Elanor: Danke für dein Review, fühl dich geknuddelt ;-)

Was das erste Kapitel angeht: Das ist keines, sondern der Prolog, wie auch drübersteht... das sieht bei mir immer so aus, dass man den erst zum Schluss versteht...

Aber nun ja, hier kommt erstmal das nächste Kapitel...


Blutschuld

Die Zwillinge sahen sich an. Genau diese Reaktion hatten sie erwartet.

„Legolas, so hör uns doch an. Wir sehen keinen anderen Ausweg aus unserer Situation – wir haben keine Möglichkeit, unsere Schulden jemals wieder zu begleichen und..."

Elladan brach ab, als Legolas abrupt aufstand.

„Es gibt nichts zu begleichen, weder Imladris noch Lothlórien stehen in meiner Schuld. Ich will nichts mehr davon hören. Garondur, bitte zeige den Herren ihre Gemächer.", wies er einen etwas abseits stehenden Diener an und wandte sich zum Gehen.

„Legolas...", begann Elladan von Neuem, verstummte jedoch sofort wieder, als sein Bruder ihm einen Stoß in die Seite versetzte. Wortlos folgten sie Garondur durch die langen Gänge der Feste, nachdem dieser ihnen den Weg aus dem Thronsaal gewiesen hatte. „Was sollte das denn?", zischte er.

Elrohir sah ihn warnend an. „Wir sollten ihn nicht verärgern, kleiner Bruder. Versuchen wir es später noch einmal."

„Dann wird er seine Meinung immer noch nicht geändert haben."

„Legolas ist ein mächtiger König, Elladan, weitaus mächtiger als wir beide. Er hat mehr Männer, mehr Land, mehr Einfluss. Wir können es uns nicht leisten, ihn so sehr zu bedrängen, dass er uns kein Gehör mehr schenkt. Lass es uns langsam angehen. Mit seinen Vertrauten sprechen. Nicht so direkt sein.", beschwichtigte der Ältere ihn.

„Er wirft uns hinaus, wenn wir hinter seinem Rücken seine Autorität untergraben."

„Er weiß genauso gut wie wir und jeder andere hier, dass niemand hier seine Autorität untergraben kann, und die Betonung liegt auf kann, Bruderherz.", meinte Elrohir kopfschüttelnd. „Lass uns... Ah, Mîrenithil. Wie schön dich zu sehen.", unterbrach er sich selbst und deutete eine leichte Verbeugung an. Sein Bruder tat es ihm gleich.

„Elrohir, Elladan – ihr hier? Davon wusste ich nichts.", entgegnete die Elbenfrau ihnen gegenüber und strich sich ihre hellblonden Haare zurück.

„Das liegt daran, dass wir deinem werten Herrn Bruder einen Überraschungsbesuch abgestattet haben."

Prüfend sah Mîrenithil die beiden Brüder an, sah die feinen Falten auf der Stirn und die leicht verdunkelten Augen. „Habt ihr euch gestritten?"

„Nein.", erwiderte Elladan. Er erzählte Legolas' Schwester von dem Vorschlag, den sie ihm gemacht hatten, während sie weiterhin Garondur zu ihren Zimmern folgten. „Ich hoffe nur, wir haben ihn nicht verärgert.", schloss er, an das anknüpfend, was sein Bruder zuvor vermutete.

„Das ist er nicht, dessen könnt ihr euch gewiss sein.", sagte sie, nachdem er geendet hatte. „Es ist genauso, wie er sagte: Er ist einfach nur dagegen. Aber wenn ihr wollt, werde ich mit ihm reden. Ich kann euch verstehen, Elladan, und er auch. Er will es nur nicht einsehen. So ist er nun einmal."

Sie blieb stehen, als sie die Gästezimmer erreicht hatten. Garondur wies mit einer Verbeugung auf die entsprechenden Türen. „Wir werden uns beim Abendessen treffen, ihr zwei. Bis dahin werde ich mit ihm gesprochen haben."

„Danke. Bleibt nur zu hoffen, dass er auf dich hört.", meinte Elrohir besorgt.

„Vielleicht. Wahrscheinlich."Mit diesen Worten verabschiedete Mîrenithil sich von ihnen und verschwand. Elladan sah ihr nach, starrte noch lange auf ihre Gestalt, umweht von einem weißen Kleid.

„Er wird unter Garantie nicht auf uns hören, wenn du seine Schwester so anstarrst."

„Ich habe mich nur gefragt, wie es soweit kommen konnte."

„Bruderherz?", fragte Mîrenithil vorsichtig, während sie die Tür zu den Gemächern Legolas' öffnete.

„Nein.", kam eine leise, aber bestimmte Antwort.

Mîrenithil seufzte. „Warum nicht, Legolas? Was hast du gegen ihren Vorschlag?"

„Ich sehe seine Notwendigkeit nicht ein.", entgegnete er und schrieb unbeirrt weiter an dem Brief, der inmitten von Pergamentstapeln auf seinem ausladenden Schreibtisch lag. Er sah nicht auf, als seine Schwester sich ihm näherte und schließlich direkt vor der Tischkante stehen blieb.

„Du würdest ihnen sehr helfen.", meinte sie gedämpft. „Mehr, als du es jetzt schon tust, kleiner Bruder. Warum tust du ihnen diesen Gefallen nicht? Welche Nachteile springen für dich dabei heraus außer etwas mehr Verantwortung? Wenigstens formell könntet ihr euch darauf einigen, oder nicht?"

Legolas hielt inne, blickte seine Schwester jedoch immer noch nicht an. „Du kennst meine Gründe sehr genau.", sagte er steif.

„Das bedeutet nicht, dass ich sie gut heißen muss. Hilf ihnen, ich bitte dich."

„Das tue ich, schon seit Jahren. Ich habe niemals eine Wiedergutmachung verlangt."

„Zeigt die Tatsache, dass sie dir dennoch eine solche anbieten, nicht nur, wie sehr sie deine Hilfe zu schätzen wissen? Hättest du ihnen Hilfe versagt, wenn sie um eben diese gebeten hätten? Nein, das hättest du nicht getan. Sie bitten dich um Hilfe, Legolas, nur auf eine andere Art, als du es erwartet hast. Ich bitte dich.... denke wenigstens darüber nach."Mit diesen Worten wandte Mîrenithil sich zum Gehen. An der Tür warf sie noch einen kurzen Blick über die Schulter zurück zum Tisch, wo ihr Bruder saß, die Augen immer noch auf den Brief gerichtet, doch ins Leere starrend.

Er sah erst wieder auf, nachdem die Tür hinter ihr ins Schloss gefallen war. Stirnrunzelnd stand er auf und ging langsam zu einem der endlos scheinenden Regale in seinem Arbeitszimmer. Im Halbdunkeln zog er eine Karte aus einem der Fächer und betrachtete sie nachdenklich.

„Das kann ich nicht tun.... das kann ich unmöglich annehmen...", flüsterte er unhörbar leise und betrachtete nachdenklich die Grenzen der Elbenreiche im Vierten Zeitalter Mittelerdes. Imladris, Lothlórien, Ost-Lórien, Eryn Lasgalen und Ithilien. Drei waren in seiner Hand, die anderen zwei unterstanden den Zwillingen Elronds. Das konnte er nicht tun. Niemals. Nicht ohne einen sehr triftigen Grund zumindest. Langsam legte er die Karte zurück an seinen Platz und lehnte sich dann mit dem Rücken an das Regal, sah ins Nichts.

Er konnte Elladans und Elrohirs Angebot nicht annehmen. Niemals. Auch wenn er keinen logischen Grund dafür nennen konnte, protestierte sein ganzes Ich gegen den Vorschlag, dem die Brüder ihm gemacht hatten. Er spürte Abneigung in sich aufsteigen, wenn er nur im Entferntesten daran dachte.

Andererseits hatte Mîrenithil unbestreitbar Recht. Niemals würde er den beiden irgendeine Art von Hilfe verweigern, so dringend, wie sie diese benötigten um zu überleben. Und sie hatte auch Recht damit, dass er ihnen helfen würde, indem er dieses Angebot annahm. Überhaupt hatte seine Schwester in allem Recht, was sie gesagt hatte. Wie so oft. Sollte er vielleicht, wie so oft, auf sie hören...?

Legolas schloss die Augen und atmete tief durch. Er spürte sie wieder, die Last, die auf seinen Schultern ruhte. Dieses Gewicht, das er immerzu verdrängte. Doch manchmal verlangte es dennoch seine Aufmerksamkeit, wie jetzt, in diesem einen Augenblick. Er spürte die Bürde, die ihm aufgezwungen worden war. Die Verantwortung über all diese Leben, all diese Länder, all diese Geschicke. Mit einer falschen Entscheidung konnte er Lebende in den Tod stürzen, Länder dem Untergang weihen, ja selbst den Lauf des Schicksals und die Zukunft ändern. Macht war ihm zuteil wie kaum einem anderen Wesen in diesen Landen östlich des Meeres. Manche würden alles dafür geben, diese Macht zu besitzen.

Für ihn war es ein Fluch.

Man sagte Elben vieles nach. Ernsthaftigkeit, unerschöpfbare Kraft, Unkenntnis über Gefühle wie Verzweiflung. Die Wahrheit war, dass nichts von alledem stimmte. Die Menschen schrieben dem Volk der Erstgeborenen diese Fähigkeiten zu, weil keiner von ihnen jemals einen Unsterblichen erlebt hatte, der die Fassung verlor, herzlich lachte, vor Trauer verging oder vor Verzweiflung zusammenbrach unter der Last seines Schicksals. Es geschah selten, zugegeben, und wenn, dann meistens im Verborgenen. Die wenigsten des Schönen Volkes erlaubten sich Ausfälle in aller Öffentlichkeit – zu sehr waren sie bedacht darauf, den Anschein zu waren.

Legolas hatte dieses Versteckspiel schon immer gehasst, doch er konnte sich dem Zwang nicht entziehen – und so stand er hier, ließ sich langsam an dem Regal entlang auf den Boden sinken, im Halbdunkel der letzten Sonnenstrahlen, und versuchte sich einzureden, dass alles in Ordnung sei. Dass er diese Last schon so lange trug, dass so wenig falsch gelaufen war – er brauchte sich keine Sorgen zu machen. Er hatte das Vertrauen des Volkes, das Vertrauen anderer Völker, Vertrauen in sich selbst. Meistens. Wenn die Bürde seiner Geburt ihn nicht gerade einholte und zu Boden warf, ihm jegliche Luft zum Atmen nahm und die Furcht heraufbeschwor, zu versagen.

Wie konnte er noch mehr Verantwortung übernehmen, wenn ihn diese hier jetzt schon beinahe erstickte? Wie konnte er ihnen helfen, wenn er kaum sich selbst helfen konnte...?

Es klopfte.

„Herr?", fragte eine ihm wohl bekannte Stimme vorsichtig, als er nicht antwortete, sondern darauf wartete, dass der Störenfried wieder verschwand. „Legolas?"

Er seufzte. Diesen ungebetenen Gast würde er nicht einfach durch Schweigen wieder zum Gehen bewegen können. Lautlos rappelte er sich hoch und ordnete die hellgrauen Roben, die er trug. Dann nahm er die Karte wieder aus dem Fach und ging, scheinbar grübelnd, zurück zu seinem Schreibtisch. „Komm herein, Gildin. Was gibt es?", fragte er, als wäre er tief in Gedanken versunken, und setzte sich.

„Ich sprach gerade mit Elrohir und Elladan.", meinte sein erster Berater vorsichtig und zuckte leicht, als Legolas ihn scharf anblickte. „Sie äußerten ihre Sorge über Eure Reaktion, sollten sie mir von Eurem Gespräch mit ihnen erzählen, doch sie taten es dennoch... und ich möchte Euch bitten, mir einen Moment Gehör zu schenken."

„Ich hätte niemals gedacht, dass er annimmt."

„Ich will gar nicht wissen, was Mîrenithil und Gildin alles für Argumente vorgebracht haben müssen, damit er sich hat umstimmen lassen."

„Ich auch nicht."

„Was meintest du eigentlich vorgestern, Bruder, als du sagtest, du fragtest dich, wie es soweit hatte kommen können?", erkundigte Elrohir sich leise.

Elladan zuckte mit den Schultern. „Ich weiß selbst nicht, wie mir der Gedanke einfallen konnte. Doch ich fragte mich, wie es soweit kommen konnte, dass Legolas König unter Eiche und Buche wurde. Es war nicht geplant, niemals hätte irgend jemand dies vermutet...", sinnierte er, während er wartend aus einem der hohen Fenster des Thronsaales starrte.

„Wir verloren nur unsere Mutter, Elladan, er seine ganze Familie. Es war doch nichts ungewöhnliches in diesen Zeiten. Aber ich weiß, was du meinst. Wenn aller Schutz, Soldaten und Mauern, nicht mehr ausreichten um die Mitglieder seiner Familie zu schützen... zwei tote Halbgeschwister... eine ermordete Mutter, ein gefallener Vater... wieso denkst du darüber nach? Denkst du, sein Bruder wäre ein besserer Herrscher gewesen?", fragte Elrohir argwöhnisch, mit leicht zusammengekniffenen Augen.

„Nein, durchaus nicht, um ehrlich zu sein. Ich habe ihn zwar kaum gekannt und will nicht schlecht über die Toten sprechen, doch besaß er nicht dieses tiefe Verständnis für die ihm Untergebenen, das Legolas eigen ist. Ich glaube, es ist besser so. Doch lass uns nicht darüber sprechen – er kommt.", beendete Elladan das Gespräch über lang vergangene Dinge, als sich die große Flügeltür des Saales öffnete und Legolas zusammen mit Gildin und Mîrenithil eintrat.

Die Gespräche im Saal verstummten, die Anwesenden Berater und Fürsten erhoben sich still. Legolas bedachte die ehrerbietige Geste mit einem knappen Nicken – er war offensichtlich nicht wirklich gut gelaunt, geschweige denn glücklich über das Kommende. Elladan versuchte, Mîrenithils Blick einzufangen; als es ihm schließlich gelang, kam ein Blick zurück, der wohl soviel heißen sollte wie ‚Frag nicht'.

Dann begann die Zeremonie. Elladan und Elrohir sprachen beide kurz über das Geschehene und äußerten sich dankbar über die Hilfe, die ihnen zuteil geworden war; Legolas, der immer noch ein wenig verstockt wirkte, erklärte die Selbstverständlichkeit dieser Geste und diverse andere Elben kamen zu Wort. Schließlich gelangten sie zum wichtigsten Teil, in dem Legolas den Zwillingen jeweils eine Kette mit dem Siegel Eryn Lasgalens überreichte.

Das alles lief wie im Traum vor den Augen der beiden ab. Nur ein Gedanke beherrschte ihren Geist: Es war getan. Es war endgültig vorbei. Die Blutschuld war beglichen, das Gewissen ihres Volkes erleichtert.

Legolas war nun der Herrscher über Bruchtal und Lothlórien.

TBC...

Ich weiß, dass es melodramatisch, kitschig und noch einiges mehr ist und schäme mich ganz doll dafür... aber ich bessere mich, versprochen... krieg ich trotzdem ein Review...? :)