, stellte Galen nicht zum ersten Mal fest. Entweder hätten sie sich einzeln auf ihn stürzen sollen – was er nicht wirklich für empfehlenswert hielt – oder alle gemeinsam auf den vermeintlich kleineren Gegner losgehen müssen, was er eigentlich auch nicht für eine gute Idee hielt, aber kämpfende Menschen sollte man bekanntlich nicht aufhalten. Seine speziellen Gegner entschieden sich für den krummen Kompromiss, dass sich erst einmal zwei den zierlichen, zerbrechlichen Elb vornehmen würden, während der Dritte gemütlich am Rand herumstand und den Troll im Auge behielt. Besagter zierlicher und ach so zerbrechlicher Elb drehte wie zur Warnung den Kampfstab in der Hand und brachte ihn vor sich waagerecht in der Luft zum Halt.

„Willst du uns mit deinem verzierten Stöckchen hauen?" prustete einer, der sich durch eine von bläulichen Adern durchzogene Knollennase auszeichnete.

„Das hatte ich vor", erklärte Galen auf Westron. Zeitgleich schnellte die eine Spitze des Stabes vor und traf den Sprecher vor den Kehlkopf. Röchelnd brach er in die Knie, die Hände fuhren hoch zu seiner Kehle.

Galen konnte solche Schläge kontrollieren. Sie vermochten seine Gegner sofort ins Reich der Träume schicken oder ersticken lassen, so wie diesen hier. Caranir, von dem er die Fähigkeiten durch einen eher dunklen Tausch Enachs erhalten hatte, war ein wahrer Meister mit dieser Waffe gewesen.

„Uah", machte der zweite Held, der sich gleich seiner eigenen Sterblichkeit kurz aber deutlich bewusst werden würde und stürzte mit einem recht schmuddeligen Schwert in der Hand auf den Ithildrim zu.

„Bitte?" erkundigte sich Galen höflich.

Eine Antwort bekam er nicht. Es mochte daran liegen, dass der Stab wieder in Bewegung gesetzt wurde, immer noch ohne Klingen, und in schneller Folge die Gliedmaßen des Angreifers zertrümmerte, bevor er den Schädel brach.

„Galen, hör auf, hier rumzuspielen." Estel spießte den Dritten, der sich eigentlich eher davonmachen wollte, mit seinem Schwert auf, packte Galen an der Schulter und zerrte ihn mit sich. „Glorfindel will, dass wir Erestor Rückendeckung geben. Der Seneschall ist alleine in den Wehrturm gestürmt."

Überrascht war Galen nicht unbedingt davon, eher von der Tatsache, dass ausgerechnet er und Estel Gilníns Ebenbild als Eskorte dienen sollten. Da hätte er doch schon mehr damit gerechnet, dass man die Zwillinge oder Legolas für diese Aufgabe auswählen würde.

Die drei gesellten sich an der Treppe zu ihnen und Galen seufzte. Soviel dazu, was man Estel und ihm zutraute. Er ließ noch einen Blick über den Burghof schweifen. Verletzte, die seiner Hilfe bedurften, waren keine zu erspähen. Vielen der Räuber ging es zwar nicht gerade sehr gut, aber Galen war noch nicht in der Stimmung, auch nur eine Messerspitze seiner guten Mordor-Paste oder geschweige denn seine eigenen Kräfte an sie zu verschwenden.

„Verriegelt", erklärte Elladan, der an dem großen Eisenring an der Holztür des Wehrturms gedreht hatte. „Der Mistkerl hat sich eingeschlossen."

Sie waren nicht die einzigen, die in den Turm hineinwollten. Einige Frauen und auch sehr junge Sterbliche drängten sich an der Wand neben dem Eingang, Todesangst spiegelte sich auf ihren Gesichtern. Galen lächelte einem Mädchen aufmunternd zu, aber das halbe Kind starrte ihn erschrocken an und drückte sich an die Frau neben sich.

„Dann eben nicht", murmelte Galen finster und machte sich mit den vier anderen daran, die Tür einzutreten. Es war überhaupt nicht das, was er unter einer angenehmen Beschäftigung verstand. Die Burg mochte ja etwas marode sein, aber die Tür keinesfalls. Ein solides Bollwerk aus dicken Eichenplanken, dem der Zahn der Zeit so rein gar nichts angehabt hatte.

„Wir sollten deinen Vater rufen, Legolas", ächzte Elladan, während er sich zur Abwechslung mal mit der Schulter dagegen warf. „Ich habe gehört, er kennt sich damit aus, Türen einzutreten."

„Noch ein Wort und ich benutze dich als Rammbock!" zischelte Legolas.

Jedenfalls gab ihnen die Stichelei neuen Schwung. Beim nächsten Anlauf knirschte es verdächtig und ein paar weitere Tritte brachen zumindest das Schloss aus dem Rahmen. Gemeinsam stürmten sie in eine reichlich verlassene Eingangshalle und standen einen Moment unschlüssig da.

„Eine Frage beschäftigt mich allerdings", kam es von Estel. „Warum hat Erestor die Tür hinter sich verschlossen?"

„Das war er nicht." Mit diesen Worten spurtete Elrohir los, genau auf einen Durchgang zu, der von modrigen, schweren Vorhängen umrahmt war. Es staubte, als der Elb sich hineinstürzte, dann ertönte ein schriller Schrei und Elrohir tauchte wieder auf. Er hatte eine sehr vertraute Gestalt bei den Haaren gefasst und zerrte sie unsanft neben sich her.

„Das verlorene Schaf ist wieder aufgetaucht", meinte Elladan grimmig. „Und noch genauso dumm wie vorher."

„Ich könnte sie töten", schlug Galen nur halb im Scherz vor. „Dann lässt sie ihre Finger von den Schlössern."

„Dafür reicht es, wenn du ihr die Hände brichst", schränkte Legolas ein.

„Ihr macht alles kaputt!" schrie Hestia mit überschlagender Stimme. „Alles wird zerstört. Warum lasst ihr uns nicht in Ruhe?"

Galen verzichtete darauf, ihr gewisse logische Brüche in diesen Vorwürfen deutlich zu machen. Er hatte eigentlich wirklich Lust, ihr weh zu tun. Und zwar richtig! Andererseits sollte man das vielleicht besser Erestor überlassen. Vorausgesetzt, sie fanden ihn auch.

„Führ uns zu Marsden", befahl Elladan gerade sehr unfreundlich und sein Bruder unterstrich die elbische Bitte mit einem erneuten Zerren an ihren Haaren.

Es wurde ohnehin Zeit, diese Halle zu verlassen. Offenbar waren hinter ihnen die Burgbewohner zu dem Schluss gekommen, dass es im Wehrturm wohl noch am sichersten für sie war. Mehr und mehr Menschen drängten hinein. Noch waren die meisten von ihnen Frauen und Halbwüchsige, aber es würde nicht mehr lange dauern, bis auch die Männer nachkamen, die jetzt noch draußen gegen den Troll und die Elben anrannten.

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Das erste Stockwerk des Wehrturms ignorierte er. Erestor war sich sicher, dass Marsden sich nicht hier verschanzen würde. Schnell nahm er die ausgetretenen, staubigen Stufen in diesem recht großzügigen Treppenhaus, bis er den letzten Absatz unterhalb des zweiten Stockwerks erreicht hatte. Dann blieb er stehen und lauschte. Wirkliche Stille existierte nicht. Jedenfalls war sie Erestor noch niemals begegnet und er lebte wahrlich schon lange.

Es mochte vielleicht hier ruhig erscheinen, aber noch immer drangen von draußen die Geräusche eines zunehmend hektischeren Kampfes gegen Raff herein. Dazu kam noch der Schlag seines eigenen Herzens, das Geräusch, mit dem er die Luft in seine Lungen sog und all die anderen leisen Zeichen, dass Bewegung in diesem Gemäuer war.

Erestor blendete diese Geräusche aus, wie er es immer machte, wenn er etwas ganz Bestimmtes zu erfassen suchte. Ruhe senkte sich um ihn, bis er die Schritte vernahm, die sich sehr leise durch dieses Stockwerk bewegten. Naurcrist lag locker in seiner Hand, die Spitze zeigte zum Boden, als sich Erestor langsam nach links wandte und auf die Quelle der Schritte zuging. Dieser Ort war eine seltsam unwirkliche Mischung aus bewohnten Bereichen und dem Verfall langer Jahrhunderte. Licht brannte in einigen Wandfackeln, andere waren schon vor ewigen Zeiten aus ihren Halterungen gebrochen. Manche der Türen standen offen und enthüllten den Blick in verlassene Räume. Es gab Kisten und Körbe, aus denen Stoffe oder auch nur einfache Gebrauchsgegenstände heraus quollen.

Erestors kontrollierter Zorn regte sich jedes Mal, wenn seine Augen auf elbische Muster und Farben fielen, die trotz der Düsterkeit dieses Ortes soviel Licht in sich trugen. Sie gehörten nicht hierher. Die Seelen der Toten schienen in ihrer Nähe darauf zu warten, dass ihnen endlich Gerechtigkeit widerfuhr. Rache, würde Elrond es mit leichter Missbilligung nennen. Erestor empfand es als reine Konsequenz.

Der Gang führte zu einer Tür, die halb aufstand. Der helle Schein mehrerer Fackeln warf lebhafte Schatten auf den Steinboden. Erestor verlangsamte seine Schritte. Wachsam ging er nahe der linken Wand weiter auf sein Ziel zu. Die Geräusche hatten sich verändert. Marsden schien hastig etwas zusammenzuraffen, es klirrte gelegentlich und die Schatten tanzten, wenn er an den Fackeln vorbeilief. Marsden machte sich bereit, diesen Ort zu verlassen. Nun, dagegen hatte Erestor nicht einmal etwas einzuwenden. Marsden würde die Burg verlassen, seine Seele zumindest, nachdem Erestor sein erbärmliches Leben beendet hatte.

Es wurde Zeit. Erestor drückte langsam mit der Schwertspitze die Tür auf. Wenn er noch länger wartete, würde hier sonst ein Trupp wohlmeinender Helfer auftauchen, die ihm das Vergnügen nahmen, Marsdens Tod zu einer ganz persönlichen Angelegenheit zu machen.

Marsden stand auf der türabgewandten Seite eines breiten Bettes und war gerade dabei, einen dunklen Mantel wie ihn die Waldläufer trugen, zu einer Rolle zusammenzubinden. Aus den Augenwinkeln musste er die Bewegung der Tür bemerkt haben, denn er erstarrte für einen Augenblick, hob den Kopf und kurz verzerrten sich seine Gesichtszüge in einem Anflug von Furcht. Dann deckte sich unverhohlene Abneigung über dieses Gefühl, das dennoch tief in Marsdens Innern noch vorhanden sein musste.

„Erestor!" stieß er hervor. „Hat es dir nicht gereicht?"

Erestor blieb auf der Türschwelle stehen, Naurcrists Spitze war diesmal auf Marsden gerichtet. „Es reichte vollkommen", sagte er leise. „Eigentlich war es schon zuviel. Ich denke sogar, dass wir es beenden sollten."

„Hier? In einem Kampf?" Marsden schüttelte leicht den Kopf. „Ich werde nicht gegen dich antreten. So verrückt bin ich nicht."

„Und ich glaube nicht, dass du eine andere Wahl hast." Erestor unterdrückte ein Stirnrunzeln. Marsden strömte noch immer genug Zuversicht aus, dass er diesen Raum lebend verlassen würde. „Denkst du, dein Troll wird dir helfen?"

„MEIN Troll", meinte der Dúnadan betont. „wird mir allerdings helfen. Es ist seine Aufgabe, mich wieder heil zu seinem Herrn zu bringen, damit ich ihm erzählen kann, dass ich Erfolg hatte."

Erestor machte einen weiteren Schritt in den Raum hinein. Eher am Rande registrierte er, dass Marsden sich nicht mit den Schätzen seiner Raubzüge umgeben hatte. Es passte nicht zu dem Bild, das er sich von ihm gemacht hatte. „Erfolg womit?"

„Tote Elben", erklärte Marsden und legte sich ungerührt die Packrolle über die Schulter. „Ein Elb hat ihn ganz besonders interessiert. Ich hatte schon befürchtet, ich müsste selbst auf Elrond losgehen. Kein sehr angenehmer Gedanke, aber dann kam mir doch der pure Zufall zu Hilfe."

„Das Buch", nickte Erestor mit der letzten Gewissheit, die ihm noch gefehlt hatte. „Wie…?"

„Ich hatte Hilfe", grinste Marsden. Überraschend beugte er sich nach unten und als er sich wieder aufrichtete, zerrte er etwas mit sich, das Erestor endgültig aus dem Konzept brachte. „Mein Abschiedsgeschenk!"

Der leblose Körper einer Elbin, durch den Raum geschleudert wie eine gewichtslose Puppe, kam auf Erestor zu. In einem Reflex griff er zu und fing sie auf, Naurcrist polterte zu Boden, Marsden lachte laut auf und Erestor fluchte, während er gleichzeitig versuchte, die Elbin an sich zu drücken und sie vor dem Angriff zu schützen, der nun eigentlich folgen musste.

Als er nach kurzem Zögern den Kopf wieder hob, sah er nur noch, wie Marsden durch eines der Fenster verschwand. Erestor wollte ihm schon nachsetzen, als sich eine Hand fest in das Wildleder seines Hemdes krallte und seine Aufmerksamkeit wieder auf das vorher so leblose Geschöpf in seinen Armen zog.

„Erestor." Vertraute Züge spiegelten eine Mischung aus Erleichterung und tiefer Trauer wieder. „Wir haben Schreckliches getan."

„Ich weiß", knurrte er nur und brachte sie zum Bett. „Macht Euch keine Sorgen, es ist nichts geschehen."

„Ich wollte sterben", flüsterte Ardalos' Gefährtin. Sie schien Erestors Worte überhaupt nicht wirklich zu hören. „Aber er hat gedroht, Ardalos fürchterliche Qualen zuzufügen."

„Was er auch getan hätte." Erestor versuchte, ihre Hand von seiner Kleidung zu lösen. Er wollte Marsden nachsetzen. Meliaras Verzweiflung schmerzte ihn, aber Marsden zu stellen war jetzt wichtiger. „Beruhigt Euch, Meliara. Elrond ist unversehrt. Ich bitte Euch,…"

Sie hörte ihm wirklich nicht zu. Zwei Jahre in Marsdens Gewalt hatten ihrem Körper und ihrem Geist zugesetzt. Erestor kämpfte mit sich. Meliara einfach hier schutzlos zurückzulassen, widerstrebte ihm. Aber es widerstrebte ihm auch, dass Marsden entkommen sollte. Zornig bemerkte er, wie sich der Knoten eines Elbenseils an der Mittelstrebe des Fensters löste. Marsden hatte bereits sicheren Boden erreicht. Mit jedem Atemzug schwand die Chance, dass er ihn noch zu fassen bekam.

„Ich übernehme das."

Erestor hätte sich nicht träumen lassen, einmal so erleichtert über das Auftauchen des Rhûnar-Heilers zu sein. Galen glitt an seine Seite, beugte sich über die Elbin und umfasste sanft ihr Handgelenk. Beinahe sofort löste sich der Griff an Erestors Kleidung.

„Es geht ihr gut", erklärte der Heiler und reagierte auf Erestors zweifelndes Stirnrunzeln mit einem leichten Lächeln. „Glaubt mir. Sie braucht nur etwas Ruhe und die Gewissheit, dass es ihrem Gefährten gut geht."

Mehr wollte Erestor gar nicht hören. Er fing sein Schwert auf, das Elladan ihm zuwarf und rannte zum Fenster. Weit vorgebeugt versuchte er zu erfassen, wohin Marsden von hier aus verschwunden war. Der Sterbliche hatte sich nicht bis zum Burghof abgeseilt, das war nicht nötig gewesen. Ganz in der Nähe verlief die Wehrmauer, etwa in Höhe des ersten Stockwerkes. Erestors Blick folgte ihrem Verlauf und er zischelte leise, als er Marsden entdeckte, der leicht geduckt im Schatten der Mauerkrone auf den Troll zulief. Raff wütete immer noch im Hof, in dem sich fast nur noch Elben aufhielten und versuchten, ihm den Garaus zu machen.

„Müsste gelingen", meinte Legolas, der sich neben ihm aus dem Fenster lehnte. „Die Entfernung ist nicht so groß."

„Ich bin kein Waldelb, der von Baum zu Baum hüpft."

„Nein, das wohl nicht. Andererseits haben wir nun mal kein Seil, Euch bleibt also sowieso keine andere Wahl", lächelte Thranduils Sohn. „Gebt mir Eure Hand, ich schwinge Euch hinüber."

Erestor hatte nicht die Zeit, mit Legolas zu diskutieren. Außerdem sollte ein Elb, der mit großer Leidenschaft in Bäumen herumkletterte, einen gewissen Erfahrungsvorsprung haben. Er verstaute Naurcrist in seiner Hülle, sprang auf den Fenstersims und Legolas packte seinen rechten Unterarm. Dann ließ sich Erestor aus dem Fenster hinaus. Sofort begann der Tawarwaith, ihn mit immer stärkerem Schwung Richtung Wehrmauer zu pendeln. Erestor stieß sich mit den Füßen an der Außenmauer des Turms ab.

„Springt!" befahl Legolas dann.

Der Griff löste sich, Erestor segelte durch die Luft und sah die Wehrmauer auf sich zukommen. Er landete unmittelbar vor einer zerbröckelten Zinne, über die er fast hinweg gestolpert wäre, wenn er nicht die Arme zu den Seiten ausgestreckt und sich an den noch intakten Zinnen daneben abgestützt hätte. Ein Sturz über die Wehrmauer an dieser Stelle hätte sämtliche Rachepläne bis auf die Zeit nach seinem Aufenthalt in Mandos' Hallen verschoben. Es ging wirklich tief nach unten.

Erestor fuhr herum und rannte los, um Marsden noch rechtzeitig zu erwischen.

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„Was willst du?" donnerte Thranduil einen Angreifer an, der mit einem Schwert in der Hand auf ihn zukam. „Kümmere dich lieber um den Troll!"

Verblüfft starrte ihn der Mann an, ließ seinen Blick über die beeindruckende Gestalt des Elbenkönigs gleiten, das blutbefleckte Schwert in dessen Hand und den Ausdruck unendlicher Überheblichkeit auf diesem perfekten Gesicht. Schließlich kam er wohl zu dem einzig richtigen Ergebnis: ein Kampf mit einem Troll war immer noch aussichtsreicher als einer mit diesem Elb.

„Man sollte es nicht für möglich halten", schimpfte Thranduil und gesellte sich wieder zu Glorfindel, der an einem großen Weinfass lehnte, das Schwert zwar in der Hand, aber nicht wirklich im Kampf verstrickt. „Ich frage mich, wie dieser Haufen Schwachsinniger es überhaupt geschafft hat, Gildor fast zu töten."

„Überzahl und Überraschung", vermutete Glorfindel und untersuchte den Inhalt des Fasses neben seinem Standplatz. Bier, stellte er fest und furchte die Stirn. „Bei Überraschung fällt mir ein – hast du schon mal richtiges Bier getrunken?"

Thranduils rechte Augenbraue wanderte spöttisch nach oben. „Haben Zwerge Bärte?"

Glorfindel kam nicht zu einer Antwort. An ihm vorbei stürmte mit heftigem Geschrei ein Junge. Der Halbwüchsige war offenbar bereit, sich nur mit einem Stück Feuerholz in der Hand in den Kampf und insbesondere auf den Troll zu stürzen, der an der Wehrmauer gegenüber gerade einen Holzschuppen auseinander nahm. Glorfindel fing den Jungen am Kragen ein und schüttelte ihn leicht. „Und wo wollen wir hin?"

„Da", stammelte der magere Bursche und deutete leicht hysterisch auf Raff.

„Nein", widersprach Glorfindel wieder in schön langsamem Westron. „Da gehen nur richtige Krieger hin. Du gehst in den Wehrturm. Verstanden?"

Gehorsam nickte der Junge und Glorfindel ließ ihn mit einem kleinen Seufzer wieder los.

„Irgendetwas läuft nicht so, wie es eigentlich sollte", philosophierte Thranduil und klaubte einen Zinnbecher vom Boden auf. Er wischte ihn mit einem Zipfel seiner Jacke aus, betrachtete ihn nochmals prüfend und tauchte ihn dann in das Bierfass, dessen Deckel bereits bei Raffs erstem Rundgang durch den Burghof verrutscht war.

Glorfindel sagte dazu nichts, sondern suchte sich lieber einen eigenen Becher. Thranduil hatte schließlich Recht. Sie waren hergekommen, um diesem Räubernest den Garaus zu machen. Das würde zwar auch das Endergebnis sein, aber seitdem Glorfindel von der Bekanntschaft zwischen Marsden und Raff wusste, fehlte ihm der nötige Antrieb, wie ein Rachegeist unter den Gefolgsleuten dieses Mannes zu wüten. Die Überraschung dieser Menschen, als ihr eigener Anführer sie einfach so fallen ließ, hatte seinen Drang nach Vergeltung sehr plötzlich gedämpft.

Außerdem kam Gildor mit seinen Kriegern auch ohne ihn zurecht. Prüfend ließ er den Blick wieder über den Burghof schweifen. Es hatte sich eine Art Flüchtlingsstrom Richtung Wehrturm gebildet. Vor gar nicht allzu vielen Minuten hatten die hoffnungsvollen Abkömmlinge großer Fürstenhäuser der Elben und Menschen einschließlich des immer für den Notfall anwesenden Heilers endlich die Tür aufgebrochen und waren in dem Gemäuer verschwunden. Direkt nach ihnen hatten die Sterblichen begonnen, sich ebenfalls zurückzuziehen. Zuerst nur die Frauen und Kinder, von denen es deprimierend viele unter Marsdens Trupp gab. Kein Ziel für die elbischen Krieger, auch wenn gerade die Halbwüchsigen sich noch mit mehr Elan in den Kampf stürzen wollten als die gestandenen Männer.

Von denen waren allerdings auch nicht mehr wirklich viele übrig. Einige hatten sich tatsächlich in die Wälder davon gemacht, andere mit mehr Mut waren auf die Elben losgegangen und lagen nun in ihrem eigenen Blut auf dem Burghof. Dann war noch ein Teil übrig geblieben, der sich mit fast schon bewundernswerter Verzweiflung an Raff versuchte. Nur noch eine Handvoll versuchte, die Elben selber anzugreifen.

Keine wirklich gute Idee, wie Thranduil gerade wieder bewies. Er war es offenbar auch müde, diese elenden Gestalten abzustechen. „Halt das mal", meinte er zu Glorfindel und drückte ihm seinen Bierkrug in die Hand. Dann packte er zwei anstürmende Räuber an den Haaren und stieß sie mit den Köpfen zusammen.

„Soviel Nachsicht", spottete Glorfindel.

„Bist du dir sicher?" Thranduil nahm seinen Bierkrug wieder in Empfang und lächelte böse.

Das wiederum veranlasste Glorfindel, noch mal einen genaueren Blick auf die beiden schlaffen Gestalten vor ihnen auf dem Boden zu werfen. Ihre Augen waren blicklos. „Sehr zerbrechlich, ihre Schädel."

„Sehr zerbrechlich", bestätigte Thranduil.

Glorfindels Antwort blieb ungesagt. Wie gebannt hingen seine Augen an der Gestalt, die sich gerade an einem schimmernden Seil elbischer Machart aus dem Wehrturm herunterließ, dann in Richtung der Mauer pendelte und dort landete. Marsden flüchtete und sein Ziel musste Raff sein, wenn man die richtigen Schlüsse aus seinen Worten von vorhin zog. Er war dabei kaltblütig genug, das Seil wieder an sich zu nehmen.

Wo war Erestor? Er musste einfach in der Nähe sein, daran zweifelte Glorfindel keinen Atemzug. Marsden war es jedenfalls nicht gelungen, den Noldo zu töten, um diese Flucht antreten zu können. Glorfindel kannte Erestors Kampfkunst zur Genüge. Es war pures Glück gewesen, dass der Sterbliche diesen Elb einmal hatte verletzen können. Ein kampfbereiter Erestor – und das war er hier mit Sicherheit – hatte von kaum einem anderen Krieger etwas zu befürchten. Nicht einmal Glorfindel war sich sicher, ob er in einer ernstlichen Auseinandersetzung wirklich gegen Erestor gewinnen könnte.

Thranduil musste ähnliche Überlegungen haben, denn er nahm zwar seinen Bogen wieder vom Rücken und legte bedächtig einen Pfeil ein, wartete aber noch damit, auf den Fliehenden wirklich anzulegen.

Prompt war Erestor zu erkennen, der aus einer Fensteröffnung im zweiten Stock des Turms herausblickte. Dann erschien daneben Legolas und Erestor kletterte plötzlich auf den Fenstersims.

„Was hat er vor?" wunderte sich Glorfindel. „Er hat kein Seil."

„Er braucht keines", war Thranduils Antwort. „Ich schätze, ich weiß, was als nächstes passieren wird."

Unten im Burghof hatten die Elben den Troll noch immer nicht richtig eingekesselt. Raff war von Pfeilen gespickt, aber sie alle reichten nicht aus, ihm eine tödliche Verletzung zuzufügen. Seine Haut war so dick, dass die Spitzen ohne großen Schaden anzurichten, darin stecken blieben und es gelang ihm, seinen Kopf immer wieder zu schützen. Gildor versuchte zwar, mit einigen Kriegern näher an ihn heranzukommen, um ihm die langen Schneiden ihrer Schwerter in den Leib zu rammen. Doch Raff blieb instinktiv in Bewegung. Mittlerweile hing beißender Rauch über einem Teil der Burg und erschwerte den Kriegern ihr Handwerk zusätzlich. Bei der Zerstörung einiger Holzschuppen hatten diese Feuer an den Kochstellen gefangen, die überall im Hof verteilt gewesen waren.

„Das ist verrückt. Wenn Eldar fliegen sollten, hätte Eru uns ein paar schöne, weiße Flügel dafür gegeben", kommentierte Glorfindel doch mit leichter Unruhe das Manöver, das Erestor und Legolas am Fenster des Wehrturms ausführten. „Er rauscht bis in den Wald hinein, wenn dein Sohn ihn loslässt oder prallt unterhalb des Wehrgangs gegen die Mauer."

„Wenn er nicht aufpasst", bestätigte Thranduil ungerührt. „Man braucht einige Übung, um eine Distanz so zu überwinden."

Einen Moment sah es dann auch so aus, als würde Erestor den Beweis antreten, dass Eru es wirklich nicht gern sah, wenn seine Erstgeborenen sich in die Lüfte erhoben. Erestor schaffte es aber zumindest, noch auf der Wehrmauer aufzukommen. Eine elegante Landung hätte es wohl keiner genannt und Glorfindel fühlte sich doch an eine große Fledermaus erinnert, die unglücklich gegen eine Wand geklatscht war, als Erestor sich mit ausgestreckten Armen zwischen den Zinnen wieder fing.

„Noldor sollten wirklich auf dem Boden der Tatsachen bleiben", murmelte Thranduil kopfschüttelnd.

„Schönheit in der Ausführung ist nicht alles", sagte Glorfindel. Er stieß einen lauten Pfiff aus und Gildor sah sich kurz zu ihm um. „Lenk den Troll ab, Gildor! Erestor braucht Rückendeckung."

Der Elbenfürst hob kurz zum Zeichen des Verstehens die Hand und bellte dann ein paar Befehle in Richtung seiner Krieger. Der Großteil, sogar verstärkt durch die letzten überlebenden Räuber, sammelte sich vor dem Troll und deckte ihn mit haarsträubenden Attacken ein, um seine Aufmerksamkeit zu fesseln. In der Zwischenzeit schleppten sechs andere ein dickes Seil heran und entrollten es einige Schritte hinter dem Troll. Je drei packten es an den Enden und zogen es dann dicht über dem Boden straff.

„Interessant", meinte Thranduil. Er leerte seinen Becher, stellte ihn auf dem Bierfass ab und setzte sich langsam in Bewegung. „Kommst du?"

Glorfindel seufzte theatralisch. „Gönn auch mal anderen den Ruhm. Hier braucht uns irgendwie keiner. Gildor kommt sehr gut zurecht."

„Um Gildor mache ich mir auch keine Sorgen."

Nein, Gildor hatte die Lage so langsam im Griff. Raff wich vor den neu motivierten Angreifern langsam zurück und war viel zu sehr mit dem beschäftigt, was vor ihm passierte, als auf seinen Rücken zu achten. Er kam mit dem Fuß gegen das straff gespannte Seil, stieß einen überraschten Schrei aus und landete auf dem Rücken. Glorfindel glaubte zwar nicht, dass dies ausreichen würde, ihn endgültig überwältigen zu können, aber es verschaffte Erestor die nötige Zeit, Marsden einzuholen.

Es war schwierig, den Kampf, der sich auf der Wehrmauer anbahnte, zu verfolgen. Marsden tobte beinahe wie von Sinnen oberhalb der Stelle, an der Raff noch auf dem Rücken lag und versuchte, seinen massigen Körper wieder aufzurichten. Erestor hingegen näherte sich mit gezogenem Schwert und tauchte ein in die dicken Rauchschwaden, die ein unglücklich von Süden kommender Windhauch wirklich genau über den Schauplatz des Geschehens trieb.

Glorfindel und Thranduil standen zwar nah, aber immer noch weit genug entfernt, um Gildor und seinem Trupp nicht in die Quere zu kommen und mussten sich darauf beschränken, das Ganze vom Grund des Burghofs aus zu beobachten. Es war jetzt zu spät, noch einen Aufgang auf die Wehrmauer zu suchen, der Raffs Wüterei heil überstanden hatte.

„Er muss sich Erestor stellen", verkündete Thranduil angespannt. Den Bogen hielt er noch immer so, dass er ihn jederzeit einsetzen konnte.

Als ob Marsden ihn gehört hatte, straffte er sich etwas und drehte sich dann seinem Verfolger zu. Er nahm die Packrolle von der Schulter und zog sein Schwert. Gondor, erkannte Glorfindel mit geübtem Blick. Das passte und auch wieder nicht. Beinahe wünschte er sich, Erestor würde diesen Gondorianer lebend erwischen, damit sie von ihm die Fragen auf Antworten bekamen, die wohl in jedem brannten.

Erestor schien von anderen Überlegungen getragen zu werden. Langsam, wie ein Raubtier, das sich seiner Beute nähert, verkürzte er die Distanz zwischen sich und dem Anführer der Räuber. Immer wieder verschwamm seine dunkle Erscheinung mit den Rauchschwaden zur bloßen Ahnung von Bewegung, um dann aus dem Qualm erneut zu erscheinen. Näher und bedrohlicher als noch zuvor. Marsden erwartete den Angriff, wie man es von einem gut ausgebildeten Krieger erwarten konnte. Er war in eine übliche Grundstellung gegangen, die Knie leicht gebeugt, die Beine für einen sicheren Stand leicht gespreizt aufgestellt und das Schwert folgte jeder Bewegung seines Gegners.

Nur wenige Schritte vor ihm blieb Erestor stehen. Ein ahnungsloser Betrachter mochte gar nicht merken, dass der Elb bereits vor Spannung fast vibrierte. Erestor stand aufrecht da, Naurcrists Spitze zeigte noch immer zu Boden. Aber seine Augen waren ausschließlich auf den Mann vor ihm gerichtet. Für die Zuschauer am Boden war zu erkennen, dass sich seine Lippen bewegten, doch er sprach so leise, dass selbst die Erstgeborenen nichts verstehen konnten.

Die erste Attacke kam schnell und mitten in einer neuen Rauchschwade, die Glorfindel den Blick verdeckte. Er sah nur, wie der Rauch verwirbelt wurde, Schatten schienen sich darin zu bewegen. Als sich die Sicht wieder klärte, löste sich Marsden von der Zinne, gegen die ihn der Angriff geworfen hatte. Erestor stand an der gleichen Stelle wie zuvor und wenn sich der Sterbliche nicht die Hand gegen die linke Wange gepresst hätte, wäre sogar der Eindruck entstanden, der Angriff sei abgewehrt worden. Als Marsden die Hand herunter nahm, zeigte sich ein tiefer Schnitt, der von seinem Augenwinkel bis zum Nasenflügel führte. Blut quoll hervor und bedeckte bald die gesamte Gesichtshälfte.

„Immerhin hat er es überlebt", meinte Thranduil mit widerwilliger Anerkennung.

„Weil er es sollte", belehrte ihn Glorfindel.

Es war so, wie er es befürchtet hatte. Erestor war gewöhnlich ein sehr effektiver Kämpfer. In allen Schlachten, die sie zusammen geschlagen hatten, war es seine Taktik, schnell und endgültig vorzugehen. Aber irgendwo in ihm glomm immer ein Funke, den es nach etwas anderem verlangte. Er wurde nur selten entfacht. Einmal bislang, wenn sich Glorfindel richtig erinnerte und dann war es ein grausiges Schauspiel. Marsden hatte es geschafft, diesem Funken Nahrung zu geben. Und er zahlte nun den Tribut dafür. Der Gondorianer überlebte auch drei weitere Angriffe des schwarz gekleideten Elben und blutete am Ende aus ebenso vielen Schwertwunden.

„Er muss zum Ende kommen", sagte Thranduil mit einem Blick auf Raff, der langsam wieder auf die Beine kam, dabei zwei Elben abschüttelte, die einfach auf ihn drauf geklettert waren und sich mit einer fast schon lässigen Bewegung die Pfeile abstreifte, die in seinen Armen und Brust steckten.

Erestor stand jedoch noch nicht der Sinn danach, von Marsden abzulassen. Naurcrist war diesmal auf das Knie Marsdens gerichtet. Der Sterbliche stieß einen entsetzten Schrei aus und knickte weg. Das war nicht nur eine Fleischwunde. Wahrscheinlich hatte die Klinge eine Sehne durchtrennt und ihn so zu Boden gezwungen. Beinahe außer Sicht der Beobachter lag er halb aufgerichtet auf der Wehrmauer, über sich diesen gnadenlosen Elb, dessen kalter Zorn bis auf den Burghof zu spüren war.

„Oh verdammt!" kam es von Thranduil, gefolgt von einem heftigen Fluch.

„Erestor!" schrie Glorfindel zeitgleich zur Warnung.

Raff war endgültig aufgestanden und nach einem kurzen Moment der Verwirrung erfasste der Bergtroll offenbar ganz genau, was zwischenzeitlich passiert war. Eine überraschend schnelle Bewegung und er hatte den viel zu sehr auf den knienden Mann vor ihm konzentrierten Elb mit einer Hand gepackt und riss ihn von der Mauer weg. Gildor und seine Krieger taten ihr Möglichstes, um den Troll davon abzulenken, Elronds Seneschall einfach den Kopf abzubeißen und es gelang ihnen sogar. Am Rande seiner Geduld schleuderte Raff den sich windenden Elb hinter sich.

„Ach du Schande!" rief Thranduil, ließ seinen Bogen einfach fallen und rannte los.

Glorfindel war mit ihm auf einer Höhe. Sie spurteten über den Burghof, die Augen auf Erestor gerichtet, der völlig unkontrolliert von oben heran schoss. Es war mehr ein glückliches Geschick, dass sie nicht beide unterwegs über Trümmer oder Tote stolperten. Im letzten Moment erreichten sie die Stelle, an der sich Erestor zu allem Übel auch noch Kopf voran wieder der Erde näherte. Beide streckten sie die Arme aus, erwischten irgendeinen Teil des Noldo und bremsten ihn ab so gut es ging. Sie gingen alle drei zu Boden. Glorfindel hatte die Hauptwucht des Aufpralls mitbekommen, weil Erestor fast genau auf ihm gelandet war. Es dauerte einen Moment, bis er überhaupt wieder Luft bekam. Etwas besser wurde es, als Thranduil Erestor von ihm herunterzog und leicht schüttelte.

„Diese verdammte Noldo-Arroganz!" schimpfte Düsterwalds König dabei aufgebracht. „Aus allem müsst ihr ein großes Schauspiel machen. Konntest du ihn nicht einfach abstechen? Musste es sofort wieder diese Übertreibung sein?"

„Ohne den Troll…" Erestor musste sich unterbrechen und erst einmal richtig durchatmen. Raffs Griff war mit Sicherheit nicht gerade sanft gewesen.

„Ohne den Troll", imitierte ihn Thranduil mit ätzendem Spott. „Der Troll war aber da und das wusstest du."

Hinter ihnen polterten Steine zu Boden. Raff machte das, weshalb er wohl hergekommen war, auch wenn sie das nicht gewusst hatten, als sie noch glaubten, es wäre ihre List gewesen, ihn in die Burg zu locken. Er hatte Marsden ungleich vorsichtiger als Erestor zuvor gepackt, schützte ihn mit seinem Körper vor Gildors Kriegern und stürmte nun aus der Burg heraus. Allerdings nicht, ohne dabei das Tor endgültig zum Einsturz zu bringen und wenigstens seine Angreifer für einen Moment aufzuhalten.

„Ich muss ihm nach", stieß Erestor hervor und ließ sich von Glorfindel auf die Beine helfen.

„Musst du nicht", widersprach sein Freund energisch. „Überlass es Gildor. Auch wenn ich nicht glaube, dass sie ihn wirklich einholen werden."

„Vielleicht stirbt Marsden ja auch so an den Verletzungen", ergänzte Thranduil etwas versöhnlicher.

„Das wird er nicht", wehrte Erestor aufgebracht ab. „Sie sind nicht tödlich. Ich muss es schließlich wissen. Dann wird mir eben Hestia verraten, wo er hin will. Sie ist mit Sicherheit im Wehrturm."

Sprach's und stürmte Richtung besagtes Gemäuer davon. Glorfindel und Thranduil sahen sich einen Moment kopfschüttelnd an und folgten ihm dann langsamer.

„Er war schon immer so verbissen", überlegte Thranduil und klopfte sich den Staub von der Kleidung. „Man sollte meinen, dass sogar ein Noldo im Laufe der Jahrtausende etwas entspannter wird."

„Nicht Erestor", erklärte Glorfindel entschieden. „Der nicht."

An der Treppe blieben sie stehen und betrachteten den Burghof. Die gesamte Anlage verdiente endgültig die Bezeichnung Ruine. Gildor stand noch auf den Überresten des Tores und winkte ihnen kurz zu, bevor er sich mit einem Teil seiner Krieger an die Verfolgung des Trolls machte. Halbarad war bei ihm, unversehrt und offenbar noch mit genug Energie, die Verfolgung mitzumachen.

Glorfindel ließ nochmals die letzten Minuten vor seinem inneren Augen ablaufen. „Die Flugbahn war eigentlich nicht schlecht."

„Bis auf die Landung", grinste Thranduil.

„Keine Flügel", erinnerte ihn Glorfindel.

„Eindeutig ein Nachteil."

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Als Raff aus dem Tor stürmte, wandte sich Haldir vom Fenster ab und konzentrierte sich wieder auf das Geschehen hinter ihm im Raum. Ardalos und Meliara hockten sehr unglücklich und noch mit allen Zeichen ihrer Gefangenschaft am Fußende des Bettes. Sie hielten sich an den Händen wie zwei verschüchterte Kinder und vielleicht fühlten sie sich auch genau so in diesem Moment. Noch immer gelang es den beiden nicht, den anderen lange ins Gesicht zu sehen. Insbesondere den Blicken der Zwillinge wichen sie angestrengt aus.

„Elrond mag Fabeln nicht besonders", erzählte Ardalos gerade. „Ich hatte gehofft, er würde das Buch niemals wirklich beenden. Es vielleicht gar nicht erst lesen."

„Was für eine überzeugende Taktik", höhnte Elladan, der von allen am wenigsten bereit war, in seinem Urteil Milde walten zu lassen. „Ihr hättet auch einfach eine der Zutaten weglassen können. Ist Euch der Gedanke nicht wenigstens mal am Rande gekommen?"

„Marsden hat es ausprobiert", erklärte der erschöpfte Heiler leise. „An einem Reisenden, den er eines Tages hier anschleppte. Als der Mann nicht starb, hat er wieder gedroht, Meliara seinen Männern zu überlassen."

„Bruder", machte sich nun Elrohir leise bemerkbar, der sich bislang sehr zurückgehalten hatte. „Vielleicht ist es besser, wenn wir Elrond dieses Gespräch überlassen. Er allein sollte darüber entscheiden."

„Gute Idee", verkündete Galen mit einem besorgten Blick auf die beiden Imladris-Elben, die langsam aber sicher den Eindruck machten, als wollten sie auf der Stelle dahinschwinden. „Immerhin hat es ihn fast umgebracht und nicht dich, Elladan."

Ardalos krümmte sich bei dieser Bemerkung schuldbewusst zusammen und Meliara fing wieder mit ihrem stillen Weinen an, das einem wirklich das Herz brechen konnte. Galen hatte offenbar ein Händchen dafür, den Finger genau in die Wunde zu stecken, auch wenn er das sicher nicht in dieser Form beabsichtigt hatte.

„Äh, wirklich nur fast", beeilte sich der Heiler zu versichern. „Wir hatten rechtzeitig ein Gegenmittel zur Hand."

„Es gibt aber eigentlich keines", widersprach Ardalos impulsiv.

„Jetzt doch", schnappte Galen etwas beleidigt. „Nicht nur in Imladris werden Tränke gefunden, die große Kräfte besitzen."

An der Tür räusperte sich Forlos vernehmlich. „Auch das Gespräch, wer die besseren Heiler hat, sollten wir doch an einem angenehmeren Ort führen."

„Ich bin sicher, Ardalos hat es nicht so gemeint", sagte auch Legolas, der nur mühsam ein Grinsen unterdrückte.

„Gehen wir", beendete Haldir diese fruchtlose Unterhaltung. Im Vorbeigehen packte er Hestia am Handgelenk, die sich in einer Ecke des Raumes herumdrückte. Irgendwie schien sie zu hoffen, dass man sie einfach hier vergessen würde. Haldir war sich nicht einmal sicher, ob nicht am Ende alle von diesen Wegelagerern einfach zurückgelassen würden. Jetzt wo Marsden geflohen war, schien ihm keine große Gefahr mehr von ihnen auszugehen.

Wie soll man sie auch bestrafen? überlegte er auf dem Weg durch den Wehrturm. Die meisten von ihnen waren erschreckend jung. Nur einige wenige schienen sich aus reiner Verderbtheit Marsden angeschlossen haben. Dieser Mann war ein Verführer gewesen, der wohl sehr genau darauf geachtet hatte, wen er da um sich scharrte. Wenn Ardalos' Beobachtungen stimmten, hatte es außer dem Angriff auf ihn vor zwei Jahren und dem auf Gildor und die Lossidil keine weiteren Attacken auf Elben gegeben. Das waren sicher immer noch zuviel, aber es war eine gewisse Erleichterung, dass die anderen Reisenden sicher ihren Weg zu Círdan gefunden hatten in der Zeit, die dazwischen lag. Marsden hatte allerdings andere Karawanen überfallen, sich dabei jedoch auf Gebiete abseits der Oststraße gehalten und sich auf Sterbliche beschränkt.

Schon von weitem war das Stimmengewirr und Wehklagen aus der Eingangshalle des Wehrturms zu vernehmen. Als die Gruppe der Befreier und Befreiten den Treppenabsatz erreichte, blieben sie alle wie angewurzelt stehen und betrachteten die Menschenmenge, die sich in der Halle versammelt hatte. Es dauerte einen Moment, bis die Menschen sie entdeckten, dann senkte sich Stille über sie.

Haldirs Wachsamkeit, die ein wenig nachgelassen hatte, stieg sprunghaft wieder an. Neben der Verwirrung las er Gefühle in den Gesichtern der Überlebenden, die wirklich nichts Gutes verhießen. Es wunderte ihn nicht einmal, dass sie so reagierten, aber es war lästig, überflüssig und ihm fehlte wirklich die Geduld, hier irgendeine Erklärung abzugeben. Eigentlich sollten diese Menschen froh sein, dass sie überhaupt noch lebten. Ob sie es verdient hatten, war eine Frage, die höhere Wesen beantworten würden.

Einige der Männer, immer noch bewaffnet, rückten etwas vor und bildeten einen dichten Pulk am Fuß der Treppe. Sie versperrten den Weg hinaus in den Hof, wo genug Krieger wären, jeden verzweifelten letzten Versuch dieser Menschen allein durch ihre Präsenz zu ersticken.

„Sie werden euch alle töten", kreischte Hestia auch noch zu allem Überfluss.

„Werden sie nicht!" schrie Estel sie verärgert an. „Hier wird keiner mehr sterben, wenn du endlich dein großes Maul hältst."

Haldir fragte sich, wie sie dieses vollmundige Versprechen halten sollten. Hestias Anwesenheit sorgte für weitere Unruhe. Es wäre natürlich möglich gewesen, sich einfach den Weg durch diese Menge freizukämpfen, aber das widerstrebte ihm nun außerordentlich. Er war ein Krieger, kein Schlächter von Frauen und Kindern.

„Wie wäre es mit ein bisschen Elbenmagie?" raunte ihm Forlos zu. Thranduils Hauptmann war an seine Seite getreten und spielte scheinbar selbstvergessen mit dem Verschluss seiner Gürteltasche.

„Was habt Ihr vor?" erkundigte sich Galen neugierig.

„Flapsi", sagte Haldir kurzangebunden. Es war wirklich schmerzhaft, diesen Namen auszusprechen. Die Rhûnar-Heiler mochten großartige Begabungen besitzen, Namensgebung gehörte wohl eher nicht dazu.

„Sie werden es für Zauberei halten", ergänzte Forlos.

Es entsprach wohl dem Sinn aller Rhûnar für das Ungewöhnliche, dass Galen regelrecht erstrahlte. „Braucht Ihr noch etwas Dekoration für diesen Zauber?"

„Sie haben Marsden verzaubert!" ereiferte sich jetzt irgendjemand unten in der Halle. „Und sie haben den Troll mitgebracht."

„Wir haben mit dem Verrat eures Anführers nichts zu tun", bemühte sich Estel immer noch auf diplomatischem Weg. „Er hat euch betrogen und das wisst ihr. Es war nicht recht, was er hier gemacht hat, das wisst ihr auch. Gebt jetzt nicht den Eldar die Schuld für eure Taten."

„Meister Galen?" Haldir deutete mit einer freundlichen Geste auf den Platz vor sich am Treppenabsatz. „Ein wenig Ablenkung dürfte in der Tat nicht schaden."

Man musste den Ithildrim nicht zweimal bitten. Forlos schmunzelte beinahe, als sich Galen vor ihnen aufbaute. In der einen Hand den kunstvollen Kampfstab, die andere noch zu einer Faust geschlossen. Es lenkte bereits jetzt die Aufmerksamkeit der Sterblichen von Estels wohlmeinenden Beschwörungen ihrer offenkundig nicht vorhandenen Vernunft auf den Elb, der sich so deutlich von seinen Begleitern unterschied. Wahrscheinlich lag es an seiner scheinbaren Zartheit, die die Schönheit seiner Erscheinung auch unter den Erstgeborenen zu etwas Besonderem machte. Wenn man ihn erst kannte, verflog der Eindruck von Zartheit allerdings recht schnell, wie Haldir zugeben musste. Aber diese Sterblichen sahen nur das Äußere und das war wahrlich fesselnd.

Außerdem besaß Galen überraschendes Geschick für einen großen Auftritt als Zauberer. Er stampfte einmal mit dem Stab auf und riss dann die Arme hoch. In der Halle gab es jetzt wohl niemanden mehr, der sich nicht auf ihn konzentrierte. Da sowieso alle diese Sterblichen wohl der Meinung waren, dass Elben mit Zauberei nur so um sich schmissen und sie offenkundig kein Wort Sindarin verstanden, kauften sie dem jungen Rhûnar auch sofort ab, dass er einen Zauberspruch murmelte.

Galen sprach leise und nuschelte auch eindeutig, aber der Klang alleine reichte den Menschen wohl. Seine elbischen Begleiter hingegen tauschten etwas verblüffte Blicke, als die Worte an ihre Ohren drangen.

Gib Acht, mein Kind, die Nacht beginnt?" Legolas wölbte fragend die Brauen.

„Kinderlied", brummte Forlos. „In Rhûnar."

„Sie kommen bald, um dich zu holen."

Galen öffnete die Faust und drei kleine Kegel auf seiner Handfläche flammten in unterschiedlichen Farben auf. Ein Seufzer ging durch die Menge, halb erschrocken, aber auch halb beeindruckt. Die Lichter stiegen auf und schwirrten einen Moment über dem Heiler in einem Kreis herum.

„Die Dinger sind gut", war es von Elladan zu vernehmen. „Aber sie halten nicht lange."

Orks sah ich draußen mit Axt und Speer."

Haldir hüstelte. „Das ist ein Kinderlied bei euch?"

„Was willst du?" brummte Forlos und nahm endgültig die Messingspritze zur Hand. „Rhûnar ist eben gefährlich."

Fürchte dich, Kind, fürchte dich sehr."

Die Irrlichter schossen jetzt davon. Sie tanzten über den Köpfen der Sterblichen, die sich wohl nicht entscheiden konnten, ob sie lieber in Deckung gehen sollten oder wie einige der Kinder unter ihnen nach den hüpfenden Flämmchen greifen sollten. Ablenkung war jedenfalls genug vorhanden.

Sie schleichen ums Haus, sie schleichen heran."

Forlos und Haldir schlichen auch und zwar schon im Haus. In der Halle, um genau zu sein. Unauffällig waren sie die Treppe herab geglitten und bewegten sich nun zwischen den Menschen, die völlig mit dem zauberhaften Geschehen über sich beschäftigt waren. Haldir rief sich ins Gedächtnis, dass Gilnín sie eindringlich davor gewarnt hatte, mit dem Pulver in Kontakt zu kommen. Also war er sehr sorgfältig darauf bedacht, den feinen Staubwolken auszuweichen, die aus der Spritze getrieben wurden, wann immer er den Kolben tiefer hereindrückte. Die Wirkung war wirklich verblüffend. Wie welke Blumenstängel sanken die Sterblichen zu Boden, wenn sie einen Hauch des Pulvers einatmeten. Es reichte sogar, wenn sie nur damit in Berührung kamen.

Sie können nur töten, denk immer dran."

Kinderlied! Haldir wunderte sich über nichts mehr. Wer seinen Kindern solche Gesänge beibrachte, legte es schließlich richtig darauf an, dass sie als Erwachsene härter als Diamanten sein konnten. Er arbeitete sich von links nach rechts durch die Eingangshalle, Forlos nahm die entgegengesetzte Richtung. Das ganze Unternehmen war doch einfacher, als er es für möglich gehalten hatte. Einmal versuchte Hestia zwar, ihre Kumpane zu warnen, aber der Schrei verunglückte zu einem kurzen Gurgeln, weil Legolas ihr die Hand auf den Mund presste und zur Sicherheit gleich noch einen Dolch an die Kehle hielt.

„Doch schlaf nun, mein Kind, denn ich halte Wacht."

Als ob sie die Worte doch verstehen würden, sank so nach und nach jeder der Sterblichen in einen tiefen Schlaf, der doch einige Stunden anhalten sollte. Haldir drückte den Rest des Pulvers einem Häuflein der letzten Aufrechten mitten in die Gesichter und zog sich dann einige Schritte von der Pulverwolke zurück. Die Irrlichter kreisten um diese kleine Gruppe der Sterblichen, bis die Wirkung einsetzte.

„Träum von Frieden und Ruhe in dieser Nacht."

Die Lichter gingen aus. Eigentlich verloschen sie langsam und zerfielen zu krümeligen Staub, der von oben auf die Schlafenden rieselte. Elladan hatte Recht, lange hielten Galens Spielereien wirklich nicht. Aber irgendwie nett, befand Haldir und beschloss, den Ithildrim um ein paar dieser Kegel zu bitten. Sie würden für Erheiterung sorgen, wenn sie durch Caras Galadhon flackerten. Galadriel liebte solche kleinen Abwechslungen insgeheim sehr. Es hatte schließlich seine Gründe, warum sie den Grauen so gerne im Goldenen Wald beherbergte. Seine Feuerwerke waren ihre große Leidenschaft.

„HESTIA!"

Alle zuckten zusammen und blickten zur Tür, die ohnehin schief in den Angeln gehangen hatte und nun endgültig zu Boden krachte. Erestor stand wie der Schatten des Todes im Eingang, kein Zeichen mehr, dass er von einem Troll über den Burghof geschleudert worden war. Abgesehen von seinem unverhohlenen Zorn natürlich, der Haldir bewegte, erst einmal zur Seite zu treten, um Elronds Seneschall jetzt nicht in die Quere zu kommen.

Erestor ignorierte völlig, dass er von lauter Schlafenden umgeben war, sondern setzte sofort mit großen Schritten quer durch die Halle, um die Sterbliche zu fassen zu kriegen. Hestia hingegen war wenigstens ein einziges Mal mit einem ausgeprägten Überlebensinstinkt gesegnet. Anstatt sich wieder in Schimpfwörtern oder Ausflüchten zu verzetteln, trat sie Legolas heftig auf den Fuß. Der Waldelb ließ sie verblüfft los und die Sterbliche rannte zurück ins Treppenhaus, dicht gefolgt von Erestor, der gleich mehrere Stufen auf einmal nahm.

Nach kurzem Blickwechsel stopften Haldir und Forlos die Messingspritzen in ihre Taschen zurück und nahmen die Verfolgung auf.

„Wir kümmern uns darum", rief Forlos seinem Prinzen zu, als sie die etwas ratlose Gruppe auf der Treppe passierten.

„Und wir helfen Euch", verkündete Elladan. „Estel, bring Ardalos und Meliara hinaus."

„Träum weiter", fauchte sein sterblicher Bruder und trabte ebenfalls los. „Diesmal lass ich mir das nicht entgehen."

„Wir finden den Weg schon alleine", war Ardalos' ergebener Kommentar hinter ihnen zu vernehmen.

Hestia war gar nicht erst weiter die Treppe hinauf gelaufen, sondern sofort im ersten Stockwerk geblieben. Irgendwie schien sie wohl gehofft zu haben, ein Versteck zu finden. Der Plan hatte nicht wirklich funktioniert, wie Haldir feststellte, als sie um eine Ecke bogen und feststellten, dass der Gang eine Sackgasse war mit verschlossenen Türen an den Seiten und einem aufgebrachten Erestor auf halber Höhe. Weiter hinten, einen zerbrochenen Stuhl wie ein Schild vor sich, stolperte Hestia rückwärts auf das Gangende zu, an dem eine sehr schmale Tür zu erkennen war.

„Wo ist er hin?" wollte Erestor gerade mit eisiger Stimme wissen.

„Ich weiß es nicht!" schrie sie und warf den Stuhl nach ihm.

Erestor wich aus und machte zwei weitere Schritte auf sie zu. Er hatte keine Waffe in der Hand, was wenigstens etwas beruhigend war. „Du lügst. Du lügst immer, Hestia. Und du belügst sogar dich selbst. Er hat euch alle verraten und wenn ich dich jetzt töte, wird er dir keine Träne nachweinen. Also, wo ist er hin?"

„Selbst wenn ich es wüsste…"

Den Satz beendete sie jedenfalls nicht. Erestors Geduldsfaden riss beinahe hörbar. Mit der ihm eigenen Schnelligkeit war er bei ihr und versetzte ihr einen wuchtigen Schlag vor die Brust. Die Sterbliche flog gegen die Holztür, die unter ihren Anprall zerbrach und landete in einem winzigen Kämmerchen, aus dem ein bestialischer Geruch drang.

„Oh Elbereth!" stöhnte Elrohir. „Das musste jetzt nicht sein."

Wenn Haldir vorher nur eine ungefähre Vorstellung davon hatte, wie in einem Gebäude der Sterblichen die Überreste menschlicher Bedürfnisse entsorgt wurden, erhielt er nun einen Einblick in die Methode, auf den er liebend gern verzichtet hätte. In der Kammer war nur eine Art gemauerter Sitz mit einer Holzplatte darauf. Die Platte war lose aufgelegt und unter Hestias Aufprall bereits etwas verrutscht. Die ganze Konstruktion verströmte auch noch einen fürchterlichen Gestank und ein Schwarm großer, schwarzer Fliegen bevölkerte die Kammer.

Geradezu bewundernswert unbeeindruckt verstellte Erestor der Sterblichen den Ausweg durch die einzige Tür. „Marsden ist Gondorianer und ein Troll gehorcht seinen Befehlen. Was denkst du wohl, wem er dient?"

„Ithilien", schrie sie mit überschlagender Stimme und kletterte auf den Abort, um ihm weiter auszuweichen. „Er hat einmal Ithilien erwähnt."

Das letzte Wort wurde von einem Knacken begleitet. Erestor streckte zwar noch die Hand aus, um Hestia zu packen, aber sie hatte inzwischen viel zu viel Angst vor ihm, um die Hilfe in dieser Geste zu erkennen. Mit einem lauten Schrei verschwand sie in dem gemauerten Sitz. Kurz darauf ertönte ein erneuter Schrei, als sie wohl in der Jauchegrube gelandet war, mit der die ganze Konstruktion verbunden war. Die empörten Flüche, die folgten, zeigten zumindest an, dass sie den Sturz überlebt hatte.

Mit einem kurzen Kopfschütteln wandte sich Erestor wieder ab. „Da, wo sie hingehört", meinte er nur, als er an seinen Zuschauern vorbei schritt. „Steht hier nicht rum. Es wird Zeit, dass wir diesen gastlichen Ort hinter uns lassen."

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tbc

MoonyTatze Ja, es gibt noch einige Probleme mit Hestia, aber irgendwie löst sich ja alles dann doch unter Getöse, um es mal so zu formulieren.

Und ich hab sie am Ende alle wieder zusammen gebracht. Auch wenn es eine Weile gedauert hat. Aber mein PC liebt mich nicht mehr. Genauer gesagt liebt mich mein Norton-Virenschutz nicht mehr.

Aida: Eigentlich sollte es auch das letzte sein, aber nachdem das vorherige irgendwie an Umfang immer mehr zunahm und ich es teilte, hab ich jetzt noch eines drangehangen. Das hier ist also NICHT das Ende, das kommt nächste Woche, vorausgesetzt, ich werde nicht wieder sabotiert von blöden Computerprogrammen.

Es wäre ja auch romantisch, aber Erestor ist nun nicht gerade der Typ mit Rosen und Pralinen. Nee, lieber nicht. Aber dafür hab ich jemanden für Forlos aufgetrieben. Nur nicht mehr in dieser Story.

Turamarth: Aber die kleinen Überraschungen machen das Leben doch so interessant. Besonders wenn man unsterblich ist, sollte man sich über jede Abwechslung mal freuen, find ich ja immer und schreib es deswegen auch noch rein. +fg+

Die überlebenden Menschen hab ich etwas unterschiedlich reagieren lassen. Ist ja ziemlich viel von ihnen verlangt, was ihnen da so alles geboten wird. Marsden, na ja, Marsdens Schicksal hängt von vielem ab und glaub mir, mit Hestia will ich zum Schluss auch nicht tauschen. Iiieeeh!

Serena: Hallo, wie geht's? viel Stress mit dem jugendlichen Volk+ggg+. Naja, Marsden hat nicht unbedingt Macht. Jemand anders eher schon und der will endlich von Marsden wissen, ob er seinen Job auch erledigt hat. Marsden hat sich eindeutig die falschen Verbündeten ausgesucht.

Chris: Naja, eigentlich hab ich noch was ergänzt, weil ich das Ende zu kurz fand und dann wurde es halt mehr und mehr und überhaupt.

Marsden ist eben nur mit sich beschäftigt. Die anderen interessieren ihn einfach nicht und die dulle Hestia begreift es einfach nicht. Aber vielleicht hilft ihr ja die Erestor-Therapie, die ich etwas radikal finde. +schüttel+

Nächste Woche ist die Geschichte leider wirklich aus +seufz+ Fürs erste jedenfalls.

Shelley: Ich kann nur noch den Laserpointer empfehlen, verdammt genau die Dinger. Man kann einfach sitzen bleiben und die Viecher schön durch die Wohnung scheuchen. Schön ist, wenn sie meinen, sie hätten den Punkt gefangen und dann immer unter ihrer Pfote nachsehen. Aber so langsam werden meine Miezis zu alt dafür und wenn die Hunde mitmischen, brauch ich eine neue Einrichtung.

Naja, so schlecht war Plan A ja wirklich nicht. Es hätte so toll funktionieren können. Aber die letzte Variante hatte jetzt auch so ihre Höhen, wenn man von dem Schluss mit der Flugshow mal absieht. Marsden macht eigentlich nur seinen Job und wartet auf die Belohnung.

feanen: Hm, wenn ich mir diese Reisepläne so ansehe, dürfte die Con in Fulda noch recht leicht zu schaffen sein, vorausgesetzt, du bist gerade hier im Lande. Ist wahrscheinlich auch am billigsten im Vergleich zu der Kreuzfahrt und Australien.

Abschlussfahrt hatte ich nach Wien. Das Spektakulärste war der dauerhaft besoffene Busfahrer, der Jagd auf harmlose Fußgänger machte und die Rückwärtsfahrt auf der Autobahn, nachdem wir ein frischverliebtes Pärchen auf der Raststätte vergessen hatten.

MoJa Nun, eigentlich war der Zeitplan schon passend. So hatten die Jungs das Vergnügen, dauernd in großen Umwegen herumzurennen und die Zeit dabei totzuschlagen, bis zum passenden Moment. So hatte ich mir das zumindest gedacht. Jaja, der Autor denkt und Eru lenkt sowieso woanders hin. Sorry, wenn das nicht richtig rüber gekommen ist.

Die Gefangennahme von Ardalos war mehr Zufall und hat ihm das richtige Handwerkszeug an die Hand gegeben. Was die Zahl der Überfälle auf Elben angeht (siehe oben im Kap, mehr sag ich hier nicht)

Kinder wieder fit? Doch bestimmt, ist ja doch einige Zeit her. Jetzt bist du wahrscheinlich reif für den Heiler.

Iary: ja, jetzt geht endlich alles glatt. Der Celeborn-Klon ist herrlich und ein Quell großer Inspiration, was eine Story angeht. Ich will einen knallharten Celeborn – rein charakterlich natürlich. Denk jetzt nicht an was anderes.

Traumatisiert! Genau, der Begriff schwirrte mir im Kopf herum wie eine Gewehrkugel in einem leeren Raum +räusper+. So könnte man es wohl am besten nennen. Danke. Auch wenn ich den Begriff hier in der Story wohl nicht nehmen kann, zu modern für unsere Elben.

Mi-Ethirn: Manchmal überkommt es mich mit diesen Anspielungen. Hat vielleicht damit zu tun, dass nie richtig die Quelle erklärt wird. Andererseits sollte man dem großen Meister ja wirklich dankbar sein, dass er uns so eine feine Spielwiese überlassen hat.

Katzenbesitzer. Ich kann nix dafür. Da macht man auch vor den Essgewohnheiten von Trollen nicht halt.

Erunya: Hm, mal die Liste durchgehen. Ja, die meisten Fragen dürften jetzt beantwortet sein. Marsden ist noch immer ….aber auch das wird irgendwann geklärt. Nicht in diesem Leben, äh, jedenfalls nicht jetzt, nicht ganz. Aber Hestia ist sichtbar und Erestor nicht wirklich erfreut.

IchbinderTod: Hallo!Hallo! Ich würde ja jetzt gerne sagen, dass ich wirklich immer freitags gepostet habe und für die anderen Storys gilt das sogar, aber +Asche über mein Haupt+ hier hab ich so meine Ausreißer. Und ich kann nicht mal immer was dafür +plärr+. Das macht einem Gewohnheitsmenschen wie mir doch stark zu schaffen. Aber nächste Woche +Drohung ausstößt+ nächste Woche müsste alles klar gehen.

QueenofAngmar +Blutdruckmessgerät wegsteckt, lange Besprechung mit Elrond hat+ Du brauchst unbedingt einen Heiler, der sich um deine Nerven kümmert. Wir hätten da Galen oder auch Gilnín im Angebot, Elrond hat sich auch beworben, aber der probt schon für seine eigene Story und hat nicht allzu viel Zeit.

Ich schätze, die schlechten Angewohnheiten der Truppe sind ohnehin ansteckend. Haldir hat ja auch behauptet, er wettet nicht und macht das jetzt mit Forlos mal ganz gern. Und die Szene, die Tolkien verschwiegen hat, weil er mehr Klasse hat als ich, dürfte die sein, in der Legolas dem Zwerg mit einem hinterlistigen Grinsen vorschlägt, mal die toten Gegner zu zählen und auf den Sieger zu wetten.

Sind alle Dunedain gut? Wer weiß das schon, vielleicht ist er ja auch nur ein Verführter würg. Oder es war die schlechte Kindheit oder er hat zuviel Fastfood gegessen.