„Da ist ein Brief für dich gekommen, Albus", stellte Vater fest, als er einen Blick in unseren Briefkasten warf.

„Komisch, sogar mit Wachssiegel… hast du was angestellt?", fragte er scharf.

Ich hatte gerade mein Bein verbunden und sah erstaunt zu ihm hoch. „Ein Brief? Für mich?"

„Ja", raunzte Vater und knallte ihn vor mir auf den Tisch. „Aufmachen und lesen."

Es war schwierig, die krakelige Schrift des Absenders zu lesen.

Aber während ich las, wurde ich mir immer sicherer, dass es sich nur um einen Irrtum handeln konnte.

Ich musste wohl ziemlich seltsam geguckt haben, denn Vater schubste mich an. „Was steht da?"

„Was ganz komisches…"

„Geht's nicht noch ein wenig genauer, damit die Anwesenden auch wissen, worum es geht…?"

„Sie schreiben… Sie schreiben das ich ein… Zauberer bin!"

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Liebes Tagebuch.

Heute war ein so schlimmer Tag!

Großvater ist tot.

Das war alles ganz schrecklich, wir sind spazieren gegangen und dann sind Männer gekommen und wollten mich fangen, aber Großvater wollte das nicht und hat gegen sie gekämpft.

Dann kam Grindelwald und hat ihn getötet.

Ich vermisse Großvater so.

Und ich habe einen Brief bekommen, in dem steht, dass ich ein Zauberer bin.

Vater wollte den Brief in den Kamin werfen, aber Mutter wollte das nicht und Vater hat das nicht verstanden.

Jetzt ist herausgekommen, dass Mutter eine Hexe ist. Und Großvater war ein Zauberer. Vater wusste das nicht.

Jetzt streiten sie sich unten, Vater hat getrunken und wirft jetzt mit Geschirr nach Mutter.

Ich bin aber auch böse auf sie. Warum hat sie mir davon nichts erzählt?

Ende der Sommerferien soll ich auf ein Zaubereiinternat, es heißt Hogwarts.

Ich habe Angst, weil ich niemanden kenne und alle anderen sicher schon besser zaubern können als ich.

In einer Woche sind die Ferien schon zu Ende und deswegen müssen Mutter und ich morgen in die Winkelgasse, da kaufen Zauberer immer ihre Sachen zum Zaubern.

Ich möchte nicht nach Hogwarts. Ich wäre zwar glücklich, von zu Hause wegzukommen – aber was ist dann mit Aberforth?

Ich möchte ihn doch nicht alleine lassen, er müsste die ganze Arbeit alleine machen und ich könnte ihm nicht mehr helfen…

Ich habe Mutter gefragt, ob ich nicht weiter in die Dorfschule gehen kann, aber Mutter sagt, jeder Zauberer muss in das Zaubereiinternat.

Aber wenn Aberforth 11 ist, kommt er auch auf die Schule, weil er auch ein Zauberer ist, sagt Mutter.

Ich werde jetzt schlafen gehen, weil ich morgen früh aufstehen muss, wir fahren nach London. Ich war noch nie in London.

Bis bald, dein Albus.

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- Das erste Schuljahr -

Der Zug setzte sich ratternd in Bewegung.

Ich sah Eltern am Bahnsteig stehen, die ihren Kindern nachwinkten.

Meine Eltern standen nicht dort.

Mutter hatte mich durch einen geheimen Eingang geschoben, der zum Gleis 9 ¾ führte, das Gleis, auf dem ein Zug nach Hogwarts fährt.

Jetzt war ich ganz alleine, abgesehen von dem Bündel aus kleinen Kissen, Decken und Tüchern, in dem die Schachtel mit dem goldenen Ei lag.

Um nichts in der Welt hätte ich es zu Hause gelassen, auch wenn Vater erst dagegen war. Es war schließlich das einigste, das ich von Großvater noch hatte. Und da in dem Brief geschrieben stand, dass man ein Haustier mitnehmen durfte und wir uns keines der Tiere, die in der Winkelgasse angeboten wurden, leisten konnten, hatte er letztendlich erlaubt, es mitzunehmen.

Ich fragte mich gerade, wie lange ich es wohl noch dauern würde, bis es fertig ausgebrütet war, als die Abteiltür aufschwang.

Ein leicht pummeliger Junge mit schwarzem Lockenkopf schob sich herein und räusperte sich schüchtern. „Ist noch ein Platz frei?"

Ich lächelte freundlich. „Natürlich, oder siehst du hier sonst noch wen?"

Er errötete leicht. „Hätte ja sein können, dass du auf wen gewartet hast…"

Ich schüttelte den Kopf. „Ich kenne hier niemanden."

Er grinste erleichtert. „Ich auch nicht, ich bin nämlich muggelgeboren und wusste nicht mal, das ich Zauberer bin." Er ließ sich auf dem Sitz mir gegenüber nieder.

„Meine Mutter ist eine Hexe, ich wusste trotzdem nicht, dass ich ein Zauberer bin.", sagte ich.

„Ich heiße Kevin."

„Ich heiße Albus."

„Schön dich kennen zu lernen! Weißt du was? Jetzt hab ich gar nicht mehr so Angst vor der Schule, weil es ja noch andere gibt, die nicht wissen, das sie zaubern können."

Ich fühlte mich auch schon viel besser und nickte. „Stimmt, wir lernen dann zusammen alles, was wir wissen müssen und nicht wissen, okay?"

Kevin strahlte. „Ja!" Und etwas schüchterner fügte er hinzu: „Wollen wir Freunde sein?"

„Klar!"

Wir gaben uns die Hand.

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„Hey Leute, ist bei euch noch ein Plätzchen frei?"

Kevin und ich drehten uns um; wir hatten gerade die Landschaft draußen bewundert. In der Tür stand ein Mädchen mit langen braunen Haaren und einem schweren Koffer in der Hand.

„Klar, komm rein!", sagte Kevin und wandte sich wieder unserem Gespräch zu. „Schau mal, ich hab noch nie Berge gesehen…"

Das Mädchen ließ sich auf dem Sitz neben mir nieder.

„Was hast du da auf dem Schoß?", fragte sie mich neugierig.

„Ein Ei, ich muss es warm halten", gab ich bereitwillig Auskunft.

Interessiert sah sie mich an. „Weißt du, was es wird?"

Ich schüttelte den Kopf. „Das Ei war ein Geschenk."

Das Mädchen lachte. „Nachher schlüpft dir noch ein Krokodil draus! Ach ja, bevor ich es vergesse: ich heiße Josie."

Kevin musterte argwöhnisch das Stoffbündel, in dem das Ei war. „Wenn da ein Krokodil rauskommt, was machst du dann?"

Ich überlegte. „Keine Ahnung, vielleicht tu ich es in einen Zoo."

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Hogwarts war ein riesiges Schloss.

Als Sohn eines Farmers träumt man von so einem nachts, aber auf eine Schule gehen, die in einem Schloss war…

Ich saß mit den anderen Erstklässlern in einem kleinen Holzboot, das auf dem See des Geländes bedrohlich schwankend auf das andere Ufer zusteuerte.

Laut des Wildhüters, ein beleibter Mann mit langen filzigen Haaren, war dies Brauch und alle Erstklässler müssten mit einem Boot das erste Mal zur Schule fahren.

Kevin, Josie und ich saßen in einem und unterhielten uns angeregt…

Ich glaube, ich muss mich korrigieren, Josie und ich unterhielten uns, Kevin saß mit einem leicht grünlichen Gesicht auf meiner anderen Seite und beäugte misstrauisch den See.

Josie war ein lustiger und offenherziger Mensch und mir von Anfang an sympathisch.

Sie stammte im Gegensatz zu Kevin und mir aus einer Zaubererfamilie und kannte sich bestens aus.

Die ganze Zeit redete sie von irgendwelchen Häusern in die man eingeteilt wurde; ich hatte keine Ahnung was sie meinte, weil ich hier abgesehen von dem Schloss keine anderen Häuser sah…