„…Unnahbar, mächtig, weise!", hallte es durch die Große Halle. „Hört mir zu, Erstklässler! Wir werden euch lehren, richtige Zauberer zu werden, euch in die Kunst der Macht einweihen, auf dass eure Namen eines Tages Ehre und Ruhm erlangen!"
Am Gryffindortisch brach Beifall aus und auch ich klatschte höflich Beifall.
Professor Dippet verbeugte sich und setzte sich dann auf einen goldenen Stuhl in der Mitte der Lehrerschaft.
„Wie ist der denn drauf?", wisperte Kevin in mein Ohr. „Was will der aus uns machen – Soldaten?"
Ich lächelte gekünstelt. „Wieso, die Rede war doch sehr eindrucksvoll, findest du nicht?"
Kevin grinste verhalten. „Ich bin auf den Unterricht gespannt, nachher müssen wir noch marschieren oder so!"
„Das glaube ich nicht", mischte Josie sich ein. „Mein großer Bruder war schon in Hogwarts unter Professor Dippets Leitung, und er hat nie was von Marschieren erzählt."
„Das war ein Witz."
„Schon klar."
Liebes Tagebuch.
Hogwarts ist riesig. Das müsstest du sehen!
Überall hängen Gemälde, die reden können und Geister gibt es auch – besonders toll finde ich den Fast-Kopflosen-Nick, weil der immer seinen Kopf verliert – oder eher fast, er ist ja nur fast kopflos!
Der Schulleiter hier ist ein wenig seltsam, er sagt, er will aus uns ganz mächtige Zauberer machen. Aber vielleicht ist das ja ganz gut, denn ich möchte Großvater rächen, wenn ich mal groß bin.
Und wenn der Großvater einfach mit einem Blitz töten konnte, muss er sehr stark sein und deswegen muss ich auch sehr stark werden.
Ich habe heute zwei neue Freunde gefunden. Sie heißen Kevin und Josie und sind mit mir zusammen in einer Klasse, in Gryffindor. So heißt unser Haus.
Das ist jetzt kompliziert zu erklären, tut mir leid.
Unsere Klasse ist auch super. Da sind erst mal die Zwillinge Toni und Jim, sie sprechen immer gleichzeitig, das ist richtig unheimlich. Von Josie und Kevin habe ich dir ja schon erzählt.
Dann ist da Robin, er ist sehr neugierig und will immer alles wissen und Della ist eine, die immer vor dem Spiegel steht und sich hübsch macht. Ich find sie aber gar nicht so hübsch.
Die anderen habe ich noch gar nicht richtig kennen gelernt, aber ich glaube, meine Klasse ist ganz nett.
Ich mache mir Sorgen um Aberforth, ich wünschte, ich könnte ihm wenigstens einen Brief schreiben, aber ich habe ja keine Eule!
Ich fuhr hoch, jemand hatte mich an die Schulter gestupst. „Was machst du da, Albus?"
Ich zeigte Kevin das Buch. „Das ist mein Tagebuch!"
Kevin, der im Bett neben mir lag, sah mich staunend an. „Du führst Tagebuch?"
„Ja, erst seit kurzem."
Kevin grinste. „Ich hoffe, ich komme dabei gut weg."
Ich grinste zurück. „Klar, warum nicht?"
Kevin machte ein seltsames Gesicht. „Nur so. Sag mal, wie findest du Josie?"
„Sehr nett, wieso?"
„Ich auch. Ich glaube, sie mag dich."
„Dich auch."
„Nicht so wie dich."
„Blödsinn, wir kennen sie doch gerade erst, da kannst du doch so was noch gar nicht richtig sagen!"
„Sie hat kaum mit mir geredet!"
„Das lag daran, dass du seekrank warst."
Kevin lächelte. „Ich bin auf den Unterricht morgen gespannt. Du auch?"
Ich nickte. „Besonders auf Verteidigung gegen die dunklen Künste."
„Warum?"
„Persönliche Gründe."
Kevin nickte. Sein Gesicht verriet mir, das er rasend gerne gewusst hätte, was für Gründe es waren, aber er hielt sich zurück. „Ich schlaf jetzt. Gute Nacht, Albus!"
„Gute Nacht!"
Verzeihung, Tagebuch, Kevin hat mit mir gesprochen. Aber ich wollte sowieso nicht mehr so viel schreiben, weil ich müde bin und morgen schon meine ersten Schulstunden habe! Ich bin ganz aufgeregt, weil ich ja noch gar nichts vom Zaubern weiß!
Ich schreibe dir morgen, wie es gewesen ist, einverstanden?
Dein Albus.
Das erste Mal erschrak ich mich an diesem Morgen, als beim Frühstück urplötzlich ein Schwarm Eulen in die Halle strömte, dann erschreckte ich mich noch mal, als eine zielstrebig auf mich zusteuerte und einen Brief vor meinen Teller warf.
Kevin, der gerade an einem Brötchen kaute, lehnte sich zu mir rüber. „Von wem ist das?"
Ich zuckte mit den Schultern. „Das will ich ja jetzt nachschauen!"
Ich riss den Brief auf und ein schwerer Gegenstand, eingewickelt in ein Taschentuch, purzelte heraus. Aber zuerst nahm ich mir den Brief vor.
Lieber Albus,
Ich schreibe dir, weil Großvaters Testament gestern verlesen wurde und du ebenfalls etwas geerbt hast.
Du bekommst eine große Summe Geld auf dein Gringotts-Konto überwiesen, das ich für dich angelegt habe. Außerdem lässt er dir den mitgeschickten Gegenstand überreichen.
Uns geht es soweit gut, Aberforth lässt Grüße ausrichten.
Ich hoffe, es gefällt dir in Hogwarts, vielleicht kannst du dir ja mal eine der Schuleulen ausleihen, um uns zu schreiben, wie es dir geht.
Aberforth würde sich freuen.
Liebe Grüße, deine Mutter.
„Also, von wem ist der Brief jetzt?"
„Von meiner Mutter", sagte ich nachdenklich und hob den Gegenstand auf, der in dem Brief gewesen war und riss das Taschentuch ab.
Es war ein silbernes Feuerzeug.
Was sollte das denn?
Ich konnte mich nicht entsinnen, das Großvater je an einem Feuerzeug gehangen hatte, oder überhaupt geraucht hat, derjenige aus meiner Familie, der ein Feuerzeug benötigt hätte, war mein Vater. Der rauchte Pfeifen und Zigarren.
Aber ich?
Naja, ich konnte mir ja später noch Gedanken darüber machen, denn ich musste jetzt zum Unterricht…
„Zaubertränke ist ätzend!!", sagte Josie wütend, als wir fix und fertig im Gemeinschaftsraum der Gryffindors ankamen.
Kevin nickte.
Sie sahen mich erwartungsvoll an.
Ich grinste. „Ich fand es nicht schwierig."
Wir ließen uns auf Sesseln nahe der Wand nieder, neben einem Kerzenständer.
„Kevin hat erzählt, dass du ein Feuerzeug geschenkt bekommen hast – darf ich es sehen?", fragte Josie.
Ich zögerte und zog es dann heraus.
Josie nahm es und schüttelte es kurz. „Es ist leer!"
Ich nahm es zurück und zuckte mit den Schultern. „Vielleicht ist es ein Erinnerungsstück, ich habe es vererbt bekommen."
Ich ließ es gelangweilt aufschnappen.
Plötzlich erlosch die Kerze neben mir und das Feuerzeug erstrahlte kurz.
„Was war denn das?"
Kevin war sehr blass geworden. „Es hat das Licht aufgesaugt!"
Josie tippte gegen das silberfarbene Gehäuse des Feuerzeugs in meiner Hand. „Es ist warm!"
Ich entdeckte am Gehäuse ein kleines Rädchen, mit dem man bei einem normalen Feuerzeug die Flamme aufleben lässt.
Ich betätigte es.
Es machte plopp und die Kerze leuchtete wieder.
„Meine Güte, was ist das denn?", kam es von Kevin.
„Ich weiß es nicht", sagte ich. „Aber ich finde es toll!"
„So, liebe Schüler, ich werde euch jetzt einzeln aufrufen, damit ich mir eure Gesichter besser merken kann." Professor Binns, unser Lehrer für Geschichte der Zauberei sah mit trübem Blick durch die Reihen, in der Hand hielt er eine Namensliste.
„Ich mache das jetzt nicht in der alphabetischen Reihenfolge, wundert euch nicht… Also… Mr. Johansson?"
„Hier!" Kevin hob die Hand.
„Mr. Mitley?"
„Anwesend!", sagten die Zwillinge Toni und Jim im Chor.
Professor Binns sah erstaunt auf. „Zwei?"
„Wir sind Zwillinge, Sir", war die synchrone Antwort.
„Ah ja… Gut, sehr gut…", sagte Professor Binns zerstreut.
Der Professor leierte erst alle Namen runter und setzte sich dann an unser Pult, um mit einem Vortrag über Streitmächte der Elfen zu berichten.
Dabei hustete er immer wieder schwer.
„Er sieht nicht nur aus wie eine Schildkröte, er scheint auch das entsprechende Alter zu haben", flüsterte Josie mir zu.
Ich nickte schläfrig.
Auf meiner anderen Seite war Kevin tatsächlich eingeschlafen.
Es war das Ende der ersten Woche in Hogwarts. Kevin, Josie, Toni, Jim, Della und ich saßen zusammen an einem Tisch im Gemeinschaftsraum und brüteten über unseren Zaubertrankhausaufgaben.
„Hey Albus, du kapierst das doch sicherlich, was hat Nieswurz noch mal für besondere Eigenschaften?", fragte Della verzweifelt.
„Man muss davon niesen?", antwortete ich liebenswürdig.
„Ach ja…"
Ich legte meine Feder beiseite, da ich meine Hausaufgaben alle erledigt hatte.
Ich fing mir einen bewundernden Blick von Josie ein. „Fertig?"
„Ja, so schwer war das doch gar nicht."
„Streber", sagten Jim und Toni grinsend.
Ich schüttelte den Kopf. „Habt ihr mich je lernen sehen?"
Josie grinste breit. „Nein und im Unterricht passt du auch nicht richtig auf. Unfairerweise kannst du trotzdem alles."
