Liderphin: Vier Schiffe sind es im Moment: Die Cirya, die Elerína, das Schiff, das Legolas befreite und das Schiff, das Sanye von der Insel aufgesammelt hat :)
Beta: Erráme
Revenge
Panik überkam sie wie eine Welle, als sie die Augen öffnete. Im ersten Moment fragte sie sich, warum diese überhaupt geschlossen gewesen waren – als Elbenfrau schlief sie normalerweise mit geöffneten Augen – bis die Erinnerungen und der Schmerz plötzlich wieder auf sie einströmten. Doch sie verdrängte die Bilder rasch, konnte sie nicht ertragen.
Sie konnte nicht erkennen, wo sie war, bemerkte nur flackernden Kerzenschein, einen hölzernen Raum, ein breites Bett, auf dem sie lag. So schnell sie konnte setzte sie sich auf, blickte sich hektisch um... ganze Berge schienen von ihrem Herzen zu fallen, als sie den schwarzhaarigen Elben erblickte, der neben dem Bett auf einem Stuhl saß und sie aus funkelnden Augen beobachtete.
Es versetzte Sanye einen unglaublich tiefen Stich, als er das pure Entsetzen in Faires Augen erblickte. Es verzerrte ihr sonst so ebenmäßiges Gesicht, ließ ihre Haut grau und wächsern erscheinen. Selbst im schwachen Licht der wenigen Kerzen im Raum konnte Sanye erkennen, wie sehr sie zitterte... wie sehr Abschürfungen und blaue Flecken ihre Arme und ihren Hals entstellten.
„Schhh...", wisperte er kaum hörbar. „Es ist alles wieder in Ordnung, Kleine."
Sie zuckte zusammen, als er vorsichtig ihre eiskalte Hand berührte, die sich in die Decke gekrallt hatte. Er sah, wie Tränen in ihre Augen schossen, ihre Schultern zu zucken begannen. Vorsichtig nahm er die zitternde, kalte Elbenfrau in den Arm.
Sanye spürte, wie sie sich verkrampfte, sich gegen die Umarmung zu wehren wollen schien; doch schon bald bemerkte sie, dass ihr selbst dazu die Kraft fehlte. Erschöpft und still weinte sie vor sich hin, bis sie nach einer kleinen Ewigkeit endlich eingeschlafen war.
Vorsichtig legte er ihren Kopf zurück auf das Kissen, bevor er lautlos den Raum verließ und leise die Tür hinter sich zu zog. Sofort spürte er, dass er nicht alleine war – noch jemand war in diesem Zimmer. Mit scharfem Blick hatte er schnell ein feines Leuchten im schwachen Kerzenlicht erspäht, das Leuchten von hellgoldenem Haar.
„Warum habt Ihr mich rufen lassen?" fragte Legolas, weder verstimmt noch gelangweilt, sondern scheinbar einfach nur neugierig. Seine hellen Augen schienen durch das Dämmerlicht, folgten ihm mit durchdringendem Blick. Betont langsam ließ der Kapitän der Cirya sich hinter einem Tisch nieder und beobachtete den Sinda, bevor er sich schließlich zusammenriss.
„Wie seid Ihr Néndil entkommen? Ich habe den Kapitän dieses Schiffes", er deutete aus dem Fenster, wo im Mondlicht der weiße Bug des eroberten Schiffes schimmerte, „befragt, aber vielmehr als die Tatsache, dass Ihr Euch an Bord befandet, konnte ich nicht aus ihm herausholen. Also, wenn Ihr so freundlich wäret, mir von Eurer Rettung zu berichten..."
„Das kann ich nicht - ich war bewusstlos... aber Beriod und Gimli werden Euch sicherlich Auskunft erteilen", stellte Legolas fest. Er wanderte langsam vor dem Tisch auf und ab, begleitet vom leisen Rascheln seiner grauen Gewänder, von dem feinen Lichtschimmer auf seinem Haar. Plötzlich blickte er auf. „Darf man erfahren, was Ihr jetzt vorhabt?"
Sanye ertappte sich dabei, wie er leicht zusammenzuckte, war er doch langsam in wirre Gedanken abgedriftet, Gedanken über Néndil, über den Elbenfürsten vor ihm, über Faire...
„Zuerst muss ich erfahren, wie es um die Elerína steht... dann werde ich weitersehen", antwortete er, rief Tinwe herein und gab dem Jungen den Auftrag, Beriod und Gimli zu holen.
„Er ist so lange weg...", murmelte Gimli und starrte immer wieder zur Tür hinüber. Beriod saß schweigend neben ihm, schien ihn nicht einmal wirklich gehört zu haben. Der Nando hatte kaum ein Wort gesprochen in den letzten Tagen, saß zusammengesunken dort, die grünen Augen zu Boden gesenkt, das silbrige Haar nachlässig zusammengebunden. So antwortete er auch jetzt nicht, was Gimli nicht weiter überraschte. Der Zwerg erlaubte sich ein sehr tiefes Seufzen, schüttelte resignierend den Kopf und warf noch einen Blick auf die Tür. Er fiel beinahe vom Stuhl, als es an dieser plötzlich laut klopfte. Beriod sah auf.
„Ja?" fragte Gimli dröhnend und stand vorsichtshalber rasch auf.
Quietschend öffnete sich die Tür und ein hellblonder Haarschopf erschien in der Tür. Schüchtern und auch etwas neugierig blickte Tinwe in den Raum. „Der Kapitän möchte Euch sprechen", sagte er dann schnell und trat ganz in das Zimmer, während sein Blick zwischen Zwerg und Nando hin und her wanderte. „Wenn Ihr mir bitte folgen würdet..." fügte er leiser hinzu und schien unter dem funkelnden Blick Beriods zu schrumpfen.
„Wir kommen", erwiderte Gimli rasch, warf Beriod einen leicht verstimmten Blick zu und folgte dem Elbenjungen, darauf vertrauend, dass der Elb ihm folgen würde. Tatsächlich registrierte er nach Augenblicken kaum hörbare Schritte hinter sich.
Als er durch die Tür trat, die Tinwe ihm zeigte, blieb er einen Moment lang stehen und betrachtete das Bild, das sich ihm bot.
Die beiden Elben schienen einander gegensätzlich wie Tag und Nacht; der eine ein König, der andere Pirat, der eine goldblond, der andere rabenschwarz... und doch, als die beiden aufsahen, glänzten zwei klare, blaue Augenpaare durch das Halbdunkel, beinahe nicht zu unterscheiden.
Der Moment währte nur kurz, viel zu kurz – dann schien es Gimli, als hätte er sich ihn nur eingebildet. Freudig blickte Legolas ihn an, feindselig war Sanyes Blick. Energisch schob der Zwerg den Gedanken beiseite und trat ganz in den Raum, gefolgt von Beriod, der nur ausdruckslos vor sich hin starrte.
„Endlich", murrte Sanye leise. „Habt Euch ganz schön Zeit gelassen... da der werte Herr sich nicht in der Lage sieht, mir zu berichten, was bei Eurer Befreiung aus Néndils Hand geschah, in welcher Verfassung sich die Elerína und ihre Besatzung befindet..."
Als sie erwachte, war der stechende Schmerz einem dumpfen Pochen gewichen, das erträglich zu sein schien. Vorsichtig drehte Faire sich auf dem Bett, spürte, wie jeder einzelne ihrer Muskeln schmerzte, wie erneut Tränen in ihre Augen stiegen. Trotz der vielen Kerzen war es eiskalt. Sie zog die wärmende Decke fest um sich und blickte sich um.
Sie schien allein zu sein. Schon einmal war sie hier gewesen, schon einmal war sie in diesem Raum erwacht, doch es schien bereits Ewigkeiten her zu sein. Allein war sie aufgewacht in diesem Raum, hatte sich gewundert über ihre versorgten Wunden, darüber, dass sie sich auf einem Schiff befand - und über den Mann, der kurz darauf hereingekommen war und ihr ein Angebot gemacht hatte, wegen dem sie ihm heute noch dankbar war.
Damals war es der Beginn eines besseren Lebens für sie gewesen – sie hoffte, dass es auch dieses Mal so sein würde.
Mit einem tiefen Seufzer drehte Faire sich um und schlief wieder ein.
Als sie erwachte, war die Kälte plötzlich verschwunden, war wohliger Wärme gewichen. Die Kerzen waren heruntergebrannt, nur blasses Sternenlicht erhellte den Raum, floss silbern über alte Holzbohlen und Bücher, über die hellen Bettlaken... über ein weißes Gesicht, umrahmt von schwarzem Haar. Sanye schien nicht bemerkt zu haben, dass sie erwacht war, schlief ungerührt weiter. Einen Arm hatte er um ihre Taille geschlungen, und sie hatte sich im Schlaf unbemerkt an ihn geschmiegt.
Hin und her gerissen beobachtete sie sein Gesicht, überlegend, ob sie zu ihren eigenen Räumen zurückkehren oder bleiben sollte. Doch, so dachte sie sich, wenn sie hier war, war ihr Zimmer bestimmt belegt...
„Warum schläfst du nicht?" fragte Sanye, erwachend aus den Träumen, die die Elben Schlaf nannten. Faire zuckte erschrocken zusammen. „Schlaf weiter, du bist erschöpft", fügte er hinzu.
„Ich habe Angst davor, dass ich träumen könnte...", erwiderte sie leise und vergrub die Hälfte ihres Gesichts im Kissen, schloss die Augen, weil sie Sanyes intensiven Blick kaum ertragen konnte.
„Wann wirst du keine Angst mehr vor deinen Träumen haben?", wisperte er und strich vorsichtig mit den Fingerkuppen über ihre klammen Wangen.
„Das weißt du", antwortete sie ebenso leise. „Aber du weißt genauso gut, dass ich nicht will, dass..." Sie brach ab, als er einen Finger über ihre Lippen legte.
„Süße, was du willst, zählt in diesem Fall nicht", stellte er fest.
„Was zählt denn dann? Etwa nur dein Verlangen nach... Rache?"
„Rache ist ein hartes Wort", meinte er und wandte endlich den Blick von ihr ab. „Gerechtigkeit nenne ich es."
„Mord nenne ich es", flüsterte sie.
TBC...
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