Yvonne: Danke für das Review... was gefällt dir denn so gut? Würd mich interessieren, vielleicht für weitere Kapitel...


Freundschaften

„Wir sind fast da."

Der Wald war hell, durchflutet von Licht.

Kaum konnte man sich vorstellen, dass es hier jemals anders ausgesehen hatte – dunkel, voller Gefahren und durchzogen vom Bösen. Nichts deutete mehr auf das Getier hin, dass die Bewohner dieses Reiches in Angst und Schrecken versetzt hatte.

Die Sonne glänzte golden auf saftig grünen Blättern, Wind spielte leise in den Ästen und verzauberte alle Bewohner der Bäume mit seiner Melodie.

Es war der perfekte Frieden.

Elladan atmete tief durch, schnupperte den Duft von Waldblumen und Kräutern. „Hast du mir überhaupt zugehört?", fragte er dann und drehte den Kopf leicht zur Seite, um seinen Bruder anzusehen, der neben ihm ritt.

Elrohir seufzte kaum hörbar. „Ja, habe ich."

„Wo bist du mit deinen Gedanken?", fragte Elladan leise, wohl wissend, woran sein Zwilling dachte. Als dieser nicht antwortete, schüttelte er leicht den Kopf. „Wir haben die richtige Entscheidung getroffen, Bruder.", stellte er absolut überzeugt fest. „Daran solltest du nicht zweifeln. Es ist richtig."

Elrohir nahm die Zügel auf und trieb sein Pferd in eine schnellere Gangart. „Meine Zweifel gelten nicht unserer Entscheidung, sondern der Frage, wie er darauf reagieren wird. Vielleicht hätten wir uns besser anmelden sollen.", erwiderte er, nachdem Elladan ihn eingeholt hatte.

Dieser schüttelte belustigt den Kopf. „Nein, das glaube ich nicht. Dann würden wir ihn nicht antreffen, darauf würde ich mein Pferd verwetten. Er wäre ganz zufällig unterwegs zu irgendwelchen Grenzen, nach Gondor eingeladen, was weiß ich. Jedenfalls würde er uns nicht empfangen, geschweige denn unserer Bitte Gehör schenken. Du kennst ihn."

„Ja, allerdings... wir lassen es auf diesen Versuch ankommen.", lenkte Elrohir ein. „Wenn er ablehnt..."

„... werden wir wohl weiterhin mit unserem schlechten Gewissen und unserer Schuld leben müssen."

„So ist es..."Der ältere der Söhne Elronds hob die Stimme und wies die Soldaten an, schneller zu reiten. „Vor Einbruch der Nacht müssen wir die Grenze erreicht haben. Mir ist nicht wohl dabei, hier in der Wildnis zu rasten."Leiser fügte er an seinen Bruder gewandt hinzu: „Man hört Gerüchte, Elladan. Orks und Uruk-hai streifen wieder durch diese Lande. Im Süden, in Ithilien, soll es sogar schon zu Angriffen gekommen sein."

„Ich habe davon gehört, doch hielt ich es bisher nur für Gerede.", bemerkte dieser besorgt. „Doch stimme ich dir zu, dass wir nicht zu leichtfertig..."Er brach ab, als sein Pferd plötzlich scheute und er beinahe mit einem tiefhängenden Ast zusammengestoßen wäre. Mühsam brachte er den nervösen Schimmel wieder unter Kontrolle, als auch die anderen Pferde begannen, Anzeichen von Unruhe zu zeigen.

Die Brüder sahen sich bedeutend an.

Die wenigen Soldaten, die sie begleiteten, brauchten keine weiteren Anweisungen; die meisten von ihnen waren viel zu erfahren, um sich jetzt aus der Ruhe bringen zu lassen. Wortlos galoppierte die Gruppe los, durch den Wald in Richtung Grenze. Obwohl sie schon den gesamten Tag unterwegs waren, verspürte niemand Müdigkeit; zu gespannt waren ihre Sinne, zu groß war die Gefahr, die von jeder noch so geringen Unaufmerksamkeit ausging. Es dauerte nicht lange, bis sie mit ihren feinen Ohren die schweren Schritte der Orks in der Ferne hören konnten; Orks, die in ihre Richtung unterwegs waren.

„Sie werden uns niemals einholen können.", meinte Elladan nach einer Weile.

„Nein, werden sie nicht. Aber lass uns trotzdem nicht ruhen; wir sollten die Grenze so schnell wie möglich erreichen und Bescheid geben, dass dieses Gesindel sich hier herumtreibt."

Bei Einbruch der Nacht erreichte die kleine Reisegruppe endlich die Grenzen Eryn Lasgalens. Rot und warm schien das Licht der untergehenden Sonne durch die Bäume, warf lange Schatten und ließ Umrisse verschwimmen. Dies war eine gefährliche Zeit, in der man Schatten nicht von Feinden unterscheiden konnte, und die Zwillinge waren froh, als sie das Gebiet erreichten, wo sie die Grenzwachen zu treffen hofften. Doch die Krieger der Tarwawaith waren selbst für ihre geübten Augen unsichtbar, und Elladan hatte das Gefühl, dass man sie schon lange beobachtet hatte, bevor schließlich ein Elb vor ihnen auf den Weg trat.

„Seid gegrüßt, Söhne Elronds.", sagte er mit einer leichten Verbeugung. „Was führt Euch in den Wald der grünen Blätter?"

„Lirulin, welch eine Freude, dich zu treffen. Wir wollten deinem König einen Besuch abstatten – so er denn nicht auf Reisen ist.", entgegnete Elladan freundlich auf die Begrüßung hin.

„Soweit ich weiß, müsste er in der Feste anzutreffen sein. Kommt, lasst mich Euch einen Rastplatz für Euch und Eure Begleiter zeigen. Ihr scheint einen langen und anstrengenden Ritt hinter Euch zu haben."Mit einer Handbewegung bat Lirulin darum, ihm zu folgen, ein Angebot, welches die erschöpften Elben Bruchtals nur allzu gerne annahmen.

„Auf dem Weg hierher gerieten unsere Pferde in Unruhe. Wir hörten Orks in der Ferne – sag, ist dir etwas darüber bekannt?"

Lirulin runzelte leicht die Stirn, während er mit einer ausladenden Handbewegung auf eine Lichtung deutete, wo gerade einige Zelte errichtet wurden. „Nein, doch ich danke Euch für diese Auskunft. Wir werden uns darum kümmern – aber Ihr werdet noch mit dem König darüber sprechen können, lasst uns jetzt nicht viele Worte verlieren. Der Tag ist vorbei, die Sonne untergegangen; es ist Zeit zu ruhen."

Die Zwillinge bedankten sich bei dem Anführer der Grenzwache und begannen mit fast synchronen Bewegungen, ihre Pferde abzusatteln und trocken zu reiben. Kurze Zeit später begaben sie sich in die für sie vorgesehenen Zelte. Und obwohl beide wussten, dass die Grenzen des Waldes sicher bewacht wurden, konnte keiner von beiden so recht schlafen.

Ihr Gewissen und Schuld ließen ihren Gedanken keine Ruhe. Beide fragten sich, was die nächsten Tage bringen würden, für sie, für Bruchtal und Lothlórien, für die Elben, die immer noch in Mittelerde verweilten.

„Ich bin etwas verwundert, muss ich gestehen – uns wurde nicht gemeldet, dass Ihr dieses Reich besuchen kommt.", meinte Lirulin einige Tage später, als sie gerade das Waldtor passiert hatten und die Stadt der Tarwawaith durchquerten.

„Das liegt daran, dass unser Besuch unangekündigt ist.", entgegnete Elrohir und er konnte nicht verhindern, dass seine Stimme einen leicht bedauerlichen Klang einnahm, der ihm einen fragenden Blick des anderen einbrachte. „Falls wir dich damit in Schwierigkeiten gebracht haben sollten, Lirulin, möchten wir uns dafür entschuldigen. Doch wir haben unsere Gründe."

„Ich glaube kaum, dass der König verärgert sein wird. Es wunderte mich nur.", gab dieser zurück. „Doch lasst mich vorgehen und dem König melden, dass Besuch für ihn eingetroffen ist."Mit diesen Worten trieb er sein Pferd an und ritt voran, den Weg durch die Stadt hinauf bis zu der Hohen Feste der Waldelben, deren verwunschene Tore weit offen standen in diesen Zeiten.

Kurz darauf betrat er bereits den Thronsaal der Feste.

Wie immer, wenn er vor den König treten musste, verflog Lirulins Selbstsicherheit wie ein Herbstblatt im Wind. Leise Zweifel kamen in ihm auf, ob es tatsächlich richtig gewesen war, die Söhne Elronds ohne Nachfrage hierher zu geleiten. Beinahe spürte er sich selbst etwas schrumpfen, als der König schließlich die Aufmerksamkeit von seinem ersten Berater ab- und ihm zuwandte.

„Lirulin.", begrüßte er ihn freundlich und lächelte leicht, als dieser sich tief verneigte. „Was führt dich hierher? Gibt es Probleme?"

„Die gibt es auch, mein Herr. Doch in erster Linie bin ich gekommen, um Euch Besuch zu melden.", antwortete der Angesprochene in gemessenem Tonfall, sehr darum bemüht, sich seine leichte Nervosität nicht anmerken zu lassen. Als der König seinen Berater mit einer Geste bat, den Saal zu verlassen, wurde ihm sogar ein wenig mulmig zu Mute. Er schluckte und senkte rasch den Blick zu Boden.

„Was sorgst du dich um meine Reaktion, Lirulin? Besuch ist mir immer willkommen; und wenn du der Meinung warst, ihn über unsere Grenzen schreiten lassen zu können, bin ich mir sicher, dass es kein Grund für Zorn meinerseits auf dich gibt.", hörte er dann die Stimme des Königs, direkt vor sich, und schreckte hoch. Wie immer hatte er weder die Schritte seines Herrn hören können noch das leise Rascheln der schweren Roben, die er trug; wie immer wunderte er sich über den angenehm vertrauensvollen Tonfall des Herrschers.

Dieser lächelte ihn an, als er den Blick wieder hob. „Dann bitte meinen Besuch doch herein, Lirulin."

„Wie Ihr wünscht, Herr."

„Lirulin sah etwas blässlich aus. Ist das deine Schuld?"

„Ich hoffe doch nicht. Eher denke ich, dass er sich Sorgen machte, weil er euch beide ohne Rückfragen über die Grenze gelassen hat... was denkt ihr eigentlich von mir?"

„So einiges, mein Freund, so einiges.", gab Elrohir schlagfertig zurück, sein Bruder erlaubte sich ein Lachen, während sie den König Eryn Lasgalens herzlich begrüßten.

„Aber sagt, was tut ihr hier, auch noch unangekündigt? Ihr wolltet doch bestimmt nicht nur alte Freundschaften pflegen, oder? Elrohir, Elladan?"

„Durchaus nicht. Leider.", bekannte Elladan sich leicht ertappt schuldig und nahm auf dem angebotenen Stuhl Platz. „Wie immer steckt mehr dahinter. Doch zuerst..."

„... auf dem Weg hierhin bemerkten wir eine Horde von etwa zweihundert Orks, die sich nicht weit hinter uns auf die Grenze zubewegte. Lirulin gaben wir sofort Bescheid, doch er meinte, du würdest dich auch dafür interessieren.", setzte Elrohir den Satz seines Bruders fort.

„In der Tat. Jedoch werde ich das Gefühl nicht los, Freunde, dass ihr mit diesem Bericht nur von einem viel unerfreulicherem Thema ablenken wollt."

Seufzend sahen die beiden Brüder sich an.

„Wie machst du das immer?", fragte der ältere der Beiden schließlich resignierend. „Gedanken lesen kannst du nicht, aber dennoch weißt du immer, was in unseren Köpfen vor sich geht. Nun gut, du willst dich nicht ablenken lassen. Es hat wohl keinen Sinn, es noch länger vor uns her zu schieben. Wir sind wegen der Soldaten hier."

„Wegen welcher Soldaten?"

„Wegen deiner Soldaten. Deine Soldaten, die an unseren Grenzen stehen."

„Braucht ihr mehr Männer? Wenn ja, sagt nur, wie viele, ich habe mehr als genug um meine eigenen Grenzen zu schützen.", warf ihr Gastgeber sofort ein.

„Nein, nein, das ist es nicht.", wehrten die Brüder ab. „Das ist nicht der Grund unseres hierseins. Nein, wir wollen wir ein Angebot unterbreiten. Wir stehen tief in deiner Schuld und wissen nicht, wie wir diese sonst jemals begleichen könnten."

„Ihr steht gewiss nicht in meiner Schuld; es ist ein Dienst an der Freundschaft unserer Sippen, mehr nicht..."

„Das ist es schon lange nicht mehr, mein Freund.", hielt Elladan dagegen. „Es ist schon lange viel mehr als das. Bruchtal und Lothlórien wären schon lange gefallen, hätten wir unsere Grenzen nicht mit der Hilfe deiner Soldaten verteidigen können. Wir stehen in deiner Schuld, zu tief, als dass wir sie jemals wiedergutmachen könnten. Deswegen wollen wir dir ein Angebot unterbreiten..."

Der König beobachtete sie misstrauisch. „Warum habe ich das Gefühl, dass es mir nicht gefallen wird?"

„Hör es dir doch erst einmal an..."

Langsam und sehr darauf bedacht, die richtigen Worte zu wählen, erklärte Elladan ihm den Gedanken, der seinen Bruder und ihn nach Eryn Lasgalen geführt hatte. Doch er erahnte die Reaktion bereits; der Herr der Waldes hörte, was zwischen den Worten Elladans stand, begriff augenblicklich, worauf die Söhne Elronds hinaus wollten.

„Auf keinen Fall."

Elrohir und Elladan sahen sich an; sie setzten zu einer Erwiderung an.

„Was hast du dagegen? Für dich würde es zu keinerlei Nachteilen kommen, im Gegenteil, du würdest..."

„Versucht es gar nicht erst. Meine Antwort ist nein, gleich, wie ihr argumentieren wollt. Nein, das werde ich nicht annehmen, darauf lasse ich mich nicht ein."

„Legolas..."

„Nein."

TBC...