„Mein Gott, Soda, du solltest öfter Trinken, wenn dich so ein bisschen Bier schon so umhaut. Ein bisschen Kondition antrinken", meinte Witz kopfschüttelnd, nachdem ich, ziemlich unelegant, über einen Gullydeckel gestürzt war. Pony, der mich wieder hochgezogen hatte, lachte und so fiel es nicht weiter auf, dass er sich länger als nötig an mich klammerte.

„Ja, du bist mit Abstand von uns allen am besoffensten. Wir sind allenfalls angetrunken…"

„Ach was, ich bin nicht besoffen. Ich kann noch voll klar denken", versuchte ich sie zu überzeugen, aber ich wurde ausgelacht. Als ich das nächste Mal strauchelte und mich an Ponys Arm krallte um nicht hinzufallen, beschloss ich, diesen Zustand wenigstens auszunutzen und meinen Arm ganz offen um Ponys Schulter zu legen. Nur zur Stütze versteht sich. Aber es hatte den großen Vorteil, dass es unsere Gesichter ganz nah aneinander brachte, so nah, dass hin und wieder Strähnen von Ponys Haaren mein Gesicht streiften. Während des ganzen Fußmarsches war ich so auf Ponys Gesicht fixiert, dass ich gar nicht bemerkte, wie wir die Tankstelle erreichten und vor der Tür warteten, während Darry eine Flasche Wodka und eine Flasche Sauren kaufte. Ich weiß nicht woran es lag, ob an Pony oder der frischen Luft oder einfach an der Zeit, aber der Alkohol schien mir nun endgültig zu Kopf zu steigen. Ich konnte es förmlich spüren.

Da die meisten keine Lust hatten, sich mit den Flaschen zurück in das stickige, enge Haus zu begeben, wo sie den Alkohol vermutlich auch noch hätten teilen müssen, gingen wir wieder einmal in den Park. Auf unserem Weg trafen wir mehrere Leute die schon arg torkelten und hier und da hatte sich ein kleines Grüppchen unter einem Baum versammelt und lachte laut. Aber unser Stammplatz, der Spielplatz war noch frei. Unter dem Klettergerüst lagen Gummiplatten, auf die wir uns setzten. Plötzlich hatte Steve eine Idee und begann, in den Taschen seiner Jeansjacke zu kramen. Es dauerte nicht lange, und er förderte einen kleinen Würfel zu Tage.

„Lasst uns ein kleines Spiel spielen", schlug er vor. Die Spielregeln besagten Spiels waren ziemlich simpel: nacheinander wurde gewürfelt und die Anzahl der Augen stand für die Schlucke, die man trinken musste. Das bekam man sogar noch in besoffenem Zustand hin. Es war ein beliebtes Spiel bei uns und so stimmten alle zu.

„Aber Soda nicht mehr, sonst kotzt der uns hier gleich hin", erklärte Steve mit einem schiefen Blick auf mich.

„Ok, für Soda eine extra Spielregel. Du trinkst nicht selber sondern verabreichst es einem anderen an deiner Statt!" Damit konnte ich mich anfreunden, ich wusste nämlich nicht, wie viel ich noch vertragen würde, bevor ich tatsächlich anfangen würde zu kotzen. Das wollte ich den anderen nicht zumuten, und mir selbst auch nicht. Also fingen wir der Reihe nach an zu würfeln, was auf den Gummiplatten sehr gut ging. Endlich kam die Reihe an mich und ich überraschte meine Freunde mit der ersten Sechs des Abends, wofür ich dann auch tosenden Applaus bekam. Nun galt es nur noch, mir ein Opfer auszusuchen. Eigentlich hätte ich mir gar keine Gedanken machen brauchen, denn es stand sowieso von Anfang an fest, wen es erwischen würde. Dennoch ließ ich mir viel Zeit und sah meine Mitspieler einen nach dem anderen prüfend an. Schließlich griff ich mir die Flasche Sauren, kniete mich hin und drehte mich nach rechts um zu Pony. Der grinste mich nur breit an, als er erkannte, dass meine Wahl auf ihn gefallen war und streckte die Hand nach der Flasche aus. Aber ich schlug sie weg und griff stattdessen nach seinem Kopf um ihn vorsichtig aber bestimmt im Nacken fest zu halten. Dann setzte ich ihm die Flasche an den Mund und schüttete ihm einen so großen Schluck ein, dass er sich beinahe verschluckte. Aber nachdem er runtergeschluckt und ein paar Mal kräftig gehustet hatte, nickte er und ich setzte zum zweiten Schluck an. Meine rechte Hand hatte ich dabei fest in seine Haare gekrallt, so konnte ich seinen Kopf etwas zurückziehen. Der nächste Schluck den ich ihm gab, war etwas kleiner, ich wollte ihn ja nicht am Ende doch noch ersticken. Insgeheim bewunderte ich seinen Mut. Ich hätte das einen Besoffenen nicht mit mir machen lassen. Nach dem dritten Schluck hustete Pony doch recht ordentlich, so dass ich eine kleine Pause einlegte, in der er sich den Alkohol, der daneben gelaufen war, vom Kinn wischen konnte.

„Mein Gott, ist das widerlich", meinte er grinsend, bevor er mir bedeutete, weiter zu machen.

So ging es weiter, bis beide Flaschen beinahe leer waren. Je näher wir dem Ende kamen, desto länger dauerte es, da wir ständig in Lachanfälle ausbrachen oder sonst wie abgelenkt waren. Pony war inzwischen auch gut voll, da er ja nicht nur seine eigen, sondern auch immer meine Portion mit abbekommen hatte. Nur einmal hatte es Steve erwischt, nämlich als Pony mal für kleine Jungs war. Aber irgendwie hatte es bei ihm nicht so gut geklappt wie bei Pony und das meiste war daneben gegangen. Aber es schien keinen wirklich zu stören, wenn sie es denn überhaupt mitbekommen hatten. Als Pony wiederkam, hatte Darry sich gerade die Wodka Flasche an den Mund gesetzt und den letzten Schluck getrunken.

„Hey, Ponyboy!", rief plötzlich eine Stimme von irgendwo. Wir drehten uns um, aber wir sahen die Person erst, als sie direkt hinter Pony auftauchte und ihm die Hand auf den Kopf legte um ihm einmal kräftig durch die Haare zu wuscheln. Ich wusste zwar noch nicht, wer das war, aber mir war sofort klar, dass ich den Typen nicht mochte.

„Oh, hiiii", rief Pony fröhlich und legte den Kopf in den Nacken um den Neuankömmling anzusehen.

„Ich hab dich grad da hinten gesehen, da dachte ich, ich komm mal gucken, was ihr hier so schönes macht", meinte die Stimme fröhlich.

„Klar, setz dich", forderte Pony ihn auf und plötzlich sah ich, wie sich ein Typ mit Lederjacke neben meinem Bruder niederließ. Ich kannte diese Lederjacke.

„Jungs, das ist Terry, aus meiner Schule". Er wurde mit einem Chor von ‚Hallos' und ‚N'Abends' begrüßt. Aber von mir nicht. Ich saß nur da und starrte ihn hasserfüllt an. Dieser Typ weckte schlechte Erinnerungen. Erinnerungen, die ich eigentlich hatte vergessen wollen. Der erste richtig große Fehltritt meines Lebens, wegen dem ich noch immer ab und zu ein schlechtes Gewissen hatte, wenn ich Pony ansah. Und jetzt saß er da, der Ursprung all meines Übels, und plapperte fröhlich mit Pony und den anderen über irgendwelchen belanglosen Kram. Unbewusst rückte ich etwas näher an Pony heran und als dieser Typ direkt das Wort an Pony richtete, legte ich meine Hand fest auf sein Knie. Dem Kerl würde ich schon zeigen, wer zu wem gehörte und von wem er besser seine langen, knochigen Finger ließ!

„Das sieht gut aus, was du da anhast, Pony. Das hattest du heute auch in der Schule an, nicht wahr? Ist mir gleich aufgefallen" Pony nickte und strahlte.

„Es gefällt dir echt?"

„Klar, steht dir".

„Danke, die Hose hat Soda mir zum Geburtstag geschenkt".

„Du hast heute Geburtstag?" Pony nickte heftig mit dem Kopf. Da beging der schmierige Typ einen großen Fehler. Er beugte sich zu Pony rüber und, ohne dass ich etwas hätte tun können, legte die Arme um ihn und drückte ihn an sich, während er ihm gratulierte.

„HEY!", rief ich und schlug ihm auf den Arm. Zuerst sah er mich überrascht an, dann wurde er ärgerlich.

„Hast du ein Problem? Was soll das?"

„Lass deine Finger von meinem Bruder!", fauchte ich und schlang nun meinerseits die Arme um Pony, um ihn zu mir zu ziehen.

„Geht's noch? Was hast du denn genommen!"

„Ich sagte, du sollst meinen Bruder nicht anfassen. Ich erlaube es nicht!"

„Erlauben? Du? Mir? Mensch Junge, komm mal runter! Das ist ja wohl Ponyboys Sache, ob er sich von mir anfassen lässt oder nicht". Wie um seine Worte zu bestätigen legte er eine Hand auf Ponys Arm und sah mich herausfordernd an. Mit einem wütenden Knurren packte ich Pony an der Schulter und versuchte, ihn unter seiner Hand wegzuziehen. Aber es gelang mir nicht. Der Arsch hielt Pony mit festem Griff am Oberarm fest. Das ging zu weit! Wütend sprang ich auf und warf mich auf den Kerl. Ich schlug solange auf seinen Arm ein, bis er Pony endlich losließ. Pony seinerseits war so überrascht, dass er sich nur wortlos die schmerzende Stelle an seinem Oberarm rieb und uns ansah.

„Sagt mal Jungs, was ist denn mit euch los! Hört auf mit dem Blödsinn! Soda!", rief Darry ärgerlich aber ich ignorierte ihn. Ich hatte alle Hände voll zu tun damit, den Typen davon abzuhalten, mir den Arm zu brechen.

„Soda! Terry! Was ist denn in euch gefahren!", fragte nun auch Pony.

„Der Arsch hat dich angegrabscht!", keuchte ich.

„Mach dich nicht lächerlich, Soda!" Steves Stimme diesmal.

„Niemand darf dich angrabschen! Das lasse ich nicht zu!"

„Wenn ihr euch schon schlagen müsst, dann tut das gefälligst woanders!", befahl Dally, nachdem er fast einen Tritt ins Gesicht bekommen hatte. Aber dazu musste es nicht mehr kommen, denn der Typ hatte sich von mir losgemacht und sich aufgerappelt. Ich lag noch immer mit dem Rücken am Boden und kämpfte damit, meine Körperteile wieder unter Kontrolle zu bekommen und den stechenden Schmerz in meiner Schläfe zu ignorieren, wo er mich ziemlich hart getroffen hatte.

„Du bist ja vollkommen durchgeknallt!", meinte er, bevor er mir noch einen letzten Tritt in die Seite gab.

„Tut mir Leid, Pony, aber dein Bruder ist ein Fall für die Klapse. Ich mach mich besser vom Acker. Wir sehn uns. Tschüss, Jungs". Er warf mir einen letzten bösen Blick zu, bevor er Pony erneut herausfordernd über den Kopf wuschelte und dann davon rannte. Das war sein Glück, denn ich hatte mich bereits soweit wieder aufgerichtet, dass ich ihm, hätte er noch eine Sekunde länger dort gestanden, in den Arm gebissen hätte. Wenn ich dem noch jemals wieder begegnen sollte, dann gnade ihm Gott! Aber wenigstens würde er morgen ein hübsches Feilchen um die Augen haben.

„Mensch Soda, was ist denn in dich gefahren. Musste das jetzt sein? Du bist doch sonst nicht so aggressiv. Kanntest du den? Hattet ihr Streit?" Ich schnaubte nur und konzentrierte mich darauf, mich endlich wieder gerade hinsetzen zu können, ohne gleich wieder umzukippen. Also entweder schlug der Alkohol auf meinen Gleichgewichtssinn, oder die Schläge gegen den Kopf, oder beides.

„Bist du verletzt?" Ja, das war Pony. Seine erste Frage galt meinem Wohlbefinden und war nicht gleich eine Anschuldigung so wie Darrys.

„Ich bin ok…"

„Soda, pass auf, dass du nicht wieder so einen Fehler begehst wie neulich. Du weißt wovon ich spreche!", mahnte Witz und sah mich mit zusammen gekniffenen Augen an.

„Halt die Klappe Witz, ich habe dir doch gesagt dass ich so was nie wieder machen werde. Aber ich habe es nun einmal nicht gerne wenn jemand meinen kleinen Bruder anfasst", knurrte ich und versuchte mit zittrigen Fingern eine Zigarette aus der Packung zu holen.

„Das ist albern Soda", meinte Witz gelassen.

„Ach lasst mich doch in Ruhe!", rief ich und schmiss die Zigarettenpackung auf den Boden. Ich fühlte mich mit einem Mal ganz müde. Ich seufzte einmal tief, dann ließ ich mich zur Seite kippen und legte meinen Kopf in Ponys Schoß. Zuerst erschrak Pony und war kurz davor, mich runter zu schubsen. Aber nachdem er den ersten Schrecken überwunden hatte, ließ er mich gewähren.

Nach einiger Zeit fing er plötzlich an zu kichern. Es dauerte einen Moment bis ich dahinter kam, dass ich der Grund dafür war, besser gesagt mein Kopf, den ich hin und her bewegt hatte, um eine bequeme Position zu finden. Nun machte ich mir einen Spaß daraus und rieb meinen Kopf unaufhörlich an Ponys Beinen und besonders an der kleinen Beule die sich inzwischen gebildet hatte. Hätte ich mich umgesehen, hätte ich gesehen, wie uns die anderen mit offenen Augen anstarrten. Aber ich bekam von meiner Umwelt nichts mehr mit, ich war mit anderen Dingen beschäftigt. Wir trieben dieses Spiel eine ganze Weile und ohne auch nur den geringsten Gedanken daran zu verschwenden, dass nicht nur unser Bruder sondern auch all unsere Freunde um uns herum saßen. Plötzlich brachte mich Darrys wütende Stimme wieder in die Realität zurück.

„Was zum Teufel treibt ihr da! Hört sofort auf mit dem Blödsinn!", rief er. Ich machte mir nicht die Mühe den Kopf zu heben, sondern drehte ihn nur in seine Richtung und blinzelte ihn an.

„Setz dich sofort wieder vernünftig hin!", befahl er.

„Ich will aber nicht. Ich liege gut hier".

„Ich habe gesagt, du sollst dich hinsetzen!" Ich warf Darry einen finsteren Blick zu, aber schließlich tat ich, was er verlangte. Widerwillig setzte ich mich wieder gerade hin.

„Man, man, Soda, wart nur ab bis wir dir das morgen früh alles erzählen…", murmelte Steve.

„Ach, is mir doch egal was ihr erzählt", nuschelte ich und schlang, einem inneren Impuls folgend, meine Arme um Pony. Ich vergrub meinen Kopf in seiner Halsbeuge und rührte mich nicht mehr. Pony legte mir die Arme auf den Rücken und versuchte das Kichern zu unterdrücken, welches ich durch meinen Atem auf seiner Haut hervorrief. Ich wusste, dass uns Leute zusahen und ich wusste, dass es ein großer Fehler war. Aber in dem Moment war es mir so egal. Ich tat das, worauf ich schon den ganzen Abend gewartet hatte, ich begann Pony über den Rücken zu streicheln und ihm eine Hand unter sein Shirt zu schieben. Ponys Kichern wurde stärker und jedes Mal wenn ich eine empfindliche Stelle berührte, zuckte er leicht zusammen. Ich bemerkte nicht, dass ich mich immer mehr auf ihn stützte. Aber irgendwann konnte er sich nicht mehr aufrecht halten und kippte unter mir weg. Da er seine Arme um mich gelegt hatte, zog er mich mit runter, so dass ich plötzlich auf ihm lag. Wenigstens hatte ich noch soviel Verstand, meine Hände unter seinem Rücken weg zu ziehen, so dass er nicht all zu unbequem lag. Stattdessen stützte ich meine Ellenbogen rechts und links neben seinem Kopf ab und brachte meinen Kopf dadurch bis auf wenige Zentimeter an seinen heran. Pony und ich sahen uns in die Augen und ich wusste, worauf er wartete. Ich schloss für einen Moment die Augen und gab ihm einen Kuss auf die Nase. „Soda… wirklich… ihr solltet…", hörte ich Witz armselige Versuche mich aufzuhalten. Ich drehte meinen Kopf und blickte die Jungs an. Aber ich sah sie nicht wirklich, ich war mit meinen Gedanken woanders. Und so drehte ich mich auch sofort wieder zu Pony um, als dieser mit einem leisen Wimmern meine Aufmerksamkeit wieder auf sich zog. Sein Griff an meinem Shirt wurde fester und machte mir unmissverständlich klar, was er wollte und so presste ich, unter dem entsetzten nach Luft Schnappen der anderen, meine Lippen auf seinen Mund und gab ihm einen innigen Kuss. Ein wunderbares Gefühl der Erlösung durchströmte mich und der einzige Gedanke, den ich hatte, war, dass nun endlich diese ganze Heimlichtuerei und das Verstecken vorbei waren.

„Ich glaub ja nicht was ich hier sehe….", meinte Steve tonlos. Von Darry hörte ich nichts mehr. Aber ich spürte etwas. Nämlich seine Hand, als er mich hart an der Schulter packte und so grob zurückriss, so dass ich auf dem Rücken landete. Ich hörte Ponys Quieken, als Darry ihn am Arm fasste und hoch zog. Dann hörte ich eine schallende Ohrfeige und Stille. Als ich mich aufrichtete, sah ich Darry, vollkommen regungslos dastehen, die rechte Hand erhoben, die linke um Ponys Handgelenk gekrallt, wie er ihn anstarrte. Ponys Gesicht konnte ich nicht sehen. Er stand auch nicht wirklich, sondern wurde vielmehr von Darry aufrecht gehalten. Wenn Darry seine Hand jetzt los ließ, würde Pony zu Boden fallen. Ich sah in die Runde, alle sahen mehr oder weniger geschockt aus. In Steves Augen stand Unglauben und in Johnnys der pure Schock. Das war eindeutig zu viel für den armen Jungen. Witz Gesicht hatte sich schmerzvoll verzogen und in Dallys Augen wechselten sich Schock, Mitleid aber auch Erkenntnis ab. Plötzlich drehte sich Darry wieder zu mir um, wobei er Ponys Handgelenk losließ. Wie erwartet fiel er zu Boden und fasste sich instinktiv an sein Handgelenk. Wie ich Darry kannte, hatte er ihm vermutlich das ganze Blut abgeschnürt.

Mit einem Blick, der jedem Serienmörder das Blut in den Adern hätte gefrieren lassen, sah er auf mich hinunter. „Was hast du dir dabei gedacht?" Ich zuckte die Schultern. Was hätte ich auch sagen sollen?

„Wie kannst du nur! Wie kannst du deinem Bruder so was antun!"

„Ich hab ihm gar nichts angetan…"

„SEI STILL!" Er fuhr sich mit der Hand über den Mund. „Jetzt tu mir bitte einen Gefallen und sag mir, dass der Alkohol Schuld ist. Sag mir, dass das nicht schon vorher so ging!"

Ich sah Darry eine Weile schweigend an.

„Tut mir Leid dich enttäuschen zu müssen. Aber das kann ich leider nicht sagen, dann müsste ich lügen…"

„Soda, du bist ein Vollidiot", knurrte Witz und Darry richtete seinen eiskalten Blick sogleich auf ihn.

„Du hast es gewusst". Es war keine Frage, es war eine Feststellung. Witz atmete einmal tief ein, dann nickte er.

„Na wunderbar!", donnerte Darry, „sonst noch irgendwer? Wohlmöglich alle außer mir?"

„Nein, nur Witz", kam plötzlich Ponys leise Stimme.

„Du", fauchte Darry und streckte Pony den Zeigefinger entgegen, „bist still!"

„Aber…"

„STILL! Sagte ich!"

Dann drehte sich Darry wieder zu mir um. „Komm mit!"

Ich wollte ihn nicht noch mehr verärgern, also stand ich ohne viele Widerworte auf und stolperte hinter ihm her. Ich weiß nicht, wie lange wir liefen, aber als ich mich umsah, konnte ich unsere Freunde bereits nicht mehr sehen.

„Also gut, du hast genau 5 Minuten! Ich höre!"

Ich sah meinen Bruder an. Was sollte ich ihm sagen? Sollte ich ihm überhaupt etwas sagen? Oder doch besser alles, die ganze Wahrheit? War es nicht zu spät zum Lügen?

„Nun… die Sache ist eigentlich ganz einfach. Pony und ich lieben uns. Nicht wie Brüder sondern… halt… na ja. Wir lieben uns. Ich weiß, du denkst, es sei alles meine Schuld. Aber glaub mir, dass ich Pony nie in irgendeiner Weise gezwungen, bedrängt oder sonst wie genötigt habe. Alles was er tut, tut er freiwillig und weil auch er mich liebt. Und es gibt nichts was du dagegen unternehmen könntest".

„Na, DAS werden wir noch sehen, mein Freund! Was du hier erzählst ist Schwachsinn. Erstens seid ihr beide Jungs. Zweitens seid ihr Brüder. Und drittens ist Pony noch viel zu jung! Er versteht gar nicht, was hier abläuft!"

„Hallo, falls du es noch nicht mitbekommen haben solltest, wir sind nicht die einzigen Schwulen in diesem Land, ob du es nun wahrhaben willst oder nicht. Und wenn es nicht Pony ist, dann ist es irgendein anderer Junge. An diesen Gedanken wirst du dich gewöhnen müssen. Außerdem ist Pony bereits 18 Jahre alt, also erzähl nicht, er sei zu jung. Er hatte schon mehrere Freundinnen, er weiß also durchaus was er will und was er nicht will. Und daran, dass wir Brüder sind, kann ich auch nichts ändern. Es ist nun einmal so. Und so tragisch ist das doch auch nicht. Ich meine, es ist ja nicht so, dass einer von uns schwanger werden könnte oder so…"

„Aber…"

„Ich mache dir einen Vorschlag. Wir gehen jetzt zurück zu den anderen oder nach Hause und du denkst in Ruhe noch einmal über alles nach. Immerhin hatten Pony und ich viel länger Zeit, uns über die Sache Gedanken zu machen als du. Und wenn du dich beruhigt hast reden wir weiter".

„Sag mal, für wen hältst du dich?"

„Ich habe Recht und du weißt es".

„Ihr kommt in den Knast wenn das raus kommt…"

„Kommen wir nicht".

„Stimmt. Du kommst in den Knast. Und Pony kommt ins Heim… denk mal drüber nach".

Damit drehte Darry sich um und stampfte davon. Er ging nicht zurück zu den anderen sondern in die andere Richtung. Ich sah ihm nach, bis ihn die Dunkelheit verschluckt hatte. Erst dann machte ich mich auf den Rückweg zum Spielplatz.

Schon von weitem konnte ich die Jungs lachen und rufen hören. Wie es schien, waren sie über ihren ersten Schock hinweg gekommen. Sie hatten es wohl besser aufgenommen als Darry.

„SODA!", rief Pony, als er mich erblickte und sprang auf. Im nächsten Moment hing er mir bereits am Hals und umarmte mich hingebungsvoll. Erst nach einer Weile löste er sich von mir und sah sich suchend um.

„Wo ist Darry?", fragte er und eine Spur von Sorge zeigte sich auf seinem Gesicht.

„Weggegangen…"

„Oh…"

„Ey, Soda, du lebst ja noch… Wir hatten schon mit dir abgeschlossen", meinte Steve grinsend, als Pony und ich uns wieder zu ihnen gesellten.

„Ne, ne", lachte ich, „wir haben geredet. Aber jetzt braucht er erst einmal eine Weile, bis er das alles verdaut hat". Steve nickte verstehend.

„Und ihr habt euch hier lustig weiter amüsiert, wie es sich angehört hat?", fragte ich und schenkte den Jungs ein breites Grinsen.

„Klar. Wir haben Pony ein bisschen ausgequetscht und wir mussten gar nicht erst die großen Folterinstrumente holen, er hat von sich aus schon sehr viel erzählt. Hoch interessant", berichtete Johnny.

„Ja… tsk Soda, ich wusste gar nicht, dass du schnurrst, wenn man dir am Ohr knabbert" Ich warf Pony einen entsetzten Blick zu, aber dann musste ich lachen. Wie es aussah hatten die Jungs es tatsächlich gut aufgenommen. Na ja, vielleicht hatten Dally und Witz ja auch einige Überzeugungsarbeit geleistet. Gegen die drei hatten Johnny und Steve wohl keine Chance gehabt.

„Ja, und stell dir vor, heute Abend scheint der Abend der Geständnisse zu sein", lachte Pony und zwinkerte Dally zu.

„Du hast es ihnen gesagt?", fragte ich verwirrt. Dally nickte. Pony zog einen Schmollmund.

„Du wusstest es? Wie gemein. Ich wollte dich gerade schocken".

„Tut mir Leid, Pony", lächelte ich und umarmte meinen kleinen Bruder liebevoll.

„Ich hoffe Darry kriegt sich bald wieder ein", meinte Johnny nachdenklich. Das Lächeln auf meinem Gesicht verschwand.

„Ja, das hoffe ich auch. Es wäre furchtbar wenn nicht. Das könnte ich nicht ertragen". Pony sah mich mitleidig an. Er wusste, dass Darry und ich schon immer gut miteinander ausgekommen waren und dass ich viel auf seine Meinung gab, auch wenn ich es nicht immer so offen zeigte.

„Hört auf zu grübeln, Jungs. Das wird schon wieder. Gebt ihm nur ein bisschen Zeit, das Ganze ist sicher nicht einfach für ihn. Ihr seid schließlich seine beiden kleinen Brüder. Das wird ein arger Schock für ihn gewesen sein. Aber auf uns könnt ihr zählen", erklärte Witz und nickte uns aufmunternd zu. Ich lächelte ihm dankbar zu.

„Also gut, wer spielt mit Flaschendrehen? Es gibt da doch noch einige Dinge die ich gern näher erfahren würde. Und vielleicht hat ja noch jemand anderes hier eine Mitteilung zu machen, der Moment wäre jedenfalls der richtige", lachte Steve und schraubte den Verschluss auf die Wodka Flasche, bevor er sie vor sich hinlegte und zu drehen begann.

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Als Pony und ich im Morgengrauen nach Hause kamen, war das Haus leer. Darry war nicht da. Pony und ich waren darüber sehr erleichtert, wir hatten nicht das Bedürfnis ihm heute noch Rede und Antwort zu stehen. Dazu waren wir viel zu müde. Wir schafften es gerade noch, uns die Schuhe auszuziehen, bevor wir vollkommen fertig ins Bett fielen, wo wir auf der Stelle einschliefen.

Der Duft von frischem Kaffee riss mich am nächsten Morgen aus den Träumen. Ich öffnete die Augen und blinzelte ein paar Mal. Plötzlich bemerkte ich, dass dort jemand neben unserem Bett kniete. Ich rieb mir dir Augen und sah die Person an. Ich stutzte. Es war Darry. Ich hätte eigentlich nicht erwartet, ihn so schnell wieder zu sehen, aber hier saß er, hatte einen Arm auf die Bettkante gestützt und den Kopf drauf gelehnt. Nachdenklich sah er auf uns herab. Als er bemerkte, dass ich seinen Blick erwiderte, zuckte er erschrocken zusammen und machte Anstalten zurück zu weichen. Aber dann hielt er plötzlich inne. Unverwandt und mit einem Ausdruck, den ich beim besten Willen nicht deuten konnte, sah er mich an. Ich erwiderte seinen Blick schweigend, in der Hoffnung, dass er etwas sagen oder tun würde. Aber nichts geschah. Ohne die geringste Gefühlsregung sah er mich an. Mir wurde das langsam unangenehm. Plötzlich begann Pony neben mir, sich zu drehen und irgendwas im Schlaf zu murmeln. Sofort richtete sich sowohl Darrys als auch mein Blick auf den noch immer schlafenden Ponyboy. Dieser hatte sich an mich gekuschelt und murmelte noch immer unverständliche Dinge vor sich hin. Ich beobachtete ihn noch lange. Nicht nur, weil ich ihm gerne beim Schlafen zusah, sondern vor allem, weil ich nicht den Mut hatte aufzusehen. Ich wollte Darry nicht in die Augen gucken, ich hatte plötzlich Angst vor dem, was er sagen oder tun würde. Doch ich wusste, ich würde es nicht besser machen indem ich ihn ignorierte, also nahm ich meinen ganzen Mut zusammen und sah auf. Von allen Blicken die er mir hätte zuwerfen können, hatte ich diesen am wenigsten erwartet. Nicht nur, dass Darry weder wütend noch angewidert guckte, ganz im Gegenteil, er guckte beinahe freundlich. Und plötzlich verzog sich sein Mund tatsächlich zu einem Grinsen.

„Was,", fragte ich und sah ihn verwirrt an.

„Dir auch einen guten Morgen".

„Ich bin ehrlich überrascht dich zu sehen. Und ich hab sogar noch meien Kopf auf meinen Schultern…?", meinte ich. Plötzlich legte sich Darrys Stirn in Falten.

„Was willst du damit sagen?"

„Na ja, ich dachte ja nur…."

„Du meinst du hast wirklich geglaubt, dass ich euch was antue?"

„Ich…" Ich sah die Verbitterung in Darrys Augen. Auf einmal bekam ich ein furchtbar schlechtes Gewissen.

„Du warst so wütend gestern Abend…es tut mir Leid…"

„Was hätte ich denn davon euch umzubringen?"

„Na vielleicht möchtest du nicht mit Leuten wie uns in einem Haus wohnen?"

„Dazu müsste ich euch nicht umbringen, Idiot".

„Und… jetzt?", fragte ich und sah Darry vorsichtig an, „sollen Pony und ich unsere Koffer packen?"

„…Ja, ich hab drüber nachgedacht. Aber dann hatte ich heute Morgen ein längeres Gespräch mit Dally. Und… sagen wir mal so, jetzt bin ich ihm wenigstens keinen Gefallen mehr schuldig".

„Wie soll ich das verstehen?"

„Nun, er hat verlangt, dass ich euch in Ruhe lasse und mir stattdessen alles noch einmal durch den Kopf gehen lasse, mal versuche, das ganze ganz objektiv zu betrachten. Das habe ich getan und ich bin zu dem Ergebnis gekommen, dass er Recht hatte. Wenn ihr glücklich seid soll es mir egal sein, mit wem. Meinetwegen auch miteinander".

Ich sah meinen Bruder an. Ich wusste nicht, ob ich glauben konnte, was er hier sagte. Und ob ich es überhaupt richtig verstanden hatte. Darum fragte ich besser noch einmal nach: „Heißt das, du hast nichts mehr dagegen?" Darry schüttelte den Kopf. Als ich das sah konnte ich nicht anders. Ich schlug die Bettdecke beiseite und warf meine Arme um Darrys Hals.

„Oh danke, danke, danke! Du weißt gar nicht, was das für mich bedeutet! Ich hatte so angst du würdest es nicht akzeptieren", rief ich, den Tränen nahe.

„Ja, ist ja gut. Jetzt lass mich los!", murmelte Darry, von meinem plötzlichen Angriff überrumpelt. Ich drückte Darry noch einmal fest, bevor ich ihn langsam wieder los ließ.

„Aber eins sage ich euch gleich. Ihr haltet das weiterhin so geheim wie bisher, sowohl nach Außen hin, als auch hier in diesem Haus. Vielleicht setze ich euch nicht vor die Tür, aber so weit geht meine Toleranz dann doch nicht", knurrte Darry. Aber ich sah, dass er lächelte. Ich grinste ihn fröhlich an.

„Kein Problem, du wirst nichts bemerken", versprach ich und wusste doch innerlich, dass ich es nicht halten würde. Denn jetzt, wo auch das letzte Hindernis beseitigt war, brauchten Pony und ich uns endlich nicht mehr zu verstecken. Ich konnte ihn küssen wann immer ich wollte und wo immer ich wollte, ich brauchte meine Berührungen nicht mehr heimlich zu machen wenn Darry dabei war … und vielleicht würden wir jetzt ja auch endlich weiter gehen können. Aber davon erzählte ich Darry besser nichts, das wollte ich ihm dann doch nicht zumuten.

„Also gut, dann weck Pony auf, ich habe Frühstück gemacht". Damit erhob er sich und verließ das Zimmer. Ich saß noch einen Moment regungslos da und versuchte zu verarbeiten, was gerade geschehen war. Aber dann durchflutete mich ein Gefühl puren Glückes und mit einem Freudenschrei stürzte ich mich auf meinen ahnungslosen kleinen Bruder. Verschlafen öffnete er die Augen und blinzelte mich an. Er wollte etwas sagen, aber ich ließ ihn nicht zu Wort kommen. Ich drückte ihm einfach einen Kuss auf die Lippen.

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…..OWARI….. !

So, Schluss : ) Tut mir Leid für all diejenigen, die jetzt eine Lemon Szene erwartet haben v Aber ich bin nicht so gut im Lemons schreiben. Außerdem könnte ich es dann nicht mehr T-rated lassen… aber wenn jemand Lust hat, ne Lemon zu dieser FF zu schreiben… lasst euch nicht aufhalten Hoffe aber, ihr mögt das Ende trotzdem. Ich bin jedenfalls froh, dass ich es geschafft habe sie fertig zu schreiben :D

Shi