Das 7. Schuljahr –

Die Nachricht erfuhr ich von Josie, als sie mir weinend um den Hals fiel.

Kevin wurde ermordet.

Ich muss nicht erwähnen von wem, oder?

Die Neuigkeit traf mich sehr hart, härter als ich gedacht hätte.

Kevin war nicht mehr mein Freund gewesen, offiziell, doch inoffiziell hatte er mir immer noch was bedeutet, unsere Freundschaft hatte einfach zu lange gewährte, als das man sie einfach vergessen konnte.

Josie hatte ich nie aufgehört zu lieben und wie sie mir nun ins Ohr schluchzte, ging es ihr genauso, doch sie hatte Angst gehabt, weil sie nicht wusste, wie sie mit meinen Problemen umgehen sollte.

Ich ging erst einmal auf Distanz.

Ich freute mich zwar, aber als ich sie am meisten gebraucht hatte, war sie nicht für mich da gewesen.

Das hatte ich nicht vergessen.


Ich besuchte in den Ferien regelmäßig Aberforth.

Ein großer Spaß war das nicht.

Er lag in seinem Bett und schrie die meiste Zeit, wenn sie ihn nicht mit Zaubertränken oder

sprüchen ruhig stellten.

Ich wollte mit ihm reden, wollte ihm erzählen was passierte, während er im Krankenhaus lag, aber ich hätte es auch dem Glas auf seinem Nachttisch erzählen können – er schien rein gar nichts mitzubekommen.


Heute saß ich mal wieder bei ihm.

Er war ganz ruhig und hatte die Augen geschlossen, da er kurz vor meinem Besuch einen Trank bekommen hatte.

Ich sah aus dem Fenster und beobachtete, wie zwei Vögel durch den strahlend hellen Herbstmorgen flogen.

Ich sprach nicht mit Aberforth, denn inzwischen hatte ich es aufgegeben, mit ihm Kontakt aufnehmen zu wollen.

Die Krankenschwester, die am Bett neben dem meines Bruders hantiert hatte, lächelte mir freundlich zu und verließ den Raum.

Da berührte mich plötzlich etwas an meinem Bein.

Ich zuckte alarmiert zusammen und sah auf.

„Aberforth?"

„Hallo Albus", antwortete Aberforth mit unnatürlich zittriger und dünner Stimme.

„Du bist wach!", stammelte ich erschrocken.

„Ja, gut erkannt." Er lächelte mir gequält zu.

„Seit… wann?"

„Seit gestern. Aber ich möchte noch nicht, das die Krankenschwestern es merken, ich brauch noch etwas Zeit, damit ich mich wirklich bereit für Untersuchungen fühle."

Ich nickte nur, weil ich nicht recht wusste, was ich darauf antworten sollte.

„Ich möchte mit dir reden Albus."

„Okay…"

„Du hast dich sehr verändert, seit ich hier im Hospital bin. Du hast schon lange nicht mehr zu mir gesprochen, aber ich kann es fühlen, Albus."

„Was meinst du, Aberforth?"

„Du willst ihn töten, oder?" Als ich nicht auf seine Frage einging, fügte er hinzu: „Grindelwald. Er hat Kevin getötet. Du hast es mir erzählt."

Ich kniff trotzig die Lippen zusammen. „Du hast es gehört?"

Wieder lächelte Aberforth, diesmal eher traurig. „Ja natürlich. Ich konnte dir nur nicht antworten." Er musterte mich mit ungewohnter Schärfe. „Du willst es also wirklich, oder?"

„Selbst wenn es so wäre, was geht dich das an?"

„Du bist mein Bruder, Albus, und nebenbei der einzige aus meiner Familie, der noch lebt."

„Er hat Großvater auf dem Gewissen, Aberforth und unsere Eltern und Kevin und unzählige unschuldige Menschen! Er hätte es nur verdient, wenn ihm jemand mal zeigen würde, wo's lang geht."

„Du bist nicht stark genug, Albus", sagte Aberforth so leise, das ich es fast nicht verstand.

„Aber eines Tages werde ich es sein."

Wir sahen uns lange an.

„Ich bin volljährig, ich bin kein Kind mehr." Ich verschränkte störrisch die Arme.

Mein Bruder seufzte. „Tu, was du nicht lassen kannst. Aber bitte versprich mir, das du nicht zu leichtsinnig handelst."


Ich mied meine Mitschüler, denn ich hatte es satt, wohin ich auch ging, mitleidige Blicke zu ernten, denn natürlich wusste jeder, was mir passiert war.

Die einzige, die ich nicht abwies, war Josie.

Sie gab sich Mühe, mich zu verstehen und sich gleichzeitig genau wie immer zu verhalten, bevor meine Eltern ermordet wurden, bevor Aberforth in das Krankenhaus gekommen war.

Das half mir ungemein und schon bald war es, als hätte es das 6. Schuljahr nie gegeben, als hätten wir das 16. Lebensjahr einfach übersprungen.

Doch wir hatten nicht viel Zeit für uns, denn alle Siebtklässler arbeiteten fieberhaft auf ihren Abschluss hin.

Ich hatte mich entschlossen Auror zu werden, denn das war der einzige Beruf, der mir in meinem Plan, Grindelwald zu besiegen, hilfreich sein konnte.

Für die Ausbildung zum Auror brauchte man Topnoten.

Das war eigentlich kein Problem für mich, denn ich empfand die von uns verlangten Aufgaben als einfach.

Es überprüfte mich eine freundliche junge Frau namens Madame Marshbanks, die von meinen Fertigkeiten beeindruckt war und ich schaffte in allen Fächern ein UTZ mit Ohnegleichen.

Ich verließ Hogwarts mit dem Gefühl, mein wahres Zuhause zu verlassen…


- Auror? –

Ich suchte mir eine Wohnung in London.

Die Lage war ziemlich gut, ich war innerhalb von 10 Minuten in der Winkelgasse und mit der U-Bahn war ich ebenfalls sehr schnell im Ministerium, wenn ich keine Lust hatte zu apparieren.

Aberforth konnte nach ungefähr einem Jahr das Hospital endlich verlassen, nachdem er einige Rückschläge erlitten hatte, die Ärzte aber letztendlich sicher waren, das er keine Schreikrämpfe mehr bekam und er auch ansonsten keine bleibenden Schäden davongetragen hatte.

Ich bekam das Sorgerecht für ihn und er zog zu mir.

Zurück nach Hogwarts konnte er nicht, weil er Probleme mit der Rechtschreibung bekommen hatte, was sich niemand erklären konnte. Er bekam keinen richtigen Satz mehr zustande und war daher nicht mehr schultauglich.

Seine Zukunft war damit wirklich sehr ungewiss.

Denn, was sollte ein junger Zauberer ohne Schulabschluss machen?


Ziemlich nervös saß ich auf dem Stuhl im Wartezimmer des Ministeriums.

Gleich hatte ich ein Bewerbungsgespräch um den Posten eines Aurors.

Sehr zuversichtlich war ich nicht, denn es war seit Jahren niemand mehr aufgenommen worden und ich entsprach nicht wirklich den äußerlichen Vorstellungen eines Aurors.

Ich war eher schlank und groß, zwar wendig aber nicht besonders muskulös und die heutigen Vorstellungen eines perfekten Aurors waren anders – klein, stämmig und muskelbepackt, Frauen hatten in diesem Job keine Chance auf eine Stelle (Anm. des Autors: diese Vorstellungen entsprechen natürlich nicht dem Bild, wie wir es aus den Harry Potter-Büchern kennen, aber ich denke, auch bei den Zauberern gab es nicht immer Gleichberechtigung).

„Nächster bitte", sagte eine ruppige Männerstimme an der Tür des Wartezimmers.

Ich stand auf und ging leicht zitternd hinter dem Mann her, der mich gerufen hatte, und ließ mich in ein Zimmer führen, das mit nichts als einem Schreibtisch und zwei Stühlen möbliert war, ein Fenster gab es nicht.

An den Wänden des Zimmers hingen einige Plakate von gesuchten Zauberern und Hexen, hauptsächlich Grindelwalds Gefolge.

Ich setzte mich auf einen Stuhl und wartete.


„Guten Tag", tönte plötzlich eine sanfte Frauenstimme hinter mir und ich drehte mich um.

„Ich bin Ms Ginda", sagte sie und strich ihr dunkelblondes Haar zurück.

Ich muss zugeben, sie sah nicht schlecht aus – sie hatte große braune Augen und ihre Haare fielen ihr in glänzenden Strähnen ins Gesicht. Sie setzte sich nun, mit einem leichten Lächeln auf den Lippen, auf den anderen Stuhl.

„Sie möchten also Auror werden?"

Ich nickte.

„Und Sie heißen?"

„Albus Dumbledore ."

Sie begann auf einem Klemmbrett zu schreiben. „Familienstand?"

„Unverheiratet", antwortete ich zögerlich.

Sie sah mich kurz an, senkte dann wieder ihren Kopf, das Lächeln unverändert.

„Gibt es einen besonderen Grund, weshalb Sie Auror werden wollen?"

Ich hatte geahnt, das so eine Frage kam, aber ich wagte nicht, die Wahrheit zu sagen, daher antwortete ich: „Ich interessiere mich für den Beruf."

„Aha." Sie zog eine Braue hoch. „Sonst nichts?"

„Nein, ich interessiere mich einfach dafür."

Sie setzte sich aufrechter auf ihren Stuhl und musterte mich eingehend. „Ich möchte Sie ja nicht ernüchtern, aber wissen Sie, Sie haben nicht gerade die Statur für einen Auror. Auch wenn Ihr Abschlusszeugnis überragend ist, ändert das nichts an Ihrem Körper."

Ich neigte leicht den Kopf. „Das ist mir durchaus bewusst."

Ihr Lächeln wurde etwas breiter und ihre Augen funkelten plötzlich seltsam. „Nicht, dass ich etwas gegen Ihren Körper hätte, verstehen Sie mich nicht falsch."

In ihrer Stimme lag etwas verführerisches, das mir nicht gefiel.

Sie rückte den Stuhl näher an den Schreibtisch und war nun ganz nah vor meinem Gesicht.

„Ich könnte versuchen etwas für Sie zu drehen, damit man sie aufnimmt", flüsterte sie, „Aber das verlangt nach einer gewissen – Gegenleistung, finden Sie nicht auch?"

Mir wurde etwas mulmig zumute und ich erhob mich von meinem Platz. „Ich denke, ich gehe jetzt besser, ich warte dann auf Ihre Benachrichtigung."

„Och… Sie wollen doch sicherlich noch etwas bleiben, oder?"

„Nein, eher nicht, danke."

Sie erhob sich ebenfalls und kam um den Schreibtisch herum auf mich zu. „Ich möchte sooo gerne, dass Sie mir noch etwas Gesellschaft leisten", erwiderte sie nachdrücklich. „Es könnte ihrer Aurorenkarriere sehr hilfreich sein."

Ich zögerte und diese Gelegenheit ergriff sie, indem sie näher an mich heranrückte und mir über die Wange strich.

Sprachlos von diesem plötzlichen Sinneswandel der eben noch so ernsten Ministeriumsangestellten, wich ich zurück und stieß mit dem Rücken an die Wand.

Sie lachte auf und zog mein Gesicht zu ihrem, um mich zu küssen.

Im ersten Augenblick viel es mir schwer mich ernsthaft zu wehren (denn sie sah wirklich nicht schlecht aus…), doch als sie plötzlich anfing, an meinem Umhangkragen zu zerren, riss ich mich los.

„Was soll das?", fauchte ich sie an.

Dass sie darauf erneut lachte, machte die Sache nicht besser. „Du willst es doch auch, stell dich nicht so an."

Wieder versuchte sie mich zu küssen, doch diesmal stieß ich sie energisch weg. „Wenn das der Preis ist, den ich zahlen muss, um eine Stelle im Ministerium zu bekommen, kann ich darauf gerne verzichten!"

Damit verließ ich das Zimmer.


Der Brief kam an einem Augustmorgen.

„Albus, da ist eine Eule für dich!", rief Aberforth und befreite die Schleiereule, die auf dem Fenstersims gelandet war, von ihrer Last.

Ich sah von meinem Kaffee auf und langte nach dem Brief, den Aberforth mir entgegenhielt.

Ich öffnete ihn und las ihn rasch durch, um ihn dann mit grimmiger Genugtuung zusammenzuknüllen und beiseite zu werfen.

Aberforth betrachtete argwöhnisch mein Treiben. „Von wem war der?"

„Vom Zaubereiministerium", antwortete ich. „Sie haben mir auf meine Bewerbung zum Auror geantwortet."

„Und, was sagten sie?"

„Ich bin nicht angenommen worden", sagte ich gleichgültig.

Er setzte zu einer Antwort an, doch ich stand auf und schüttete meinen Kaffee in das Waschbecken.

„Pack deine Koffer, Aberforth, wir fahren nach Hogwarts."

Aberforth' Augen wurden rund wie Galleonen. „Was?"

Ich erwiderte nichts, sondern ging in mein Zimmer, um meinen eigenen Koffer zu packen.

Es war klar gewesen, das, nach meinem Besuch im Ministerium, die Stelle für mich gestorben war, deswegen hatte ich auf eine Anzeige im Tagespropheten geantwortet, in der stand, das Hogwarts einen neuen Lehrer für Verwandlung suchte.

Meine Zusage war am gestrigen Abend gekommen.

Ich stopfte einen Umhang in den Koffer und war zum ersten Mal seit langem wirklich glücklich.


- Zurück nach Hogwarts –

Wir zogen in ein kleines Haus in Hogsmeade.

Sie hatte nur 3 Zimmer im ersten Stock und einen nahezu unbewohnbaren großen Teil im Erdgeschoss, der mal ein Ziegenstall gewesen war, aber Aberforth, inzwischen 17, wohnte hauptsächlich alleine im ersten Stock, denn ich hatte in Hogwarts ein eigenes Zimmer im Lehrerflur.

Das Kollegium, größtenteils meine ehemaligen Lehrer und die Schüler, die mich teilweise ebenfalls noch aus meiner Schulzeit kannten, nahmen meine Einstellung zum Verwandlungslehrer freudig auf.

Ich bereitete meinen Unterricht gewissenhaft und gründlich vor, damit er auch ansprechend und spannend war und war schnell sehr beliebt bei den Schülern.

Nach einem Monat wurde ich zum Hauslehrer der Gryffindors ernannt, meinem ehemaligen Haus.


Ich hatte trotz der Jobsuche meinen Wunsch auf Rache gegen Grindelwald natürlich nicht vergessen.

Die Schulbibliothek bot mir eine großartige Möglichkeit, meinen Wissensbestand an Zaubersprüchen und Verwünschungen aufzubessern.

Am besten gefiel mir ein Zauber, den ich in der Verbotenen Abteilung fand – eine Art Peitsche aus Flammen.

Man konnte mit ihr Gegenstände, Körper etc. umschlingen und erquetschen und selbst Stein mit einem gezielten Schlag zum bersten bringen.

Dass es schwarze Magie war, interessierte mich nicht, es war recht offensichtlich, das in den Büchern der Verbotenen Abteilung kraftvollere Zauber standen, als in den Büchern der weißen Magie.

Und, warum nicht in beidem bewandt sein?


Aberforth machte aus dem Erdgeschoss ein Wirtshaus.

Er taufte ihn Eberkopf – der Name ist übrigens nicht so einfallslos, wie er klingt, denn er hatte eine gewisse Bedeutung für uns – Vater hatte uns oft Eberkopf genannt, wenn wir mal etwas ungeschicktes gemacht hatten und er mit uns schimpfte. Also ein Name mit Ironie, die nur wir verstanden.

Wir hatten nicht viel Geld zur Verfügung, daher war der Pub ziemlich schmuddelig und kam schnell in Verruf, vor allem, als einer der Gäste Aberforth einen abgetrennten Kopf eines Ebers schenkte, der an der Schnittstelle ununterbrochen blutete.

Aberforth fand es jedoch lustig und hängte den Kopf an die Außenwand des Gasthauses.

Das Geschäft lief nach einer Weile so gut, das Aberforth genügend eigenes Geld verdiente, um über die Runden zu kommen, und eines Wintermorgens zog ich komplett aus der Wohnung aus.


Grindelwald terrorisierte das Volk der Hexen und Zauberer immer mehr und jedes Mal, wenn ich eine weitere Schreckensnachricht im Tagespropheten las, stieg meine Wut auf ihn und brannte sehr schmerzhaft in meinem Bauch.

Aberforth hatte sicherlich Recht, ich konnte mich noch nicht mit ihm messen, aber ich war auf dem besten Wege dahin.