Kapitel 4
„Ihr wolltet mich sprechen, mein Lord?"
Langsam trat Haldir ein und beugte den Kopf zum Gruße, die rechte Hand auf seine Brust legend, abwartend, was nun geschehen würde.
Celeborn stand mit dem Rücken zu ihm und sah aus dem Fenster herab auf die Stadt.
Zunächst schien es, als habe er das Eintreten des Elben nicht bemerkt, denn er reagierte nicht auf die Frage.
Zögerlich trat Haldir weiter vor.
„Mein Lord?", begann er zu sprechen, doch er wurde sogleich von Celeborn unterbrochen.
„Warum seid ihr hier?", fragte er den Elben hinter sich, mit ruhiger Stimme, ohne sich umzudrehen.
„Ihr seid nicht derjenige, den ich sprechen wollte."
In Haldir stieg eine Ahnung auf, dass Celeborn möglicherweise bereits genau über den Vorfall informiert war. Dennoch wagte er, es zu widerlegen.
„Ihr wolltet den sehen, der für den letzten Wachpostens vor der Stadt verantwortlich war, als die Orks durchbrachen. Nun hier bin ich."
Langsam drehte sich der Lord des goldenen Waldes um und kam auf Haldir zu. Nur seine blitzenden Augen verrieten, dass dieser seinen Worten keinen Glauben schenkt.
Wie eine Raubkatze, schleichend, graziös, umrundete er den jungen Elbenkrieger, bis er hinter diesem zum stehen kam.
Haldir wagte es nicht, sich zu bewegen, und doch zuckte er fast unmerklich zusammen, als er Celeborn Stimme vernahm, und dessen Atem an seinem Ohr.
„Weißt du, was es heißt, einen Lord anzulügen?", flüsterte er bedrohlich leise.
Dass er plötzlich in einem vertrauten Ton angesprochen wurde, verärgerte ihn etwas, daher antwortete Haldir ihm mit etwas lauterer Stimme.
„Ich habe euch nicht…"
„Schweig! Sofort!", wurde er jedoch sofort unterbrochen.
„Spreche keine weitere Lüge aus. Ich weiß, welch Verhältnis du zu deinem Bruder hast. Rúmil, nicht wahr? O ja, ich weiß dass er es gewesen ist, der sich von seinem Posten davongeschlichen hat."
„Aber wie….", rief Haldir aus, bevor er seine Worte stoppen konnte, zu verwundert war er darüber, das Celeborn wusste, dass nicht er sondern sein Bruder einen Regelverstoß begangen hatte, der , wären nicht die Krieger Loriens zur Stelle gewesen, für viele tödlich hätte enden können.
Dann wusste er es plötzlich.
„Galadriel.", sprach er seinen Gedanken aus.
Kaum merklich nickte Celeborn.
Sie sagte es mir kurz vor ihrer Abreise nach Imladris. Sie sah den Angriff im Spiegel, und sie sah Rúmil."
Haldir senkte den Blick, denn er wusste, dass sein Lord Recht hatte.
„Doch ich werde nicht Rúmil für seine Unachtsamkeit strafen, da du dich mit solchem Eifer für ihn einsetzt, akzeptiere ich es. Doch kommt zu Rúmil's Vergehen außerdem der Tatbestand deiner Lüge hinzu."
Ergeben nickte Haldir.
„Wie wird die Strafe aussehen?"
„Zunächst wirst du in die Stadt versetzt."
Haldir vermied es, etwas darauf zu entgegnen, doch konnte man ihm die Enttäuschung in seinem Gesicht ansehen, denn er war nicht so gut darin, seine Gefühle zu verstecken.
Celeborn sagte „zunächst", dachte Haldir, also würde es noch eine weitere Strafe geben, doch wüsste er keine, die schlimmer gewesen wäre, als von dem Wachposten des Waldes abgeordnet zu werden.
„Ferner wirst du mich auf meiner Jagd heute Abend begleiten!", fuhr Celeborn fort.
Haldir stimmte ihm zu, aus Höflichkeit, denn er wollte den Lord nicht weiter verärgern.
Mit einer leichten Verbeugung verabschiedete er sich und drehte sich um, um hinauszugehen.
„Noch etwas.", rief Celeborn ihm zu, als Haldir schon auf der Türschwelle stand.
„Du wirst deine Waffen nicht benötigen."
Verwundert sah dieser den Elbenlord an, doch dieser hatte sich bereits wieder abgewendet, um sich wieder seiner Arbeit widmen, und Haldir den Blick auf das kleine Lächeln zu verwehren, das kurz über sein Gesicht huschte.
