Anmerkung: Danke für eure lieben Reviews! Ich freue mich soo!
D U N G E O N S
Sag' es mir,
Wann wirst du endlich verstehen?
Dass nur, wenn du kapitulierst,
Die Schatten von dannen gehen.
- 4 -
Es war spät in der Nacht, als Ginny ihren Aufsatz für Zaubertränke fertig geschrieben hatte. Sie hatte sich dafür in die Bibliothek geschlichen, in eine versteckte Ecke gesetzt und mithilfe der Bücher versucht, was halbwegs richtiges zu schreiben. Wie fast jede Nacht.
Da sie Zaubertränke nicht mochte und ihr das Fach nicht sonderlich lag, sie in zwei Stunden aufstehen musste und unendlich müde war, bezweifelte sie, dass es ein guter Aufsatz war. Oder gar ein annehmbarer. Aber das war ihr gleich. Hauptsache, sie bekam ihn rechtzeitig fertig und konnte ihn bei Snape abgeben.
Sie rieb sich die Augen und unterdrückte ein Gähnen. Sie könnte auf der Stelle einschlafen. Es war, als war ihr Kopf mit einem dichten Nebel gefüllt, der ihr das Denken schwer machte.
Anderthalb Wochen war vergangen, seit sie die Unmengen an Strafarbeiten aufgehalst bekommen hatte und sie war vollkommen fertig. An den Abenden am letzten Wochenende hatte sie wieder bei Snape assistieren müssen. Sie hatte erneut versucht, sinnlose Gespräche anzufangen, weil sie niemals lange schweigen konnte, aber er hatte ihr verboten zu reden.
Die täglichen Aufsätze, die sie hatte abliefern müssen, waren alle schlecht gewesen und bei jeder Abgabe eines neuen Aufsatzes hatte er sie wegen dem vorherigen gerügt. Er hatte gesagt, dass, wenn die zwei Wochen abgelaufen war und sie keine täglichen Aufsätze mehr zu schreiben brauchte, sie die anderen von ihr überarbeiten musste. Jetzt, am Freitag, musste sie zwei Aufsätze abgeben. Den Täglichen und den Wöchentlichen. Einen hatte sie fertig, den anderen würde sie gleich beenden.
Ihre Lider wurden schwer, aber Ginny zwang sich wach zu halten. Sie schrieb halbherzig weiter, bis sie schließlich fertig war. Dann brachte sie die Bücher wieder in die Regale, schnappte sich die beiden Pergamentrollen und ihren Federkiel und huschte hinaus.
Die Korridore waren dunkel und leer. Aber in einem Gang begegnete sie den Poltergeist Peeves. Er entdeckte sie, dann fing er sofort an, laut zu gackern. Ginny fluchte, bog in einen anderen Korridor ein, lief weiter und hörte schon bald die Stimme von Filch.
Oh, nein.
Sie hatte nur drei Möglichkeiten, von denen zwei wegfielen (weiter zu gehen, um Filch über den Weg zu laufen, zurückzugehen, wo Peeves sie ärgern würde). Also blieb ihr keine andere Wahl, als in eine Abzweigung abzubiegen, die hinunter in die Kerker führte. Es war ein Umweg, aber so wurde sie nicht entdeckt.
Die Kerker schienen noch finsterer, als die anderen Korridore. Aber Ginny kannte sich in der Schule gut aus und fand ihren Weg. Als sie sich einmal umschaute, sah sie Mrs Norris. Sie drückte sich hastig in eine Ecke, wartete ab, indem sie langsam bis zwanzig zählte, dann hetzte sie weiter.
Sie bog um eine Ecke und rannte geradewegs jemanden um.
Mit einem Uff landete Ginny auf den Boden, die Pergamentrollen ließ sie fallen, um sich gerade noch rechtzeitig mit den Händen abzustützen. Sie wollte keine Zeit verlieren und schnell wieder aufspringen, als sie von hinten gepackt, herumgedreht und hochgezogen wurde.
Sie sog die Luft ein, da wurde sie auch schon gegen die Wand gestoßen; Hände lagen schwer auf ihren Schultern.
Ginnys Hände krallten sich in die Roben des anderen; sie wollte ihn von sich stemmen. „Was soll das?", stieß sie erzürnt hervor. „Lass mich los!" Der fremde Körper war gegen sie gepresst und machte ihr das Atmen schwer.
„Sieh ah, sieh an", schnarrte ihr Häscher höhnisch, ohne den Griff zu lockern.
Ginnys Befreiungsversuche froren ein, als sie Snape erkannte.
„P-Professor!", rief sie entsetzt aus.
„Die kleine Weasley. Ist es normal für Sie, nachts durch die Schule zu laufen und andere Leute umzurennen?"
Ginny spürte Frustration. Sie spürte seine Körperwärme. Sie merkte aber nicht, wie ihre Hände noch immer in seiner Robe gekrallt waren. Die Müdigkeit war verflogen.
Scheiße.
„Nein, ich... ich schleiche mich sonst nie nachts durch die Schule", versuchte sie sich hastig rauszureden. „Ich war nur in der Bibliothek, um die Aufsätze für Sie zu schreiben."
Snape ließ sie los und trat einen ganz kleinen Schritt zurück; Ginnys Hände waren noch immer im Stoff seiner Robe verfangen.
„Lumos", sagte er und mattes Licht beleuchtete den Korridor.
Ginny sah direkt in seine schwarzen Augen; das blasse, aristokratisch wirkende Gesicht wurde vom Licht sanft erhellt.
„Und wieso schreiben Sie Ihre Aufsätze nicht tagsüber?", wollte er im missbilligenden Ton wissen.
Ginny schnaubte. „Wie denn? Sie haben mir so viele aufgebrummt, ich kann nicht anders, als sie nachts zu schreiben. Wenn ich sie tagsüber schreibe, muss ich die anderen Hausaufgaben nachts schreiben! Dann noch das Quidditchtraining und-"
Snape hob eine Hand. „Wagen Sie es nicht, sich bei mir auszuheulen, Weasley", meinte er; bissiger Spott durchtränkte seine Stimme.
Ginny verengte ihre Augen. Es mochte ihre Müdigkeit sein, die, auch wenn das Mädchen sie gerade nicht verspürte, dennoch da war, die sie so schnell gereizt machte. Sie griff stärker in seine Roben, nur, um ihn wegzustoßen. Snape stolperte einen Meter nach hinten und sie bückte sich, um die Pergamentrollen aufzuheben.
Dann drückte sie diese Snape einfach in die Hand. „Hier, das sind die beschissenen Aufsätze für morgen!", zischte sie. Sie achtete nicht auf ihre innere Stimme, die sie des Wahnsinns bezichtigte und Vernunft hinaufbeschwören wollte. „Und wissen Sie was? Es ist mir egal, ob daran etwas falsch ist! Ich gehe jetzt ins Bett! In einer Stunde muss ich schon wieder aufstehen!"
Ihr Blick sprühte vor Ärger, sie schob sich an Snape vorbei, als er ihr Handgelenk fing und sie stoppte. Er wirbelte sie herum; Ginny blickte in sein finsteres Gesicht.
Sie wusste, sie steckte in Schwierigkeiten. Aber es war ihr überraschenderweise egal. Alles war ihr egal. Sie war müde. Sie war gestresst. Sie bekam kaum noch etwas auf die Reihe, so viel Arbeit hatte sie.
„Sie glauben wohl, dass ich solche Respektlosigkeit dulde, hm, Weasley?", sprach Snape mit ruhigem Ton, in dem eiserne Lauer mitschwang.
„Nein, das glaube ich nicht!", wehrte sie sich. Sie klang böse. „Aber es ist mir egal! Gehen Sie doch zu McGonagall oder gar zu Dumbledore! Oder geben Sie mir noch weitere Strafaufsätze auf, die ich SCHREIBEN MUSS, OBWOHL ICH NICHTS DAVON VERSTEHE!", brüllte sie auf einmal los; ihr Weasley-Temperament ging ganz klar mit ihr durch. „ICH SCHREIBE SEIT TAGEN AUFSÄTZE, OHNE ÜBERHAUPT ZU WISSEN, WAS ICH DA ÜBERHAUPT SCHREIBE UND DAS NUR-"
Snape zog sie hastig zu sich und hielt ihr mit seiner freien Hand den Mund zu. Ginny war gegen ihn gestolpert und hatte ihre Hände gegen seine Brust stemmen müssen, um nicht gegen ihn zu knallen.
Verstört blickte sie ihn an, wollte sich losreißen, aber sein Griff war stärker.
„Verdammt, Weasley, die ganze Schule schläft und Sie brüllen hier herum", zischte er aufgebracht. „Ich lasse Sie los, aber nur, wenn Sie kein Wort mehr sagen, ist das klar!"
Ginny funkelte ihn außer sich vor Zorn an, als sie mit einem Mal von Erschöpftheit übermannt wurde. Bei Merlin...
Sie nickte und Snape nahm seine Hand von ihrem Mund, offenbar jederzeit bereit, sie wieder zum Schweigen zu bringen. Aber Ginny blieb still. Er ließ sie los, maß sie mit einem rätselhaften Blick, atmete tief ein und trat einen Schritt zurück.
„Ich sehe Sie dann heute Abend im Labor", meinte er. Dann war er derjenige, der an ihr vorbei ging, um zu gehen,
Ginny blieb ungläubig stehen, wo sie war und starrte entgeistert in die Leere. Kein Punktabzug? Keine Geschimpfe, keine zynischen Sprüche?
Sie hörte, wie seine Schritte immer leise wurden, je mehr er sich von ihr entfernte.
Was war denn mit Snape los?
Ginny schüttelte voller Unglaube ihren Kopf. Schließlich riss sie sich aus ihrer Regungslosigkeit und lief eilig zum Gryffindorturm.
x
Severus wusste selber nicht so genau, wieso er Weasley nicht das Leben zur Hölle gemacht hatte. Immerhin war sie so rotzfrech geworden, wie es noch kein Schüler jemals zuvor gewagt hatte. Selbst ihre Brüder, die Zwillinge, nicht.
Vielleicht, weil er nicht umhin kam, beeindruckt zu sein. Sicher, es handelte sich dabei um den selbstzerstörerischen Mut, den jeder Gryffindor in den Genen hatte, aber trotzdem... da war etwas, was ihn dazu veranlasst hatte, zu gehen, ohne Weasley mit Hohn und Strafen in die endgültige Verzweiflung zu stürzen.
Es mochte diese Gleichgültigkeit sein, die sie beherrscht hatte. Keine stumpfe Gleichgültigkeit, sondern – paradoxerweise – eine leidenschaftliche. Weasley war es offenbar in jenem Augenblick mehr, als nur egal gewesen, was geschehen würde. Und doch hatte sie die Worte im Zorn geschrieen.
Snape schüttelte leicht den Kopf, in der Hoffnung, diese Gedanken loszuwerden. Er war im Labor, zusammen mit Weasley, und braute einen Zaubertrank.
Die Gryffindor bereitete die Zutaten vor, die er noch benötigte.
Weasley war auffallend still. Sonst plapperte sie jedes Mal, bis er sie harsch zurechtwies.
Ihre Aufsätze hatte sie bisher alle abgeliefert, wenngleich alle überarbeitet werden mussten. Sie gab sich offenbar keine Mühe beim Verfassen der Essays, dabei wusste Severus, dass sie nicht auf den Kopf gefallen war. In allen anderen Fächern erzielte sie recht gute Noten.
Der Gedanke, dass er ihr zuviel aufgehalst hatte, war ihm natürlich schon gekommen, aber er wäre nicht der eiskalte Zaubertrankmeister gewesen, wenn er deswegen ein schlechtes Gewissen empfunden hätte. Diese Göre hatte es sich verdient. Selber Schuld, wenn sie keine Zeit hatte und kaum schlief.
Das Problem war, dass Weasley, wie sie selbst zugeben hatte, nicht verstand – wohl nicht verstehen wollte – was sie in den Aufsätzen schrieb und auch ihre Überarbeitungen kaum besser ausfallen würden.
Dabei waren die Aufsätze eine gute Übung für sie. Wie sollte sie die Prüfungen schaffen, wenn sie sich keine Mühe geben wollte, den Stoff überhaupt zu begreifen? Alles ablehnte, was mit Zaubertränke zu tun hatte?
Aber das hatte Weasley sicher nicht erkannt, dachte Snape zynisch. Wie auch... einmal ein Weasley, immer ein Weasley.
„Sir?", drang ihre Stimme auf einmal an sein Ohr. Sie klang recht neutral. Übermüdet.
Er schaute auf. Weasley kam mit dem Brett herüber, auf dem sie Nebelwurzeln in feine Stücke gehackt hatte. Er hatte ihr zuvor gesagt, dass er diese Zutat gleich brauchen würde.
Severus war überrascht, dass sie es nicht vergessen hatte, ließ sich davon aber nichts anmerken. Er nickte knapp. „Fügen Sie die Zutat hinzu", meinte er, währenddessen er mit seinem Zauberstab im Kessel viermal nach links drehte.
Weasley schüttete die Wurzelstücke in das Gebräu hinzu und blieb dann neben ihm stehen.
Severus rührte nun sechs mal nach rechts.
„Wozu... wozu dient die Nebelwurzel?", fragte Weasley plötzlich. Entgegen ihrem Naturell hatte sie zögerlich und zaghaft gesprochen.
Severus sah sie stirnrunzelnd an. Was ging denn nun auf einmal vor? Dachte sie, sie könne ihn hereinlegen? Nie im Leben konnte er sich vorstellen, dass sie ernsthaft Interesse zeigte.
„Sie haben mir letzte Nacht den Aufsatz gebeben, wo Sie genau das hätten herausarbeiten sollen, Weasley", antwortete er zynisch. „Und für Sie immer noch Sir."
Weasley biss sich auf ihre Unterlippe; in ihren braunen Augen blitzte es zornig auf. Aber dann verglomm die Wut und sie atmete lang aus.
Severus erwartete eine trotzige Antwort, doch sie kam nicht. Weasley wandte sich ab, ging zu ihrem Platz herüber und fing an, die nächste Zutat zuzubereiten. Die Lider hielt sie auf das Brett gerichtet, ihre langen, dichten Wimpern schlugen fast aufeinander, warfen halbmondförmige Schatten auf ihren Wangen und gaben ihr einen unschuldigen Eindruck.
Severus seufzte innerlich und resignierte. „Die Nebelwurzel hat viele heilsame Kräfte. Unter anderem beruhigt sie den Geist und wird für Schlaftränke verwendet. Wie bei diesem hier", gab er eine Kurzfassung ab.
Weasley hatte aufgeschaut. Nun nickte sie, offenbar verstehend. „Und deswegen... und deswegen haben wir vorhin noch die Blätter des Schattengewächses hinzugetan? Weil es die Wirkung erhöht?"
Severus kam aus dem Staunen nicht mehr heraus. Sie schien wirklich interessiert. Und sie hatte wir gesagt.
Er nickte; seine schwarzen Augen waren auf sie gerichtet. „Richtig", sagte er.
Weasley lächelte. Ein Lächeln, das zu ihren Augen empor glitt und dort aufleuchtete. Dann wandte sie ihre Aufmerksamkeit wieder ihrer Arbeit zu.
Severus sah noch einige Augenblicke auf den roten Haarschopf herab, dann schüttelte er sacht den Kopf, als könnte er kaum glauben, was vorhin passiert war, und er konzentrierte sich auf seinen Trank.
Für den Rest des Abend zeigte Weasley Interesse am Brauen des Trankes. Sie stellte Fragen, und weil sie kein übertriebenes Interesse zeigte, noch anfing, herum zu schleimen, sondern schlichtweg Dinge wissen wollte, die ihr völlig unklar waren, erklärte Severus ihr im kühlen, sachlichen Ton die Unverständlichkeiten. Oft ließ er sie selbst die Antwort finden, indem er Gegenfragen stellte und sie Überlegungen anstellen musste, damit sie darauf kam.
Severus merkte nicht, wie die Stimmung sich allmählich lockerte. Er merkte auch nicht, dass er nicht mürrisch darüber war, dass sie redeten. Denn immerhin redeten sie über sein Lieblingsthema. Am Ende, als Weasley ging, lachte sie doch tatsächlich, wenngleich auch nur kurz.
„Wow, es ist das erste Mal, dass ich einen Trank verstanden habe, Sir." Dann schlüpfte sie schnell durch de Tür und verschwand.
Severus sah ihr ein wenig entgeistert hinterher. Das erste Mal? Bei Salazar...
TBC.
Reviews?
