Liderphin: Vielen lieben Dank für dein ausführliches Review!
Gefangen in der Dunkelheit
„Sie werden ihn finden. Soldaten aus allen Reichen haben sich bereits auf den Weg gemacht, sie suchen alles ab, sie werden ihn finden..."
Vergebens redete Gildin auf Mîrenithil ein, die hemmungslos schluchzend in seinen Armen lag. Seitdem sie die Nachricht erhalten hatte, dass die Zwillinge Legolas nicht finden konnten, dafür aber sechs erschlagene Soldaten gefunden hatten, hatte sie kein Wort mehr gesprochen. Nur der Ausdruck ihrer trüben Augen und stumme Tränen zeugten von den Qualen, die sie durchlitt. Beruhigend strich Gildin ihr über den Rücken, bevor er sie sanft auf einen Stuhl drückte. „Bleib hier, während ich die Soldaten anweise. Ich schicke unsere besten Männer los, die besten anderer Reiche sind bereits auf der Suche - sie werden ihn finden." Mit diesen Worten küsste er sie sacht auf die Stirn, bevor er hinaus eilte.
Im Thronsaal Eryn Lasgalens hatten sich die Berater Legolas' versammelt und berieten sich, brüteten über Plänen von Mittelerde und spekulierten mehr oder weniger glaubwürdige Möglichkeiten durch, wer ihren König entführt haben könnte und vor allen Dingen – warum. Als Gildin eintrat, blickten sie einheitlich auf, mit Ausnahme Lathrons, der ungerührt neben den Älteren saß und aus einem Fenster blickte, und Gelirs, der weiterhin Papiere durchwühlte. Gildin mochte keinen von beiden; Gelir war nur selten anwesend, aber wenn, dann sprach er grundsätzlich gegen alles, was die übrigen Berater vorschlugen, besonders wenn es darum ging, wichtige Posten zu besetzen. Über Lathron dachte er lieber gar nicht nach, falls doch, dann nur, wann er ihn endlich von seinem Beraterstand ‚befreien' könnte. Schwer seufzend setzte er sich zu den Männern und ließ die besten Soldaten Eryn Lasgalens zusammensuchen.
Tage später wartete er immer noch. Nichts war geschehen, niemand war gekommen; er litt fürchterlichen Durst und fühlte sich ermüdet wie selten zuvor in seinem Leben. Immer öfter fragte er sich, ob man ihn wirklich hier eingesperrt hatte, um ihn einfach verhungern zu lassen. Aber welchen Sinn würde das machen? Wenn jemand seinen Tod wollte, hätte er ihn auch erschlagen können... wenn dieser jemand ihn allerdings quälen wollte, war Hunger sicherlich ein guter Anfang. Legolas verzog unmutig das Gesicht angesichts dieser Vorstellung. Er schrecke aus seinen Gedanken, als Geräusche vor der Tür das tödliche Schweigen störten.
Kurz darauf wurde ein rostiger Riegel zurückgeschoben und die Tür schwang einen Spaltbreit auf. Licht fiel hinein, dämmriges, graues Licht, das alle Konturen verschwimmen ließ und den Augen eines Elben eher hinderlich als hilfreich war. In Windeseile war Legolas auf den Beinen, bereit für alles, was durch die Tür kommen mochte – beinahe bereit.
„Radagast?" fragte er entsetzt, als jemand in die Zelle gestoßen wurde. Mit einem endgültigen Knall wurde die Tür wieder ins Schloss gezogen. Hastig trat der Elb zu dem Zauberer und half ihm auf. „Was...", begann er verwirrt, doch ein Seufzen des alten Mannes brachte ihn zum Schweigen.
„Sie haben Thôrmith erschossen", erzählte er unaufgefordert. „Ihr könnt Euch vorstellen, dass so ein Sturz nicht angenehm ist... wir waren auf der Suche nach Euch, Legolas", schloss er und ließ sich schwerfällig an einer Wand hinab auf den kalten, feuchten Boden sinken.
„Sieht so aus, als hättet Ihr mich gefunden", kommentierte der Angesprochene trocken, während er unruhig in der Zelle auf und ab ging. „Aber wer, Aiwendil, wer ist es?"
„Ich konnte niemand erkennen, aber Orks sind es nicht", erwiderte der Zauberer. „Doch sie trugen dunkle Umhänge, verbargen ihre Gesichter, sprachen nicht... und waren nicht sehr rücksichtsvoll", bemerkte er mit einem leisen Stöhnen. „Ich frage mich nur, was sie jetzt mit uns vorhaben..."
„Wollt Ihr das wirklich wissen?" murmelte Legolas und lehnte sich endlich an eine Wand, blickte den alten Mann durchdringend an. Leise Erkenntnis kam zu ihm, die Erkenntnis, dass er lange auf Rettung warten würde – vergeblich. Hier konnte ihm niemand helfen, hier würde er seine Rettung selbst in die Hand nehmen müssen – nur wie? Warten war ihm zuwider, war es schon immer gewesen...
„Jemand kommt", wisperte er plötzlich, als seine feinen Ohren leise Schritte vernahmen. Radagast rappelte sich mühsam hoch; die beiden sahen sich misstrauisch an. Ihnen war klar, dass – wer auch immer gleich durch die Tür treten würde – dies ihnen nicht unbedingt zum Vorteil gereichen musste...
Unruhe, ja sogar Angst hatten Tirmo beschlichen, als er den Brief aus Eryn Lasgalen erhalten hatte. Wie ein Schleier Dunkelheit hatte die schlechte Nachricht auf dem Stück Papier gelegen, nicht sichtbar, aber spürbar vorhanden. In den langen Jahren seines Lebens hatte er gelernt, solche Dinge zu bemerken und zu deuten. In diesem Fall jedoch wünschte er sich, er hätte diese Fähigkeit niemals erworben. Seufzend ließ er den Brief auf seinen Tisch flattern, beobachtete, wie der Wind einen Moment lang mit dem leichten Papier spielte, bevor er es behutsam auf dem polierten Holz niederlegte. Der Elb lehnte sich zurück, blickte hinaus aus dem Fenster, hinein in den Wald Lothlóriens.
Verschwunden war er also, verschwunden, und nichts als Leichen wiesen darauf hin, dass er einmal auf dem Weg nach Gondor gewesen war. Tirmo kannte Legolas schon so lange er lebte, kannte ihn besser als er sich selbst, fühlte sich ihm oft verbunden wie ein Vater seinem Sohn. Er bedauerte es umso mehr, dass er ihn schon lange nicht mehr gesehen hatte; seit der nach Lothlórien gezogen war, hatten sie nur noch über Briefe Kontakt gehabt, und auch das nur selten. Und jetzt sollte er entführt worden sein? Einfach so...?
„Nein...", murmelte er. „Einfach so wird er nicht entführt. Geschick gehört dazu und große Stärke, um ihn zu überwältigen... oder ein Zauber...", sann er nach, stand auf und schritt hinaus auf seinen Talan.
Er trat an den Rand der Plattform und blickte hinab, durch den Goldenen Wald. Elladan herrschte hier für gewöhnlich, hatte jedoch ihm die Verantwortung für die Dauer seiner Abwesenheit übertragen. Dennoch herrschte eine leichte Bedrücktheit; aus irgendeinem Grund spürten die Galadhrim, dass ein Schatten ihren Frieden bedrohte. Tirmo fiel ein Elb auf, der unter einem der Bäume stand und offenbar gerade erst angekommen war. Das musste der Bote sein, der den Brief gebracht hatte...
„Sag, wer ist der Mann dort unten?" fragte er einen der Soldaten, der den Zugang zu seinem Talan bewachte.
„Lirulin ist sein Name, Herr. Er ist ein Grenzwächter Eryn Lasgalens und brachte den Brief, den ihr soeben erhalten habt", berichtete der Angesprochene.
Tirmo nickte langsam. „Bittet ihn zu mir", wies er den Soldaten an und kehrte in sein Arbeitszimmer zurück, las sich noch einmal den Brief durch. Eine Idee war ihm gekommen, eine Möglichkeit, Legolas zu finden...
TBC...
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