Prolog

(Teilweise entnommen aus "Die Königin Vom Nil" von Colin Falconer, minimale Veränderungen)
Sie hörte sie, bevor sie sie sah.
Geschmeidiges Schlängeln, kalte, sich windende Körper, die sich verkrochen, um dem Lichtschein zu entfliehen.
Sie konnte ihren Blick nicht abwenden, die Gliedmaßen gelähmt vom lauernden Grauen der Grube.
Es waren ihrer Hunderte, unzählige Tode, mit Augen, die glitzerten wie Granatsplitter.
Die Schergen des Henkers.
Sie erkannte die Viper, die Zunge erregt aus dem geschlitzten Maul schießend. Und dort, der lange, schlanke Körper gelbbraun gestreift, im Nacken die hutartige Verbreitung, die Kobra, das heilige Symbol Oberägyptens, das königliche Sinnbild der Pharaonen und Ptolemaier.
Die Griechen nannten sie Basilisk oder kleiner König.
Im Buch der Toten war sie das Symbol ewigen Lebens. Jetzt kam der junge Mann mit dem Mund dicht an ihr Ohr.
Sie spürte sein Kinn, das ihre Wange sanft berührte.
"Das ist die Welt, die du gewählt hast", flüsterte er.
"Jeder birgt Schlangen, doppelt so giftig wie diese.
Diese Brut wird dein Leben begleiten.
Wenn du überleben willst, musst du lernen, ebenso wendig zu sein, musst du dein Gift so schlau einsetzen wie sie und ebenso erbarmungslos zustoßen.
Hast du das verstanden?"
(...)

1. Die Peitsche der Nacht

"LASST SIE NICHT ENTKOMMEN", hallte seine eisige Stimme durch die Kerker Hogwarts'.
Dunkelheit, kaltes Gestein unter den Fingerkuppen; Schatten, die an den Wänden tanzen, Fackellicht, das im Zug der Schächte flackert. So kalt hier und so feucht wie der Tod. Es dauerte lange, bis sich ihre Augen an die Nacht gewöhnt hatten. Fühlten sie sich für kurze Zeit in Sicherheit, so wurde ihre Erleichterung versenkt in einem Netz, das sich unaufhaltsam um die Glieder schnürte und eine Flucht ausgeschlossen machte. Lautes Atmen und vereinzeltes Schluchzen wurde verdrängt von schweren Schritten. Sie wirkten bedrohlich, der Hall wurde von den Wänden gefangen und auf die Gefangenen geschleudert. Der Knall einer Peitsche ließ ein Mädchen verschreckt aufschreien! Der Besitzer der Peitsche schenkte seine volle Aufmerksamkeit der Gefangenen, die durch ihre Angst die heiligen Geräusche der Kerker missbraucht hatte.
"Bringt sie mir", rief er mit gebieterischer Stimme und die nachfolgende Szene verriet, das er Respekt höchsten grades genoss.
Zwei Gestalten schlitzten ihr Netz mit blanken Klingen auf. Sie achteten nicht auf das lebendige Wesen, das vor Schmerz abermals aufschrie. Die Männer verletzten sie mit jedem Streich ihrer Messer. Sie hätten ihre Aufgabe aufmerksamer verrichtet; auf Schonung waren sie nicht getrimmt worden. Mit kräftigen Armen wurde sie gepackt und vor dem peitschenden Mann geschleift. Kraftlos, verletzt sank sie auf die kalten Steine und vermochte sich nicht zu rühren. Gelächter ertönte aus allen Ritzen und die übrigen Gefangenen zwangen sich keinen Laut von sich zu geben. Selbst das Atmen vergaßen sie als das Mädchen getreten wurde, um sich zu erheben. Die Vermummten wussten genau, dass der Gefangenen damit die Würde und Chance genommen wurde sich aufzurichten. Das Gelächter schwoll an! Irgendwann nach unendlichen Tritten wurde sie weggetragen...
Tod griff um sich, er schien an jeder lebenden Gestalt zu rütteln, aber die schwarzen Gestalten spürten ihn nicht. Sie verdrängten ihre Taten, stellten die Gefühle ab und achteten nicht auf die riesige Blutlache auf dem Boden.