Kapitel 3 – Wiederaufnahme

Lilly war zutiefst berührt von dem was sie las. Ein Blick auf die Uhr verriet ihr, dass sie bereits seit etwa 5 Stunden zwischen diesen Bergen von Akten saß. Normalerweise erhielt sie Hinweise, die sie veranlassten einen Fall neu aufzurollen, aber dieses Mal hatte sie das Gefühl, dass sich auch so weitere Recherchen lohnten.

Die junge Frau richtete sich auf und sammelte alle Blätter wieder ein, um sie zusammen mit den Fotos im Karton zu verstauen. Lilly wollte sich sofort bei Stillman melden und auch Scotty dazu bewegen mit ihr an einem Strang zu ziehen und sie zu unterstützen.

Lieutenant Tom Stillman saß währenddessen in seinem Büro und las die letzten Abschlussberichte. Die von Detecive Rush eingereichten Unterlagen lasen sich immer am besten und so hob er sie sich schon lange bis zum Schluss auf. Es war seine Art sich das Beste für den Schluss auf zu heben und somit ein Ziel zu haben, auf das man hinarbeiten konnte.

Ruckartig richtete er sich auf, als es plötzlich nicht gerade sanft an seiner Bürotür klopfte. Tom wurde förmlich aus seinen Gedanken gerissen und reagierte nur langsam: „Herein!"

„Hallo Boss. Haben sie kurz Zeit für mich?"

„Natürlich, ich tue alles für solch bewegende Abschlussbereichte, wie ihre", Stillman lächelte ein wenig verschmitzt und Lilly stimmte mit ein, als sie eintrat und auf dem Stuhl vor dem Schreibtisch des Lieutenants Platz nahm.

„Ich hatte heute ein wenig Zeit…", Lilly konnte ihren Satz nicht beenden, denn Stillman fiel ihr bereits ins Wort: „…Kite."

„Ja", gab sie verlegen zu, „ich wollte mich einfach etwas ablenken und nicht länger über die Gründe nachdenken."

„Kann ich verstehen. Und da dachten sie sich, dass sie ihre Zeit am sinnvollsten beim Lesen alter Akten nutzen", Stillman war sich vollkommen darüber bewusst, dass seine Wort mehr eine Feststellung waren, als eine Frage.

„In der Tat. Und ich glaube, dass ich da auf etwas gestoßen bin, was sie interessieren könnte", mit diesen Worten reichte Lilly ihrem Vorgesetzten den Karton, in dem das Schicksal von mindestens einem Dutzend Menschen aufbewahrt wurde.

Er öffnete den Karton ohne ein weiteres Wort und blickte in die obenauf liegende Akte.

„Ein Dreifacher. Vor dem letzten haben sie sich erfolgreich gedrückt und nun der Sinneswandel", Stillman blickte von den Unterlagen auf und zog eine Augenbraue in die Höhe. Sein Gesicht wurde zu einer abstrakten Grimasse, als er Lilly eindringlich beobachtete: „Sie wissen genau, warum ich mich damals nicht an den Ermittlungen beteiligen konnte. Wenn ich das getan hätte, säßen wir heute nicht so hier, wie wir es tun."

„Sie haben Recht. Aber der Fall, den sie hier haben, sieht nach einer großen Sache aus. Haben sie auch irgendwelche Hinweise?"

„Mein Bauchgefühl reicht mir als Hinweis. Sie wissen doch…" „…wie ein Geigerzähler das Ding", vervollständigte Stillman. Lilly schmunzelte über diesen Kommentar und wartete auf Toms Entscheidung. Im Prinzip war sie sich ihrer Sache bereits sicher.

„In Ordnung. Schnappen sie sich den Kerl, oder die Kerle." Detective Rush jubelte innerlich und nahm den Karton wieder entgegen. Zufrieden stand sie anschließend auf und ging zur Tür, doch bevor sie den Raum verließ drehte sie sich noch einmal um: „Was ist, wenn es eine Kerlin war?"

Lieutenant Stillman war von diesem Kommentar deutlich überrascht und bevor er erneut kontern konnte, war Lilly bereits mit dem Karton unter dem Arm aus seinem Raum verschwunden. Er konnte sich nur immer wieder über sie wundern, aber auch auf sie verlassen. Mit diesen Gedanken machte Tom sich wieder an das Lesen der Abschlussberichte.

„Vera! Sie sind genau der Mann, den ich brauche." Detective Nick Vera saß an seinem Schreibtisch und las gerade eine Reihe Pamphlete, als Lilly ihn mit dem Karton bewaffnet störte: „So gut kennen wir uns dann auch nicht Rush und außerdem stehe ich nicht auf One Night Stands und bei ihrem Männerverschleiß wäre das wohl einer", kaum hatte Vera diesen spitzen Kommentar geäußert, schwenkte auch schon Will Jeffries um die Ecke: „Nehmen sie ihn nicht ernst Rush", spielte er die ganze Situation runter. „Kein Sorge Jeffries, das habe ich noch nie getan", Lilly legte ein gefälliges Grinsen auf, dazu ihren „Ätsch-Blick" und ließ den Karton, den sie die ganze Zeit wie einen Säugling mit sich herumgetragen hatte aus einer beachtlichen Höhe und mit viel Lärm auf Veras Tisch fallen: „Sehen sie es sich wenigstens mal an Vera."

„In Ordnung, sie haben gewonnen. Was haben wir denn da?", fragte er, während er übermäßig interessiert in den Karton lugte.

„Einen Dreifachen", unterbrach ihn Lilly. „Das ist aber nicht wirklich etwas Besonderes, oder?", Nick Vera konnte sich noch nicht so recht einen Reim darauf machen, warum sich seine Kollegin auf einmal doch an einen Dreifachen ranwagte. „Oh doch. Es sind Kinder. Zwei, vier und fünf Jahre alt", Detective Rush wartete geduldig und sie wurde nicht enttäuscht, denn man konnte deutlich sehen, wie Vera schluckte. Es erinnerte sie an ihre eigene Reaktion vorhin. So hart Nick auch war, bei Kindern hörte bei ihm der Spaß auf. „Wie kann das sein? Haben sie die im Keller gefunden?"

„Genau das. Ich hatte Langeweile und viel Zeit…", wie vorhin konnte Lilly ihren Satz nicht beenden, denn von hinten flüsterte eine Stimme: „…Kite", Detective Scotty Valens war bis auf wenige Zentimeter an sie herangetreten und Lilly konnte sogar seinen Atem in ihrem Nacken spüren. „Sehr komisch Scotty", sie versuchte cool zu bleiben und so unberührt wie möglich zu klingen. „Ach kommen sie schon Lill. Sie waren überrascht", Detective Valens sah sich in der Runde um und bemerkte, dass seine drei Kollegen momentan etwas besprachen: „Um was geht es Leute?", fragte er und die Detectives antworteten im Chor: „Ein Dreifacher."

„Sie meinen drei Tote?", der junge Mann war überrascht. „Drei Kinder", schnaubte Vera daraufhin abfällig.

„Ich dachte wir hatten schon vor Jahren den Keller nach Todesfällen von Kindern durchsucht. Eigentlich dürften da unten keine mehr liegen", stellte Jeffries fest.

„Da haben sie nicht ganz Unrecht, aber erinnern sie sich auch an Toja Miles? Ihr Fall lag auch im Keller unter Bergen von Kartons und wurde erst beim Aufwachen ihrer Mutter aus dem Koma wieder aufgearbeitet."

„Ok Rush, sie haben mich. Was soll ich tun?", fragte Vera und Lilly war erleichtert nicht allein dazustehen.

Fortsetzung folgt…