Kapitel 2 – Die Nacht des 21. Juli

Sam, you've been waiting much to long
Now it looks like she's not coming home.
Sam, you've been loyal, true and faithful
All this time with being alone.
If I could get that same dedication
I'd give you everything in creation
If she doesn't come back

Carl war schon seit zwei Stunden fort und die Kinder im Bett. Ann hatte nicht mitgehen können, denn der Babysitter sagte im letzten Moment ab. Nun stand ihr ein normaler Abend vor dem Fernseher bevor. Der Gang zum Kühlschrank, um die Flasche Rotwein zu holen, war in letzter Zeit beinahe zu einem Ritual geworden, denn Carl war immer öfters abends nicht da, sondern arbeitete länger in der Firma. Ständig sagte er, dass er härter für seinen Aufstieg in William Masters Firma arbeiten müsste. Masters war ein Chef, der viel von seinen Angestellten verlangte, da waren Überstunden nur eine Forderung von vielen. Oft standen auch weite Reisen an, die Carl meist allein antrat. Dann kam es auch vor, dass er manchmal 2 Wochen lang nicht zu Hause war. Das alles konnte eine so junge Beziehung wie ihre schon schwer belasten, auch wenn sie drei wundervolle Kinder hatten, die sie zusammenschweißten.

Chor: If she doesn't come back

I'll be your substitute
Whenever you want me

Don't you know I'll be your substitute
Whenever you need me

An Abenden wie diesen zweifelte Ann auch gelegentlich am scheinbaren Glück ihrer Ehe. Woher wusste sie eigentlich, dass Carl allein verreiste, er hatte viele Kollegen und Sekretärinnen? Stets hatte sie sich das eingeredet, aber wirklich gesagt hatte er es ihr nie. Dennoch war sie sich seiner Liebe sicher. In ihrer momentanen Situation, war es wohl eher normal, dass ab und an die Eifersucht an einem nagte. Was tat Carl wohl im Moment? Sicherlich trank er mit seinen Arbeitskollegen ein paar Bier, schunkelte zu aktuellen und vergangenen Hits und ließ sich dann nachher von seinem Freund Josh nach Hause fahren. Ob er bald kommt? Immerhin hatte er im letzten halben Jahr nur wenig Zeit für seine Familie. Sommerfeste gab es jedes Jahr, immer wieder und sie waren immer gleich. Seine Kinder aber veränderten sich, genau wie seine Frau.

Sam ev'ry day you waited for her
I've been waiting here for you.
Sam, all this time I've been lonely
I know what you've been going through
I'll wait until an't chances will come
'Cos you can't keep alying on her
If she doesn't come back.

Ann hatte mittlerweile das dritte Glas Rotwein geleert und bemerkte, dass sie langsam schläfrig wurde. Carl war auch noch nicht zurück und so beschloss sie, den Rotwein zurück in den Kühlschrank zu stellen, es würden sich in nächster Zeit sicherlich noch Gelegenheiten ergeben die Flasche zu leeren.

Die junge Frau hatte gerade die Flasche in die Ablage in der Tür gestellt, als sie vom oberen Stockwerk kommend einen lauten Knall hörte. Wie vom Schlag getroffen stürmte sie aus der Küche in den Flur und zur Treppe, doch eine Wand aus lodernden Flammen versperrte ihr den Weg die Treppe rauf.

„Lisa! Michael! George!", rief Ann und ihr Kopf arbeitete. Wie sollte sie in das obere Geschoss gelangen? Panisch blickte Ann sich um. Auf der Couch lag noch die Decke, mit der sie sich zugedeckt hatte um fern zu sehen.

Schnell holte sie sie und warf sie sich über den Kopf. So musste es gehen und der Weg über die Treppe ins Obergeschoss gelingen, doch bereits auf halber Strecke drohte sie ohnmächtig zu werden, der Rauch war zu dicht. So konnte sie ihren Kindern nicht helfen, nicht wenn sie tot war. Ann kehrte um, ließ im Laufen noch die Decke auf den Boden fallen und griff nach der Türklinke. Sie musste versuchen von außen in die obere Etage zu gelangen und sie musste sich beeilen. Panik stieg in der jungen Frau auf, dicht gefolgt von Verzweifelung. Wie sollte sie nur zu ihren Kindern kommen? Wo blieb nur die Feuerwehr?

Chor: If she doesn't come back.

I'll be your substitute
Whenever you want me

Don't you know I'll be your substitute
When ever you need me

Im Vorgarten angelangt blickt Ann wie hypnotisiert auf ihr Haus. Der zweite Stock, sowie der Giebel wurden von meterhohen Flammen in Käfigform eingeschlossen. Sie konnte erkennen, dass der Teil des Hauses in dem sich ihr Schlafzimmer befand nicht mehr existierte. Anstatt der Schlafräume klaffte im Obergeschoss ein großes Loch. Es gab keinen Weg mehr für sie dort hinein zu gelangen. Paralysiert starrte sie weiter auf ihr Eigentum und spürte bald darauf viele Hände auf ihrem Körper, ihrem Rücken, ihren Schultern.

Menschen sprachen mit ihr, doch ihre Worte drangen nicht durch den Schleier der geistigen Ohnmacht bis an ihr Ohr. Ann sah wie Männer an ihr vorbei und ins Haus rannten und sie erkannte Nachbarn und Freunde, doch sie alle kamen bereits nach Sekunden zurück in den Garten.

Erst der Krach der Sirenen drang bis an ihr Ohr und nun stürmten uniformierte Männer direkt ins Haus. Mrs. Watkins redete ununterbrochen auf sie ein und nun stieß ein Feuerwehrmann zu ihr. Ann wollte etwas sagen, aber nur unklare Laute entrannen ihrer Kehle.

Each day by your window you sit and sigh hoping to see her face.
Ay, you might as well forget about her and find someone to take
her place.

Riesige Wasserfontänen ergossen sich über die brennenden Ruinen ihres Hauses und sie wusste tief in ihrem Inneren genau, dass es keine Rettung für Lisa, Michael und George geben würde. Drei Feuerwehrmänner bahnten sich den Weg in den Flur, doch bald darauf sah sie keinen der drei mehr. Sie mussten im zweiten Stock sein, oder was davon noch übrig war.

Alle um Ann herum, einschließlich sie selbst, mussten bereits seit geraumer Zeit vor ihrem Haus stehen, als ein Wagen hielt. Carl Langfield selbst stürzte heraus und zu seiner Frau. Der junge Mann, der das Gesehene gerade zu verarbeiten versuchte, redete immer wieder auf seine Frau ein, doch kein Wort verließ ihre Lippen.

„Ann? Was ist passiert? Ich bitte dich, rede mit mir. Wo sind die Kinder Ann?", Fragen über Fragen schossen durch Carls Kopf und die Tatsache, dass seine Frau ihm nicht antwortet half ihm nicht, diese Fülle an Fragen zu beantworten.

Mrs. Watkins versuchte daraufhin Klarheit zu schaffen: „Ann geht es nicht gut. Der Notarzt sagte, dass sie einen Schock habe, aber das ist wohl normal", mehr brachte sie nicht hervor. Marie Watkins starrte nur zwischen Ann und Carl hin und her.

„Und wo sind die Kinder? Wo sind Lisa, Michael und George?", Carl war sichtlich verzweifelt und sank auf seine Knie, als Mrs. Watkins nur stumm den Kopf schüttelte.

„Ja, wo sind sie Marie?", aus Anns Blick sprach die pure Verwirrung.

Chor: If she doesn't come back

I'll be your substitute
When ever you want me

Don't you know I'll be your substitute
When ever you need me

Don't you know I'll be your substitute...

„Die Feuerwehr sagt, dass sie es nicht geschafft haben sich aus ihren kleinen Bettchen zu befreien Ann", Marie Watkins wusste nicht was sie weiter sagen sollte und so beobachtete sie stattdessen weiter die junge Frau neben sich. Diese wandte den Blick ab und starrte wieder in die Ruine, die sie noch vor kurzem ihr Haus nannte und flüsterte: „Ich bin Schuld, dass sie tot sind."

Fortsetzung folgt…

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Kapitel 2: Clout – „Substitute" von 1975