1. Kapitel Intro

„Heute nicht ganz bei der Sache, wie es scheint?"

Die beiden Männer saßen an einen Baumstamm gelehnt. Der Blick des einen richtete sich fragend auf den anderen, der nun, so schien es, aus seinen Gedanken gerissen wurde. Eine Hand, die sanft aber bestimmt über die Wange des Nachdenkenden nach unten strich, um dann an der Seite des Halses liegen zu bleiben, forderte Aufmerksamkeit.

„Ach Quatsch. Mir ist nur etwas eingefallen. Seit Monaten treffen wir uns nun heimlich und irgendwie wundert es mich nach jeder unserer Zusammenkünfte wieder, dass niemand von den anderen auch nur Verdacht schöpft. Das bringt mich zum Lachen."

„Ach, halt die Klappe und küss mich endlich. Diese Rederei geht mir schon richtig auf die Nerven. Ich habe nicht ewig Zeit."

Sein freches Grinsen zeugte von seiner Ernsthaftigkeit und blitzte dem anderen dermaßen verführerisch entgegen, dass dieser sich kaum noch zurückhalten konnte.

Die Ungeduld des gespielt genervten Mannes ließ das leichte Lächeln im Gesicht des anderen nicht ersterben. Der Schauspieler wusste genau, dass diese Art ihn, den Nachdenklichen, dermaßen anmachte, dass ein Zurückhalten oder ein Widerspruch unmöglich war. Das freche Grinsen stand dem anderen so gut!

Die Augen des Nachdenklichen glänzten, während er sich weiter nach vorne beugte. Seine Hand berührte die Hanf des anderen, blieb dort aber nicht liegen, sondern strich langsam und mit hauchzarten Berührungen nach oben, über den Unterarm, den Oberarm und an der Schulter weiter, bis sie an der Seite des Halses, auf der nackten Haut zu liegen kam.

Und dann trafen sich die Lippen der beiden. Nun war die Zeit gekommen, alle Gedanken schweigen zu lassen. Beide gingen auf in der Liebe, die sie füreinander empfanden. Diese Momente waren es, in denen sie alles um sich herum vergessen konnten, auch wenn dies zu ihrem eigenen Wohl eigentlich nicht ratsam war. Vor allem nicht jetzt, da es überall im ganzen Land vor feindlichen Dämonen nur so wimmelte und jede Unachtsamkeit mit dem Tod bestraft werden konnte.

Und trotzdem war es ihnen egal. Die Gefühle des einen spielten sich hoch und rissen den zweiten mit. Auch wenn keiner von ihnen dies nach außen hin gezeigt hätte – nicht dem jeweils anderen und erst recht nicht einem Außenstehenden – wussten die beiden sehr wohl und sehr genau von ihren Gefühlen zueinander.

Der Kuss, der die beiden vereinte, blieb nicht sanft und zärtlich, so wie er begonnen hatte, sondern wurde schon schnell verlangend und die Leidenschaft ließ sie jeden Halt verlieren..

Eine Hand schob sich in den Nacken des ehemals Nachdenkenden und forderte, die jetzt schon geringe Distanz noch mehr zu verringern. Beide spürten den Körper des Geliebten, die Muskeln, die sich anspannten und die Leidenschaft, die beide immer weiter antrieb, den anderen zu verwöhnen, zu reizen und herauszufordern.

Einige Zeit später saßen beide nebeneinander im Gras, den Rücken an den Stamm eines uralten Baumes gelehnt. Einer der beiden nestelte in seiner Hosentasche herum und seine Miene verriet nur kurz, dass er fündig geworden war. Er zog ein Feuerzeug hervor und hielt die Flamme zu dem Ende der Zigarette, die er sich kurz vorher zwischen die Lippen geklemmt hatte. Er wartete, bis das Ende glimmte und steckte dann das Feuerzeug in einer schon automatisierten Bewegung wieder weg.

Genüsslich blies er den Rauch zum Himmel, den man wegen des dichten Blätterdaches der umliegenden Bäume kaum ausmachen konnte. Stille hatte sich auf den Wald gelegt und die beiden saßen da, als würden sie hierher gehören.

Doch es dauerte nur einige Züge an der Zigarette lang, bis der Rauchende die Augen verdrehte und seinen Blick geradeaus richtete.

„Na los, spuck´ s aus."

„Was?"

„Deine Gedanken. Du denkst schon wieder nach. Ich kann dein verrostetes Gehirn schon richtiggehend rattern hören."

Während er, der Raucher, sprach, änderte er seine Blickrichtung und durchdrang mit seinen Augen nun den Zweiten. Nur kurz schaute dieser auf, bevor sein Blick ziellos in die Ferne schweifte. Er wusste, dass der harte Blick, dem ein anderes Wesen kaum standzuhalten vermochte, weder eine Drohung war noch Gefahr bedeutete. Dieser Blick hatte was...etwas Unwiderstehliches. Er verdrängte sein aufschäumendes Verlangen und widmete sich wieder der Ernsthaftigkeit.

Der Nachdenkliche ließ seine Zunge über seine Lippen fahren, bevor er zu sprechen begann.

„Na ja, nichts Wichtiges. Ich habe nur über die Zukunft nachgedacht. Ich..."

„Vergeudete Gedanken. Es lohnt sich nicht, seine Zeit zu verschwenden für etwas, das du nicht verhindern kannst."

Die Stimme des anderen war so unglaublich gleichgültig. Tief in sich selbst spürte er leise Wut aufsteigen, die zu kontrollieren er für nicht schwierig empfand, während der Raucher den letzten Zug genoss und den Zigarettenstummel dann gelassen wegschnippte.

Der Nachdenkliche wollte gerade zu sprechen beginnen, wollte erklären, warum er diese Gedanken nicht so einfach verdrängen konnte, malte sich dann aber aus, wie die Reaktion des anderen sein würde. Er hatte für lange Sentimentalitäten nicht sehr viel übrig Der Nachdenkliche wusste, dass der andere die Zukunft einfach auf sich einprasseln ließ, dass er sich damit nicht auseinandersetzen wollte. Also würde der Nachdenkliche sich diese Erklärung ersparen. Er biss sich auf die Lippen.

„Glaubst du, mir passt es, so wie es gerade ist?"

Die Stimme klang nun viel leiser als zuvor, ein Hauch von Zweifel und Unsicherheit darin mitklingend, wenn man dies überhaupt hinein zu interpretieren vermochte. Sein Blick zeigte leisen Missmut, dass er sich mit einem solchen Thema überhaupt auseinandersetzen musste.

Der andere begann leicht zu lächeln. Er hatte ihn tatsächlich dazu gebracht, hinter seiner Mauer aus gespielter Gleichgültigkeit und selbstgefälliger Überheblichkeit hervorzukommen und seine Gefühle, wenn auch nur schwach schimmernd, durchblitzen zu lassen.

Das war ein Sieg! Auch wenn es hier nicht herpasste... Unwillkürlich musste er grinsen und genoss den ernsten, aber abwesenden Blick des Rauchers. Dieser wurde anscheinend durch die Stille, die sich nur für Augenblicke hernieder senkte, wieder in die Realität zurückgerissen und als er sah, dass der zweite neben ihm grinste, schien ihn das auch aufzulockern, auch wenn er selten viel zeigte, als sein arrogant wirkendes Lächeln.

Und wirklich. Nur Augenblicke später war ihm dieses ins Gesicht gezeichnet. So hämisch und herausfordernd, wie man es kannte.

„Wir trennen Arbeit und Vergnügen, genau das ist es, was wir im Moment tun."

Von seiner kurz aufblitzenden Nachdenklichkeit war jegliche Spur verschwunden.

„So scheint es."

„So ist es. Das hier ist Vergnügen."

Sein Grinsen wurde stärker und die Überheblichkeit blitzte aus seinen Augen. Er zog den anderen verlangend an sich und überfiel ihn nahezu mit einem stürmischen Kuss, während er ihn gleichzeitig leicht drehte und an den Baum drückte, um ihn dort gefangen zu halten.

„Und wenn wir arbeiten, sind wir wieder Feinde.", sagte der andere dann, als zumindest seine Lippen wieder freigelassen wurden. Sein Atem ging kaum merklich schwerer, aber der andere bemerkte dies sehr wohl und schob sich wieder enger an ihn.

Verlangend blickte der Raucher den anderen von oben herab an.

„So ist es. Im Kampf werde ich keine Gnade walten lassen. Und nun, Feind, verschwinde, bevor ich mir mit dir etwas anderes überlegen muss."

Das Grinsen in seinem Gesicht war verschwunden, aber der drohende Blick, in dem auch Verlangen durchstrahlte, machte dem anderen keine Angst mehr. Wieder einer dieser gefährlichen Blicke, die ihn fast verweilen ließen. Mit all seiner zusammengerafften Willenskraft bewegte er sich, um dem vermeintlichen Befehl Folge zu leisten.

Ohne ein weiteres Wort zu verschwenden, schlängelte sich der Nachdenkliche in die Freiheit, nachdem der Raucher nicht einen Zentimeter gewichen war, um den Weg freizugeben. Zuerst verschwand der eine zwischen den Bäumen, kurz darauf erhob sich auch der Zweite und Augenblicke später lag der Wald wieder so einsam und verlassen da, wie es von der Natur aus vorgesehen war.