An den Horizont
Prologue
Die Nacht war totenstill.
Unter einem sterngesprenkelten Sommernachtshimmel schlief Mittelerde einen friedlichen Schlaf. In weißes Mondlicht getaucht schien die Zeit stehen geblieben zu sein. Eine Nacht wie viele andere zuvor und viele weitere, die folgen würden. Auf den ersten Blick war kein Unterschied zu erkennen, und dennoch würden im Nachhinein viele sagen, sie hätten es gespürt. Viele würden sagen, sie hätten es gewusst.
Die Nacht war totenstill.
Dennoch erwachte Legolas. Er blieb noch einen Moment lang liegen, starrte an den weißen Baldachin über sich und dachte nach. Was konnte ihn geweckt haben? Ein Geräusch? Aber es war nichts zu hören, nicht der kleinste Laut. Es war beinahe schon unheimlich ruhig. Selbst das leise Rauschen der Wälder war verklungen.
Schließlich stand er auf und zog sich einen dünnen Umhang um die Schultern, bevor er in die für diese Jahreszeit empfindlich kühle Nacht hinaus trat. Von seinem Balkon aus blickte er über die dunklen Bäume Ithiliens, die Häuser darin, die im Mondlicht silbern glänzten. Er sah vereinzelt die weißen Pferde zwischen den Bäumen scheinen. Ansonsten bewegte sich nichts.
Er überlegte immer noch, was ihn geweckt haben könnte. Hinter seiner Stirn pochte es leicht, ein ungutes Gefühl klammerte sich um sein Herz. Niemals zuvor hatte er sich so unwohl gefühlt wie in dieser einen Nacht, die sich im Nachhinein von den anderen mehr unterscheiden sollte als je eine andere zuvor. Schließlich, als er sie gerade abwenden und in seine Gemächer zurückkehren wollte, ließ ihn irgend etwas aufsehen. Er würde noch lange überlegen, warum er dies getan hatte.
Earendil sandte sein Licht hinab zur Erde. Doch heute Nacht schien sein Schein gedämpft, immer wieder flackerte er unruhig... als wolle er jemandem etwas sagen. Aus dem unguten Gefühl wurde eine furchtbare Ahnung. Legolas trat wieder weiter hinaus, legte die leicht zitternden Hände auf das schmiedeeiserne Geländer. Er wartete.
Schatten zogen herauf, verdunkelten die Sterne. Er konnte sie sehen, obwohl sie kaum als real bezeichnet werden konnten. Es waren Bilder seines Geistes... teilweise. Als die Schatten Earendil sein Leuchten nahmen und das Licht des Mondes erstickten, wurde aus der Ahnung grausame Gewissheit.
Noch lange Minuten stand Legolas dort allein auf seinem Balkon. Leise sprach er die Worte seines Volkes, doch sie verschafften ihm keine Linderung, konnten sein Herz nicht erleichtern. Ihm wurde klar, dass es kaum jemals einen endgültigen Trost geben würde. Zu tief war diese Wunde. Schließlich riss er sich los von dem Anblick der dunklen Sterne und kehrte in seine Gemächer zurück.
Doch in Gedanken verweilte er an einem ganz anderen Ort, während er sich ankleidete und seinen lórischen Langbogen von der Wand nahm. Er verharrte und betrachtete die filigranen Schnitzereien, an denen so viele Erinnerungen hingen.
‚Reiß dich zusammen.', flüsterte er irgendwann und riss sich selbst aus seinen trauernden Gedanken. Er verließ seine Räume und trat hinaus auf einen langen, nur schwach erleuchteten Flur. Lautlos huschte er die Gänge entlang, nickte kurz der Wache am Eingang zu seinem Flügel zu. Über eine weiße Treppe gelangte er in das ebenerdige Stockwerk des schlichten Palastes. Vor der letzten Tür blieb er stehen. Ohne anzuklopfen trat er ein.
Fast spürte er so etwas wie ein Lächeln in sich aufsteigen, als ihm lautes Schnarchen entgegenschlug. Doch obwohl er sich sonst immer köstlich darüber amüsiert hatte, wollte dieses Gefühl einfach nicht in ihm aufsteigen.
„Gimli!", rief er leise und rüttelte den immer noch schnarchenden Zwerg. Dieser gab ein noch lauteres Grummeln von sich, schlug die Augen auf. Legolas sah, wie sie sich leicht verengten und gefährlich glitzerten. Er holte tief Luft, um dem Elben seine Meinung darüber zu sagen, dass er ihn mitten in der Nacht geweckt hatte.
„Es ist an der Zeit für uns zu gehen.", unterbrach Legolas ihn, bevor er zu seinem lautstarken Protest ansetzen konnte. Sofort klappte dem Zwerg der Mund wieder zu. Er nickte stumm. „Ich warte bei den Ställen.", wisperte der Elb noch, bevor er wieder ging.
Bei den Ställen wurde er bereits erwartet. Mit einem dankbaren Nicken nahm er einem Stallknecht die Zügel seines Hengstes aus der Hand und strich dem Pferd über die weiche Nase.
„Bereit, mein Schöner?", fragte er, nachdem er wieder alleine im stillen, dunklen Hof stand. Laure, sein falbfarbenes Pferd, schnaubte leise und rieb seinen Kopf an Legolas' Wange.
„So, ich bin soweit.", sagte Gimlis, so leise er es mit seiner dröhnenden Stimme vermochte. Legolas schwang auf Laures Rücken. Er reichte Gimli die Hand und zog ihn hinter sich in den Sattel.
„Dann lass uns reiten.", murmelte der Zwerg ergeben und machte sich auf einen langen Ritt gefasst. Aber entgegen seiner Gewohnheit war dies der einzige Kommentar zu dem folgenden Ritt in Richtung Minas Tirith. Noch die ganze Nacht hindurch bis ins Morgengrauen waren Elb und Zwerg unterwegs, bis im Sonnenaufgang die Weiße Stadt am Horizont leuchten sahen.
TBC...
Nichtssagender Prolog, ich weiß - dennoch würde ich mich über ein Review freuen!
