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Durch die Wildnis

„Vorsicht!" zischte Estelril und drängte mit seinem Pferd Legolas' kleine Stute beiseite, nicht beachtend den wütenden Blick, den sein Herr ihm zuwarf. Sinye scheute, aufgeschreckt durch das immer lauter werdende Rascheln im Gebüsch und die Unruhe der anderen Pferde.

„Estelril", fuhr Legolas' Stimme laut durch die gedämpften Geräusche. „Deine Besorgnis in allen Ehren, aber du solltest doch in der Lage sein, eine Wildkatze von einem Ork zu unterscheiden."

Wie um seine Worte zu bestätigen erschienen zwei grün leuchtende Augen im Dunkel des Dickichts, Augen, die sich langsam näherten, bis die Katze durch die Zweige brach und auf lautlosen Pfoten zwischen den Bäumen verschwand.

Mit einem abfälligen Blick bedachte Legolas den Elben, der sichtlich schwer schluckte, jedoch nichts erwiderte. Die Soldaten, die sie begleiteten, schwiegen ebenfalls, solange, bis die Stille beinahe unerträglich schien.

„Reiten wir weiter", befahl er schließlich und ließ Sinye antraben. Die kleine graue Stute schüttelte die Mähne und schien froh zu sein, etwas Abstand zwischen sich und die großen Schimmel zu bringen. Als Pferd aus der Zucht der Rohirrim hatte sie sich nie ganz an Enge und Stallungen gewöhnen können; meistens blieb sie das ganze Jahr über Tag und Nacht auf den Weiden Eryn Lasgalens, meistens ritt Legolas allein, wusste er doch um die Eigenheiten seines Pferdes.

Scheinbar gleichgültig ritten Tier und Reiter durch die Wälder, kaum beachtend die Elben hinter ihnen. Doch die ausdruckslose Miene Legolas' täuschte. Innerlich war er angespannt wie selten zuvor, absolut aufmerksam – bereit, jedes noch so leise Geräusch und jede noch so kleine Bewegung zu bemerken. Etwas warnte ihn vor Gefahr.

Auf ein leises Flüstern von ihm fiel Sinye in Galopp.

Nach Augenblicken hörte er, wie seine Leute ihm folgten... und noch etwas anderes.

„Herr..."

„Ich weiß", erwiderte er scharf und blickte sich suchend um, ohne die Geschwindigkeit seiner Stute im Mindesten zu verringern.

Schatten zwischen den Bäumen. Sie liefen mit ihnen als wären es ihre eigenen, verdunkelten den Wald zuerst unmerklich, dann aber immer mehr und mehr... fast schien es, als würde selbst das Licht zurückweichen vor dem, was dort zwischen den Stämmen lauerte. Die Pferde begannen zu scheuen, ließen sich kaum noch bändigen; auch Vögel und kleines Getier flohen aus dem Unterholz in alle Richtungen, nur weg, weg von dem, was sich dort der Gruppe von Reitern näherte.

Legolas fühlte sich von Augenblick zu Augenblick unbehaglicher, spürte die drohende Gefahr in jedem Atemzug. Dunkelheit zog auf, Gestalten lösten sich aus den Schatten... Er ertappte sich dabei, wie er hastig nach Luft schnappte. Ihm schien es, als würde die Schwärze ihn erdrücken, Ketten legten sich um seine Brust und hinderten ihn am Atmen. Der Blick seiner Augen trübte sich langsam.

Eine verzweifelte Stimme, die seinen Namen rief, war das letzte, was er hörte.

Er stürzte hinab in die unendliche Tiefe... um niemals mehr zurückzukehren... verschwand im Dunkel... Dunkel... rief um Hilfe...

„Legolas!"

Schreiend schreckte Mîrenithil aus dem Schlaf. Ewigkeiten lang saß sie nur aufrecht in ihrem Bett, starrte in die Dunkelheit, schwer atmend und frierend. Schweißnass klebte ihr Gewand an ihrem Körper, jeder Atemzug schien ihr eine Qual zu sein. Ewigkeiten schien es zu dauern, bis ihr Atem sich beruhigt, bis ihre verkrampften Hände sich aus den klammen Laken lösten. Ihr Blick wanderte unstet durch den dunklen Raum, nur wenig erhellt von weißem Mondlicht. Die seidenen Vorhänge an den glaslosen Fenstern wehten im leisen Nachtwind, silberner Nebel kroch über die schimmernden Marmorböden, eine Nachtigall sang in der Ferne. Eine friedliche Nacht wie jede andere...

Mîrenithil schluckte schwer. Friedlich war die Nacht, ja. Doch umso beängstigender schienen ihr nun ihre Träume, Träume, deren Bilder immer schneller schwanden, je angestrengter sie diese in Erinnerung zu halten versuchte. Nur das Gefühl, das unbestimmte Gefühl, dass ihr Bruder sich in Gefahr befand – das blieb.

Einem plötzlichen Entschluss folgend stand sie auf, streifte sich einen feinen weißen Umhang über die Schultern und verließ ihre Gemächer. Ihre nackten Füße verursachten nicht das geringste Geräusch in der Stille der Nacht, nur das leise Rascheln von Stoff störte die ansonsten absolute Ruhe.

Sicher führte sie ihr Weg durch die endlos scheinenden Gänge des Schlosses, durch bewachte Torbögen und hell erleuchtete Säle bis hin zu einer unscheinbaren Tür. Auf ihr leises Klopfen hin ertönte augenblicklich ein Ruf.

„Mîrenithil... was tust du hier?" fragte Gildin besorgt und stand von seinem Schreibtisch auf, während Legolas' Schwester eintrat und die Tür hinter sich schloss. „Du bist so blass..."

„Ich habe geträumt", begann sie zögernd und fragte sich mit einem Mal, ob es wirklich eine gute Idee gewesen war, hierher zu kommen. Würde Gildin ihrer Ahnung überhaupt glauben schenken? Zaudernd ließ sie sich von ihm in den Arm nehmen, erzählte stockend, was ihr auf der Seele lag. Entgegen ihrer Befürchtungen schien der Berater ihres Bruders sie jedoch ernst zu nehmen.

„Wenn es dich beruhigt, schreibe ich einen Brief an die Zwillinge und bitte sie, ihm zu folgen... sorge dich nicht."

Ein unsicheres Nicken war das einzige, was sie als Antwort hervor brachte.

„In drei Stunden geht die Sonne auf, dann werde ich sie sofort fragen... bis dahin... schlaf noch ein bisschen. Du siehst erschöpft aus."

Widerwillig stimmte Mîrenithil ihm zu. „Vielleicht besser...", murmelte sie müde.

Als sie kurz darauf wieder in ihrem Bett lag, an die geschnitzte Decke über sich starrte, kamen immer mehr Zweifel in ihr auf. Wenn sie sich dies alles nur eingebildet hatte? Wenn Gildin die Zwillinge und den Adler umsonst losschickte? Je länger sie darüber nachdachte, desto mehr schwanden die Bilder vor ihren Augen, desto unwahrscheinlicher schien es ihr, dass Legolas tatsächlich etwas zugestoßen war. Warum sollte es auch? Er ritt in Begleitung seiner Soldaten, der besten Männer Ithiliens...

Es dauerte noch lange, aber schließlich schlief sie über ihren zweifelnden Gedanken ein.

„Hat Gildin geschrieben, was genau Mîrenithil geträumt hat?" fragte Elladan atemlos und versuchte vergeblich, sein Pferd zu einem noch schnelleren Galopp zu bewegen. Letztendlich zügelte Elrohir sein Tier und gewährte seinem Bruder so die Chance, wieder zu ihm aufzuschließen.

„Nein, genaues wusste sie wohl selbst nicht mehr genau", erwiderte er ausdruckslos, darum bemüht, sich seine Sorge nicht anmerken zu lassen. Es gelang ihm nicht wirklich, besonders nicht vor seinem Zwilling – die beiden kannten ihr Gegenüber besser als sich selbst, konnten mühelos jeden Gedanken des anderen erraten.

Elladan seufzte. „Ich hoffe nur, es gelingt uns, ihn einzuholen..." meinte er leise. „Sinye ist ein schnelles Pferd..."

„Er reitet in Begleitung. Sie werden ihn aufhalten, die Reise verlangsamen. Wenn wir so wenig wie möglich rasten..."

„... keine Umwege nehmen...

„... könnten wir sie einholen, ja", beendete Elrohir den Satz und warf seinem Bruder einen raschen Seitenblick zu, bevor er sich wieder auf den Weg konzentrierte. Ernst sah er aus, vielleicht etwas blasser als sonst, mit wirrem, wehenden Haar und ermüdeten Augen. Er selbst schaute wahrscheinlich auch nicht besser aus, überlegte er sich...

... und Tage später war er sich sicher, dass er und sein Bruder nicht mehr viel gemein hatten mit den eleganten Elben, die sie eigentlich sein sollten. Die ununterbrochene, schnelle Reise hatte sie erschöpft, ihre Pferde bewegten sich nur noch widerwillig vorwärts, aber immerhin – sie glaubten, bald auf die ersten Spuren stoßen zu müssen. Und wirklich, plötzlich zügelte Elrohir sein Pferd und winkte seinen Bruder zu sich.

„Sie waren hier, schau nur... Hufspuren von drei, vier... sieben Tieren, das müssen sie sein."

„Dann sollten wir uns beeilen", stellte der andere überflüssiger Weise fest.

Als hätte der Fund der Spuren ihnen neue Kraft geschenkt, schritten ihre Pferde kräftig aus; immer schneller jagten die Zwillinge durch den dichter werdenden Wald. Ein wenig Licht drang von einer Lichtung aus durch die Stämme; sie ritten direkt darauf zu...

Blass, mit versteinertem Gesicht ließ Elrohir sich aus dem Sattel gleiten. Zitternd, mit weichen Knien ging er ein paar Schritte vor, blieb dann stehen, aus Furcht, seine Beine könnten ihm seinen Dienst versagen. Hinter sich hörte er seinen Bruder sprechen, mit dünner Stimme.

„Nein..."

TBC...