M'Bet'Sharan (Part 4) – Ein Jahr nach den Ereignissen von Part 3
Dem Feuer folgte die Dunkelheit. Eine Dunkelheit, die so vollkommen war, dass er nicht einmal die Hand vor Augen sah. Er stand einfach nur da und betrachtete diese Finsternis, die ihn einhüllte wie ein Mantel. Langsam, sehr langsam, erwachten in der Schwärze immer mehr kleine Lichtpunkte und erstrahlten letztendlich zu einem atemberaubenden Sternenhimmel, wie er ihn noch nie gesehen hatte. Mit Staunen und Ehrfurcht betrachtete er dieses Schauspiel. Er hatte noch nie Schwierigkeiten sich an den Sternen zu orientieren, doch so sehr er sich auch bemühte, an diesem Himmel stand keines der bekannten und weniger bekannten Sternenbilder, die ihm im Laufe der Jahrtausende so vertraut geworden waren. Der erste graue Schimmer am Rand des Horizontes zeugte vom baldigen Aufgang der Sonne. Reglos verharrend fixierte er die schemenhaften Gebilde, die sich langsam von der Nacht abzeichneten. Ruinen, von etwas, dass früher einmal Gebäude sein mochten. So weit sein Blick reichte sah er nur verbrannte Erde, die kein Leben mehr in sich barg. Knochen bedeckten wie achtlos weggeworfen die Erde. Langsam bewegte er sich in diese Vorhölle hinein und wäre dabei fast über einen nackten Körper gestolpert, der mit metallenen Haken, die durch das Fleisch getrieben worden waren, an den Boden gefesselt war. Blut vermengte sich mit der grauschwarzen Asche. Er beugte sich hinunter und seine Hand strich grob über den wehrlosen Körper der Frau - begutachtend, bewertend - und raubte ihr jegliche Intimität. Er ergötzte sich an der Mischung aus Angst, Ekel und ohnmächtiger Wut, die sie erfüllte und ihren Körper erzittern ließ. Die Macht, die er in diesem Augenblick über sie ausübte, erregte ihn. Das Stampfen von Hufen ließ ihn herumfahren, doch weit und breit war nichts zu sehen. Als er sich wieder der Frau zuwandte, war es nicht mehr der Körper einer Fremden, sondern Jaras Körper, die ihn mit kalten leblosen Augen anstarrte. Erschreckt zog er seine Hand zurück. Das Pferdegetrampel kam näher und stoppte schließlich hinter ihm. Mit einem abwartenden Lächeln drehte er sich herum, als wüsste er, wen er begrüßen würde. Vor ihm saßen auf ihren schnaubenden verschwitzten Rossen seine drei Brüder, die Gesichter von Masken verhüllt. Das vierte Pferd war reiterlos, aber dennoch gesattelt. Sie stiegen ab und umkreisten Methos wie ein Rudel Wölfe seine Beute umkreiste. Dann blieb jeder von ihnen in einer der vier Himmelsrichtungen stehen. Jara lag nun nicht mehr gefesselt am Boden, sondern hatte den freien Platz im Kreis eingenommen.
„Du hast mich verraten!" tönte Kronos Stimme vorwurfsvoll. „Ich hätte dich töten sollen, damit ich mir deiner hätte sicher sein können."
„Ich habe dir vertraut!" setzte Silas hinzu. „Ich mochte dich mehr als die anderen."
„Ich sollte dich wie eine Ratte verspeisen." giftete ihn Kaspian an. „Doch selbst eine Ratte ist noch besser als du." Methos drehte sich verwirrt im Kreis.
„Dein Wille ist mein Gesetz Herr!" erklärte sie ihm bitter. „Dazu hast du mich gezwungen." Methos hielt sich die Ohren zu und schloss die Augen, denn er wollte ihre Vorwürfe, die sie immer wieder wiederholten nicht hören. Als er die Augen wieder aufschlug, stand Jara da und spielte mit den kleinen Metallplatten von Kronos Brustharnisch, dessen Besitzer Jara mit festem Griff an sich gedrückt hielt. Sie schien sich dieser Umklammerung keineswegs entziehen zu wollen, sondern schmiegte sich noch fester an ihn.
„Wir teilen alles!" erklärte ihm Kronos und schubste sie unsanft zu Kaspian, der sie gekonnt auffing.
„Sie gehört mir!" rief Silas, griff nach ihrer Hand und versuchte sie an sich zu reißen, doch Kaspian hielt sie fest. Sein bestialisches Lachen erfüllte Methos.
„Nein!" schrie Methos.
„Nein?" fragte Kronos ihn mit sanfter Stimme die schon immer angedeutet hatte, das Gefahr im Verzug war. Plötzlich fielen ihre Gewänder leer in sich zusammen. Die Körper, die noch vor einer Sekunde darin gesteckt hatten waren verschwunden. Vorsichtig ging Methos auf Kronos weiten schwarzen Umhang zu und hob die Maske an, nur um sie erschreckt wieder fallen zu lassen, als darunter ein Kopf zum Vorschein kam. Methos erstarrte als er statt Kronos sein eigenes Gesicht erkannte, das ihm verschwörerisch zuzwinkerte. Auch die beiden anderen Masken rutschten wie von Geisterhand von ihrem Platz und erschreckten ihn durch den gleichen Anblick. Er stolperte rückwärts. Seine drei Brüder erhoben sich wieder und begannen zu lachen. Das dort war doch Kronos, und das Silas und Kaspian - alle drei lebendig. Es waren ihre Kleider, ihre Stimmen, doch es war Methos, dessen Gesicht ihm nun dreimal entgegen blickte. Jara stand da in Jeans und einem seiner übergroßen Pullis und streckte die Hand nach ihm aus, als warte sie darauf, dass er sie ergriff. Ein Lächeln spielte um ihre Lippen, während ein helles Licht in ihrer Handfläche erschien. Er zögerte... wie so oft in seinem Leben...
Das erste Morgenrot blitzte durch die halbgeschossenen Jalousien, aber Methos lag bereits zu lange wach und starrte die Decke an, während er versuchte sich klar darüber zu werden, was der Traum alles zu bedeuten hatte. Immer wieder der gleiche Traum, immer wieder die gleichen Vorwürfe. Immer wieder die gleiche Hand, die er doch nie ergriff. Es war nicht der trocknende Schweiß auf seiner nackten Haut, der ließ ihn frösteln...
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Südamerika – Winter 1995
„Verflucht, Ortega, du kennst das Spiel. Irgendwann wird jeder von uns seinen Kopf verlieren." fauchte sie. Fast jeder, korrigierte sie sich aber gleichzeitig in Gedanken.
„Er hätte Vergeltung gewollt und ich werde sie ihm geben."
„Was weißt du schon, was er wollte." spottete sie.
„Hast du denn kein Verlangen nach Rache?" beschuldigte er sie ohne weiter darauf einzugehen.
„Rache?" frage sie uninteressiert. „Sollen die Toten ihre Toten begraben, ich werde es nicht tun."
„Hör auf mit solchen Bibelsprüchen!" fuhr er sie an. Ortegas Trauer hatte sich in blanke Wut verwandelt. „Es ist deine Pflicht als seine Frau ..."
„Ohh nein!" unterbrach sie ihn ungehalten mit einer Handbewegung. „Weder bin noch war ich jemals seine ‚Frau'!" stellte sie verärgert klar.
„Was bist du dann? Solange ich denken kann hast du zu ihm gehört." Nicht ‚zu ihm', ich habe ihm gehört - gehöre ihm noch, dachte sie bitter.
„Meinst du, du hättest dir Korens Frau einfach nehmen können? Wenn ich seine Frau gewesen wäre, hätte die ganze Sache in Blut geendet und zwar in unserem und das weißt du, also rede nicht so einen Blödsinn daher. Koren hat eine Hure mit dir geteilt ... und jetzt lassen wir dieses Thema!" Ortega hatte sich jedoch in Fahrt geredet und konnte nicht mehr aufhören.
„Das ändert nichts daran, dass dieses Thema für mich erst vorbei ist, wenn der Mörder von Melvin zwei Meter tiefer seine neue Wohnstätte bezogen hat. Keinen Moment vorher!" Wenn Blicke töten könnten, wäre Ortega wohl in diesem Moment tot umgefallen.
„Hat du nicht zugehört? Solange ich lebe, wird man Koren nicht begraben!" zischte sie zwischen zusammengebissenen Zähnen Wort für Wort hervor.
Texas, 1865
Als er und seine Männer den Saloon betraten, schlug ihm der durchdringende Gestank von Rauch, schalem Bier und Whisky entgegen. Sein Blick streifte musternd durch den blauen Dunst, ehe er sich in Richtung Bar begab. Diese Stadt war vielleicht gar nicht so übel, zumindest versprach er sich hier einige Unterhaltung. Es gab Saloons, Whisky und Frauen. Noch während er den ersten Whisky seine trockene Kehle hinunter rinnen ließ, waren seine Männer bereits mit den Weiblichkeiten des Hauses zugange, die sie zudem großzügig mit Bier versorgten. Es war schon einige Tage her, dass er eine Frau gehabt hatte, sofern er diese prüde Siedlerin überhaupt als Frau bezeichnen konnte und so sah er sich ebenfalls nach jemandem um, die ihm heute Nacht bessere Gesellschaft leisten würde. Ein warnendes Kribbeln erfüllte ihn. Aufmerksam blickte er sich um, konnte jedoch niemanden ausmachen, auf den diese Ankündigung zutraf. Er wusste, dass seine Verfolger von einem seiner Art begleitet wurden, aber das war nichts, was ihm sonderlich Sorge bereitete. Es würde ihm ein Vergnügen sein, mit den berühmten Texas-Rangern abzurechnen, die doch tatsächlich zu glauben schienen, dass er vor ihnen auf der Flucht war. Vielleicht sollte er hier schlichtweg auf sie warten... doch bis dahin, würde er herausfinden, wer sich in „seiner" Stadt, oder vielmehr in diesem Saloon aufhielt.
Sie drehte sich gerade träge auf den Bauch, als ein nur allzu vertrautes Kribbeln ihren Rücken hinunter rann und sie frösteln ließ. Vielleicht hätte sie beunruhigt sein sollen, doch sie war es nicht. Es gab ohnehin wenig, was sie beunruhigte. Ihr linker Arm hing nahezu achtlos über der Bettkante. Der Mann, der eben noch das Bett mit ihr geteilt hatte, verschloss seinen Gürtel, warf ein paar Münzen auf den Nachttisch und ging ohne einen weiteren Blick auf sie zu werfen zur Tür. Er hatte keine Ahnung davon, was sich unter dem Bett verbarg. Die Hand auf diese Art am Boden liegend trennten sie nur weniger Zentimeter vom Stahl eines Dolches der neben ihrem Schwert an der Unterseite des Bettes befestigt war. Der Dolch war da, so wie er all die Jahrhunderte hindurch an ihrer Seite gewesen war. Er war nicht ihre bevorzugte Waffe, aber wenn es nötig war, wusste sie ihn zu gebrauchen...
Das Gefühl wurde intensiver. Blindlings stieß er jede Tür auf, an der er vorbeikam. Immer mehr erstaunte, protestierende aber zumeist überaus verärgerte Stimmen wurden laut. Türen wurden wieder zugeknallt, nicht ohne vorher den Störenfried mit einer großzügigen Auswahl an Schimpfworten zu bedenken. Wer doch wagte, die Nase zu weit aus der offenen Tür zu strecken, wurde mit einem Pistolenlauf unter derselben, schnell wieder dazu animiert, die Tür von innen zu schließen. Letztendlich wurde er fündig. Ein Mann stand leicht benommen im Raum und hielt sich die blutende Nase, die soeben eine wenig erfreuliche Bekanntschaft mit der Tür gemacht hatte. Es war nicht der Mann, der seine Aufmerksamkeit auf sich zog, sondern die Hure, die nur halb von einem Laken bedeckt im Bett lag und sich nicht einmal die Mühe machte aufzusehen. Feuerrotes Haar floss in langen wirren Locken über die zerwühlten Leinen. Mit fester Hand packte er ihren Kunden grob am Revers, schleuderte ihn zur Tür hinaus und warf diese hinter ihm krachend ins Schloß. Der Mann stieß Verwünschungen aus und trat so heftig gegen die Tür, dass das Schloss ausbrach. Wutentbrannt ging er auf den Eindringling los, doch ein schnell gezogenes, nur allzu großes Messer an seiner Kehle, ließ ihn erstaunt erstarrten, ehe er langsam röchelnd auf den Boden sank. Stoßweise floss Blut aus seinem aufgeschlitzten Hals und färbte den Boden des Zimmers rot. Amüsiert lächelnd blickte der Sieger auf den Sterbenden, ehe er mit dem Fuß dessen Bein etwas zur Seite schob, die Tür krachend zu knallte, und den Fuß als neuen Türriegel zurück schob.
„Und wer bist du?" fragte er mit einem süffisanten Grinsen.
Es war nicht der Tod des Mannes, der ihr Herz schneller schlagen ließ, sondern die Stimme seines Mörders. Es war lange her, dass sie diese vernommen hatte und obwohl sie nun in einer anderen Sprache erklang hatte sie nichts von ihrem hämisch drohenden Unterton verloren. Mit seiner Stimme stiegen auch die Erinnerungen wieder auf, die sie auf den Grund ihrer Seele verbannt hatte. Vermutlich hätte sie Schrecken empfinden sollen, zumindest Furcht, doch da war nichts außer ihr sich verlangsamender Puls sowie ein leises Lächeln, das um ihre Lippen spielte und von dem sie nicht wusste, woher es kam. Sie lauschte seinen schweren Stiefeln als er näher kam. Sie zwang sich, sich nicht zu bewegen, selbst als er sich auf die Bettkante setzte. Bei der ersten Berührung seiner Hand aber konnte sie ein kurzes Zucken nicht vermeiden, denn es war, als würden tausend Blitze ihre Haut verbrennen. Seine Hand legte sich ganz auf ihren Rücken und fuhr ihn langsam hinab. Als das Laken sich dabei zur Seite schob, war ihr, als könnte sie sein Grinsen nahezu hören. Nicht nur ihr Rücken war von unzähligen Narben entstellt, von dem sie viele dem Mann zu verdanken hatte, der gerade wieder Besitz von ihr zu ergreifen drohte. Der Dolch war griffbereit und noch ehe sie überhaupt darüber nachdenken konnte, hatte sie ihn umfasst. Doch dann zögerte sie plötzlich. Was immer da gerade in ihr wie Strohfeuer aufgelodert war, war genauso schnell wieder erloschen. Ihre Hand ließ den Dolch los. Ihr war bewusst, dass sie damit gegen ihn nicht ankommen würde... wollte. Und was würde es schon ändern? Was konnte er sich von ihr schon nehmen, dass er nicht schon lange besessen hatte? Es wäre leichter gewesen ohne die Erinnerung, aber vielleicht machte es gerade die Erinnerung einfach. Was geschehen war, würde wieder geschehen und was er getan hatte, würde er wieder tun, aber es war im Zeitenlauf genauso unbedeutend wie alles andere, was geschah. Mit diesem Wissen, drehte sie sich langsam um. Das Laken bedeckte nur noch eines ihrer Beine und die Scham. Sie sah ihn nicht direkt an, sondern hielt den Kopf gesenkt, dennoch hatte sie einen Blick auf ihn erhaschen können. Ein dichter schwarzer Bart zierte nun sein Gesicht und das Haar war kürzer, aber noch immer waren es die gleichen stechenden, fast spöttischen Augen, die den Eindruck hinterließen, dass er für die Welt nur ein müdes Lächeln übrig hatte. Er musterte ihr Gesicht, das ebenfalls von zwei Narben verunstaltet war. Sein bellendes Lachen erfüllte plötzlich das Zimmer.
„Sieh an... wen haben wir denn da?" meinte er überrascht aber nichts desto trotz amüsiert. „Liegst noch immer auf dem Rücken..."
„Jeder hat so seine Leidenschaften... Kronos" stellte sie mit einen Blick auf den Toten fest. „Sollte dir entgegenkommen... oder?" erwiderte sie nahezu herausfordernd. Kronos lächelte kalt.
„Und dir sollte ein bißchen mehr Respekt entgegenkommen." meinte er spöttisch. „Oder bist du so vergesslich?" Oh nein, sie hatte nichts vergessen, keine Sekunde. Sie wusste, was er von ihr erwartete, denn so war es immer gewesen. Kronos' Augen wurden zu schmalen Schlitzen in denen sein ohnehin leicht entfachbarer Jähzorn explosionsartig aufflammte. Seine Hand legte sich auf ihren Bauch, bevor seine Finger spielerisch dem Weg so mancher Narbe folgend über ihre Brüste zum Hals gleiten ließ. Zärtlich strich er mit der Hand eine Locke aus ihrem Gesicht, so dass die beiden Narben, die sich mitten durch ihre Stirn und Wange zogen sichtbar wurden.
„Du hast deine Lektion noch immer nicht gelernt..." meinte er so leise und sanft, dass es bedrohlich wirkte. Wie aus dem Nichts kommend, packte er sie urplötzlich an den Haaren und verpasste ihr ein paar harte Faustschläge ins Gesicht, so dass ihre Lippe aufplatzte. Schließlich zerrte er sie vom Bett und schleuderte sie auf den Boden. Noch bevor sie sich wieder aufrappeln konnte, veranlassten sie etliche gemeine Fußtritte und seine Fäuste dazu sich schützend zusammenzurollen.
„Du wirst mich noch darum anflehen meinen Erwartungen gerecht werden zu dürfen!" zischte er überheblich, während er den Ledergürtel aus seiner Hose zog. Der erste Schlag mit dem breiten Leder hinterließ einen Striemen auf ihrem Rücken, der mehr brannte als seine Schläge. Sie schlang schützend die Arme um den Kopf, während es weitere Schläge und Tritte hagelte. Kronos reagierte seine erste Wut an ihr ab, als sie ihn jedoch keineswegs anflehte, riss er sie an den Haaren auf die Knie.
„Noch kannst du mir deine Ergebenheit beweisen..." knurrte er voll Zorn.
„Und wenn nicht?" flüsterte sie leise und sah ihn von unten herauf an. Das war zuviel für Kronos. Sie schuldete ihm Gehorsam und keine Mann, geschweige denn eine kleine dreckige Hure würde ihm diesen verweigern. Mit brutaler Gewalt schleifte er sie an den Haaren zurück zum Bett, während ihre Fingernägel blutige Kratzer auf seinen Armen hinterließen.
„Ich werde wohl deiner Erinnerung etwas auf die Sprünge helfen müssen ..."
Er hatte sich seitlich auf seinen Arm gestützt und betrachtete sie abwartend, während seine Finger über die Innenseite ihres Schenkels strichen. Obwohl sie den Kopf von ihm abgewandt hatte, wusste sie um seinen musternden, nahezu neugierigen Blick, als wäre er nur allzu gespannt, was sie als nächstes tun würde und so blieb sie regungslos liegen und ließ seine Berührung über sich ergehen. Er hatte sich von ihr genommen, was immer er begehrte. Nur langsam begannen die Wunden, die seine Gier hinterlassen hatten, zu heilen. Ihr ganzer Körper brannte wie Feuer. Sie spürte noch immer seine Haut auf der ihren, spürte noch immer sein Fleisch in ihrem. Umso mehr, langweilte sie diese arrogante Zärtlichkeit, die er ihr nun zu Teil werden ließ, als wäre sie eine Art Belohnung. Sie wusste nur zu gut, was er ihr damit zeigen wollte - sie war seiner Gnade ausgeliefert. Aber stimmte das wirklich? Er ließ von ihrem Schenkel ab und schob seinen Finger unter ihr Kinn. Sanft aber dennoch bestimmt, drehte er ihren Kopf zu sich und zwang sie ihn anzusehen.
„Damit wäre wohl deine Frage beantwortet." meinte er süffisant. Sie sah ihn nur schweigend an und während seine Finger wieder begannen über ihrem Schenkel zu tänzeln, kreisten ihre Gedanken um seine Worte. Sie wusste, dass Kronos seine Befriedigung aus der Macht, die er über Menschen hatte, zog. Ob er sich diese nun mit Gewalt nehmen musste oder sie ihm ‚freiwillig' gegeben wurde, hing lediglich von seiner Laune ab. Das war seine Natur, so wie es die ihre war, seine Grausamkeit und Brutalität auf die gleiche Weise akzeptieren zu können, wie sie den Regen akzeptierte, der vom Himmel fiel. Irgendwann würde aber selbst Kronos begreifen müssen, dass sie nicht mehr seine Sklavin war. In all den Jahren war zu viel passiert, als dass sie zurück konnte und wollte. Aber sie wusste auch, dass Kronos einer der wenigen war, der ihr Wesen verstanden. Die Zeit mit ihm hatte sie jedoch gelehrt, dass es unklug war, es ihm zu einfach zu machen, aber genauso dumm, ihm etwas vorzuenthalten. Sie hatte sich in ihrem Leben schon vielen Männern hingegeben und es hätte ihr in der Tat nichts ausgemacht, ihm das zu geben was er wollte. Aber Kronos irrte sich in einem Punkt, denn ihr Wille existierte - damals wie heute - und er war stark. Es würde ein schmaler Grat zwischen Unterwerfung und Selbstbestimmung werden, aber es war nicht dass erste Mal, dass sie sich auf diesem Pfad bewegte. Und da war noch etwas anderes. Auf eine sonderbare Art fühlte sie sich bei ihm... Sie hätte es nur mit einem Wort umschreiben können, doch das wagte sie nicht einmal zu denken.
„Vielleicht..." gab sie leise nach schier endlose Zeit später zu Bedenken, was ihr einen erzürnten Blick einbrachte. Sie erwartete fast, dass er sie wieder schlagen würde, denn es wäre nicht das erste Mal in dieser Nacht gewesen, doch er tat es nicht. Jeder einzelne Muskel meldete sich schmerzhaft, als sie ihre Hand hob und liebevoll sein Gesicht streichelte. Sie richtete sich ein wenig auf, um ihn mit einem vorsichtigen Kuss die Lippen zu verschließen und so seine Gedanken auf andere Bahnen zu bringen.
„Aber vielleicht habe ich sie deswegen gestellt..." flüsterte sie nahe an seinem Ohr und lachte leise, ohne ihre sachten Liebkosungen zu unterbrechen. Es war nicht gerade eine Antwort, die Kronos hören wollte, aber wäre da nicht ihr Lachen gewesen, hätte er es vielleicht sogar dabei bewenden lassen. Irritiert schob er sie ein Stück von sich, damit er sie ansehen konnte. Sie schenkte ihm einen umwerfend verführerischen Augenaufschlag, gepaart mit einem dunkel amüsierten Lächeln, dem er statt Angst nur lüsterne Gier entnehmen konnte. Ihre Abscheu hatte sich in Gefallen verwandelt und ihr Aufbegehren in bewusste Fügung, die mit Unterwerfung nichts gemein hatte. Das wölfische Glitzern in ihren Augen machte ihm deutlich, dass es besser sein würde, sie hier und jetzt zu töten, ihr ihre Anmaßung ein für alle mal auszutreiben. Er hatte einige Frauen gekannt, die sich nach seiner Peitsche sehnten, doch immer wusste er, woran er war, keine von ihnen hatte gewagt, mit ihm... ja was eigentlich... Sie löste sich aus seinem Griff. Ihre Lippen wanderten über seinen Oberkörper, während sie sich an Kronos schmiegte, als hätten die vorangegangen Stunden nicht existiert. Er wusste nicht, ob er sie von sich stoßen oder noch fester an sich drücken sollte. Ihre Zunge nahm ihm jedoch jegliche Entscheidungsmöglichkeit und ließ ihn, von allen Gedanken befreit, die Luft einziehen...
Ein dumpfes Scharren.
Dunkelheit.
Der Geruch von Erde.
Der Schlag seines Herzens.
Ein dumpfes Scharren.
Dunkelheit.
Der Geruch von Erde.
Der Schlag seines Herzens.
Einer seiner Art.
Der Schlag seines Herzens.
Der Geruch von Tod.
So vertraut, so lieblich, so nahe.
Der Schlag seines Herzens.
Kalte Wut.
Ein Schritt zu viel.
Zu weit gegangen.
Kein Glück gehabt.
Erwischt.
Ein dumpfes Scharren.
Dunkelheit.
Der Geruch von Erde.
Es konnte nicht gut gehen.
Fehler einsehen?
Zu spät.
Begraben.
Der Schlag seines Herzens.
Ein dumpfes Scharren.
Dunkelheit.
Der Geruch von Erde.
Der Schlag seines Herzens.
Ein dumpfes Scharren.
Licht.
Sein Wille ungebrochen.
Der Geruch von Erde.
Der Schlag seines Herzens.
Kein zurück.
Das alte Spiel.
Der Schlag seines Herzens.
Der Stahl in seinem Herzen.
Stille.
Kronos fuhr unvermittelt auf. Dunkelheit hüllte ihn ein, doch es war nicht die undurchdringliche Finsternis des Sarges noch seine qualvolle Enge. In der Ferne war das Zirpen einer Grille zu vernehmen. Kalt und unnahbar stand die dünne Sichel des Mondes am Himmel. Er rieb sich die Augen um die Benommenheit abzuschütteln, die ihn noch gefangen hielt.
„Jetzt haben die das schöne Grab ganz umsonst geschaufelt." murmelte er.
„Besser als du es verdient hast." sagte eine Stimme hinter ihm und ließ ihn herumfahren. Kronos starrte in das kindliche Gesicht und begann aus vollem Halse zu Lachen.
„Ich verdiene immer Besseres..." erwiderte er und entlockte ihr damit ein kaltes Lächeln.
„Du willst es einfach nicht verstehen, oder?" mit einem Schnauben ließ sie sich auf einen der Stühle fallen. „Wir haben Korens Geld, seine Verbindungen, seine Ideen... damit lässt sich doch eine ganze Menge anfangen, oder? Was uns fehlt ist sein Herz..."
„Herz? Koren? Das ist nichts was in sich kombinieren ließe." Ortega war mehr als skeptisch. „Von was redest du also verdammt noch mal?"
„Ich rede davon, dass du die Füße stillhalten und mir nicht in die Quere kommen sollst! Korens Macht ist nur einem bestimmt... und das bist nicht du!"
„Hä!" Ortega war einen Moment sprachlos, bevor er ungläubig lachte. „Nur damit ich dich richtig verstehe - du willst sein Quickening?"
„Ich will weitaus mehr..." Jara lächelte eines jener Lächeln, die Ortega ganz und gar nicht beruhigten.
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Washington – Sommer 2013
Vorsichtig lugte er hinter dem Regal hervor und erhaschte wiederum einen kurzen Blick auf die Frau. Zugegeben, die Frau vor ihm sah verändert aus. Das Haar war nicht rot, sondern schwarz und sie schien einige Jahre älter. Er nahm an, dass das am dezenten Make-Up liegen könnte, aber ansonsten war sie ihr Ebenbild. Als sie das Geschäft verließ, folgte er ihr unauffällig in gebührendem Abstand, so wie er es nun schon seit fast zehn Minuten machte. Umso erschrockener war er, als die Frau plötzlich stoppte. Er konnte nur vermuten, dass sie vielleicht etwas vergessen hatte. Es kostete ihn Überwindung sich seinen Schrecken nicht anmerken zu lassen und weiterzugehen, als sie sich umdrehte und geradewegs wieder in seine Richtung ging. Er hatte das Gefühl, dass sein Herz erst wieder zu klopfen anfing, als er erkannte, dass ihr Weg sie nicht zu ihm, sondern zu einer Schaufensterauslage, führte. Obwohl sie ihm keinerlei Beachtung zu schenken schien, wurde er das Gefühl nicht los, dass sie ihn über die Spiegelung eines der Auslagenfenster beobachtete. Aber das konnte er genauso gut seiner Nervosität zuschreiben. Umso lässiger schlenderte er nun an ihr vorbei und setzte sich wenig später auf eine der Bänke in der Nähe, um seinen ach so gestressten Füßen eine kleine Ruhepause vom fiktiven Einkaufsbummel zu gönnen. Man würde ihn für einen wenig begeisterten Ehemann halten, der seine Frau, die wieder mal für Stunden in einem der Geschäfte verschwunden war, für kurze Zeit entkommen war. Es war ihm gleich ob es nun Schicksal, Zufall oder einfach nur Glück war, die Frau so unerwartet an diesem Ort wieder zu sehen, wichtig war nur, sie nun nicht mehr aus den Augen zu lassen. Je länger er ihr jedoch zusah, umso mehr fragte er sich, ob er auf der richtigen Spur war oder nur einem Hirngespinst nachjagte. Ein Skateboardfahrer, der einen der Passanten anrempelte, lenkte für einen Augenblick seine Aufmerksamkeit ab. Als er sich ihr wieder zuwandte, blickte er lediglich auf ein Schaufenster... verdammt, sie war verschwunden!
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Mit einer Ruhe, die sie keineswegs fühlte, schlenderte sie die langen Reihen der Schließfächer entlang. Irgendwo hier musste es doch sein... 330, 331, 332 ... ah da war es ja ... 333 ... benutzt, verschlossen. Schnell kramte sie den kleinen Schüssel heraus, den man ihr per Post zugesandt hatte und entriegelte das Schließfach. Vorsichtig entnahm sie die kleine Schatulle und steckte sie ohne sie zu öffnen in ihre Tasche, danach stellte sie die kleine Reisetasche, die sie bei sich trug in das Fach, verschloss es wieder und ging zum Ausgang. Sie verließ den Flughafen mit einem Taxi, stieg jedoch dann in die Metro um und wechselte noch mehrmals das Verkehrsmittel sowie die Richtung. Erst als sie völlig sicher war, dass ihr niemand verfolgte, betrat sie die Filiale einer kleinen schweizer Privatbank in Manhattan. Was sie kurze Zeit später der Sicherheit ihres Bankschließfaches anvertraute, hatte sie ein kleines Vermögen gekostet - doch das war es wert.
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Vertieft in seine Datenanalyse überhörte Kincaid völlig das Klopfen an der Tür. Die Berichte, die ihm sein Assistent aus der Datenbank überspielt hatte, waren alles andere als erfreulich und so sah er verärgert über die Störung auf. Hatte er seinem Assistenten nicht gesagt, dass er nicht zu sprechen war? Also was zum Teufel ... Kincaids Mine hellte sich etwas auf, als er den Mann vor sich als Kilroy identifizierte.
„Captain?" fragte er überrascht über diesen ungewohnten Gast. „Was führt Sie zu mir?"
„Entschuldigen Sie die Störung, Major, aber im Vorzimmer war niemand, da..." Er zuckte entschuldigend mit den Schultern.
„Setzen Sie sich." bat Kincaid, ihn mit einer schweifenden Handbewegung Er merkte sofort, dass etwas nicht in Ordnung war. „Wie geht es Ihnen? Ich dachte Sie sind noch auf ReHa?"
„Danke, mir geht es soweit wieder ganz gut. Manchmal habe ich noch etwas Kopfschmerzen. Aber Sie haben recht, ich bin noch beurlaubt."
„Was kann ich dann also für Sie tun?" frage Kincaid.
„Ich komme direkt zu Ihnen, weil... hm... mir ist da heute jemand über den Weg gelaufen ... und ich ..." Er betrachtete geistesabwesend das Durcheinander auf Kincaids Schreibtisch. „... ich könnte schwören, dass es Shelley Albright war..."
„Shelley Albright?" Kincaid war überrascht. Allerdings war er sich nicht sicher, ob er erfreut oder besorgt sein sollte. „Hier? Sind Sie sich wirklich sicher? Vielleicht haben Sie sich geirrt und sie sah ihr nur ähnlich."
„Glauben Sie mir, diese Frau vergesse ich mein Lebtag nicht."
Südamerika – vier Monate zuvorDie kalte Luft stand im krassen Gegensatz zu der tropischen Hitze außerhalb des Gebäudes, das er gerade betrat und ließ ihn frösteln. Seine verschwitzte Uniform klebte an seinem Körper. Die letzten Stunden hatte er auf den Ausgrabungsfeldern verbracht, auf die die Sonne unbarmherzig nieder brannte. Zumindest war seine Schicht nun vorbei. Nun ja – fast. Wenn die beiden Archäologe die Funde des heutigen Tages sicher verwahrt hatte, würde er endlich seinen wohlverdienten Feierabend genießen können. Zwei seiner Männer trugen die schwere Kiste mit den Funden. Noch zehn Minuten und ein kühles Lager wäre sein. Sie gingen weiter in das Gebäude hinein und blieben letztendlich vor einer großen Stahltüre stehen. Der Saferaum war neben einer manuellen Sicherung, die einen Zahlencode sowie drei Schlüsselkarten und einen Netzhautscan erforderte, zusätzlich durch eine Zeitsteuerung gesichert, die den Zutritt lediglich zu einer gewissen Uhrzeit erlaubte. Noch drei Minuten, bevor sich die Verriegelung öffnen ließ. Verflucht, wo blieb bloß Sanchez? Sanchez war der Stellvertreter des Sicherheitschefs und war neben seinem Vorgesetzten der Einzige, der die nötige Zahlenkombinationen kannte und sich durch den Netzhautscan Eintritt verschaffen konnte. Zudem würden sich auch die beiden Archäologen durch die gleiche Prozedur identifizieren müssen. Die beiden sowie Kilroy selbst verfügten über die nötigen Zutrittskarten. Auf diese Weise sollte gewährleistet werden, dass niemals ein Einzelner den Saferaum betreten konnte. Kilroy wusste zwar nicht, ob die Artefakte im Inneren wirklich so wertvoll waren, damit dieser Aufwand gerechtfertigt war, aber schließlich wurde er nicht dafür bezahlt, sich darüber Gedanken zu machen.
„Sorry für die Verspätung, Jungs." hörte er Sanchez von hinten. „Zo'or hat mich noch aufgehalten."
„Sie kommen gerade zur richtigen Zeit." meinte einer der Archäologen und begann mit der Öffnungssequenz. Kurze Zeit später betraten sie den stählernen Raum und die Archäologen begannen sofort, die Funde einzuordnen. Ein leises Klappern erregte Kilroys Aufmerksamkeit. Er sah sich um, konnte jedoch nichts Auffälliges bemerken. Ein lauter Knall ließ ihn herumfahren, doch da war es schon zu spät. Beißender Qualm erfüllte bereits die Hälfte des Raumes und breitete sich schnell aus. Verflucht, was ging hier vor? Noch bevor Kilroy irgendwie reagieren konnte, hatte ihn der Rauch auch schon erreicht und verwandelte seine Augen in pures Feuer. Tränengas? schoss es ihm durch den Kopf. Er versuchte noch die Luft anzuhalten, doch es war schon zu spät. Der Rauch brannte mörderisch in seiner Kehle und ließ ihn husten. Auch die anderen waren nicht minder überrascht. Kilroy war zu sehr Soldat um in Panik zu geraten, doch eine schnelle Chancenabwägung ließ ihm nur eine Möglichkeit. Was auch immer da draußen auf sie wartete würden sie vielleicht überleben, würden sie allerdings in diesem Raum bleiben, würden sie ersticken.
„Raus hier!" krächzte Kilroy zwischen Husten und Würgen, die Sicht verschwamm vor seinen Augen, die die beißenden Dämpfe mit Unmengen an Tränenflüssigkeit zu bekämpfen versuchten. Er zog seine Waffe, packte den Mann der ihm am nächsten stand und schob ihn Richtung Tür. Auch die anderen kämpften sich durch den undurchdringlichen Nebel. Der Mann neben Kilroy stolperte und fiel zu Boden. Mehr als überrascht wollte Kilroy ihn wieder hochreißen, doch irgendetwas stimmte nicht. Kilroy wischte sich die Tränen aus den Augen. Verdammt, nun komm schon, wollte er schreien, doch sein brennender Hals, ließ es nicht zu und so schleifte er den Mann weiter. Ein stechender Schmerz durchzuckte plötzlich seine Seite und riss ihn zu Boden. Und dann sah er es – helle Blitze durchschnitten den Qualm... Mündungsfeuer. Scheiße – wo war er hier nur hineingeraten? Und plötzlich ging alles wie in Zeitlupe. Er hörte die gedämpften Schüsse, hörte, wie neben ihm mehrere Körper zu Boden gingen. Sah seinen Kollegen und wusste, warum dieser gestolpert war. Andersons Auge blickte ihn verwundert an, das andere sowie die dazugehörige Gesichtshälfte fehlten. Stiefel kamen näher. Weitere Schüsse, die nur ein leises Husten waren und dann... Stille. Eine Stille, die Kilroy schmerzlich bewusst werden ließ, dass er wohl der Einzige war, der noch am Leben war. Zwei schwarzgekleidete Gestalten eilten an ihm vorbei. Sein Hals brannte immer noch teuflisch und er wusste nicht, wie lange er sich noch beherrschen konnte, nicht zu husten. Er hörte, wie hinter ihm in den Regalen gewühlt wurde. Die beiden arbeiteten wortlos, konnten jedoch nicht verhindern, dass die Artefakte klirrten, als sie sie einpackten. Ein Überfall dieser Art war wohl das Letzte, mit dem Kilroy gerechnet hatte. Aber er wusste auch, das die Räuber dieses Gebäude nicht verlassen würden – dafür waren die Sicherheitsmechanismen einfach zu gut. ‚Aber haben sie es nicht gerade hier rein geschafft?', fragte eine kleine, recht widerliche Stimme in seinem Hinterkopf. Was sagt dir das über deine berühmten Sicherheitsvorkehrungen? Hm? Kilroy konnte seinen Hustreflex nicht mehr unterdrücken. Er verfluchte seinen Körper innerlich für diesen Verrat. Eine der Gestalten kam näher um auch die letzte Störung auszuschalten. Kilroy wusste, dass er nur eine Chance hatte und versuchte den Schmerz in seiner Hüfte zu ignorieren. Der Mann stand nun nahe genug. Blitzschnell trat er nach dessen Knöchel und zog ihm damit den Boden unter den Füßen weg. Ein überraschtes Keuchen war unter der Gasmaske zu hören. Bevor sein Gegner auf dem Boden aufschlug, war Kilroys Waffe auch schon im Anschlag, doch bevor er abdrücken konnte, riß der Mann seinen Arm hoch und stieß ihm den Ellenbogen ins Gesicht. Kilroy konnte dem Angriff nur halb ausweichen, schaffte es aber beim Zurückweichen die Maske des Gegners zu greifen und sie ihm vom Kopf zu reißen. Und dann stockte er einen Augenblick, als er in das Gesicht eines jungen Mädchens blickte. Das Messer, das wie aus dem Nichts kommend in ihrer Hand aufblitzte, ließ ihm keine Zeit weiter darüber nachzudenken. Es fehlten nur Millimeter und sie hätte ihm den Hals aufgeschlitzt. Kilroy schlug mit der Maske nach ihr und traf sie hart im Gesicht. Sie begann nun ebenfalls zu Husten, als das Gas ihre Lungen füllte, was sie aber nicht davon abhielt, ihn nochmals mit dem Messer zu attackieren. Er spürte den tiefen Schnitt, den die Klinge in seinem Oberarm hinterließ, während er sich zur Seite fallen ließ. Ein Schuss löste sich aus seiner Waffe. Der Knall hallte ohrenbetäubend in dieser Stahlkammer wieder. Er drückte ein zweites Mal ab und sein Gegner sank leblos zu Boden. Kilroy griff ohne zu überlegen zu ihrer Maske und setzte sie auf. Endlich Luft. Er sah sich im Raum um, den nun zu viele Tote füllten, aber von dem anderen Eindringling gab es keine Spur. Wo zum Teufel war er geblieben? Hastig eilte er aus dem Raum... niemand war zu sehen. Kilroy drehte sich um und im gleichen Moment sah er noch etwas Schwarzes auf sich zukommen, als auch schon die Maske in seinem Gesicht splitterte... und dann war da nur noch Dunkelheit.
Als man ihn fand war er dem Tod bereits näher als dem Leben. Letzteres hatte er einzig und allein einem ganzen Berg Taelon-Technik, dem fachlichen Können der Ärzte, und - wie diese sagten - einem Wunder zu verdanken. Kilroy konnte sich nur an den ersten Schlag erinnern und für das, was danach kam, musste er wohl für die Bewusstlosigkeit dankbar sein, wie die schweren Verletzungen zeigten. Man hatte ihn zurück in den Tresorraum geschleppt und die Tür verschlossen. Offensichtlich waren sie der Meinung, dass wenn er nicht schon tot war oder an den Verletzungen sterben würde, der zu erwartende Sauerstoffmangel dies übernehmen würde. Als sie die Tür verschlossen trennten ihn vierundzwanzig Stunden von medizinischer Vorsorgung und vor allem mehr Sauerstoff, der in dem kleinen Raum langsam aber sicher zur Neige ging. Sein Glück war, dass die anderen weniger Glück hatten und er die kostbare Atemluft nicht teilen musste. Wer hätte zudem schon ahnen können, dass durch die schwerem Verletzungen seine Atmung soweit abgeflacht war, dass der verbleibende Sauerstoff, so gerade eben bis zum nächsten Öffnungszyklus ausgereicht hatte. Doch daran konnte er sich nicht erinnern. An was er sich allerdings erinnerte war Zo'ors abweisende Reaktion, als Kilroy wieder bei Bewusstsein war und das Vorgefallene schildern konnte. Der Taelon zeigte mit keiner Geste Betroffenheit über den Verlust so vieler Menschenleben. Herauszufinden, dass bei diesem Überfall eine ganze Reihe von Artefakten verschwunden war, war wesentlich schlimmer für ihn. Und dann war da noch etwas, dass den Tealon wirklich in helle Aufregung versetzte. Es schien das Mädchen zu sein, dass Zo'or so beunruhigte und so erfuhr Kilroy auch, dass seine Beschreibung des Mädchens auf eine Frau namens Shelley Albright passte, die vor knapp einem Jahr auf dem Mutterschiff einen Tealon getötet und entkommen war. Wie und warum die Frau überhaupt auf das Mutterschiff kam, wollte man ihm allerdings nicht sagen. Sowenig wie ihm niemand sagen konnte, warum das komplette Sicherheitssystem keinerlei Notiz von diesem Überfall genommen hatte. Für die Technik hatte nichts davon existiert. Die Räuber waren so spurlos verschwunden wie sie gekommen waren und im Austausch für eine ganze Reihe von Artefakten hatten sie eine Spur aus Blut hinterlassen, die nirgends hinführte. Es gab keinerlei verwertbare Spuren. Selbst die Leiche des Mädchens war verschwunden, aber offensichtlich war Kilroy der Einzige, den das verwunderte.
Kincaid blickte Kilroy lange und nachdenklich an. Es fiel ihm schwer, seine Aufregung über diese Neuigkeit zu verbergen.
„Das würde auch erklären, warum unsere Fahndung in Südamerika kein Ergebnis erzielt..." meinte Liam.
„Allerdings." beharrte Kilroy hartnäckig. „Die reißen sich dort unten den Arsch auf, während sie hier vergnüglich einen Einkaufsbummel macht." Sprach Kilroy wirklich die Wahrheit? Hatte er sich wirklich nicht getäuscht? Wenn dem allerdings so war, lag die Vermutung nahe, dass er ihr wohl ebenfalls aufgefallen sein würde.
„Ich hatte sie, doch im Gedränge der Einkaufspassage hab ich sie verloren." brachte Kilroy zähneknirschend hervor.
„Verloren?" fuhr Liam dazwischen, bemüht darum nicht allzu erleichtert zu klingen. „Was soll dass heißen?"
„Genau das, was ich sagte..." gestand Kilroy missmutig.
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„Och hier und da!" erwiderte Methos auf MacLeods Frage nach seinem Aufenthaltsort in den letzten Monaten mit einem breiten Grinsen. MacLeod war hoch bepackt mit diversen Einkaufstüten, die ihm Methos in die Hand gedrückt hatte, um die Haustür aufzusperren. Ohne auch nur die geringsten Anstalten zu machen, MacLeod die Tüten wieder abzunehmen, steuerte Methos mit großen Schritten auf seinen Briefkasten zu, dessen Inhalt lediglich aus einigen Briefen bestand. MacLeod stand noch etwas unschlüssig vor der Tür, bevor auch er in den Flur trat. Flüchtig blätterte Methos durch die Poststücke, die zum Großteil aus Werbung bestanden, bevor er den Packen in seine Manteltasche stopfte. Ehe MacLeod auch nur den Mund öffnen konnte, war Methos mit ein paar großen Schritten die Treppe nach oben gestürmt. Auf dem ersten Absatz hielt er inne und drehte sich zu MacLeod um, der noch immer vollbepackt und etwas belämmert da stand.
„Na nun komm schon oder willst du da wurzeln schlagen?"
„Äh..." Doch Methos war bereits auf dem nächsten Treppenabsatz verschwunden.
MacLeod fluchte innerlich über seine Hilfsbereitschaft, weil er wohl nun derjenige war, der die ganzen Einkäufe hoch schleppen durfte. Für einen Moment spielte er mit dem Gedanken das Zeug einfach abzustellen und Methos selbst das Vergnügen zu überlassen, doch dann nahm er sich ein Herz und kämpfte sich ächzend die drei Stockwerke zu Methos Wohnung hoch. Methos wartete bereits vor der Tür auf ihn.
„Sag mal bist du zu all deinen Gästen so zuvorkommend?" maulte Mac ihn etwas aus der Puste an.
„Nein, nur zu denen, die scheinbar etwas Konditionstraining gebrauchen können. Hat ja ewig gedauert." MacLeod verdrehte die Augen ob Methos spöttischem Grinsen. „So, aber nun hereinspaziert in die gute Stube. Kannst das Zeug gleich in die Küche bringen."
„Natürlich Massa! Wie der Massa wünscht!" äffte MacLeod. Methos verschloss hinter ihm die Tür und folgte ihm Richtung Küche.
„Wie wär's mit einem Bier?" schlug er vor, als sie ein vertrautes Kribbeln durchfuhr. Dieses Gefühl in seinem Wohnzimmer zu verspüren, war mehr als nur beunruhigend für den alten Mann.
„Besuch?" fragte MacLeod interessiert und stellte die Tüten beiseite.
„Wenn dann Ungebetenen!" flüsterte Methos, der bereits sein Schwert in der Hand hielt. Die Geschwindigkeit dieses alten Mannes erstaunte MacLeod und er griff ebenfalls zu seinem Schwert. Töpfe klapperten. Zwei Augenpaare starrten angespannt auf die geschlossene Küchentür.
„Sag mal, kochen alle deine ungebetenen Gäste für dich?"
„Wer auch immer da kocht, wird gleich wissen was eine Henkersmahlzeit ist." Methos wunderte sich, denn der andere Unsterbliche musste sie ja auch schon längst bemerkt haben. Wenn man bedachte, wie spät er seinen Gegner gespürt hatte, wurde ihm etwas anders. Konnte es sein, dass...? Es erstaunte ihn selbst, als er an MacLeod vorbei in die Küche stürmte. Irritiert blieb er stehen, denn dort war niemand zu sehen. Auf dem Herd dampfte es aus verschiedenen Töpfen, deren Inhalt wohl für den köstlichen Geruch zuständig war, der ihm nun überaus intensiv um die Nase schlug. Wieder schepperten Töpfe, bevor ein schwarzgelockter Kopf hinter dem Herd auftauchte, dessen Besitzerin scheinbar etwas in einem der unteren Schränke gesucht hatte.
„Methos!" begrüßte ihn die dazugehörige Stimme freundlich. „Schön, dass du da bist. Essen ist nämlich gleich fertig."
„Jara!" entfuhr es dem Angesprochenen verdattert, streckte ihr jedoch keine halbe Sekunde später sein Schwert aggressiv entgegen. Sie? Hier? Er konnte es kaum fassen, nach allem was geschehen war. Was war eigentlich geschehen? Seine Erinnerung daran war verschwommen. Ihre Anwesenheit, die Seelenruhe mit der sie kochte, ließen ihn nur noch umso mehr zweifeln.
„Könnest du das Ding in deiner Hand mal mit einem Löffel vertauschen und lieber probieren, ob's so passt?"
„Was suchst du hier?" fragte Methos zumindest äußerlich in seine alte Fassung zurückgekehrt.
„Eigentlich den Koriander..." Auch MacLeod betrat nun die Küche und wurde mit einem keineswegs überraschten und noch weniger enthusiastischem „Oh ... MacLeod!" begrüßt.
„Ich freu mich auch, dich wieder zu sehen." erwiderte dieser ebenso wenig begeistert, da er nur zu gut wusste, dass sie die Anwesenheit eines zweiten Unsterblichen gespürt haben musste. Das Schwert lag in seiner Hand.
„Ach komm, wer wird denn hier wegen einem Haarschnitt gleich so nachtragend sein?" Der spöttische Unterton in ihrer Stimme war äußerst schwach, doch nichts desto trotz vorhanden. „Aber jetzt probier doch mal!" bat sie Methos ungeduldig wie ein Kind, ohne MacLeod weiter zu beachten. „Meinst du nicht, dass da noch etwas Ingwer rein sollte?" wollte sie mit der Unschuldsmine eines Neugeborenen wissen. Methos zuckte hilflos mit den Schultern, verstaute sein Schwert und blickte skeptisch auf den Löffel. Jara bemerkte Methos Zögern. Amüsiert schob sie sich selbst das dampfende Essen in den Mund, bevor sie ihm den nächsten gefüllten Löffel hinhielt. Kurze Zeit später machte sich auf seinem Gesicht ein genießerisches Grinsen breit.
„Nein kein Ingwer. Es ist genau so wie ..." fast hätte er gesagt ‚ich es mag', doch er erwischte gerade noch die Kurve. "... es sich gehört." Und das war es auch. Er überlegte krampfhaft, wann er das letzte mal dieses Gericht gegessen hatte und kam zum Schluss, dass es wahrscheinlich an die dreitausend Jahre her sein musste, an dem Tag, als... Schnell verscheuchte er diese Erinnerung.
„Na dann bin ich ja beruhigt. Könntet ihr beiden zwischenzeitlich den Tisch decken, bevor ihr hier im Weg steht?" Für einen Moment sahen sich die beiden in die Augen, ehe Methos sich anschickte, die Teller aus dem Schrank zu nehmen. Ein etwas reservierter MacLeod eilte seinem Freund zu Hilfe. Kurze Zeit später saßen die drei am Tisch und genossen das Abendessen, das jedoch von einem eher gezwungenen Gespräch begleitet wurde.
„Wo hast du dich denn das letzte Jahr rumgetrieben?"
„Och ... mal hier mal da!" war ihre ausweichende Antwort, die Mac irgendwie sehr bekannt vorkam und ihn zu einem Seitenblick auf Methos veranlasste. Doch dieser schien sich mit dieser Auskunft zufrieden zu geben. „War gar nicht so einfach, dich zu finden..."
„Doch leider scheinbar nicht unmöglich..." grummelte der Angesprochene. Jara wusste, das Methos sich auch einen neuen Namen, nämlich Pierce Michaels, zugelegt hatte, was sie - wenn auch nur geringfügig - bedauerte, denn Adam Pierson hatte ihr gut gefallen. Tja, es war schon lästig, wenn einem die Taelons im Genick saßen. Auch Jara wagte es nicht mehr mit ihrem alten Pass, der sie zu Shelley Albright machte, zu reisen. Sie störte sich jedoch nicht daran, denn Namen bedeuteten ihr nichts. Die Zeit wurde durch den Austausch von Höflichkeiten und etwas Smalltalk ausgefüllt, den man von Leuten erwartete, die sich wenig kannten und längere Zeit nicht gesehen hatten. Mac fand es wirklich erstaunlich, wie zwei so alte Unsterbliche sich mit solchen belanglosen Geplänkel abgeben mochten, wo es klar in der Luft lag, das es Zeit für Tacheles war. Je länger Mac zuhörte, umso mehr beschlich ihn das Gefühl, dass er der Grund sein könnte, warum das Ganze nicht in die Gänge kam. Methos war nicht der Typ, der viel von sich preisgab und Jara stand ihm da in nichts nach. Die beiden konnten wahrscheinlich noch tagelang reden, ohne irgendetwas von Interesse verlauten zu lassen. Mit dem Wissen, dass er garantiert etwas verpassen würde, aber absolut nichts dagegen machen konnte, verabschiedete sich Mac. Als Methos von der Wohnungstür zurückkam, räumte Jara bereits den Tisch ab. Als sie bemerkte, wie er sie schweigend von der Tür aus betrachtete hielt sie inne und sah ihn an.
„Woher kommst du?" fragte er ohne Umschweife.
„Das ist eine lange Geschichte..." erwiderte sie eher ausweichend. Sie wusste, dass sie ihm eine Erklärung schuldig war... irgendwann.
„Oh, ich habe heute Abend sowieso nichts mehr vor..." Ohne dass sich ihre Blicke trennten, kam er langsam auf sie zu. Der Teller in ihrer Hand fiel klirrend auf den Tisch zurück, als er ihre Handgelenke mit festem Griff packte und schmerzhaft verdrehte. Musternd betrachtete er ihre Handflächen.
„Vielleicht solltest du damit beginnen, was auf dem Mutterschiff der Taelons passiert ist." forderte er sie auf.
„Vielleicht sollte ich damit beginnen, wie ich dort überhaupt hinkam." Ihre Stimme war schneidend. Unwirsch entzog sie ihm ihre Hand. „Oder möchtest du lieber dazu etwas sagen?"
„Ich..." Ihm wurde plötzlich sehr heiß. „Wie könnte ich?" Sie lachte belustigt auf.
„Für dieses Spiel kennen wir uns schon zu lange Methos..."
„... das dachte ich auch mal." meinte er resigniert. Erledigt ließ sich Methos auf seine Couch fallen und schloss für einen Augenblick seufzend die Augen. „Warum kannst du dich nicht einfach zum Teufel scheren!" Ein müdes Lächeln ließ ihre Mundwinkel kurz nach oben zucken.
„Als ob ich das nicht getan hätte." murmelte sie zu sich selbst und setzte sich neben ihn. Vergeblich versuchte er in ihren unergründlichen Augen ihre Absichten herauszulesen. Ihr Blick ließ ihn frösteln, denn darin stand eine Wahrheit, die er nicht hören wollte. Es war als könne sie ihm in die Seele schauen, als wüsste sie alles über ihn - damals wie heute.
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Kincaid hatte ihm aufgetragen, weiter nachzuforschen, allerdings war dies an ein paar Bedingungen geknüpft, die Kilroy schon lange nicht mehr wunderten. Wahrscheinlich wollte sich der Major einfach nur in ein gutes Licht rücken, sollte Kilroy etwas finden. Falls nicht, konnte er immer noch behaupten, er hätte von nichts gewusst. Kincaid hatte darauf bestanden, dass Kilroy unauffällig nachforschte. Alle Informationen hatten nur an ihn persönlich zu gehen. Kein Wort zu niemanden - da Kilroy jedoch ein verschwiegener Mensch war, fiel ihm dies nicht schwer. An diesem Nachmittag besuchte er ein weiteres Mal die Einkaufspassage und suchte das Gespräch mit dem Besitzer des Ladens, vor dem er sie zuletzt gesehen hatte. Zwar war das Gespräch, wie er eigentlich nicht anders erwartet hatte, nicht sonderlich aufschlussreich gewesen, allerdings konnte er andere Informationen ergattern, die weitaus interessanter sein konnten. Nachdem er dem Besitzer seinen Ausweis unter die Nase gehalten hatte, der ihn als Regierungsmitarbeiter namens Daniel Jeffreys auswies und eine vielleicht nicht ganz erlogene Geschichte über polizeiliche Ermittlungen im Rahmen der Terrorbekämpfung vortrug, gewährte ihm der Mann Einblick in die Belege des betreffenden Tages. Kilroy lud diese in sein Global, bedankte sich artig und verließ, ohne einen Gedanken daran zu verschwenden, dass er gerade nicht nur Amtsanmaßung begangen, sondern auch dutzende andere Gesetze gebrochen hatte, das Geschäft. So sehr es ihn immer wieder erstaunte, so sehr machte er es sich zunutze, dass die meisten Menschen beim Anblick eines (zudem gefälschten) Regierungsausweises plötzlich sämtliches Denken ausschalteten und ohne weiteres Nachfragen, das taten, was man von ihnen wollte. In einem kleinen Café genehmigte sich Kilroy zum Frühstück einen Kaffee und während er so dasaß und sich geistig bereits mit der Überprüfung der Zahlungen beschäftigte, schweifte sein Blick durch die Passage und blieb an einem kleinen schwarzen Kasten hängen. Verdammt, schoss es ihm durch den Kopf, warum war ihm das nicht schon früher eingefallen. Der Tisch wackelte gefährlich als er aufsprang und davoneilte.
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Duncan ließ sich auf einem der Hocker ins Joes Bar sinken und nippte unmotiviert an seinem Frischgezapften, was Joe mit einer hochgezogenen Augenbraue kommentierte. Er sah seinem Freund an, dass ihn etwas verstimmte, wusste aber zu gut, dass es besser war, zu warten bis dieser von sich aus zu erzählen anfing. Außerdem fragte er sich, wo Methos steckte, da dieser eigentlich heute Abend ebenfalls kommen wollte.
„Wo hast du denn unseren alten Knaben gelassen?"
„Daheim! Ich glaub auch nicht, dass er noch auftauchen wird ... Du wirst nicht erraten, wer wieder da ist." begann MacLeod mit einer ausladenden Geste seiner Hände kurze Zeit später. Seine Begeisterung hielt sich sichtlich in Grenzen.
„Wer?" fragte Joe nach, der nicht die leiseste Ahnung hatte, von wem Mac redete.
„Diese kleine rothaarige Göre ..."
„Jara?" fiel ihm Joe ins Wort
„Yep." Duncan setzte Joe kurz ins Bild.
„Und ich dachte schon, dass wir sie nie wieder sehen nach dem was damals passiert ist. Sie ist ja wirklich gekonnt untergetaucht." kommentierte Joe ungläubig.
„In der Beziehung geben sich die beiden wohl die Klinke in die Hand." Nach einen kurzen Moment setzte er hinzu „Ich würde momentan viel darum geben, bei den beiden Mäuschen zu spielen."
„Ich wusste gar nicht, dass du so neugierig bist."
„Ich glaube du vergisst, dass sie mich damals fast getötet hätte. Methos lag zudem ziemlich lädiert vor meiner Haustür und die Einzige, die vielleicht irgendetwas dazu hätte beisteuern können aber nirgends aufzufinden war, war Jara. Ich mache mir einfach Sorgen um den alten Mann."
„Um Methos? Mac, der Kerl weiß verdammt gut wie man überlebt... schließlich hat er das lange genug auch ohne dich geschafft ..."
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Kilroy stapfte mit großen Schritten Richtung Kincaids Büro. Er erlag fast der Versuchung einfach die Tür aufzustoßen, doch dann atmete er ein-, zwei-, dreimal tief durch und betrat mit beherrschter Ruhe das Zimmer.
„Captain! Gibt es Neuigkeiten?" entfuhr es dem Major überrascht.
„Noch nicht. Aber ich brauche Ihre Hilfe."
„In wie fern?" hakte Liam nach.
„Ich brauche Zugriff auf die Archive der Überwachungskameras - und zwar auf alle in der Stadt." Er glaubte seinen Vorgesetzten leicht zusammenzucken zu sehen.
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Zufrieden betrachtete er sein Werk. Diese Tür hatte ihm schon genug Nerven gekostet. Seit fast vier Monaten renovierte er nun schon an diesem alten Haus herum, aber wenn alles so lange dauern würde, wie diese Tür, konnten es noch Jahre werden, bis er fertig wurde. Noch einmal drückte er die Klinke um sich auch wirklich zu versichern, dass sie sich einwandfrei öffnen ließ. Ein vertrautes Kribbeln in seinem Genick kündigte Besuch an, der auch kurz darauf an der Haustür klopfte. Zwar konnte er nicht ausmachen, wer da vor seiner Tür stand, doch nur Methos und Joe wussten von diesem Anwesen. Seinem Schwert, dass auf dem alten Küchentisch lag, schenkte er deshalb nur einen wagen Seitenblick. Allerdings wünschte er sich etwas später, seinem Katana mehr Aufmerksamkeit geschenkt zu haben. Durch den Glasausschnitt konnte er die Umrisse einer Frau sehen, die nochmals gegen das Glas klopfte. Jara? dachte er verärgert. Was will ‚die' denn hier? Woher wusste sie überhaupt von diesem Haus? Es war über eine Woche her, seit er sie bei Methos getroffen hatte.
„MacLeod, ich weiß dass du da bist." vernahm er ihre Stimme. Langsam ging er zur Tür und öffnete sie einen Spalt. Draußen schüttete es wie aus Kübeln.
„Was willst du?" fragte er abweisend.
„Mit dir reden." Das Haar klebte tropfnass an ihrem Kopf und nur die zu große Wachsjacke verhinderte, dass der Rest ihrer Kleidung davonschwamm. MacLeod musterte sie argwöhnisch, denn er konnte eigentlich recht gut auf ihre Anwesenheit verzichten. Zudem war ihre Jacke so groß, dass darunter leicht fünf Schwerter Platz gefunden hätten.
„Reden?"
„Ja, nur reden." Entweder hatte sie seine Gedanken gelesen oder es war wirklich Zufall, dass gerade jetzt ihre Jacke soweit aufschnappte, dass er sehen konnte, dass sie ohne Waffen gekommen war. Zögernd öffnete MacLeod schließlich die Tür und Jara kam herein. Jede ihrer Bewegungen betrachtete er argwöhnisch, sofort bereit, sich zu verteidigen, sollte sie etwas anderes versuchen, als nur zu reden. Ihre nassen Stiefel hinterließen auf dem staubigen Boden eine unübersehbare Spur. Normalerweise hätte Mac das nicht gut geheißen und sie gebeten die Schuhe auszuziehen, aber da durch die Renovierung sowieso der Dreck überall lag und die Böden das letzte sein würden, was er herrichten würde, kümmerte er sich momentan nicht darum. Interessiert sah sich Jara im Flur um.
„Dieser Kasten sieht von außen ja echt super aus." begann sie. „Ich mag alte Häuser..."
„Komm zum Punkt!" unterbrach er sie in ernster Ungeduld. „Was willst du?"
„Etwas erklären." antwortete sie ihm mit einem recht schuldbewussten Gesichtsausdruck.
„Erklären?" wiederholte MacLeod leicht irritiert.
„Ja. Ich glaube das ist nötig." Wow! MacLeod betrachtete sie fassungslos, denn das hatte er von ihr nicht erwartet. Zugegeben, er kannte sie nicht sonderlich gut, doch das was er wusste, hatte seine anfängliche Sympathie reichlich geschmälert und veranlasste ihn erst recht nicht anzunehmen, dass sie die Bedeutung des Wortes Erklärung überhaupt kannte. Trotzdem fasste er sich ein Herz, schleifte sie in die halbwegs fertige Küche und servierte er einen starken und vor allem heißen Kaffee, den sie dankend annahm. Duncan betrachtete sie fragend, entschied sich aber dafür, sie selbst reden zu lasen und vorerst keine Fragen zu stellen.
„Ich weiß, dass ich bei dir nicht gerade den besten Eindruck hinterlassen habe, das wurde mir gestern Abend bewusster denn je."
„Das kann man wohl sagen..." Sie lächelte kurz betrübt auf.
„Ich war mein Leben lang auf mich gestellt. Vertrauen ist nichts was ich dabei gelernt habe."
„Etwas Ehrlichkeit wäre vollkommen ausreichend gewesen! Warum hast du nicht einfach gesagt, dass ich dich in Ruhe lassen soll?" Sie sah ihn an.
„Weil du es nicht getan hättest, oder?" Duncan blieben die Worte im Mund stecken. Die Frau vor ihm wusste mehr über ihn, als er wohl über sich selbst. „Ich bedaure, dass ich dich..." Sie stockte einen Augenblick. Was bedauerte sie eigentlich? Das, was sie getan hatte, war es bestimmt nicht. Vielleicht war es besser diesen Satz nicht zu beenden. „Vielleicht wolltest du mich schützen, vielleicht warst du einfach nur neugierig, ich weiß es nicht und das ist auch jetzt nicht mehr wichtig. Entscheidend war, dass ich dich nicht in das Schlammassel in dem ich steckte hineinziehen wollte. Wärst du mir weiterhin gefolgt, wäre das aber unweigerlich passiert. Darum diese etwas drastische Maßnahme." Sie konnte ihm ja schlecht sagen, dass das Ganze eigentlich nur dazu gedacht war um Methos in die richtige Richtung zu lenken. MacLeods und Joes angeblicher Tod hatten Methos überaus geplant die falschen Schlüsse ziehen lassen und dazu veranlasst, Jara an Da'an zu verraten. Wie sollte er auch wissen, dass seine Freunde quicklebendig einem plötzlichen Hilferuf Amys hinterher eilten, der seinen Ursprung ebenfalls in Jara gefunden hatte. Sie hatte es nicht nur geschafft, Amy in Bedrängnis bringen zu lassen, sondern zudem konnte sie die Nachricht darüber an Methos abfangen. Sie hatte ihr Netz aufgespannt und Methos war hineingetappt. Der Zugriff auf den Datenspeicher war nur ein kleines Puzzelteil auf dem Weg zu ihrem Ziel. Da'an ein Weiteres. Zu dumm, dass sie Zo'or in die Hände gefallen war, denn das war ganz und gar nicht geplant gewesen. Aber es gab nichts Schlechtes, das nicht auch etwas Gutes hatte, denn nun war sie mehr Opfer denn Täter.
„Ach, und nur weil du ein paar Schwierigkeiten mit den Taelons hattest, wie mir Methos sagte, jagst du mir eine Kugel zwischen die Rippen? Ich dachte damals, du wolltest dir meinen Kopf holen, als ich dich mit dem Schwert auf mich zukommen sah."
„Ich würde dich nie töten und das solltest du mir glauben." Und es gab dummerweise nichts, das sie ehrlicher meinte. „Ich dachte, wenn ich dir unsympathisch genug wäre, würdest du dich von mir fern halten. Ich wollte nicht, dass du in die Schusslinie gerätst. Du hattest mir bereits genug geholfen - es waren meine Probleme und nicht die deinen. Aber so wie ich dich kennen gelernt habe, hättest du sie zu deinen gemacht, und das konnte ich nicht zulassen."
„Soso, dass soll ich dir jetzt glauben!"
„Versteh doch MacLeod..."
„Mir kommen gleich die Tränen." höhnte MacLeod, bereute aber sein harten Worte, als er Jara wie einen begossenen Pudel dasitzen sah. Offensichtlich war ihr die ganze Sache damals wirklich sehr unangenehm. Jara atmete resigniert aus, als wüsste sie, dass MacLeod ihr nicht glaubte.
„Du bist Methos' Freund und vielleicht warst du damals auch der meine. Ich habe es jedenfalls so gesehen. Der Gedanke, dich nun als Feind zu haben, ist..." Es schien als fehlten ihr die Worte. „Ich kann es nicht ungeschehen machen, doch vielleicht könnten wir von neuem anfangen?" fragte sie hoffnungsvoll. MacLeod sagte lange nichts.
„Ja, vielleicht." antwortet er, nachdem er seine Entscheidung getroffen hatte. Schweigend starrten sich die beiden noch einen Moment an, bevor Jara nachdenklich die Tasse abstellte und aufstand.
„Danke für den Kaffee und das du mir zumindest zugehört hast." Nun tat sie ihm wirklich Leid. Sie wirkte so niedergeschlagen und verletzlich. Er konnte sich nicht sicher sein, ob sie die Wahrheit sprach, noch hatte er eine Ahnung, wer sie wirklich war, doch er war entschlossen ihr die Chance zu geben, es ihm zu zeigen.
„Verstehst zu zufällig was vom Streichen?" fragte er letztendlich, als sie schon in der Tür stand.
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„Verdammt, das war wohl eine Sackgasse!" meinte Kilroy grimmig und hackte mürrisch auf sein Global ein. Die Auswertung der Überwachungsbänder hatte ihn Zeit und Nerven gekostet. Zudem war das Ergebnis weitaus weniger ergiebig als er sich erhofft hatte. Die Spur Shelley Albright verlor sich im Gewirr der Menge, oder um es besser auszudrücken, das Netz aus Überwachungskameras war nicht so lückenlos, wie es eigentlich geplant war. Was die Belege betraf, so hatte er sich die Mühe gemacht, alle Käufer zu überprüfen, doch auch hier war er nicht weiter gekommen.
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Schon seit Stunden hämmerte, sägte und pinselte MacLeod als ihn ein vertrautes Kribbeln aus seiner Konzentration riss.
„Nett geworden." lobte Methos, der wie aus dem Nichts gekommen lässig am Türrahmen lehnte.
„Dafür schufte ich mich auch schon lange genug ab." antwortete Mac. „Aber man bekommt dich ja in letzter Zeit so selten zu Gesicht und das, obwohl du mir versprochen hattest zu helfen." setzte er etwas unwirsch hinzu.
„War beschäftigt."
„Ach ja? Mit was denn?"
„Besorgungen machen..." erwiderte Methos maulig. Er konnte sich bereits lebhaft ausmalen, wie das Gespräch weitergehen würde und hatte eigentlich keine Lust darauf. Warum war er überhaupt hier?
„Jara sagte mir etwas von wegen du wärst unterwegs und das sie auch nicht wüsste wo. Mal wieder so ein Selbsterkennungstrip in Katmandu?"
„Jara?" fragte Methos sichtlich erstaunt, ohne auf Duncans Frage einzugehen.
„Ja, sie hat mir die letzten Tage bei der Renovierung geholfen."
„Und wie das?" Damit war wohl klar, wo sich Jara herumgetrieben hatte, seit sie bei ihm aufgetaucht war. Aber warum hatte sie (oder er?) ihm kein Sterbenswörtchen davon erzählt? Als ob das etwas Neues wäre, schollt er sich selbst. Sie ging und kam wann es ihr passte. Dass sie Duncan allerdings bei der Renovierung half, war eine interessante Neuigkeit.
„Sie war hier um sich für die Vorfälle damals zu entschuldigen." Oh ja, und MacLeod, unser kleiner Pfadfinder, hat sie natürlich mit offenen Armen empfangen und ihr alles für bare Münze abgekauft, dachte Methos sarkastisch. Dieser Mann hatte einfach mehr Herz als Verstand - wenigstens wusste Methos nun bestimmt, wo Duncans Schafsblick herkam, den er so gerne zur Schau stellte. „Sie hat mich um eine zweite Chance gebeten" fuhr MacLeod fort.
„Und die hast du ihr gegeben, oder?" fragte Methos eigentlich mehr rhetorisch.
„Ja" erwiderte Mac bestimmt. Methos schüttelte amüsiert den Kopf. Jara konnte - wenn sie wollte - mit ihrer kindlich unschuldigen Art fast jeden um den Finger wickeln, zu dumm, dass die meisten nicht sahen, was es wirklich war. Ob Duncan auch blöken konnte?
„Was ist? Mir scheint es fast so, als gefällt dir das nicht?" Ja, so könnte man es auch ausdrücken. „Eifersüchtig?" Methos lachte auf.
„Nein, wirklich nicht. Warum sollte ich?" Methos wirkte daran so uninteressiert, als würde es sich bei Jara nur um eine flüchtige Bekannte handeln. „Sie kann tun und lassen was sie will. Ist das Schafwolle?" Er deutete auf Duncans Pulli.
„Methos!" rief ihn Mac leicht genervt wieder zum Thema zurück. „Ich mag vielleicht manchmal etwas blauäugig sein." MÄÄÄÄHHHHH! blöckte Methos still in sich hinein. Das war wohl die Untertreibung des Tages. „Aber meinst du, mir fällt nicht auf, dass da zwischen euch wesentlich mehr ist, als ‚nur' eine belanglose Bekanntschaft."
„Are you sure?" Nein, Duncan war 'only wool'. Methos Stimme war so neutral, als wäre es wirklich nicht mehr. Mac verdrehte die Augen.
„Ja, allerdings bin ich mir sicher."
„Ich glaube dennoch, dass meine Beziehungen meine Angelegenheiten sind, oder?" erwiderte er abweisend.
„Ah, zumindest gibst du zu, dass da eine Beziehung ist." triumphierte McLeod. „Ich mache mir einfach meine Gedanken." Duncan schüttelte nachdenklich den Kopf. „Sie gibt sich immer so betont kaltschnäuzig... so als könnte sie nichts berühren... "
„Sag doch einfach direkt auf was du hinaus willst und schieb nicht sie vor." Methos wurde ärgerlich. Duncan konnte ihm wirklich nicht vergeben. „Jara und auch ich sind alt genug unsere Entscheidungen selbst zu treffen, also hör auf dich einzumischen." Es klang mehr nach einer Drohung als einem Ratschlag. MacLeod war etwas überrascht über den aggressiven Ton, aber Methos hatte seine Gedanken nur zu gut erkannt. Er kam nicht umhin eine weitere Frage zu stellen.
„Weiß sie von deiner Vergangenheit?" Er war so vieles gewesen und Jara hatte viele Facetten seines Seins am eigenen Leib zu spüren bekommen - gute wie schlechte und trotzdem ... egal wer oder was er durch die Jahrhunderte hinweg gewesen war, sie hatte es akzeptiert, ohne ihn zu verurteilen. Nicht dass er es verstand, denn sie hätte allen Grund der Welt gehabt den Stab über ihn zu brechen, doch hatte es nie getan - dafür gab es Leute wie Mac. Warum konnte er nicht einfach einen Schlussstrich ziehen? Methos zuckte mit den Schultern und schüttelte resigniert den Kopf, denn er war dieses Themas überdrüssig. Noch ehe der Schotte etwas erwidern konnte, hatte der alte Mann sich umgedreht und war gegangen.
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Eine Woche später
Washington Post - Montagsausgabe, Kurzmeldungen, Lokalteil
Am Sonntagabend brannte ein Wohngebäude völlig nieder. Die Feuerwehr konnte ein Übergreifen der Flammen auf angrenzende Gebäude verhindern. Bei dem Brand kamen zwei Menschen ums Leben. Die Ermittlungen wurden aufgenommen. Erste Untersuchungen schließen Brandstiftung aus.
Kilroy starrte erst auf den Artikel und dann verwirrt auf seinen Vorgesetzten.
„Und?"
„Ich möchte, dass Sie der Sache nachgehen..." erwiderte Liam.
„Aber... Sie wissen doch, dass ich..." setzte Kilroy dagegen.
„... immer noch hinter der Frau her sind – natürlich. Genau deshalb habe ich Sie für die Untersuchungen vorgeschlagen."
„Ich verstehe nicht..."
„In diesem Haus wurde ein Teil der entwendeten Artefakte gefunden." Kilroy blieb der Mund offen stehen.
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Zwei Tage später
Ducan verwunderte es keineswegs, dass es Jara war, die die Tür zu Methos Wohnung auf sein Klopfen hin öffnete. Er folgte ihrem: „Hi Ducan, komm rein."
„Ist Methos da?"
„Ist irgendwo unterwegs," meinte sie und wand sich wieder dem Wohnungsputz zu, bei dem er sie offensichtlich gerade unterbrochen hatte. „Ist wahrscheinlich in ein oder zwei Stunden wieder zurück."
„Warum hast du Methos nicht gesagt, dass du mir hilfst?" Jara brachte nur einen fragenden Blick zustande. Sie kämpfte gerade mit einem großen Haufen dreckiger Wäsche. Methos hatte also jemanden gefunden, der die Wohnung für ihn sauber hielt... der Mann war einfach begnadet darin, anderen seine Arbeit aufzuhalsen.
„Sollte ich?" grummelte sie letztendlich. Allein Duncans 'Äh' sagte ihr genug. Diese schottische Ausgeburt an Gutgläubigkeit, war doch tatsächlich der Vorstellung verfallen, dass man Leuten in deren Wohnung und vor allem Bett man weilte, auch alles erzählen sollte. Willkommen in der Realität, Duncan. „Oder erzählst du Joe ständig, mit wem du dich rumtreibst? Aber was soll's, dann weiß er es. Ist ja kein Geheimnis, oder?"
„Jetzt nicht mehr. Allerdings erschien mir der alte Knabe etwas eifersüchtig." Duncan zwinkerte ihr amüsiert zu. Was hatte Methos MacLeod erzählt? Wie aus dem Nichts keimte ein leiser Zweifel in ihr auf. Wusste dieser alte Bastard vielleicht mehr, als er augenblicklich sollte? Vermutete er vielleicht etwas? Methos war schon zu lange erfolgreich damit zu überleben, um nicht jeden Hauch eines Zweifels sofort aufzugreifen und auszuwerten. Aber verdammt, das konnte er nicht wissen ... wie sollte er auch? Dennoch schrieen ihre Bedenken nach Beachtung, die Jara diesen nicht verweigerte. Gerade weil sie beunruhigt war, zwang sie sich belustigt zu lachen.
„Hätte er Grund dazu?" Duncan verdrehte die Augen und grinste breit.
„Ihr kennt euch wirklich gut, oder?" fragte er neugierig als Jara sich wieder der Wäsche zu wand. Sie starrte ihm mit leerem Blick entgegen, so als hätte sie ihn nicht verstanden. „Methos." half Duncan nach. Na ob ‚kennen' das richtige Wort ist, stichelte eine bösartige Stimme in ihr.
„Könnte man so sagen..." antwortete sie schließlich gedehnt, so als wüsste sie es selbst nicht so genau.
„Könnte man so sagen? Ihr seit doch schon eine Ewigkeit zusammen..." Auf was wollte Duncan nun schon wieder hinaus? Der Kerl war widerlich neugierig.
„Hin und wieder." antwortete Jara ausweichend und stopfte die Wäsche völlig unsortiert in die Waschmaschine. Duncan sträubten sich alle Nackenhaare ob solcher hausfraulichen Ignoranz, hob aber dann ein Handtuch auf, das sie verloren hatte. Nur all zu deutliche Blutflecke darauf ließen ihn erstarrten. Zu groß um vom Rasieren zu kommen, ging ihm augenblicklich durch den Kopf.
„Versteh meine Frage jetzt nicht falsch Jara," begann Duncan unsicher „aber, würdest du mir sagen, wenn zwischen dir und Methos etwas nicht in Ordnung wäre?"
„Häh?" meinte Jara nur, die versuchte noch mehr Wäsche in die überfüllte Trommel zu stopfen.
„Was ich meine ist... hat Methos..." Duncan fiel diese Frage unheimlich schwer, denn er war sich der Tragweite dessen, was er damit anrichten konnte, durchaus bewusst. Er knetet das Handtuch in seinen Händen. „Hat Methos jemals die Hand gegen dich erhoben?" Es war ausgesprochen. Jara verharrte einen Augenblick, bevor sie sich umdrehte und Duncan mehr als irritiert anstarrte.
„Wie kommst du jetzt da drauf?" MacLeod zeigte ihr wortlos das Handtuch. Jaras Blick war ausdruckslos. Duncan kam also mit Methos Vergangenheit nicht klar. Sie hatte schon bemerkt, dass es etwas zwischen Methos und ihm gab, das wie eine unsichtbare Mauer zwischen ihnen stand. Sie unterhielten sich über dieses Hindernis hinweg, doch keiner von beiden wagte es einzureißen, wobei sie MacLeod als Erbauer und stärkeren Verteidiger dieser Mauer vermutete.
„In der Regel," sie pausierte einen Moment, bevor sie mit einem Grinsen fortfuhr. „War das meine einzige Alternative... bis Methos mit den Tampons da war." Es dauerte etwas, bis diese Information in Duncans Gehirnwindungen verarbeitet war, und so verzog sich sein Gesicht leicht zeitverzögert. Angewidert reichte er ihr das Handtuch, das sie schnell in der Maschine verschwinden ließ und schloss den Deckel.
„Irgendeine Ahnung, was man da einstellen muss?" fragte sie, während sie das Waschpulver einfüllte. Sie glaubte zwar nicht daran, aber vielleicht half es ja, Duncans Verdacht einfach zu ignorieren. MacLeod, den es wunderte, dass sie dafür überhaupt die richtige Öffnung gefunden hatte, riet ihr zu einem 30-Grad-Schonprogramm, in der Meinung so am wenigsten Schaden anzurichten.
„Würdest du es mir sagen, wenn es so wäre?" ließ er dennoch nicht locker. Jara bedauerte es, dass die Maschine sofort angesprungen war und sie sich nun wohl oder übel mit dem Schotten auseinandersetzen musste.
„Nein." meinte sie gerade heraus. Es verwunderte ihn wie sie es dabei schaffte ihm geradewegs in die Augen zu sehen. „Allerdings frage ich mich gerade, wie du darauf kommst." Duncan verzog unangenehm berührt das Gesicht.
„Äh..." stockte er. „Vielleicht kenne ich Methos besser, als du?" mutmaßte er nicht sonderlich überzeugend, was ihm einen mehr als skeptischen Blick einbrachte. Er hatte da etwas angefangen, von dem er nicht wusste, wie er weitermachen sollte. „Vielleicht ist er nicht immer der nette Kerl von nebenan gewesen... "
„Und?" fragte sie, als wäre Duncans Anschuldigung von keinerlei Bedeutung.
„Und? Ist das alles, was dir darauf einfällt?" erwiderte der Schotte entgeistert. „Hast du überhaupt verstanden was ich gerade gesagt habe?"
„Ja." meinte sie unbeeindruckt. „Aber ich sehe dein Problem nicht."
„Interessiert es dich denn gar nicht, wer er ist?"
„Meintest du nicht viel eher 'war'?" Sie schüttelte den Kopf. „Es interessiert mich allerdings wirklich nicht sonderlich. Menschen verändern sich, Duncan. Zuweilen trifft das auch auf Unsterbliche zu... gewisse Schotten vielleicht mal ausgenommen..." entgegnete sie. Mac überhörte diese Anspielung geflissentlich.
„Du weißt es also? Du kennst seine Vergangenheit?"
„Methos ist vieles gewesen, so wie die meisten von uns."
„Und was ist er so alles gewesen?" Nein, Duncan, so einfach werde ich es dir nicht machen.
„Arzt, Senatsmitglied, Ratsherr ...sogar Bauer. Letzteres allerdings nicht sehr lange ..." Jara grübelte. „Hm ... nur Mönch ... Mönch war er noch nie. Er ist mit den Kerlen gern um die Ecke gezogen, weil ihr Bier es ihm angetan hatte, aber ich glaube die Sache mit der Enthaltsamkeit, Armut und das Zeugs hat ihn davon abgehalten, das Ganze wirklich ernst werden zu lassen."
„Das klingt ja fast nach einem Heiligen." Jara glaubte Sarkasmus aus Duncans Stimme zu hören. Ein Schatten hatte sich in seine Augen gelegt - eine Mischung aus Wut und Enttäuschung. Oh oh, war Klein-Methos wohl unartig gewesen?
„Auch Heilige haben Blut an ihren Händen. Methos ist... war vielleicht einfach nur zur falschen Zeit am falschen Ort..."
„Ja, so kann man das wohl auch sehen." grummelte Duncan so bitter wie Galle in sich hinein. Jara betrachtete ihn musternd. „Würdest du auch so reden, wenn er es gewesen wäre, der dir..." MacLeod zögerte plötzlich. Ein ängstlich fragender Blick durchbohre Jara. Ein Teil von ihm erwartete - ja forderte, dass sie bejahte, damit er endlich Klarheit hatte, damit er ihn endlich und endgültig verdammen konnte. Ein anderer Teil von ihm wünschte sich nichts sehnlicher, als dass sie verneinte, damit die Kluft zwischen Methos und ihm nicht noch größer wurde, denn sie war schon tief genug. Er wollte hören, das Methos ein Mensch war, der in seine Weltanschauung hineinpasste und der es wert war, Freund genannt zu werden. Jara fiel es schwer ein Grinsen zu unterdrücken, denn sie spürte wie Mac innerlich mit sich kämpfte und zuckte letztendlich nur mit den Schultern.
„Was geschehen ist, ist lange her, Duncan. Wen interessiert es schon, wer er war oder nicht war ... Soviel ist seither passiert, soviel hat sich seither geändert, so viel ist vergessen..." erwiderte sie mit steinerner Mine.
„Du willst mir doch nicht einreden, dass du es wirklich vergessen hast, was dir passiert ist?" Jara lächelte müde.
„Ich werde nie vergessen." lenkte sie ein. „Aber es ist Windhauch, Duncan. Nur noch Windhauch."
„Windhauch?" Es stand dem Schotten deutlich ins Gesicht geschrieben, dass er keine Ahnung hatte, was Jara gerade meinte.
„Für dich besteht die Welt aus schwarz oder weiß. Was ist eigentlich richtig und was ist falsch? Was ist schon gut oder böse? Worte, denen wir Bedeutung geben. Sie sind nicht mehr, als das was wir darin sehen. Ich habe zu viel erlebt, um nicht zu wissen, das Dinge, die gestern noch richtig waren, schon heute oder morgen nicht mehr stimmen."
„Aber das rechtfertigt das doch noch lange nicht." setzte Duncan energisch entgegen. „Es muss einfach Grenzen geben..." Jara schüttelte den Kopf und lachte bitter auf, doch Duncan konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, dass auch etwas Belustigung durchklang.
„Nein Duncan." Ihre Augen fingen seinen Blick ein und hielten ihn fest. „Es gibt keine Grenzen - hat nie welche gegeben."
„Das kann nicht dein Ernst sein, oder!" widersprach ihr Duncan fassungslos. Er konnte nicht glauben, dass Jara solch eine Einstellung vertreten konnte.
„Wir ziehen selbst unsere Grenzen, MacLeod, und sie verändern sich ständig."
„Aber ..." Jara winkte mit einer Hand ab.
„Ich erwarte nicht, dass du das verstehst... noch nicht..."
„Aber was Methos getan hat..."
„...mit dem muss er leben." Sie schnaubte leise. „Er braucht einen Freund und keinen erhobenen Zeigefinger."
„Und wenn ich das nicht kann?"
„Würdest du diese Freundschaft einfach wegwerfen, nur weil du dich nicht damit abfinden kannst, was er war?" Jara sah ihn musternd an. „Ja, das würdest du wohl!" Duncan versetzte ihre Feststellung einen Stich durchs Herz, vor allem deshalb, weil es der Wahrheit so nahe war. Er hatte versucht, es zu verdrängen, aber in letzter Zeit, kam es immer öfter wieder hoch. „Ist - war - sein - könnte. Zeit ist für Unsterbliche wie uns bedeutungslos. Was für Methos aber nicht bedeutungslos ist, ist seine Freundschaft mit dir." Mac betrachtete sie eingehend.
„Hat er dir das gesagt?" Jara schüttelte den Kopf.
„Nein, das brauchte er mir nicht zu sagen."
„Ich werde es nie gutheißen können..."
„Das hat er auch nicht von dir verlangt, oder?" Nun war es an Duncan, den Kopf zu schütteln. Methos hatte ihn nicht einmal darum gebeten es zu verstehen, sondern hatte lediglich auf seine Akzeptanz gehofft, von der er wusste, dass Duncan sie ihm wohl nicht entgegenbringen würde.
„Aber wie kann ich das alles auf sich beruhen lassen, mit dem, was ich weiß?" fragte MacLeod unsicher.
„Bist du wirklich so unfehlbar? Keine Ahnung, wie es mir dir steht, aber ich kann nicht gerade behaupten, dass ich in all den Jahrhunderten keine Fehler gemacht hätte."
„Fehler, die du bereust?" Jara biss sich auf die Unterlippe und zog die Augenbrauen nach oben, zuckte aber dann nur mit den Schultern. Duncan hasste diese Art von Antwort.
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Cassandra lief dick eingepackt durch die verschneiten Straßen. Verflucht, was machte sie überhaupt hier? Die Sache ging ihr weit mehr an die Nerven als gedacht. Eine Horde Straßenkids, die gerade lautstark die Straße kreuzten und dabei den Verkehr etwas durcheinander brachten, riss sie aus ihren Gedanken. Gesindel, dacht sie abwertend. Uninteressiert ging sie weiter, nur um festzustellen, dass diese Nichtsnutze den gleichen Weg einschlugen. Die plärrenden Stimmen, die einigen der anderen Passanten dumme Sprüche zuwarfen oder um Geld anpumpten, kamen näher. Cassandra blieb an einem der Obststände stehen und kaufte ein Pfund Orangen, als sie sich plötzlich von den Jugendlichen umgeben sah.
„Hey, haste mal 'nen Dollar?" fragte einer der Jungen mit einem abgebrochenen Schneidezahn. Cassandra ignorierte ihn und zahlte ihre Ware, doch die Jugendlichen ließen nicht locker.
„Hey, Lady. Nur'n Dollar, dann biste uns los. Hast doch genug Kohle, oder?"
„Verschwindet!" rief der Obsthändler ärgerlich.
„Wie du meinst, Meister!" rief der Junge kess, riss Cassandra ihren Geldbeutel aus der Hand und rannte davon, seine Clique hinter ihm her. Cassandra, die noch versuchte ihn festzuhalten, wurde angerempelt und stürzte zu Boden. Bis sie sich mit Hilfe des Obsthändlers, der seinen Stand nicht wegen der Verfolgung der Kids aufgeben wollte, wieder aufgerafft hatte, waren diese mit Cassandras Geld über alle Berge. Sinnlos, ihnen jetzt noch hinterherzulaufen. Na wenigstens war nichts Wichtiges dabei gewesen. Ihre Papiere und noch etwas Geld waren sicher in ihrer Handtasche verstaut. Wütend über die Welt, sich und ihre Dummheit, wischte sie den Matsch von ihrem Mantel, schnappt sich missgelaunt die Orangen und stapfte davon. Früher hätte man ... ja früher ... Ungeduldig winkte sie dem ersten Taxi, das gerade vorbei fuhr und das zu ihrem Erstaunen anhielt. Träge zogen die grauen Häuserwände an ihr vorbei. Gelangweilt betrachtete sie die vorbeieilenden Menschenmassen, während sie an der Ampel warteten. Ein kleines Cafe mit großen Glasscheiben zog ihre Aufmerksamkeit auf sich. Erst wusste sie nicht genau, warum, doch dann traf sie fast der Schlag. Davor stand Juliette und schlürfte scheinbar eher lustlos aus einem Pappbecher an einem Getränk. Cassandra warf dem Fahrer einen Zehn-Dollar-Schein hin, sprang aus dem Taxi und wäre um ein Haar fast von einem anderen Auto überfahren worden, das quietschend bremste. Gerade noch rechtzeitig konnte sie sich auf den Bürgersteig retten, während der Mann im Auto ihr einige Schimpfwörter an den Kopf warf und verärgert weiterfuhr. Einige Passanten, die stehen geblieben waren, um dieses kleine Fiasko mitzuerleben, gingen weiter, da nichts Aufregendes mehr zu passieren schien. Sie war schon so nah an dem Mädchen, dass sie offensichtlich gar nicht bemerkt hatte, packte es am Arm und riss es herum.
„Juliette..." doch dann stockte sie. Das rothaarige Mädchen war nicht Juliette, sie sah ihr - abgesehen von den Haaren - nicht einmal ähnlich. Aber sie war sich doch so sicher gewesen. Sie war sich sogar so sicher gewesen, dass sie nicht einmal bemerkt hatte, dass das vertraute Kribbeln ausgeblieben war. Erschrocken blickte das unbekannte Mädchen sie an.
„Hey, was soll'n das?" blökte das Mädchen im breitesten Straßenslang.
„Entschuldigung!" stammelte Cassandra verwirrt und stolperte davon.
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„Gab es Anzeichen eines gewaltsamen Todes?" Einen Moment blickte Kilroy Kincaid irritiert an.
„Naja ... wenn zwei verkohlten Leichen nicht Anzeichen genug sind, was dann?" erwiderte er sarkastisch und brachte damit Kincaid dazu, die Stirn zu runzeln.
„Was ich eigentlich meinte ist, ob beide schon tot waren, bevor das Feuer ausbrach."
„Nein, dafür gibt es nach Aussage der Gerichtsmedizin keinerlei Anhaltspunkte. Bei der zweiten Person handelt es sich um eine Frau, die bisher jedoch noch nicht identifiziert werden konnte. Dafür gibt es aber ganz andere Neuigkeiten. Ich bin sicher, Ihnen sagt der Name Paul Lehrmann etwas."
„Allerdings." erwiderte Kincaid. „Er ist der stellvertretende Projektleiter bei den Ausgrabungen."
„'War' wäre in diesem Falle richtiger." meinte Kilroy. „Denn Lehrmann ist einer der beiden Toten."
„Bitte? Was macht Lehrmann in Washington."
„Eine gute Frage, die beantwortet werden will."
„Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass jemand den Brand gelegt hat um seine Spuren zu verwischen?"
„Spurentechnisch gesehen gibt es dafür keinerlei Anhaltspunkte. Aber wenn man den Rest zusammenzählt, wäre das keineswegs abwegig. Lehrmann hatte als Projektleiter jeglichen Zugang zu allen Informationen und wäre damit der perfekte Komplize für den Überfall gewesen. Was sagt es uns also, wenn er nun tot ist?"
„Das jemand nicht teilen wollte?" mutmaßte Kincaid.
„Und was bitte? Die meisten Artekfakte sind noch nicht verkauft und auch nicht in den Händen eines Dritten, sonst hätten wir sie nicht gefunden, oder?"
„Der Punkt geht an Sie, dennoch fehlen zwei Stücke."
„Wissen Sie schon etwas über noch nicht gefunden Artefakte? Es wäre hilfreich zu wissen, wie wertvoll diese Stücke sind."
„Nein, Zo'or kann oder will sich dazu nicht äußern. Ich werde morgen mit Da'an zusammentreffen. Vielleicht erfahre ich dann Genaueres."
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Die beiden Unsterblichen zögerten einen Augenblick, als sie die Anwesenheit eines Anderen ihrer Art spürten, betraten aber dennoch die Bar. Die Chance war groß, das es MacLeod sein würde, was sich auch bewahrheitete. Nur ein weiterer Gast war noch in der Bar. Joe deutete seinen Freunden an, dass er den Mann auch bald vor die Tür setzten würde, während er sich hinter die Theke begab, um ein paar frische Biere zu zapfen.
„Kann ich einen Buschmills haben?" fragte sie Joe, als er servierte. Der musterte sie eindringlich und setzte sich schließlich.
„Kein Alkoholausschank an Jugendliche unter achtzehn, ich würde sonst meine Konzession verlieren. " Methos betrachtete verwundert seinen Freund bevor er in einen Lachkrampf unterging. Jara hingegen schien über diesen Scherz wenig begeistert, grinste aber schließlich breit und stand auf.
„Nun, dann werde ich ihn mir wohl selbst hohlen müssen. Schließlich will ich den Wirt meines Vertrauens nicht dazu anstiften so etwas Illegales zu tun, als unerlaubter Weise Alkohol auszuschenken, zudem - hinter der Bar darf ich mich in meinem jugendlichen Alter ja aufhalten, oder?" Noch bevor Joe etwas erwidern konnte, war sie schon auf dem Weg zum Tresen.
„Wenn ich es nicht besser wüsste, könnte man ja vermuten, du willst sie ärgern." meinte Methos, nachdem sie sich wieder halbwegs beruhigt hatten.
„Bedienung!" rief der fremde Mann und sah sich suchend um. Wie es der Zufall wollte, wurde er seiner Meinung nach auch fündig, als Jara, die sich hinter dem Tresen selbst bedient hatte, auf ihrem Rückweg bei ihm vorbeikam. Jara blieb stehen und betrachtete den Mann, bevor sie sich entschloss, genau das zu sein, was der Mann von ihr erwartete.
„Haben Sie noch einen Wunsch, Sir?" fragte sie zuvorkommend. „Wir schließen bald." Die drei Männer hatten sich ob dieses Zwischenfalls erstaunt umgedreht.
„Ich habe viele Wünsche, aber für den Moment würde mir ein Tequilla vollauf genügen." grinste der Mann verschmitzt. Jara nickte freundlich und brachte dem Gast das Gewünschte mit einer Sicherheit, als wäre sie hier daheim.
„Du brauchst nicht noch zufällig eine Bedienung Joe?" fragte Mac, der zusah, wie Jara das Geld entgegennahm und ihm ein freundliches „Auf Wiedersehen" hinterher nickte, als der Mann die Bar verließ.
„Ich wusste gar nicht, dass du über so versteckte Qualitäten verfügst." meinte Joe, als sich Jara wieder zu ihnen setzte. Jara zuckte nur verschwörerisch mit den Augenbrauen, während Methos ein ‚Du weißt so manches nicht' durch den Kopf ging.
Als die vier Freunde die Bar verließen, bemerkte niemand den Mann, der auf der anderen Straßenseite tief verborgen im Schatten eines Hauseingangs wartete. Die fröhliche Runde löste sich schnell auf und während Mac und Joe im schwarzen Oldtimer davonbrausten, schlenderten Methos und Jara die Straße hinab. Der Mann folgte den beiden unauffällig. Wenn er etwas konnte, dann jemanden beschatten ohne dass dieser es merkte - schließlich war er von den Besten unterrichtet worden. Ihre Worte trug der Wind nur noch als leises, unverständliches Murmeln zu ihm. Es dauerte eine ganze Weile, ehe das Pärchen in einem der Häuser verschwand, die von außen zwar nicht gerade einladend aussahen, aber von innen geradewegs das Gegenteil darstellten, denn in dem Viertel, in dem sie sich befanden, waren die Wohnungspreise so hoch, wie sonst ein ganzes Haus. Der Mann wählte seinen Beobachtungsplatz mit Bedacht...
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"Duncan war heute hier." sagte sie beiläufig, während sie ihn auf ihren Ellenbogen gestützt anblickte.
„Und?"
„Er weiß recht viel über die Offenbarung, oder?"
„Hä?" Jara begann spöttelnd eine schlechte Imitation von Bonanza zu pfeifen.
„Argh... leider..." grummelte er sichtlich genervt. „Hat er etwas darüber gesagt?"
„Würde ich es sonst erwähnen? Wie hat er es überhaupt erfahren?"
„Durch Zufall..."
„Wieviel weiß er?"
„Zuviel."
„Nicht von mir."
„Das fehlte noch." entfuhr es Methos, der das fehlende 's' überhört hatte. „So wie ich Duncan kenne, wäre er sofort losgezogen, um mich zu..." Ihre dunklen kalten Augen glitzerten ausdruckslos im trüben Licht. Der Hauch eines traurigen Lächelns flog über ihr Gesicht, wie er es noch selten gesehen hatte.
„Wäre das so falsch?" Methos Kopf schnellte nach oben, ob ihrer Frage.
„Wenn du mich loswerden willst... dort ist die Tür, ich hab dich nicht hergebeten!" fauchte er gereizt.
„Und wohin soll ich dann gehen?" fragte sie mit einem hinterhältigem Lächeln. „Zu Duncan?"
„Tu, was du nicht lassen kannst..." Es dauerte seine Zeit, bis sie etwas erwiderte.
„Du weißt, dass ich das nie tun würde!" Er musterte sie lange.
„Ja." meinte er resigniert. „Schließlich hattest du deine Gelegenheiten und hast es nicht getan... wenn ich auch keine Ahnung habe, warum."
„Bist du dir da so sicher?"
„Was? Das du es nicht getan hast?" Er schwieg einen Augenblick, so als müsste er überlegen. „Ich lebe noch..."
„Das meinte ich nicht..." Methos blickte sie nachdenklich an...
Reiterlager - Bronzezeit
Ihr Herr schwamm auf sie zu, während ihre Augen ihm folgten. Zum aller ersten Mal seit sie seine Sklavin war, machte sich auf ihrem Gesicht ein zufriedenes und vielleicht ein kleinwenig stolzes Lächeln breit. Sie selbst hatte ihm das Schwimmen beigebracht und dabei etwas an ihrem Herrn entdeckt, was ihr bislang fremd gewesen war. Es war nur allzu deutlich, dass es ihm ungemein schwer viel, jenes Unvermögen vor ihr zuzugeben, geschweige denn, sich diese Fertigkeit von ihr lernen zu lassen. Es war sein Sturkopf und eine ungewöhnliche Geduld, die ihn dazu angetrieben hatten. Vielleicht hatte es aber auch etwas damit zu tun, das niemand sonst davon wusste - weder seine Brüder noch die anderen Sklaven im Lager. Es war ein Geheimnis, dass die beiden verband und ihn in ihren Augen, von jenem gottgleichen Status zu einem Menschen verwandelte. Er kam langsam näher und beobachtete sie, so wie sie ihn beobachtete. Nichts Feindseliges lag in seinem Blick. Es war als hätte der Fluss seine Arroganz und Wut weggespült. Sie senkte dennoch ihren Blick und erst als er sie wiederholt mit Wasser bespritze, sah sie auf. Seine Augen funkelten amüsiert mit spielerischer Herausforderung als seine Hand ihren Knöchel streifte.
„Warum kommst du nicht rein?" Er vermochte es, es so klingen zu lassen, als hätte sie wirklich eine Wahl. Langsam rutschte sie vom Stein, auf dem sie saß in das kühle Wasser. Er war ihr so nahe, dass ihr Körper den seinen streifte, doch er fasste sie nicht an.
„Lass uns ein kleines Wettschwimmen machen – bis zum anderen Ufer." schlug er vor und erstaunte sie damit. „Glaubst du, du kannst mich schlagen?"
„Herr?" fragte sie abwartend. Für einen endlosen Augenblick geschah nichts, doch sie wagte sich nicht zu bewegen, genausowenig wie sie es wagte, ihn anzusehen. Ein ungewollter Schauder durchlief sie, als seine Hand sanft über ihr Haar glitt. Sie war so an die grobe und rücksichtslose Art ihres Herrn und seiner Brüder gewohnt, um etwas anderes zu erwarten und nahm diese seltene gutmütige Berührung dankbar an. Zart schob er einen Finger unter ihr Kinn und hob ihren Kopf, doch noch immer war ihr Blick unterwürfig gesenkt. Er musterte sie eingehend. „Schau mich an!" befahl er. Nur zögernd wagte sie ihm in die Augen zu sehen. Zärtlich fuhr er mit der Rückseite seines Fingers über ihre Wange und verweilte dann wieder unter ihrem Kinn. Langsam zog er sie näher und küsste sie sanft. Mehr aus Reflex erwiderte sie den Kuss scheu und machte sich bereit für einen weitaus gröbere Fortsetzung des Ganzen. Wieder küsste er sie, seine Zunge bewegte sich suchend in ihrem Mund, spielte mit der ihren, diesmal vermochte sie den Kuss nicht zu erwidern. Unzufrieden schob er sie ein Stück von sich. Sie erwartete seine Hand, die ihr Gesicht nun nicht mehr so sanft berühren würde, umso erstaunter war sie über seine nächsten Worte.
„Solltest du gewinnen, hast du einen Wunsch frei, solltest du allerdings verlieren..." Dieser Vorschlag war so ungewöhnlich, dass sie im ersten Moment nicht wusste, wie sie darauf reagieren sollte. Ihm gefiel die Verwirrung, die ihr nur allzu deutlich ins Gesicht geschrieben stand. Ohne eine Antwort von ihr abzuwarten stürzte er sich zurück in die Fluten und schwamm los. Sie stand noch einen Augenblick völlig perplex da, bevor sie sich anschickte ihm zu folgen. Es war nur ein weiteres seiner makaberen Spiele, doch sie war sich nur allzu schmerzlich bewusst, was er tun würde, würde sie sich nicht darauf einlassen. Sie legte es nicht darauf an zu gewinnen, denn es war mehr als wahrscheinlich, dass sie ihren Herrn dadurch mehr als erzürnen würde, aber sie wollte auch nicht verlieren, denn die Folgen konnten dann genauso unangenehm sein und so erreichen sie das gegenüberliegende Ufer zur gleichen Zeit. Schwer atmend lagen sie nebeneinander im Sand, als sich Methos auf seinen Unterarm stützte und sie ansah, ohne dass etwas Bedrohliches von ihm ausging.
„Wer hat nun den Wunsch frei?" fragte er sie. Sie wusste nur zu gut, was er wollte, nur das er es sich diesmal anscheinend nicht mit Gewalt holen würde. Zumindest nicht, wenn sie ihm nachgab... aber wollte sie das wirklich? Es würde das letzte Stück von ihr selbst sein, dass er noch nicht besaß und sie hatte nicht vor, es ihm zu überlassen. Sie begrüßte die kühle Ruhe, die sich in ihr breit machte und die sie in den letzten Monaten immer öfters verspürt hatte. Die Gedanken an Rache waren längst von etwas anderem ausgelöscht worden, doch erst jetzt begriff sie, dass es kalte Berechnung war, die an ihre Stelle getreten war. Sie hatte viel von ihrem Herren gelernt und vielleicht wurde es Zeit, sie mit ihren eigenen Waffen zu bekämpfen. Dieser Gedanke entlockte ihr ein ungewolltes Lächeln.
„Ich!" flüsterte sie leise zu ihrem eigenen und Methos Erstaunen. Sie richtete sich ein wenig auf und küsste ihn zaghaft auf den Hals und schließlich auf den Mund. Er öffnete leicht seine Lippen und ließ dem Spiel ihrer Zunge freien Lauf. Erst als ihre Küsse fordernder wurden, erwiderte er sie. Sie spürte sein abwartendes Verlangen. Sanft legte sie ihre Hand auf die seine und führte sie zu ihrer Brust. Sein Kopf sank herab und sein Mund wanderte über ihren Oberkörper. Sie durchwühlte mit ihren Finger sein langes Haar. Der Unterschied zwischen der Wärme seines Mundes und seiner rauen Hand ließ sie erschaudern. Mit Erstaunen spürte sie seine Zunge auf ihrer Haut und seine Hände, die sanft über ihren Körper fuhren, als wäre sie zerbrechlich. Sie war wie ein Ertrinkender auf der Suche nach Wasser, doch ihr Wasser war die Zärtlichkeit und Zuneigung ihres Herrn, die er ihr nun überschwänglich zukommen lies. Sie vergaß weder wer er war, noch was er ihr angetan hatte und trotzdem flehte sie in Gedanken darum, dass er nicht aufhörte. Sie sehnte sich nach seinen zärtlichen Berührungen. In ihr keimte etwas, dass sie für Leidenschaft hielt. Forschend entkleidete sie ihn, während ihre verschlungen Körper nach jeder Lust bereitenden Berührung schrieen. Eher zurückhaltend drang er in sie ein und bewegte sich langsam vor und zurück. Sie schlang ihre Beine um ihn und drückte in so fester an sich. Sie genoss die Hitze, die er in ihr hinterließ. Ihr Becken begann unkontrolliert zu zucken und sie hob sich ihm entgegen. Ihr ganzer Körper stand unter quälend süßer Spannung und sie wusste nicht, ob sie darum flehen sollte, dass er sie erlöste. Sie wollte ihn weiterhin in sich spüren, damit dieses Verlangen niemals endete.
Er konnte den Blick nicht von ihr nehmen, es war, als versuchten diese Augen ihn festzuhalten. Die Welt um ihn herum schrumpfte zusammen und hörte schließlich auf zu existieren. Er verlor sich im unergründlichen Dunkel ihrer Augen, stürzte hinab in die Finsternis, die keinen Schrecken sondern nur Geborgenheit barg. In diesem Moment bäumte sie sich zitternd auf und brachte ihn so noch etwas tiefer in sich. Auch nur die kleinste Bewegung ließ Schauer des Glücks durch sie laufen, bis sich schließlich - zu ihrem Bedauern - ihre Muskeln erlösend entspannten. Beide sanken erschöpft zurück in den Sand. Sie konnte und wollte ihn nicht aus der festen Umklammerung ihrer Beine entlassen. Keuchend starrten sich die beiden an. Sie küsste ihn abermals. Völlig unerwartet, drehte sie ihn plötzlich auf den Rücken. Mit offener Verwunderung beobachtete er, wie sie die Führung übernahm und erstaunte sich selbst, in dem er es zuließ. Die sachte Bewegung ihrer Hüften nahmen ihm den Atem. Er wollte tiefer in sie eindringen, doch mit dem Mut der Leidenschaft verwehrte sie es ihm und bewegte sich weiter stimulierend auf ihm. Seine Hände streichelten Ihre Schenkel und Brüste. Erst als sie spürte, das er es nicht mehr viel länger ertragen konnte, senkte sie sich herab und nahm ihn ganz in sich auf. Es war das erste Mal, dass er einer Frau ... einer Sklavin gewährte, ihm auf solche Weise zu dienen, gleichzeitig war es ihm bewusster denn je, dass er nicht gewährte, sondern sie nahm. Während sein Geist damit haderte, was er da in ihr bemerkte, sprach sein Körper in diesem Moment der höchsten Erregung etwas völlig anderes. Mit langsamen kreisenden Bewegungen trieb sie ihn immer weiter, zogen sich die Muskeln in ihrem Inneren in einem Rhythmus zusammen, dass er schier verrückt wurde. Ihre Finger kratzten über seine Brust und hinterließen rote Streifen. Seine Hände langen nun fest auf ihren Hüften. Sie beugte sich vor und presste sich fest an seine Rippen, ohne auch nur für einen Augenblick ihre Bewegungen zu unterbrechen. Er spürte ihre Brüste auf seiner Haut und ihre Zunge in seinem Mund. Ihm war es unmöglich, sich noch länger zurückzuhalten. Mit einem Schrei, den ihr Mund erstickte, erreichte er seinen Höhepunkt. Doch sie dachte nicht daran, ihn sich seiner Erlösung hingeben zu lassen und machte weiter. Er kam ein zweites Mal und erst als er sich das dritte Mal in sie entleerte, spürte auch sie eine tiefe Befriedigung. Erschöpft sank sie neben ihn in den Sand und betrachtete seinen Brustkorb, der sich atemlos hob und senkte. Was dann geschah, hätte sie nie für möglich gehalten. Seine Hand legte sich Besitz ergreifend auf ihre Brust, unter der ihr Herz raste. Sein Bein schob sich zwischen die ihren. Neben und doch halb auf ihr liegend, seufzte er müde, fuhr mit dem Finger über ihre Brust und war kurze Zeit später eingeschlafen. Lange Zeit ruhten ihre Augen auf der schwarzen Mähne ihres Herrn, der seinen Kopf an ihrer Brust gebettet hatte. Sie genoss es, dass langsamer werdende Schlagen seines Herzens zu spüren, seinen ruhigen gleichmäßigen Atem, der warm ihre Haut berührte und die kalte leere Ruhe in ihr. Es war so einfach gewesen, diese Grenze zu überschreiten. Zu einfach. Es war nur ein Spiel, ein Spiel an dem sie gelernt hatte Gefallen zu finden. Zärtlich strich sie ihm eine Strähne aus dem Gesicht.
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Kilroy blätterte gelangweilt in einer Broschüre, die ihn über die neusten Kochrezepte belehrte. Warum konnte in diesem Wartezimmer nicht wenigstens eine halbwegs vernünftige Zeitschrift liegen. Entweder ging es über Krankheiten, Mode, Fitness oder Kochrezepte, nicht zu vergessen waren auch die sagenumwogten Einrichtungsmagazine. Er war in seinem Leben schon oft bei Ärzten gewesen, doch die Zeitschriftenauswahl schien sich im Gegensatz zur Medizin keinen Schritt weiter zu entwickeln. Genervt klappte er das Heft zu und ging zum Fenster. Der Platz vor ihm war gefüllt mir Menschen. Die Sprechstundenhilfe rief den nächsten Patienten auf. Immer noch drei vor ihm ... verflucht! Er hatte momentan wahrlich Besseres zu tun, als sich hier herzusetzen und Däumchen zu drehen. Einige Kinder dort unten begannen sich mit dem wenigen, relativ matschigen und schmutzigen Schnee, den das städtische Schneeräumteam übrig gelassen hatte, zu bewerfen. Ein Schneeball flog weit über das Ziel hinaus und traf eine Frau, die Arm in Arm mit ihrem Ehemann oder Freund gerade des Weges kam. Irgendwie erwartete er, dass sie schimpfen würde, als die nasse Matschkugel einen dunkeln Dreckfleck auf ihren Mantel hinterließ. Stattdessen beachtete sie dieses Übel nicht, bückte sich und warf blitzschnell eine Matschkugel zurück auf die ‚Angreifer', Damit war eine Schlacht im vollen Gange. Auch ihr Begleiter beteiligte sich nun am Geschehen und erntete dafür ein großes ‚Hallo' seitens der Kinder. Bereits nach kurzer Zeit sahen die beiden Erwachsenen wie zwei Dreckspatzen aus und zogen offensichtlich vergnügt kichernd weiter. Kilroys Gedanken schweiften zu Lehrmann. Zwei Wochen waren seit dessen Beerdigung vergangen und er war keinen entscheidenden Schritt weiter. Ortega, der Hauptsicherheitsverantwortliche bei der Ausgrabung, war erst erstaunt über seine Anfrage gewesen und dann schockiert, als er den Grund dafür hörte. Nein, nichts außergewöhnliches, hatte Ortega gesagt. Lehrmann hatte den Urlaub schon seit ein paar Monaten beantragt. Soweit Ortaga wusste, wollte Lehrmann Verwandte in den Staaten besuchen. Zumindest wusste Kilroy nun, dass dies wohl nicht der einzige Grund für den Urlaub gewesen war, aber an sich brachte ihn das keinen Schritt weiter. Schier unendliche Zeit später verließ Kilroy die Praxis. Fröhlich vor sich hinträllernd sprang er, immer mehrere Stufen auf einmal nehmend, die Treppe hinunter, riss die Tür auf und ging eilig hinaus ... wollte hinausgehen, denn eine Frau stand im Eingang des Arzthauses und versperrte ihm den Weg. Beide stolperten übereinander zu Boden. Kilroy rappelte wieder auf. Die Frau schlug seine dargebotene Hand aus und kämpfte sich selbst wieder hoch. Irgendwoher kannte er diese Frau, doch ihm wollte partout nicht einfallen woher.
„Hey, Mann, schauen Sie mal, was Sie mit meinem Mantel gemacht haben! Können Sie nicht ein bisschen aufpassen? Das hier ist ein Hauseingang und keine Rennstrecke." schimpfte sie.
„Tut mir leid."
„Tut Ihnen leid? Sie rennen mich hier in Grund und Boden und dann sagen Sie nur, das es Ihnen Leid tut?" Cassandra war eigentlich nicht wütend wegen der Flecken, sondern weil sie erst überfallen worden und dann auch noch einem Phantom nachgejagt war, doch das konnte sie diesem Mann vor sich ja schlecht an den Kopf werfen und so musste ihre Wut ein anderes Ventil finden.
„Was anderes kann ich nicht sagen." maulte er unwirsch zurück. So eine hysterische Tante war jetzt nichts für seine Nerven.
„Na, Sie haben aber die Freundlichkeit auch nicht für sich gebucht. Sagen Sie mir lieber, wie ich diese Dreckflecken wieder rauskriege."
"Hier meine Karte. Schicken Sie mir die Rechnung der Reinigung."
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Der säuerliche Duft einer Orange ließ ihn irritiert von seiner Schnitzerei aufblicken. Ein junges Mädchen stand in der Tür und schnitt mit spielerischer Langsamkeit Kerben in die Schale der Frucht. Lautlos wie eine Katze, hatte sie sich Einlass in das Haus verschafft und es kostete ihn Mühe, sich seine Überraschung nicht anmerken zu lassen.
„Du bist unachtsam geworden," rügte sie ihn mit spöttisch hochgezogener Augenbraue.
„Ich wusste, das du es bist..." Ihr sanftes besserwissendes Kopfschütteln ließ ihn verstummen, denn beide kannten die Wahrheit.
„Wie lange bist du schon da?" fragte er. Er wäre mehr überrascht gewesen, wenn er ihr Eintreffen bemerkte hätte, dennoch ärgerte es ihn jedes Mal aufs Neue.
„Zu lange, um nicht beachtet zu werden..." meinte sie gleichmütig und kam näher. Beide standen sich einen Moment lang schweigend gegenüber, bevor er sie stürmisch umarmte und ihre Lippen mit einem langen Kuss verschloss. Die Orange und das Messer vielen auf den Boden.
„Willst du mich ersticken?" flüsterte sie amüsiert und begann ihn aus seinen Kleidern zu schälen. Einige Stunden später saßen beide entspannt in der kleinen Badewanne, während ihre geschickten Hände gekonnt seinen Rücken massierten.
„Es war gut, dass du mich sofort informiert hast." meinte sie.
„Ich dachte nicht, dass dir je so ein Fehler unterlaufen würde..."
„Gegen Zufälle bin selbst ich nicht gefeit. Aber da ist nichts, das sich nicht wieder korrigieren ließe. Hast du alles so arrangierst, wie ich es dir gesagt habe?"
„Ihr Diener." erwiderte er mit freundschaftlichem Spott.
„Gut." Sie stieg unvermittelt aus der Wanne, so als ob das alles war, was sie hören wollte.
„Warum tötest du ihn eigentlich nicht einfach?" stoppten sie seine Worte. „Was hast du vor?"
„Nichts, dass sich zu wissen lohnen würde." Zu ihren Füßen bildete sich eine größer werdende Pfütze.
„Du meinst es ist besser für mich, wenn ich es nicht weiß..." Seine Stimme zeichnete einen enttäuschten Unterton.
„Ganz und gar nicht, es ist nur... nun ja... besser, wenn du es nicht weißt..." meine sie mit einem Augenzwinkern.
Südamerika 1993Es war ein leises Knarren, das ihn aus seinem ohnehin leichten Schlaf riss. Allerdings schenkte er dem Geräusch wenig Beachtung, denn das alte Haus hatte sein eigenes Leben. Er lauschte dem Zirpen der Insekten, dem entfernten Fauchen und Kreischen in den Bäumen, das Rascheln im undurchdringlichen Dickicht des Dschungels. Nur das silbrige Licht des Mondes erhellte das Zimmer. Schweiß lief in regelrechte Sturzbäche seinen Körper hinab. Der Deckenventilator, der sich träge durch die feuchte Luft schob, konnte der Hitze der tropischen Nacht nicht das Geringste anhaben. Ein Griff zur Flasche auf dem Nachttisch - doch die war leer. Mürrisch warf er sie in die Ecke des Zimmers, wo sie in tausend Stücke zersprang. Sein Blick fiel auf die Frau an seiner Seite, die ihn, geweckt vom Geräusch der zerbrechenden Falsche, ängstlich anblickte.
„Verschwinde" knurrte er mit ausgedörrter Kehle und versetzte ihr einen nicht gerade liebevollen Stoß in die Seite. „Und sieh zu, dass du was Trinkbares auftreibst!" Als hätte sie nur darauf gewartet endlich von ihm fort zu kommen, stand sie hastig auf, schlüpfte in ein schäbiges zerrissenes T-Shirt, das sie vom Boden fischte und verließ das Zimmer. Mit einer gewissen Befriedigung registrierte er ihren furchtsamen Blick, bevor sie die Tür eilig hinter sich schloss, als wollte sie sich vergewissern, dass er ihr nicht folgte. Zu fügsam um wirklich amüsant zu sein, gestand er sich ein und drehte sich gelangweilt herum. Morgen würde er das Land aufs Neue durchstreifen, auf der Suche nach etwas Frischem. Seine Hacienda umfasste mehrere tausend Hektar und so wie der Boden gehörte ihm auch die Frau, mit der er sich heute Nacht vergnügt hatte. Niemand hinderte ihn daran, sich zu nehmen, was und wen immer er wollte, denn als Gutsbesitzer war er der Herr über die Bauern auf seinem Grund. Sein Wille war Gesetz, dem man sich lediglich unterwerfen konnte und selbst das war kein Schutz vor seiner Willkür. Die Menschen respektierten und fürchteten ihn, waren doch jene, die es nicht taten, durch seine Hand ein abschreckendes Beispiel geworden, es ihnen nicht gleichzutun. Wieder lauschte er in die Nacht. Ein Mosquito surrte um seinen Kopf und er schlug genervt nach ihm.
„Verdammt wo bleibst du?" schrie er unvermittelt mit gereizter Ungeduld, denn er war es nicht gewohnt auf etwas zu warten. Die darauf folgende ereignislose Stille trug nicht dazu bei, seinen ohnehin leicht entfachbaren Jähzorn zu besänftigen. Dieses kleine Stück Dreck war wirklich zu nichts zu gebrauchen... Wutentbrannt stand er auf, schlang sich einen Sarong um seine Hüften und stürmte aus dem Zimmer.
Mit Schwung drückte er die Tür auf, so dass diese krachend and die Wand schlug und trat in das helle Licht der Küche ein, wo er abrupt stoppte. Ein hünenhafter Mann stand in der hell erleuchteten Küche, dass Gesicht von einem großen Hut verdeckt. Ein leises Klicken war zu hören, ehe der Mann aufblickte. Eine Zigarette erklomm in seinem Mundwinkel und schickte einen dünnen Rauchschleier gen Decke, während er das Benzinfeuerzeug langsam in seine Tasche steckte. Sein wettergegerbtes Gesicht zierte ein strubbeliger Bart über dem zusammengekniffene graue Augen hervorstachen, die ihm ein argwöhnisches Aussehen verliehen. Seine Kleidung war abgetragen, schmutzig und vom Schweiß durchnässt, während die Waffe im Schulterholster und das Gewehr auf dem Tisch einen absolut gepflegten Eindruck hinterließen. Die beiden Männer musterten sich schweigend. Keiner der beiden schien beunruhigt über die Anwesenheit des anderen. Ein lautes Klirren lenkte ihre Aufmerksamkeit auf die Frau, die erschreckt über sein rabiates Erscheinen ein Glas hatte fallen lassen. Das grelle Neonlicht zeigte mit brutaler Grausamkeit, was die Nacht zuvor verborgen hatte und machte deutlich, dass das Vergnügen der vergangenen Stunden reichlich einseitig gewesen war. Fügsamkeit bedurfte manchmal ziemlich schlagkräftiger Argumente. Entsetzt blickte sie erst auf die Scherben, dann auf ihn, als wäre er ein Dämon aus der Hölle. Hastig bückte sie sich hinunter um die Scherben aufzusammeln.
„Sie ist zurück..." sagte Ortega unbeteiligt, ohne die Frau überhaupt zu beachten.
„Ist sie das!" Es war mehr eine ärgerliche Feststellung als eine Frage. Ortega antwortete nicht darauf, schließlich kannte er Koren gut genug. Der ließ die Frau am Boden nicht aus den Augen und ging nun langsam auf sie zu. Sein Zorn wich einer all zu vertrauten Gier, die gestillt werden wollte. Die Nacht versprach eine gewisse Abwechslung... Eine der Glasscherben zerbarst mit einem unangenehmen Knirschen auf dem dunklen Steinboden als er darauf trat. Die Frau wagte nicht aufzusehen, ihre Hand verharrte zitternd, wo sie war.
„Du hast etwas zerbrochen, was mir gehört."
„Es tut... mir leid." stammelte sie schluchzend. Nahezu gnädig streichelte er ihr sanft über den Kopf, als wollte er ihr sagen, dass es nicht so schlimm war. Keinen Augenblick später, packte er unvermittelt ihre Haare und rammte ihr Gesicht brutal in die Scherben am Boden. Sie schrie auf als sich die messerscharfen Kanten in ihre Haut bohrten. Doch seine Hand drückte sie umbarmherzig nur noch fester hinunter. Er war neben ihr in die Hocke gesunken.
„Nein, dass tut es nicht" säuselte er mit zärtlich leiser und dennoch unheilvoller Stimme. „...noch nicht." Ein grausames Lächeln spielte um seine Lippen.
„Es wird bestimmt nicht wieder vorkommen." jammerte die Frau unter Schmerzen. „Ich werde dafür bezahlen..."
„Allerdings." lachte er kalt, denn ihm war gerade eine gute Idee gekommen. „Ich werde dich lehren, mit fremdem Eigentum etwas verantwortungsvoller umzugehen. Eine Lektion, die du nie vergessen wirst!" Ortega folgte dem Ganzen scheinbar unbeteiligt, denn auch er hatte seine Lektion vor langer Zeit gelernt. Er wusste, dass es besser war sich nicht einzumischen und so rauchte er in Ruhe weiter und machte sich schließlich daran, sich einen frischen Kaffee aufzubrühen, so als wäre er allein in der Küche.
„Du wirst dieses Glas essen!" forderte Koren die Frau auf. „Bis zum letzten Stück... und dann können wir uns noch mal darüber unterhalten, ob so etwas noch mal vorkommt."
„Nein!" entfuhr es der Frau entsetzt und sagte damit genau das Falsche. „Bitte nicht!"
„Nein?" Sein Spott war nicht zu überhören. „Du wirst tun, was ich dir sage, wenn ich es dir sage. Ich dachte, das hättest du heute Nacht schon begriffen!" Die Frau weinte und flehte, bettelte ihn an, doch er blieb unnachgiebig und riss sie an den Haaren hoch. Gemächlich hob er eine der Scherben auf und hielt sie ihr an den Mund, den sie fest verschlossen hielt.
„Oh nicht doch..." säuselte er. Mit einer schnellen Handbewegung fuhr er ihr mit der Scherbe durch das linke Auge. Wiederum erfüllte ihr Schrei die Küche. Klare Flüssigkeit mischte sich mit dem Blut das ihr Gesicht hinab lief. „Willst du das zweite auch noch verlieren?" fragte er spöttelnd. „Du kannst tun, was ich dir sage oder dich wehren, nur um dann doch zu tun, was ich sage." Tränen der Hoffnungslosigkeit rannen über ihr Gesicht, denn sie wusste, zu was er fähig war und dass sie ihm nicht entkommen würde... Sie atmete zittrig aus, schmecke das Blut in ihrem Mund. „Sie es als deine Chance an, meine Kleine." meinte er spielerisch. „Vielleicht überlebst du es, was garantiert nicht passieren wird, wenn ich nachhelfen muss." Ihr ganzer Körper bebte als sie langsam begann, das zu tun, was er von ihr verlangte. Der Duft frischen Kaffees mischte sich mit dem Geruch ihres Blutes. Es war faszinierend mit anzusehen, dass ein Mensch vor einem anderen Menschen mehr Angst hatte, als vor seinem eigenen Tod... denn auf das würde es wohl unweigerlich hinauslaufen. Die Frau war nicht die einzige, die Koren auf diese Weise fürchtete und diese Furcht war keineswegs unberechtigt. Stück für Stück zwang er ihr das messerscharfe Glas hinunter. Irgendwo auf dieser Welt mochte es Leute geben, die die Kunst verstanden, Glas unverletzt zu essen - die Frau gehörte nicht zu diesen Glücklichen. Korens Hand war noch immer in ihr Haar gekrallt, sein Gesicht nur wenige Zentimeter von dem ihren entfernt, als würde ihm sonst etwas entgehen. Er liebte den Geruch von Angst, konnte ihr Blut förmlich schmecken, saugte ihre Qual auf, als wäre es sein Lebenselixier. Mit jedem Schrei, mit jeder Scherbe war der Genuss vollkommener geworden. In seinen Augen loderte etwas, dass man leicht mit Wahnsinn verwechseln konnte, es aber bei weitem nicht war. Es dauerte schier unendliche Zeit, bis die Scherben unter Tränen und Schreien in ihrem Inneren verschwunden war. Es war erstaunlich, dass die Frau noch lebte, geschweige denn noch bei Bewusstsein war, bei den Strömen von Blut. Nachdenklich drehte ihr Folterer, das letzte Stück des Glases - den dicken Boden an dessen Rand die Zacken gefährlich aufragten - in seinen blutigen Fingern hin und her. Die Frau war dem Tod bereits näher als dem Leben und verlor dadurch rapide an Unterhaltungswert.
„Ich glaube, du hast da etwas, dass mir gehört..." meinte er mit spöttelnden Singsang und riss sie erneut hoch. Mit einem Lächeln im Gesicht rammte er ihr das Glas in den Magen. Er genoss ihren neuerlichen Schmerz, die Überraschung in ihren Augen. Immer wieder drehte er aufs Neue das Glas, so dass es sich langsam tiefer in ihren Körper grub. Noch bevor sie tot war, verlor er endgültig sein Interesse an ihr und ließ sie in die größer werdende Blutlache fallen. Der Mann stand immer noch da, unberührt von dem Geschehen und zündete sich eine neue Zigarette an der alten an. Koren erhob sich, als wäre die Frau und die vergangenen Minuten nicht existent.
„Wo ist sie?" fragte der, ohne sich um das Blut an seinen Händen zu kümmern.
„Sie sagte, sie wolle ein Bad nehmen..." Ohne ein weiteres Wort verließ Koren die Küche, nicht ohne vorher nach einem der langen Küchenmesser zu greifen. Ortega zog kräftig an seiner Zigarette und ließ dann langsam den Rauch aus seinen Lungen strömen. Sein Blick fiel auf die Frau, oder das was von ihr übrig war, ohne sie wirklich zu sehen. Seine Gedanken waren bei jemand anderem. Warum? War das wirklich die Frage, oder war es vielmehr die Gewissheit, dass nicht er der Grund dafür war. Viel irritierender war allerdings das Eingeständnis, dass alles so war, wie es wohl sein musste. Er griff nach seinem Gewehr und ging. Ein leises Stöhnen, veranlasste ihn sich noch einmal umzudrehen. Sie war noch immer nicht tot. Langsam ging er zurück, achtete darauf, nicht in das Blut zu treten. Es gab nichts mehr, was er hätte zu können. Vielleicht war das ihr Schicksal gewesen, vielleicht...
„Er wird dir nie wieder etwas tun!" flüsterte er ihr mit ruhiger Stimme ins Ohr und brach ihr das Genick.
Das Plätschern des Wassers verstummte und wurde durch ein leises Summen abgelöst. Das plötzliche Gefühl der Anwesenheit eines anderen seiner Art, erfüllte ihn. Katzengleich, das Messer hinter dem Rücken verborgen, näherte er sich der offenen Tür, durch die sich dass goldene Licht zweter Kerzen ergoss, nur um ein weiteres Mal zu verharren. Er wusste, dass sie ihn spürte, dennoch drehte sie sich nicht um, sondern fuhr fort, sich langsam, nahezu gelangweilt zu entkleiden, als hatte sie ihn noch nicht wahrgenommen. Was er nicht wusste, war, ob er sie für ihren Mut bewundern oder für ihre Dummheit bestrafen sollte. Wie konnte sie sich sicher sein, dass er es war? Wie konnte sie sich sicher fühlen, wenn er es war? Seine Augen hafteten an den Rundungen ihres Körpers, der nicht mehr Kind und noch nicht Frau war, während ihn warme Erregung durchflutete. Er schätzte ihre Perfektion in diesem Spiel. Die offene Tür, die Kerzen, ihre Gelassenheit als erwarte sie ihren Liebhaber. Aber vielleicht war es genau dass, was ihn an ihr reizte - sie war Jungfrau und Hure zugleich. Bedächtig zögernd, um ihm genügend Zeit zu geben, seinen Blick an ihr zu weiden, stieg sie in die Wanne. Das Prickeln in seinem Nacken war immer noch da und zog ihn zu ihr. Es war mehr als eine kleine Spielerei zwischen den beiden, der keineswegs ein Geheimnis anhing. Das Kribbeln, das einen ihrer Art ankündigte und die Sinne so sehr schärfte, wirkte wie Kerosin, das man in ein erwachendes Feuer goss. Es bedurfte lediglich des Mutes, sich diesem Gefühl hinzugeben. Lautlos betrat er das Zimmer. In der Luft hing zwischen Schmutz, Schweiß und Pferd der schwache Duft von Zitrusfrüchten. Nicht einmal als die scharfe Klinge des Messers ihren Hals berührte, zuckte sie zurück und machte ihm nur umso bewusster, wie ähnlich sie ihm in manchen Dingen war. Zugleich erfüllte ihn dieser Gedanke mit Zorn. Glaubte sie tatsächlich, sie konnte ihm das Wasser reichen? Sie war womöglich amüsanter als andere, aber nicht mehr... oder? Ohne dem Messer auch nur die geringste Beachtung zu schenken, lehnte sie sich ein wenig nach vorne, legte ihre Arme um die angezogenen Beine und bettete den Kopf auf ihren Knien. Noch immer hatte sie ihn keines Blickes gewürdigt. Ihr Schweigen und ihre beharrliche Nichtbeachtung, reizten ihn nur umso mehr, denn er kannte sie gut genug um zu wissen, was sie ihm zu geben bereit war und was er sich darüber hinaus nehmen musste. Die Grenze dazwischen verlangte jedes Mal aufs Neue bestimmt zu werden. Langsam ließ er die flache Klinge spielerisch ihren Rücken hinab- und wieder hinauf gleiten, nur um im letzen Moment die Klinge zu drehen und ihr einen Schnitt zuzufügen. Amüsiert hörte er, wie sie kurz aber scharf die Luft einzog. Die Wunde war nicht all zu tief und würde schnell verheilen; lediglich eine kleine Gedächtnisstütze, wer hier mit wem spielte, bevor er - wenn auch nur für kurze Zeit - bereit war, sich ihrem Spiel hinzugeben. Bedächtig legte er das Messer beiseite, küsste die Stelle an der er sie eben noch verletzte hatte und begann dann, sie mit einer Zärtlichkeit zu massieren, die man einem Mann wie ihm nicht zugetraute. Seine blutigen Hände hinterließen rote Schlieren auf ihrer Haut. Ihre verspannten Muskeln schmerzten unter seiner Berührung und doch versprach genau diese die Linderung. Sie hörte auf seinen Atem, ließ sich treiben, genoss das Schweigen, das nichts Peinliches, sondern nur Intimität in sich barg. Das nicht abklingende Kribbeln des Unsterblichen hinter ihr mochte so manchen beunruhigen, doch sie hüllte sich darin ein, wie in eine warme Decke.
„Willst du mir nicht sagen, wo du dich die letzten zwei Wochen rumgetrieben hast?" Auf seine unvermittelte Frage erhielt er lediglich ein Schnurren, dass zwischen Ja und Nein so ziemlich alles heißen konnte.
„Ich werde meine Frage nicht wiederholen!" meinte er drohend.
„Schau in meine Tasche, dann weißt du es." erwiderte sie mit weicher Stimme. Er packte ihre Tasche und verstreute deren Inhalt ungeduldig auf den Boden. Was dann zum Vorschein kam, überraschte sogar ihn, so dass er ein leises Fluchen ausstieß. Er musterte das Bild eingehend.
„Betrachte es als Geburtstagsgeschenk." meinte sie.
„Woher zum Teufel wusstest du es?"
„Was? Das du Geburtstag hast?" Keineswegs mehr zärtlich riss er ihren Kopf an den Haaren zurück. Sie spürte seinem Atem auf ihrer Haut, ließ die Augen jedoch geschlossen.
„Hör auf mit deinen Spielchen... bist du so vergesslich?"
„Nicht in den wirklich wichtigen Dingen..." Ein leises Lächeln spielte um ihre Lippen.
„Weiß er es?"
„Er weiß, dass du lebst, aber er ist nicht mehr der selbe..."
„Ich wusste es." fauchte er verärgert. „Dieser verdammte Hurensohn ist weich geworden."
„Warum interessiert es dich plötzlich, was mit ihm ist?"
„Weil er mein Bruder ist und Brüder kümmern sich umeinander."
„So wie du dich um mich kümmerst?" fragte sie mit einem kalten Lächeln. Es war mehr als eine Einladung, als sie in der großen Wanne etwas nach vorn rutschte. Ein nicht gerade freundliches Zähnefletschen machte sich in seinem Gesicht breit und er entließ sie aus seinem harten Griff. Später hatte er immer noch Zeit, sie deswegen zu fragen. Später würde sie ihm antworten. Später... er spürte schon, wie die Wut in ihm aufstieg und er wollte sie sich erneut greifen, doch dann schwenkte er plötzlich um. Das kleine Intermezzo in der Küche hatte seine Blutgier für heute gestillt und sie würde für einen passenden Ausklang der Nacht sorgen. Mit diesem Gedanken ließ er sich gemächlich hinter ihr in die Wanne sinken. Das Wasser war weder warm noch kalt, sondern angenehm erfrischend in der Hitze der Nacht. Sie lehnte sich zurück, kuschelt sich mit ihren Rücken an seine Brust, versank in seiner Umarmung. Allein der sanfte Druck ihres Hinterteils, das sich zwischen seinen gespreizten Beinen mehr als anzüglich bewegte, ließ ihn in genießerischer Langsamkeit die Luft einziehen. Seine Hände wanderten über ihren Körper und ließen ihre Haut brennen. Langsam fuhr er ihr mit der einen Hand durch das Gesicht, nur um die andere zwischen ihre Schenkel wandern zu lassen... Sie öffnete die Lippen, liebkoste jeden Finger, ließ ihre Zunge durch die Reste des daran klebenden Blutes gleiten, als wäre es eine Köstlichkeit. Noch immer hatten sie keinen Blick gewechselt. Noch immer war es ihr Zusammentreffen zwischen ihnen, das sein Verlangen nur umso mehr anheizte. Seine Zähne vergruben sich in ihrem Nacken und ließen sie wie eine Katze schnurren. Seine Berührungen wurden fordernder, denn letztendlich konnte und wollte er hier und jetzt, was ihm zustand. Ihr war durchaus bewusst, dass sie ihn nicht länger hinhalten sollte, war aber vielleicht genau deswegen versucht, es zu tun. Nur ein wenig länger, sagte sie sich. Nur ein wenig länger, bevor sie sich aufs Neue seinen drängenden Willen hingeben würde... er war ein Teil von ihr und war es nicht, war es immer gewesen, konnte es nie sein, würde es immer bleiben, durfte es nicht sein... Noch immer hatte sie ihn nicht angesehen...
Es war bereits spät am Morgen als ihre Lippen ihm einen Kuss auf seine Brust hauchten, bevor sie aufstand. Grummelnd über die unerwünschte Störung drehte er sich verschlafen herum. Mit halb geöffneten Augen beobachtet er, wie sie sich gemächlich eine abgetragene Leinenhose und ein Hemd aus dem Schrank holte. So manch einer hätte diesen von unzähligen Narben gezeichneten Körper vielleicht abstoßend gefunden oder aber sie vielleicht bemitleidet, doch er vermochte keines von beiden, sondern fühlte sich erregt, schließlich hatte sie einiges davon ihm zu verdanken. Keineswegs verlegen über seine unverhohlene Musterung, zog sie sich an.
„Ich glaube nicht, dass ich dir erlaubt hätte, aufzustehen!" Sie störte sich nicht an dem gefährlichen Unterton. Ihr Blick streifte seinen muskulösen Körper, der nur halb von einem dünnen Leinen bedeckt war. Auch seine Haut trug die Spuren früherer Kämpfe und während sein markantes wettergegerbtes Gesicht, nichts von alle dem Preisgab, kannte sie das Biest darunter. Es schien als wollte die lange schlecht verheilte Narbe über seinem rechten Auge genau das in alle Welt hinausschreien. Hunderte von Jahren kannte sie ihn nun... eine lange Zeit für einen Menschen... ein kurzer Moment für eine Unsterbliche... ein Hauch für sie... er war kein sonderlich liebevoller Mensch und doch...
„Ich werde mir jetzt erst mal was zum frühstück machen. Willst du auch was?"
„Allerdings!" knurrte er. „Dich! Hier! Im Bett!"
„Zuviel der Ehre." meinte sie unbeeindruckt. „Ich habe einen Bärenhunger."
„Nach heute Nacht und deiner flinken Zunge?" Sein mehr als zweideutiges Grinsen war nahezu schmierig. Die böse Bemerkung, die ihr auf besagter Zunge lag, schluckte sie hinunter, wie so manch anderes und grinste stattdessen schief.
„In einer halben Stunde gibt's ein ausgereiftes Frühstück. Komm oder lass es bleiben - mir gleich." Damit war sie auch schon zur Tür draußen. Er sah ihr etwas ungläubich hinterher und fragte sich, ob er sie sofort oder erst später für diese Frechheit verprügeln sollte. Nach einem lauten Grummeln seines Magens, entschied er sich aber dann dafür, dass sie womöglich recht hatte. Auch wenn sie sich seinem Willen bisweilen beugte und ihm dienstbar war, hatte sie dennoch ihren eigenen Kopf und war trotz aller Strafe und Demütigung die Einzige, die sich nicht in hündischer Ergebenheit unterwarf. Warum ließ er sie also am Leben? So ganz wusste er das wohl auch nicht. Vielleicht war es, weil sie es vermochte mit seinem Willen auf solch geschickte Weise am Rand des Abgrunds zu balancieren - ein Drahtseilakt zwischen Selbstaufgabe und Selbstbestimmung. Ihm war durchaus bewusst, dass ihre Worte im gegenüber stets mit Bedacht gewählt waren und dennoch schaffte sie es irgendwie, trotzdem unumwunden auszusprechen, was sie zu sagen gedachte, selbst wenn sie ihm damit manchmal sogar widersprach. Nichts, was er ihr je angetan hatte, hatte daran etwas ändern können. Er dachte daran wie gierig sie das Blut an seinen Händen aufgesogen hatte. Er wusste, dass sie die Fähigkeiten, den Mut und vor allem die Kälte besaß ohne Rücksicht auf die Konsequenzen das zu tun, was nötig war oder besser gesagt, was er für nötig hielt... An sich das perfekte Instrument... Und dennoch... ja, dachte er mit einem geistigen Schnauben, und dennoch...
„Mea culpa... ich bin einfach zu neugierig." meinte er. Es war als wäre der Tag, an dem sie Ortega zum ersten mal in Händen hielt noch gar nicht so lange entfernt, doch seitdem hatte sich viel geändert. Aus dem Kind war ein Mann geworden, aus einem Feind ein loyaler Diener. Ortega kannte die Wahrheit über seine Familie, doch es kümmerte ihn nicht. Sein Gewissen war Geld, seine Gefühl Gier, seine Leidenschaft Jara.
„Vielleicht..." erwiderte sie mit einem sehr zweideutigen Grinsen. Mit einem Ruck zog er sie näher zu sich und küsste sie hart, bevor sie zurück zu ihm in die Wanne glitt.
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Wie in Sturzbächen strömte der Regen auf die Metropole herunter und verwandelte sie in einen trüben grauen Moloch, dessen Kanalisation mit den Wassermassen zu kämpfen hatte. Immer wieder erhellten Blitze die dunkle, von Neonlichtern durchbrochene Nacht. Mit hochgeschlagenen Kragen schickte sich Methos an nach Hause zu kommen, als ihn ein vertrautes Kribbeln streifte. Für den Bruchteil einer Sekunde konnte er hinter angelaufenen Fensterscheiben ein verschwommenes Gesicht ausmachen, doch dann war das Taxi durch den Regenschleier schon weitergefahren. Erleichtert stellte er fest, dass wer immer es gewesen sein mochte, ihn im Dunkel der Bäume bestimmt nicht ausgemacht haben konnte. Ein nahes Donnergrollen rollte heran und Methos legte einen Zahn zu um schnellstmöglich ins Trockene zu kommen, als erneut ein prickelndes Gefühl, dass seinen Rücken hinunter lief, ihn zusammenzucken lies. Verdammt, man hatte ihn also doch gesehen. Methos fluchte in einer alten Sprache.
„Salam aleikum..." Methos erstarrte, als er die männliche arabische Stimme hörte, drehte sich aber schließlich, mit einem umwerfenden Lächeln auf den Lippen, langsam um.
„Aleikum salam." erwiderte er die Begrüßung. Ohne ein weiteres Wort zog der Araber ein großes orientalisches Krummschwert. „Äh... waren wir nicht gerade bei ‚Salam'?" versuchte sich Methos in fließendem arabisch aus dem drohenden Kampf herauszuwinden.
„Allerdings. Ich bringe den Frieden... dir und der Welt."
„Vorschlag: Lass mich da raus und konzentrier dich auf die Welt. Ich werd dir auch nicht im Weg stehen..."
„Es wird Zeit, dass du Buße tust."
„Ach ja... und für was?"
„Ich habe lange darauf gewartet, dem letzten der Vier gegenüberzutreten. " Methos Herz setzte einen Moment aus. Er hatte gewusst, dass es sich irgendwann einmal rächen würde, dass er sich von Kronos abgewandt hatte, schließlich könnte er heute mit seinen drei Brüdern die Welt regieren anstatt diesem Mann alleine gegenüberzustehen... aber das war wohl ein Fehler, der sich nicht ungeschehen machen ließ.
„Ich glaube du verwechselst mich."
„Die Hexe irrt sich nicht."
„Hexe?" Seine Begeisterung erlangte einen neuen Tiefstand. Verflucht welchen Schwachkopf hatte er da vor sich?
„Cassandras Offenbarung!" Das Schwert kreiste in seiner Hand. „Kämpfe und werde zu dem, was du seit langer Zeit sein solltest -ein Mythos!"
„Ich will nicht kämpfen..." aber er wollte auch nicht sterben und das war der springende Punkt. Resigniert stieß er die Luft aus. Es war mehr als offensichtlich, dass sein Gegner nicht sehr kompromissbereit war, wenn es um die Frage eines Kampfes ging. Als seine Hand den Griff des Ivanhoes umfasste, das er unter dem Mangel trug, viel es ihm schwer sein Zittern zu verbergen. Ein flaues Gefühl machte sich in der Magengegend breit.
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Kilroy machte es sich in Kincaids Sessel bequem, während er auf seinen Vorgesetzen wartete. Sein Blick fiel auf den Karton mit den wenigen Sachen, die das Feuer mehr oder minder überstanden hatten. Mehr aus Langeweile öffnete er die Schachtel. Etwas Schmuck, einige Papiere und eine Geldbörse. Nichts wirklich Interessantes. Sein Global piepte. Soeben wurden ihm die Photos von Lehrmanns Beerdigung übertragen. Zwar war er selbst bei der Beerdigung anwesend, dennoch ließ er es sich nicht nehmen, sich aufmerksam Bild für Bild anzusehen. Nein, auch hier war nichts zu finden. Er wollte gerade sein Global wieder schließen, als irgendetwas am letzten Bild seine Aufmerksamkeit erregte. Nun wusste er, woher ihm die Frau so bekannt vorgekommen war, mit der er zusammengestoßen war. Er hatte sie flüchtig bei der Beerdigung der Lehrmanns gesehen, zudem hatte damals ein schwarzer Schleier ihr Gesicht fast verhüllt.
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Jara schlug erschreckt die Augen auf, als sie den Buzz spürte. Ein Schlüssel drehte sich im Schloss. Sie wusste, dass ihr Gegner sie noch nicht spürte - eine Gabe, die sie schon oft zu ihrem Vorteil zu nutzen verstand. Kurze Zeit später klapperten die Schlüssel auf dem kleinen Tischchen im Flur und sie entspannte sich, denn wer sonst außer Methos würde seine Schlüssel so durch die Gegend werfen? Methos erstarrte kurz, als er das vertraute Kribbeln wahrnahm. Jara hatte sich (wieder einmal) bei ihm eingenistet, nicht ganz gegen seinen Willen, wie er zugeben musste.
„Warum legst du dir eigentlich nicht mal eine eigene Wohnung zu?" grummelte er genervt ohne ihr ‚Hallo' zu beachten, legte sein Schwert beiseite und stampfte missmutig in die Küche. Beim Kühlschrank angekommen griff Methos sich ein Bier und öffnete es. Er kümmerte sich nicht weiter darum, dass der Kronkorken eine geriffelte Linie an der Tischkante hinterließ und sog gierig an dem köstlichen Getränk, das seine Kehle erfrischend hinunter rann. In einem Zug war die Flasche geleert. Jara stand da und beobachtete ihn nachdenklich schweigend. Seine schmutzige Kleidung, die erschöpft hängenden Schultern und der Ausdruck seine Augen, sagten ihr mehr als sie wissen wollte.
„Diese verfluchte Hexe!" fauchte er ärgerlich. „Wenn ich sie erwische, dreh ich ihr den Hals rum!"
„Hexe?" fragte Jara mehr als skeptisch, so als würde sie an Methos Verstand ehrliche Zweifel hegen.
„Ja." grummelte er missmutig. „Hexe – das ist sie."
„Geht's auch in ganzen Sätzen?"
„Da hat Cassandra mir doch gerade einen Eunuchen auf den Hals gehetzt, nur wegen einen kleinen Malheur vor ein paar tausend Jahren."
„Sowas nennt man nachtragend, hm?" Methos hasste Jaras gespielte Fürsorge.
„Das ist keineswegs witzig. Der Kerl war das kleinere Problem..."
„Ich nehme an dein 'kleines Malheur' ist das wirkliche Problem."
„Allerdings. Aber es dürfte schwer werden, es los zu werden."
„Warum?"
„Da gibt es eine kleine Unwägbarkeit..."
„Unwägbarkeit?" Sie musterte Methos streng. „Sag mal was haben die mit dir heute gemacht? Das war doch nicht dein erster Fehler... Kampf... was auch immer..."
„Ja, schon, aber... vielleicht kannst du mir ja helfen..." Methos verfiel in Schweigen.
„Vielleicht sagst du mir erst mal, wer dein Malheur ist?" schlug Jara vor.
„Eine Freundin von Duncan." meinte er nach einer längeren Denkpause.
„Oh... das ist in der Tat ein Malheur, allerdings weiß ich nicht, wie ich dir da helfen kann."
„Wirklich nicht?" fragte seine sanfte Stimme, die gleichzeitig ein bösartiger Unterton zeichnete.
„Ich werde mich nicht zwischen dich und Duncan stellen, falls du darauf abzielst. Deine dreckige Wäsche waschen ist das Eine, aber deine Drecksarbeit erledigen, steht auf einem völlig anderem Blatt."
„Ich glaube das Blatt heißt in deinem Fall Kontoauszug, oder?" Jara sah ihn plötzlich überaus grimmig an. Ohne ein weiteres Wort drehte sie sich um und verschwand wieder im Schlafzimmer. Sie schlüpfte aus seinem T-Shirt, das sie getragen hatte und zog ihre Sachen an.
„Du willst gehen?" fragte er. Sie drehte sich um.
„Du weißt verdammt gut, dass..." setzte sie an, aber dann sah sie etwas in seinen Augen aufblitzen, das sie nur zu gut kannte. „Vergiss es einfach." winkte sie schließlich verärgert ab. Sie versuchte sich an ihm vorbeizudrücken, doch Methos packte sie fest am Arm und riss sie grob herum.
„Tztztz." tadelte er sie kopfschüttelnd. „Ich werde nichts vergessen..."
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Sachte klopfte Kincaid an Da'ans Bürotür.
„Oh, Major Kincaid." begrüßte ihn der Taelon, dessen Gesicht augenblicklich aufstrahlte, beim Anblick des in letzter Zeit so seltenen Gastes. „Was führt Sie hier her?"
„Zo'or bat mich, ihre terminlichen Verpflichtungen mit ihnen zu besprechen damit geeignete Sicherheitsvorkehrungen getroffen werden können.
„Hat er das?" frage Da'an.
„In gewisser Weise." meinte Liam und schenkte dem Taelon ein entschuldigendes Zucken der Augenbrauen. „Allerdings" fuhr er schnell fort. „habe ich auch noch ein paar Akten auf den Tisch bekommen, die ich gerne mit Ihnen besprochen hätte. Vielleicht könnten Sie später noch etwas Zeit für mich erübrigen - es würde mir sehr weiterhelfen." Der Taelon lächelte.
„Ich nehme an, es geht um die Artefakte."
„Unter anderem." gestand Kincaid.
„Dann schlage ich vor, wir sprechen erst darüber. Die Sicherheitsvorkehrungen können warten." meinte Da'an. Liam war sich nicht sicher, ob er beunruhigt oder erfreut sein sollte, dass Da'an offensichtlich gewillt war, sich darüber zu unterhalten. In kurzen Sätzen informierte er den Tealon über den Stand der Dinge.
„Um was handelt es sich bei den beiden Artefakten, die noch fehlen, eigentlich?" fragte Liam schließlich, als er seine Ausführungen beendet hatte.
„Ich bedaure sagen zu müssen, dass ich mir da keineswegs sicher bin. Nach dem momentanen Stand der Forschungen handelt es sich dabei lediglich um eine Art Landkarte und ein zerbrochenes Behältnis, in dem sich laut alter Aufzeichnungen ein Kristall befunden haben soll. Dieser wurde aber bisher nicht gefunden. Was mich wirklich daran beunruhigt, ist die Tatsache, dass sich... unsere gemeinsame Bekannte... dafür offensichtlich interessiert."
„Damit schließen wir Rachgier aus, oder?"
„Sie wären nicht hier, würden Sie das glauben, oder?"
„Leider. Aber was für eine Bedeutung haben diese Artefakte für sie?"
„Fragen Sie sie, wenn Sie sie sehen." erwiderte Da'an fast beiläufig.
„Ich habe sie seit ihrer Flucht vom Mutterschiff nicht mehr gesehen."
„Ich bezweifle, dass Sie es mir sagen würden, wäre es anders." Liam blicke ihn fragend an. „Sie brauchen mir nichts zu erklären, finden Sie sie lieber."
„Und was dann?"
„Das liegt bei Ihnen..." meinte Da'an.
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