Liderphin: Daaanke für das Review!


Gemeinsam unterwegs

„Mir will das nicht gefallen.", murmelte Elladan, mehr zu sich selbst als zu jemand anderem. Er warf einen beinahe vorsichtigen Blick neben sich.

„Du musst ja nicht mitkommen, wenn du nicht willst.", erwiderte Legolas gereizt und überprüfte die Sehne seines Bogens. Er blickte warnend zurück.

„Und dich alleine reiten lassen? Kommt nicht in Frage... lass uns wenigstens noch einen Soldaten mitnehmen, ich bitte dich. Mir ist mehr als unwohl, jetzt, wo sich derart viele Orks hier herumtreiben.", versuchte der Zwilling es erneut. Er wollte ihn nicht verärgern, weniger aus Angst vor seiner Reaktion als einfach ihrer Freundschaft wegen, glaubte aber auch nicht verantworten zu können, dass Legolas alleine ritt nach dem, was vor wenigen Tagen geschehen war. Soldaten waren ausgeschickt worden, doch sie konnten in der kurzen Zeit niemals das große Gebiet zwischen Ost-Lórien und Ithilien vollständig durchsucht und von Orks befreit haben... geschweige denn, es vor neuen Orks und auch Uruk-hai schützen.

„Frag doch Tuilinn. Er sorgt sich um dich, Legolas, ich sehe es ihm an.", warf Elrohir ein. Er saß in einem Sessel und ruhte sich aus, wie die Heiler es wollten, ärgerte sich immer noch, nicht mitreiten zu können. Mit einer Hand zerfranste er zusehends den Zipfel der Decke, die ihn wärmen sollte.

Schon leicht verärgert blickte der Angesprochene zwischen den Brüdern hin und her. „Ich bin niemals mit Soldaten geritten und habe es auch jetzt nicht vor.", stellte der dann klar und ging ohne ein weiteres Wort hinaus.

Mit einem tiefen Seufzer sah Elladan ihm hinterher, bevor er sich zu seinem Bruder umdrehte. „Hoffnungslos."

„Stur wie ein Zwerg.", kommentierte dieser. „Doch Tuilinn wird ihn noch einmal darauf ansprechen, dessen bin ich mir sicher."

„Ob er sich von ihm umstimmen lässt, ist die andere Frage."

„Hoffen können wir ja." Mühsam stand Elrohir auf. „Ich begleite Euch noch zu den Ställen.", meinte er.

Er war sich nicht ganz sicher, ob er sich freuen oder ärgern sollte über das Verhalten der Zwillinge.

Einerseits tat es gut zu wissen, dass sie sich um ihn sorgten, es fühlte sich gut an, Freunde zu haben wie die beiden. Sie kannten sich schon lange, doch erst, nachdem die meisten der Elben Mittelerde gen Westen verlassen hatten, entwickelte sich eine tiefe Freundschaft zwischen ihnen. Immer öfter trafen und berieten sich, brachten die Elbenreiche Mittelerdes näher zusammen als jemals zuvor. Niemals hatte es einen solch regen Austausch zwischen den Elbenvölkern gegeben, niemals hatten sie sich gegenseitig mehr geholfen als in diesen Zeiten, in denen die großen Weisen nicht mehr da waren und die Zurückgebliebenen allein zurechtkommen mussten.

Als wäre es gestern gewesen erinnerte er sich an den Tag, als er zuerst einen Brief von Elladan aus Lothlórien, dann einen von Elrohir aus Bruchtal erhielt, in denen sie um Hilfe baten, weil sie sich mit ihren wenigen Soldaten nicht mehr zu Wehr setzen konnten gegen die wieder zahlreicher werdenden Orks.

Als wäre es gestern gewesen erinnerte er sich an ihren Besuch in Eryn Lasgalen, an die Gespräche mit ihnen, seiner Schwester, mit Gildin, an die Zeremonie...

Aber andererseits... sie kannten sich nun schon so lange. Und immer noch, nach all den Jahren, versuchten sie dieses Thema mit ihm zu diskutieren, genau wissend, dass er nicht mit sich reden ließ, wenn es darum ging. Meistens beendete er diese Gespräche, bevor sie wirklich beginnen konnten und fühlte sich nur etwas zu sehr umsorgt, aber heute stieg regelrechter Ärger in ihm auf, als sie wieder begannen, mit ihm darüber reden zu wollen.

Vielleicht hatten ihn die merkwürdigen Vorfälle doch mehr mitgenommen, als er sich selbst eingestehen wollte... wenn er in sich selbst hineinhorchte, merkte er, wie gereizt und aufgewühlt er war. Normalerweise konnte er dies immer gut verbergen, sowohl vor anderen als auch vor sich selbst... aber normal war nichts mehr seit diesem seltsamen Brief.

Er hatte es bereits geahnt, seufzte aber innerlich dennoch, als Tuilinn auf dem Weg zu den Ställen zu ihm trat.

„Mein Herr."

„Ja?", fragte er zurück, und der Blick, den er hinterher schickte, war schärfer als gewöhnlich.

Tuilinn schluckte etwas. „Ich hörte, dass ihr nach Ithilien abreisen wollt." Als Legolas nichts dazu sagte, fuhr er etwas unsicher fort: „Bitte erlaubt mir, Euch zu begleiten."

„Warum sollte ich.", antwortete er unwirsch, betrat den Stall und ging zielstrebig zu Sinyes Box. Er spürte, wie Tuilinn ihm folgte. „Das heißt nein.", fügte er hinzu.

„Aber...", begann der dunkelhaarige Elb wieder.

„Habe ich mich nicht deutlich ausgedrückt?", fuhr Legolas ihn an und verfrachtete Sinyes neuen Sattel auf ihren Rücken.

Tuilinn zuckte angesichts seines Tonfalls zusammen, gab aber noch nicht auf. „So hört mich doch an...", versuchte er es erneut.

„Kein Wort mehr!"

Tuilinn wich unwillkürlich zurück, als Legolas zornig einen Schritt auf ihn zutrat. Sinye wieherte erschrocken und stieß unsanft gegen die Wand ihrer Box. Sie war es nicht gewohnt, dass ihr Reiter so laut war... und so wütend, denn sie spürte sehr wohl, dass etwas nicht stimmte. Das unruhige Schnauben lenkte Legolas wohl ab – jedenfalls zuckte er plötzlich sichtbar zusammen. Was war nur mit ihm...? Niemals zuvor hatte er einen seiner Untergebenen so angefahren, auch aus gewichtigeren Anlässen heraus nicht. Aber jetzt, wenn er Tuilinn dort stehen war, zurückgewichen vor ihm, kaum sichtbar geduckt, die Augen zu Boden gerichtet...

„Entschuldige.", meinte er leise und seufzte.

Tuilinn merkte auf, sah aber nicht hoch. „Versteht doch meine Gründe, Herr. Ich...", versuchte er vorsichtig zu erklären, doch Legolas unterbrach ihn wiederum.

„Deine Gründe musst du mir nicht darlegen; ich kenne sie sehr wohl, Tuilinn. Meinetwegen, reite mit uns. Aber nur dieses eine Mal.", gab er sich geschlagen und ignorierte die aufflammende Erleichterung in den Augen seines Gegenübers. „Schau bitte einmal nach, wo Elladan bleibt; er sollte schon längst hier sein.", fügte er hinzu und zog Sinyes Sattelgurt fest. Kurz darauf betrat Besagter breit grinsend den Stall.

„Hör mal.", beschwerte er sich gespielt beleidigt. „Von uns lässt du dir nichts sagen, aber auf Tuilinn hörst du?" Mit einem dankbaren Nicken nahm er einem Stallknecht sein Pferd ab. „Was soll das denn?"

„Du wusstest doch genau, dass Tuilinn mich noch einmal ansprechen würde. Reg dich ab.", gab Legolas zurück, nur halbwegs auf die Spöttelei eingehend. In Gedanken war er bereits wieder ganz woanders. Er bemerkte kaum, wie sich Tuilinn rasch ein Pferd sattelte und ihm in den Hof hinaus folgte. Sein Blick schweifte kurz über Caras Calen, über die wenigen Stallungen am Boden des Waldes, die den Schlosshof bildeten, über die unzähligen Telain in den Höhen der Bäume. Vergleichsweise wenig Zeit war vergangen, seit die ersten Elben aus Lothlórien hier unter Celeborn siedelten. Hätte er es nicht besser gewusst, hätte er ohne Zögern geglaubt, dass schon immer Elben in diesen Bäumen gelebt hatten, allzeit seit der Ankunft ihres Volkes in Mittelerde. Doch immer noch, auch nach all den Jahren, die der Dunkle Herrscher besiegt und der Schatten aus diesen Landen vertrieben worden war, war der Friede in Gefahr, konnten sie kein so ruhiges Leben hier führen, wie sie es sich gewünscht hatten.

„Er will nach Ithilien weiterreisen.", antwortete Mîrenithil, als Gildin sie nach dem Grund für ihre offensichtliche Besorgnis fragte. „Und ich bin mir sicher, dass er niemanden mit sich nehmen wird. Einen der Zwillinge, aber keine Soldaten..." Sie faltete den Brief ihres Bruders zusammen. „Habt ihr die Grenzposten verstärken lassen?", fragte sie dann.

„Ja, heute morgen bereits.", gab Gildin zurück. „Es ist mir dennoch unbegreiflich, wie sie die Grenzen unbemerkt überschreiten konnten. Euer Bruder hat in der Vergangenheit immer... gespürt, wenn Gesindel in eines der Reiche eingedrungen ist." Er schien nicht die richtigen Worte zu finden für das, was er eigentlich sagen wollte.

„Gespürt? Gildin, seit wann glaubt Ihr an solche Dinge?", fragte Mîrenithil amüsiert. „Ihr verlasst Euch doch nur auf kalte Logik."

„Ihr etwa nicht?", entgegnete er lächelnd. „Ich glaube nur an Dinge, die ich mit eigenen Augen sehe, wie auch Ihr. In diesem Fall habe ich gesehen, wozu er fähig ist – ich erinnere mich an mehrere Situationen, in denen er grundlos Soldaten ausschickte, die genau zur richtigen Zeit am richtigen Ort waren, obwohl niemand das Auftauchen von Orkhorden vorhersehen konnte. Deswegen wunderte mich dieser Angriff."

„Mein Bruder ist sehr abgelenkt gewesen in den letzten Wochen. Er spürt, dass etwas heraufzieht." Mîrenithil stand auf und schritt beunruhigt durch das Zimmer. Plötzlich drehte sie sich um. Ihr war etwas eingefallen. „Lasst uns schauen, worüber die Berater gerade sprechen. Wir sollten ein Auge auf Lathron haben, vergesst das nicht."

Gildin seufzte. „Wie könnte ich. An der Stelle eures Bruders hätte ich ihn niemals für diese Position eingesetzt. Unfähig ist noch untertrieben, wenn man Worte für sein ‚Können' sucht."

„Ich denke, darin sind wir uns einig.", kommentierte Legolas' Schwester.

Kurz darauf betraten sie den Thronsaal. Mîrenithils Blick wanderte kurz durch die lichtgeflutete Halle, den geschnitzten Thron ihres Bruders, behangen mit schimmernden Stoffen, die Krone der Tawarwaith, sein Siegel, das er hier zurückgelassen hatte, wie meistens. Zu groß war die Sorge, das wertvolle, verwunschene Schmuckstück zu verlieren. Jeder der Statthalter und die obersten Berater trugen eine Kette mit dem edelsteinbesetzten Stern; die Macht aller wurde vereint in dem Siegel von Legolas, das nun, scheinbar sorglos liegen gelassen, neben der Krone im Licht glänzte. An einem langen Tisch saßen diverse von Legolas' Beratern, in eine Diskussion vertieft. Als Mîrenithil und Gildin sich ihnen näherten, verstummten sie und standen ehrerbietig auf. Die beiden bemerkten die fragenden Blicke, die sich einige von ihnen zuwarfen. „Lasst Euch nicht stören.", meinte Legolas' Schwester lächelnd. „Wir werden nur ein wenig zuhören, mehr nicht."

„Legolas, warte!", rief Elladan und versuchte, sein Pferd zu einem noch schnelleren Galopp zu überreden – vergebens. Hätte Legolas seine Stute nicht gezügelt, hätten Elladan und Tuilinn den Anschluss verloren. Stirnrunzelnd wandte er sich zu den beiden um.

„Ich weiß sehr genau, warum ich alleine reiten will.", meinte er verstimmt und strich Sinye beruhigend durch die Mähne.

Elladan seufzte. „In Ordnung, wir halten dich auf. Aber sicherer ist es dennoch, das musst du zugeben."

„Noch bin ich davon nicht überzeugt.", erwiderte Legolas und sah sich aufmerksam um. „Nichts, rein gar nichts. Weder Orks noch Uruk-hai noch ein Schleier Schwärze liegt über diesen Landen."

Sie hatten die Raurosfälle bereits lange hinter sich gelassen, ritten immer noch am Anduin entlang. Erschöpfung stand auf ihren Gesichtern, doch Legolas gönnte ihnen keine zusätzlichen Rasten. Immer und immer wieder trieb er sie an, Unruhe ließ ihn selbst keinen Schlaf und keine Erholung finden während der kurzen Nächte. Etwas würde geschehen. Er fühlte es in jedem einzelnen Knochen, hörte es ihn jedem Windzug und schmeckte es im Sommerregen. Etwas würde geschehen, das ihr aller Leben für immer verändern würde.

TBC...

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