Kapitel 3: Ruhe vor dem Sturm

Die Sonne war untergegangen und nach einem langen, anstrengenden Tag kehrte Kyp Durron in sein Zimmer zurück. Nach dem Mittagessen hatte ihnen Meister Skywalker etwas über die Fähigkeit der Jedi, ihre Eigenschaften und körperlichen Fähigkeiten zu steigern, erzählt. Für eine begrenzte Zeit konnte der Anwender höher springen, besser sehen oder schneller laufen. Kyp hatte seine Schwierigkeiten gehabt, weil er seinen Beinen noch nicht solcher Belastung aussetzen wollte. Aber es war faszinierend, seine Sinne zu steigern und Details wahrzunehmen, die einem sonst entgingen. Es war nicht schlimm, dass er nicht wie Kirana Ti oder Streen mehrere Meter hoch springen konnte oder blitzschnell laufen konnte. Irgendwann würde er das schon schaffen. Und sobald er Tionne ansah und sie seinen Blick erwiderte und lächelte, ging es ihm wieder gut. War er vielleicht in sie verliebt? Kyp fand keine Antwort auf diese Frage, denn er hatte noch niemals solche Gefühle gehabt. Ruhelos ging er in seinem Zimmer auf und ab und dachte nach, wobei ihm einfiel, dass seine Beine nicht mehr so stark schmerzten. Kyp hatte nach dem Unterricht seinen Lieblingsplatz auf dem höchsten Punkt der Akademie aufgesucht und dort stundenlang meditiert um seine Heilung zu beschleunigen. "Tionne", flüsterte Kyp und trotzte dem Drang, sich aufs Bett zu werfen und wie ein verliebter Teenager nachzudenken. Kyp hatte den Großteil seines Lebens in den Minen von Kessel verbracht. Er hatte keine normale Kindheit gehabt, hatte niemals über Mädchen oder dergleichen nachgedacht. Nur das Überleben war wichtig gewesen. Konnte es sein, dass er sich gerade in das erste hübsche Mädchen verliebte, das ihm vor die Augen kam? Woher wusste er überhaupt, ob es wirklich Liebe war? Und durften Jedi-Ritter überhaupt Liebe empfinden? Lenkte es sie nicht zu sehr von ihren Pflichten ab? Kyp wollte zu gerne mit jemandem darüber reden. Gerne hätte er sich in den Kommandoraum begeben, um über Hyperraumfunk mit seinem Kumpel Han Solo zu reden. Aber dies war dumm, denn vielleicht schlief Han gerade, wegen dem Zeitunterschied oder er war auf einer Mission für die Neue Republik unterwegs. Luke Skywalker war weise, aber auch ihn wollte er nicht damit behelligen. Dann hatte er eine Idee. Kyp verließ sofort sein Zimmer und ging zum Holocron-Raum. Niemand war zu sehen, denn es war spät und da morgen früh um 7 Uhr der Unterricht wieder anfing, war Schlaf eine Notwendigkeit. Trotz der entspannenden Meditationen, die sie von Meister Skywalker gelernt hatten. Kyp schloss die Tür hinter sich und ging zu dem uralten Holocron, welches auf einem Sockel in der Mitte des Raums ruhte. Das Holocron war ein kleiner Würfel mit uralten Zeichen und Mustern. Das Alter des Holocrons war schwer zu bestimmen, aber die Technologie die man brauchte, um Holocrons herzustellen, war während des Aufstiegs des Imperiums verloren gegangen. Voller Ehrfurcht berührte er das Holocron und schaltete es damit an. Mit einem lauten Zischen bildete sich in und um den Holocron-Würfel ein Bild, eine halb greifbare Projektion, die mehr war als nur eine Ansammlung gespeicherter Daten, es war eine interaktive Darstellung eines Jedi-Meisters - ein gedrungener Alien, halb Insekt, halb Krebs. Er schien gebeugt von der Last hohen Alters oder zu hoher Schwerkraft. Sein Kopf lief in einem schnabelähnlichen, langen Trichter aus, von dem haarige Auswüchse hingen. Eng zusammenstehende, glasige Augen starrten wie glitzernde Stecknadelköpfe voller Wissen. Das Wesen stützte sich auf einen langen Holzstab, seine Beine waren spindeldürr und knotig. Zerfledderte Lappen bedeckten seinen Körper und standen in den unmöglichsten Winkeln ab, wie Kleidung oder eine Außenhaut. Als er sprach, klang seine Stimme wie eine rauschende Melodie und erinnerte an hochtönige Musik, die unter schnell fließendem Wasser gespielt wurde. Es erinnerte Kyp an die Balladen, die Tionne immer mit ihrer Doppelgeige spielte. "Ich bin Meister Vodo-Siosk Baas. Wer wünscht mich zu sprechen?", fragte das Abbild des Jedi-Meisters. Die Projektion schien Kyp direkt anzusehen und dieser wurde ein wenig nervös. Obwohl er nichts Falsches oder Verbotenes machte. Tionne hatte das Holocron bereits stundenlang studiert und wusste wahrscheinlich mehr als alle anderen über das Holocron. Sogar mehr als Meister Skywalker. "Ich bin Kyp Durron, Jedi-Schüler." Das Hologramm schien zu lächeln. "Was kann ich für dich tun, Kyp?" Kyp überlegte, wie er die Frage formulieren sollte, ehe er sprach: "Nun, ich würde gerne wissen", begann er unsicher, "Wie ist das mit der Liebe, bei den Jedi-Rittern?" Das Hologramm des Jedi-Meisters wirkte amüsiert: "Zuerst einmal", begann es mit belustigter Stimme, "Sind da die Bienchen und die Blümchen..." Kyp schnitt eine Grimasse. "Sehr witzig", knurrte er und das Hologramm lachte, was sich wie das Geräusch von Trompeten anhörte. Kyp musste selber ein wenig lächeln, als er das hörte. "Bitte definiere deine Frage ein wenig genauer", bat Vodo-Siosk Baas. Kyp atmete tief ein und versuchte, sich besser auszudrücken: "Im Jedikodex steht doch, Es gibt keine Leidenschaft, es gibt die Gelassenheit. Wie kann denn Liebe ohne Leidenschaft existieren?" Das Hologramm des Jedi-Meisters überlegte und nickte schließlich.

"Viele Jedi-Schüler haben mich das schon gefragt, Kyp Durron. Da sich die Zeiten geändert haben, gebe ich heutzutage andere Antworten als damals. In den Zeiten der Alten Republik war die Liebe für Jedi-Ritter verboten. Sie hatten sich ganz dem Orden und dem Streben für Gerechtigkeit verschrieben. Liebe war eine Ablenkung und brachte Gefühle mit sich, die gefährlich sein konnten. Dennoch gab es immer wieder Jedi-Ritter, die sich über diese Regel hinweg setzten und im Geheimen eine Beziehung hatten. Und es funktionierte. Du sprichst über Liebe mit einem anderen Jedi?" Kyp hörte ihm gut zu. "Ja, das tue ich." Das Hologramm lächelte, ehe es weiter sprach: "Das Wort Leidenschaft im Jedikodex bezieht sich auf übermäßiges, krankhaftes Begehren. Auf das unbedingte Festhalten an einer Idee. Es bezieht sich auf die negativen Aspekte. Aber gesunder Enthusiasmus, Freunde... dies kann nicht falsch sein. Der Kodex sagt auch, Es gibt keine Emotion, es gibt den Frieden. Aber sind Emotionen nicht gerade das, was uns zu fühlenden Wesen macht?" Das Hologramm des Jedi-Meisters wirkte für einen Moment noch gebrechlicher. "Oft hat man darüber diskutiert. Viele sagten, Emotionen würden der Pfad zur dunklen Seite der Macht sein. Doch die Jedi waren keine gefühllosen Kämpfer. Altruismus macht die Jedi aus. Das Aufopfern für das Gute. So höre meine Meinung, Kyp Durron. Der Kodex schränkt die Liebe, die ein Jedi empfindet niemals ein. Ganz im Gegenteil. Liebe ist der Schlüssel. Liebe besiegt die Finsternis. Die Macht und die Liebe sind Kräfte des Guten. Wer im Einklang mit der Macht lebt, der wird ein großes Verständnis zu seinem Partner haben. Ich hoffe, ich konnte dir helfen." Der junge Jedi nickte, hatte aber noch etwas auf dem Herzen: "Ja, Ihr habt mir wirklich sehr geholfen, Meister. Aber eine Frage habe ich noch. Woran erkenne ich, dass es wirklich Liebe ist, die ich da empfinde? Woran erkenne ich, dass die betreffende Person auch mich liebt?" Vodo-Siosk Baas schien Kyp direkt anzusehen. "Vertraue auf dein Herz, Kyp Durron. Liebe ist die stärkste Zuneigung, die ein Wesen für ein anderes empfinden kann. Ein Gefühl inniger und tiefer Verbundenheit mit dem Nächsten. Wahre, selbstlose Liebe begründet sich auf diese Verbundenheit und auf das Verstehen des Anderen, wenn man nur das Beste für den Partner will. Verstehst du, was ich meine? Oder soll ich fortfahren?" Kyp dachte nach. "Danke, das war alles was ich wissen wollte." Das Hologramm des Jedi-Meisters lächelte und verschwand wieder im Holocron-Würfel. Kyp verließ den Holocron-Raum und machte sich wieder auf den Weg zu seinem Zimmer. Er dachte über die Worte des Holocrons nach und wiederholte sie immer wieder im Geiste. Er dachte an die Sorge, als er Tionne am Morgen leblos in der Großen Halle gefunden hatte. Er dachte an den Drang, sie zu beschützen, als sie ihr Lichtschwert fallen gelassen hatte und Meister Skywalker weiter auf sie feuerte. Er dachte an die Gespräche und an ihr Lächeln. Und er dachte an den Wusch, immer das Richtige zu sagen und alles perfekt zu machen, wenn sie in der Nähe war. Dies war ihm vorher gar nicht aufgefallen und zuerst hatte er es auf seinen Stolz und Ehrgeiz zurückgeführt. Er betrat sein Zimmer und warf sich auf sein Bett. Ja, er liebte Tionne. Die Gefühle, die er für sie empfand waren mit nichts zu vergleichen und Kyp war sich sicher, dass diese Gefühle nur noch stärker werden konnten. Aber was hielt Tionne von ihm? Sie war sehr freundlich zu ihm, aber war sie das nicht zu jedem? Sollte er ihr erzählen, was er für sie empfand? Vielleicht würde sie lachen und Lieder singen, über den verliebten Kyp Durron, der nur Dummheiten machte. Nein, nicht Tionne. Kyp beschloss, rational zu sein und sich nicht von diesen Gefühlen beherrschen zu lassen. Wenn Tionne ihn ebenfalls mochte, würde er es schon merkten. Kyp wurde plötzlich aus seinen Gedanken gerissen, als er merkte, wie etwas über deinen linken Arm glitt. Er bemühte sich, nicht vor Überraschung zusammen zu zucken und sah an sich herunter. Etwas schimmerndes, nahezu Unsichtbares kroch an seinem Arm entlang, auf seinen Bauch. Es war eine Kristallschlange. Wie kam das Tier in sein Zimmer? Als sich Kyp ein klein wenig erhob, wurde die Schlange sofort aggressiv und Kyp musste nach der Macht greifen, um die Schlange weg zu schleudern, ehe sie zubeißen konnte. Dann sprang er aus seinem Bett und suchte die Kristallschlange. Sie war langsam, aber dennoch gefährlich. Kyp konzentrierte sich hob sie mit der Macht an und ließ sie aus dem Fenster schweben, ehe er gegen die Wand sackte und erleichtert ausatmete. Warum hatte sich die Schlange in sein Zimmer verirrt? Kristallschlangen mochten warme Orte, während es in Kyp's Zimmer recht kühl war. Hatte jemand die Schlange in sein Zimmer geschmuggelt? Natürlich konnte die Schlange auch durch Zufall in sein Zimmer gekrochen sein, aber Kyp musste sofort an Brakiss denken. Und damit fiel ihm ein, dass er ja noch mit einem Düsenrad nach der Funkanlage suchen wollte, die Brakiss wahrscheinlich benutzte. Kyp nahm seine schwarze Robe und zog sie an und vergewisserte sich, dass er sein Lichtschwert am Gürtel hatte. Dann eilte er aus seinem Zimmer. Um zum Hangar zu kommen, musste er durch den ganzen Tempel laufen. Die Gänge waren still und verlassen. Die Studenten schliefen bereits alle oder meditierten. Kurz vor dem Holocron-Raum lief er fast Tionne über den Haufen. "Entschuldige", sagte Kyp hastig und merkte, wie er leicht rot wurde. Aber Tionne lächelte ihn wie immer freundlich an. "Kein Problem, Kyp." Im trüben Licht der Leuchtpanelen wirkte Tionne wie eine geisterhaft schöne Fee. Ihre großen Augen funkelten und ihr langes Silberhaar fiel ihr auf die Schultern und die Brust und floss wie ein strahlendweißer Wasserfall über ihren Rücken. "Was machst du noch so spät auf den Gängen?", fragte Tionne neugierig und wurde selber ein wenig rot. Kyp überlegte, ob er ihr sagen sollte, dass Brakiss ein Spion war und er in den Wald musste, um seine Funkanlage zu suchen. Aber er entschied sich dagegen. "Nun, ich wurde eben auf meinem Zimmer fast von einer Kristallschlange gebissen. Ich bin daher ein wenig aufgewühlt. Und weil ich schon die letzten Nächte nicht schlafen konnte, wollte ich mit dem Düsenrad ein wenig durch die Wälder fahren." Tionne war sichtlich besorgt, als Kyp die Kristallschlange erwähnte und auch seine Idee eines Ausflugs durch die Wälder gefiel ihr nicht. Aber er konnte ihr noch nicht die Wahrheit sagen. Nicht ohne Einverständnis von Meister Skywalker. "Es ist gefährlich, da draußen", sagte Tionne nur. Und damit hatte sie Recht. Aber Kyp musste einfach losfahren. Zu ihrer aller Sicherheit. "Mir passiert schon nichts, ich passe auf mich auf", sagte er nur. Dann versuchte er, geschickt das Thema zu wechseln: "Warum bist du noch so spät wach?" Tionne sah zu Boden, als überlege sie ein wenig. "Ich wollte noch ein wenig studieren. Was ist, wenn dir etwas passiert, da draußen?" Sie sah ihn mit ernstem Blick an und Kyp wurde warm ums Herz. Dass sich jemand so um ihn sorgte war nicht selbstverständlich. "Ich habe meinen Kommunikator dabei. Meister Skywalker ist auch noch wach und wenn mir etwas passiert, wird er es spüren. Ich fahre nicht weit weg. In einer halben Stunde bin ich wieder zurück, ehrlich." Kyp versuchte das schiefe, gewinnende Lächeln von Han Solo nachzuahmen und Tionne schmunzelte nur. "Dir kann man wohl gar nichts ausreden, wie? Na okay... pass auf dich auf Kyp!" Sie lächelte und ging an Kyp vorbei und dieser sah ihr nach, wobei sein Blick an ihrem Po hängen blieb und er sofort wieder rot wurde. "Mach ich. Bis morgen, Tionne!" Kyp wandte sich ab und ging weiter in Richtung Hangar. Das war ja völlig in die Hose gegangen. Er hoffte, Tionne war nicht sauer wegen seiner Sturheit. Aber es ging eben um viel mehr als seine Schlaflosigkeit. Wenigstens sorgte sie sich um ihn. Als er den Hangar erreicht hatte, nahm er sich das Düsenrad und öffnete das große Tor des Hangars einen Spalt weit. Dann setzte er sich auf das Düsenrad, aktivierte den Repulsorantrieb, der das Gefährt zum Schweben brachte und gab Gas. Die Kräfte der Gravitation rissen an ihm, als er das Fahrzeug mit mehreren hundert Stundenkilometern aus dem Hangar brausen ließ, rasch an Höhe gewann und in die Richtung fuhr, aus der Brakiss am Vormittag gekommen war. Er hoffte, dass die Funkanlage des Spions wirklich beim Tempel des Blaublatt-Schwarms war. Wenn sie irgendwo im Wald versteckt war, würde er ewig brauchen sie zu finden. Kyp bereute es, keinen Helm mitgenommen zu haben und fuhr ein wenig langsamer. Er war neugierig, was er finden würde, wenn er überhaupt etwas finden würde.

Etwa eine halbe Stunde später verließ Tionne den Holocron-Raum und war sehr aufgewühlt. Sie hatte sich von Meister Vodo-Siosk Baas einige Einzelheiten über den Rat der Jedi-Ritter erklären lassen und über die Struktur des alten Jedi-Ordens. Dabei war das Thema irgendwann auf Differenzen gekommen und plötzlich sprach das Hologramm des lange verstorbenen Jedi-Meisters von Dingen wie Liebe und Leidenschaft. Und was sie am Meisten verwirrte war: Das Hologramm sagte, dass ein junger Jedi-Ritter namens Kyp Durron kurze Zeit vor ihr nach diesem Thema gefragt hatte. War Kyp verliebt? Tionne wurde plötzlich und ohne Vorwarnung mit diesem Thema konfrontiert und als das Hologramm des Jedi-Meisters die lange Pause bemerkte, hatte es sie gefragt, ob alles in Ordnung war. Tionne konnte nicht leugnen, dass Kyp ein sehr höflicher, netter und - ja, auch attraktiver - junger Mann war. Er hatte eine Menge durchgemacht und schien sich nur mit ihr gut zu verstehen. Er hatte sie beruhigt, nachdem sie die Visionen hatte und hatte sie aufgeheitert, als sie an sich gezweifelt hatte. Er hatte ihr geholfen und ihr fiel auf, dass er ihr sogar Komplimente gemacht hatte. War Kyp in sie verliebt? Tionne hatte das Holocron gefragt, was Kyp wissen wollte und das Abbild des Jedi-Meisters hatte gekichert. "Ist die junge Tionne etwa in den jungen Kyp verliebt?" Tionne war rot geworden, als das Holocron ihr sagte, Kyp habe nach Merkmalen der Liebe gefragt und nach dem Einklang von Liebe und der Macht. "Ich sagte, er solle seinem Herzen vertrauen", hatte das Holocron gesagt. Tionne war sehr verwirrt gewesen und hatte das Gespräch mit dem Holocron beendet. Was sollte sie davon halten? Sie mochte Kyp wirklich sehr und es freute sie, wenn sie ihn erfolgreich aufheitern konnte. Aber sie hatte die ganze Zeit nicht bemerkt, was Kyp für sie empfand. Und es war ja nicht erst seit heute der Fall, dass sie merkte, dass Kyp sich um sie kümmerte. Oder umgekehrt, dass sie sich irgendwie für ihn interessierte. Vor einigen Monaten, als Kyp noch neu an der Akademie war, vor seiner Verbindung mit dem Geist von Exar Kun, war Tionne durch den Dschungel gewandert, um Verbindungen der Architektur der alten Tempel mit der Architektur und der Kunst der Jedi-Ritter zu finden. Sie erinnerte sich, wie schwer es war, sich durch das Dickicht zu kämpfen. Sie erinnerte sich an das Rascheln der Blätter, an das Kratzen der Zweige und Dornen, die an ihrer Robe hängen blieben. Sie erinnerte sich an die Geräusche der Tiere, die durch das Unterholz huschten. Ein breiter, warmer Fluss, saphirblau und von schlammigen Wirbeln gefleckt, wälzte sich am Großen Tempel vorbei und war unter den dichten Bäumen kaum zu sehen. Der Fluss gabelte sich und schickte einen Nebenarm am alten Kraftwerk der Rebellen vorbei, das Luke und R2-D2 für die Jedi-Akademie wieder in Betrieb genommen hatten. Das Kraftwerk war in einem kleineren Tempel errichtet worden und Tionne wollte sich damals die Merkmale und die Bauweise des kleinen Gebäudes ansehen. Dabei hatte sie gesehen, wie Kyp Durron am Flussufer versuchte, einen Baum zu erklettern. Die Massassi-Bäume waren riesig, hatten dicke Baumstämme und es war schwer, überhaupt an die ersten Zweige und Äste zu kommen, trotz der Schlingpflanzen, die sich um die Bäume wanden. Doch Kyp gab nicht auf und kletterte an einem der Bäume hoch. Die Macht war auf seiner Seite und er hätte es mit Sicherheit geschafft, wäre nicht plötzlich ein starker Wind aufgekommen. Kyp hatte den Halt verloren und war gestürzt. Und er war in den Schlamm am Ufer des Flusses gefallen. Es wäre fast zum Lachen gewesen, wenn Tionne sich nicht sofort Sorgen um sein Wohlergehen gemacht hätte. Aber Kyp war aufgestanden, völlig von Schlamm bedeckt, hatte geflucht - und sich dann vollkommen ausgezogen und im Fluss sich und seine Kleidung gewaschen. Und Tionne war dort geblieben und konnte nicht anders, als ihn zu beobachten. Und es gab noch einen nennenswerten Vorfall, den Tionne nicht vergessen konnte. Damals waren sie gemeinsam mit Meister Skywalker tief in die unteren Stockwerke des Großen Tempels gegangen. Mitten in der Nacht. Meister Skywalker hatte nur einen trüben Lichtstab in der Hand gehabt und hatte sie in die Katakomben des Tempels geführt. Niemand der Schüler hatte diesen nächtlichen Ausflug kritisiert, denn sie hatten sich schnell an Meister Skywalkers exzentrischen Lehrmethoden gewöhnt. Sie alle hatten nur ihre Roben an und Badesachen. Der Steinboden war kalt unter ihren nackten Füßen, aber Meister Skywalker hatte nur gesagt, dass sich ein Jedi seiner Umgebung bewusst sein soll, aber sich nicht von ihr auf unerwünschte Weise ablenken lassen darf. Sie alle hatten sich der Macht hingegeben und ihre Wahrnehmungsfähigkeit geschärft. Im Tempel war es nicht still: Die Steinblöcke hatten geknackt, als sie im Lauf der Nacht abkühlten. Luftströmungen rauschten durch die engen Korridore. Winzige Insekten krabbelten klickend über den Boden. Meister Skywalker hatte seine Schüler eine geflieste Steintreppe hinab geführt, bis er vor einer kahlen Steinwand stehen blieb. Er hatte seine Schüler in eine versteckte Höhle geführt, in eine kreisförmige Mineralquelle. Dampf stieg von der Wasseroberfläche des Teiches auf und wurde von den Luftströmungen zerrissen. Steinsimse boten den Füßen Halt und verkrustete Mineralablagerungen formten an den Wänden der heißen Quelle niedrige Sitzgelegenheiten. "Die folgende Übung soll euch helfen, euch zu konzentrieren und auf die Macht einzustimmen", hatte Meister Skywalker gesagt, ehe er ins Wasser stieg. Die Schüler sollten sich der Macht hingeben, sich treiben lassen und sich von der Macht durchströmen lassen. Das Wasser war heiß gewesen, als sie sich alle ihrer Roben entledigten und zu Luke in die heiße Quelle stiegen. Es war einfach herrlich gewesen. Tionne hatte sich damals mühelos entspannt und ihr Bewusstsein schweben gelassen. Sie konnte die Macht fühlen, war ein Teil von ihr. Damals hatte Tionne ihre erste Vision, oder eher eine Vorwarnung. Denn ihre geschärften Sinne hatten damals eine Veränderung registriert. Irgendwo tief in der Kruste von Yavin 4 war eine Blase geplatzt und hatte heiße Gase nach oben gespuckt, die durch Risse im Fels fauchten und sich einen Weg nach draußen suchten. Sie näherten sich ihnen. Damals war Tionne in Panik geraten und hatte im Wasser um sich geschlagen. "Ein Jedi spürt keine Hitze oder Kälte", waren Meister Skywalkers Worte gewesen. "Ein Jedi kann Schmerzen unterdrücken. Stärkt euch durch die Macht!" Mit der Kraft ihres Willens und mit Hilfe der Macht schützten sie alle ihre Körper, bildeten eine imaginäre Hülle die sie vor der Hitze schützen würde. Als sich die großen Blasen kochendheißer Gase der Oberfläche näherten, verlor Tionne den Kontakt zur Macht. Sie hatte versucht, sich ans Ufer zu retten, aber hatte schnell begriffen, dass sie es nicht rechtzeitig schaffen würde. Wenn sie nicht für Schutz sorgen konnte, würde sie gekocht werden, sobald das heiße Gas die Oberfläche erreicht hatte. Doch plötzlich war Kyp Durron bei ihr gewesen, hatte einen Arm um sie gelegt und sie feste an sich gedrückt. Ihr Körper an seinem, übertrug er sein Schutzschild der Macht auch auf sie und rettete ihr das Leben, als die vulkanischen Gase zischend die Quelle erreichten. Nach einigen Sekunden war es vorbei und Kyp hatte nur gelächelt und sie wieder losgelassen. Tionne schüttelte die Gedanken ab und dachte sich, dass auch sie auf ihr Herz hören musste und abwarten sollte, was die Sache mit Kyp anbetraf. Sie sah auf ihr Chronometer. Es war fast Mitternacht. Tionne konnte nicht aufhören, an Kyp zu denken und ging zum Hangar, um sich zu vergewissern, dass das Düsenrad wieder da war und Kyp demnach sicher wieder in der Akademie war. Doch als sie die große, dunkle Halle betrat, sah sie, dass das große Tor des Hangars einen Spalt weit offen stand. Kyp war noch nicht wieder da. Sofort machte sie sich große Sorgen, denn Yavin 4 war nachts nicht gerade ungefährlich. Sie beschloss, in den Kommandoraum zu gehen um Kyp über seinen Kommunikator anzurufen und sich zu vergewissern, dass alles okay war. Noch während sie sich durch die leeren, schwach beleuchteten Korridore bewegte, fragte sie sich, ob sie sich nicht viel zu viel Sorgen machte. Beeinträchtigten ihre Gefühle für Kyp ihr Urteilsvermögen? Nein. Yavin 4 konnte wirklich sehr gefährlich sein. Als Tionne den Kommandoraum betrat, staunte sich nicht schlecht, als sie Meister Skywalker an der Sensorstation sitzen sah. "Meister Skywalker, was macht Ihr denn hier?" Luke war angespannt über der Überwachungsanlage gebeugt und schien sie erst gar nicht zu bemerken. Ein rotes Licht blickte immer wieder auf. Ein stummer Alarm. "Soeben ist etwas Unbekanntes unweit der Akademie abgestürzt, nachdem es den Hyperraum verlassen hat." Luke sah sie an und wirkte ein wenig nervös. "Es scheint fast so, als hätte jemand unbedingt unsere Aufmerksamkeit gewollt. Die Sensoren haben mir verraten, dass es sich um ein kleines Objekt handelt. Ich werde mir das mal ansehen. Was machst du so spät noch hier, Tionne?" Tionne wirkte ein wenig betreten und hoffte, ihre Wangen würden nicht rot werden. "Kyp ist mit einem Düsenrad in den Dschungel gefahren und er ist noch immer nicht zurück, obwohl er sagte, es würde nur eine halbe Stunde dauern." Nun schmunzelte Luke. "Ich weiß. Kyp erledigt etwas für mich. Deshalb saß ich auch hier, weil ich die Akademie von innen und außen beobachten wollte. Ich wollte Wache halten. Doch was immer da gerade abgestürzt ist, ich bin mir sicher, es ist wichtig. Ich habe da ein ganz mieses Gefühl." Meister Skywalker stand auf und sah Tionne mit ernstem Blick an. "Tionne, schalte du bitte den Alarm ab und warte hier. Du müsstest mich auf den Überwachungsmonitoren sehen, bis ich in den Wald gehe." Tionne nickte und Luke eilte davon. Sie wandte sich dem Terminal zu und schaltete den stummen Alarm ab. Was das wohl war, was da gerade von Himmel gefallen war? Also war Kyp unterwegs, weil er etwas für Meister Skywalker erledigte. Warum hatte Kyp ihr das nicht gesagt? War es so geheim und wichtig? Tionne beschloss, Funkkontakt mit Kyp aufzunehmen, als sie plötzlich ein Kräuseln in der Macht wahrnahm. Sie fuhr blitzschnell herum und konnte gerade noch rechtzeitig den Kopf einziehen. Dort, wo vorher noch ihr Kopf gewesen war, sauste die violette Lichtschwertklinge von Brakiss entlang und zerstörte die Kommunikationsanlage. Funken sprühten und Tionne wich hastig zur Seite aus und riss ihr Lichtschwert vom Gürtel, aktivierte es und hob die blaue Klinge. Da stand tatsächlich Brakiss vor ihr, mit seinem Lichtschwert in den Händen. Er grinste sie höhnisch an. "Ich habe gehofft, alle würden schlafen. Aber nun sehe ich, dass doch noch jemand wach ist. Was hast du hier zu suchen?" Tionne spürte, dass etwas nicht stimmte. Brakiss' Aura war merkwürdig verzerrt. "Das selbe könnte ich dich fragen, warum greifst du mich an?", fauchte sie. Brakiss lachte feixend. "Ich bin wach, um mich zu vergewissern, dass euer Untergang nach Plan verläuft. Denn bald müsste das Imperium hier sein!" Tionne erschrak, als die Bedeutung seiner Worte ihren Verstand erreichte. Brakiss war ein Verräter. Und ihre Vision vom Angriff der Imperialen würde sich bewahrheiten. Das Kommunikationsterminal war zerstört. Meister Skywalker war irgendwo draußen, auch Kyp war weit weg. Sie musste den Alarm auslösen. Als würde er ihre Gedanken lesen können, griff Brakiss an. Schnell und elegant versuchte er, nach vorne zu schnellen und durch Tionne's Verteidigung zu brechen. Die klassische Form Zwei, dachte Tionne und wich zurück. Es fiel ihr schwer, Brakiss' Bewegungen voraus zu ahnen, denn sie konnte sich momentan kaum konzentrieren. "Gib auf. Es ist vorbei", sagte Brakiss und seine Stimme klang böse und giftig. "Heute Nacht wird der Orden der Jedi-Ritter untergehen!" Seine violette Klinge beleuchtete sein schmales Gesicht und warf dunkle Schatten an die Wand. Dann griff er erneut an, täuschte an und schlug Tionne's Klinge zur Seite. Tionne versuchte, abzuwehren oder auszuweichen, doch es half ihr nichts, denn Brakiss streckte die Handfläche nach ihr aus und schleuderte sie mit der Macht nach hinten weg. Tionne knallte mit dem Rücken gegen die Wand und ließ ihr Lichtschwert fallen. Noch während sie zu Boden ging, sah sie wie Brakiss sich abwandte und den Kommandoraum verließ. Dann wurde alles dunkel und Tionne verlor das Bewusstsein.

Luke Skywalker hatte anhand einer kleinen Rauchfahne im Urwald nahe des Tempels schnell die Absturzstelle des unbekannten Objektes lokalisiert. Er aktivierte sein Lichtschwert und griff mit der Macht hinaus, konnte aber keine Gefahr spüren und hackte sich mit der grün leuchtenden Klinge durch die Büsche und erreichte schnell die Absturzstelle. In einem kleinen Krater lag ein verbeulter und zerschrammter Kurierdroide. Er war ein kompakter, abgerundeter Behälter mit einer Antigravitationseinheit, die es ihm eigentlich erlaubte, in mehreren Metern über dem Boden zu schweben. Doch sie war durch den harten Aufprall scheinbar beschädigt worden. Luke untersuchte den Droiden und entdeckte das Imperiale Wappen auf der Oberseite. Fast hätte er gelacht. Schickten die Imperialen ihm schon Nachrichten. Vielleicht eine Einladung zu einer Hinrichtung oder einem bequemen Aufenthalt in einer Gefängniszelle. Vielleicht war es auch eine Bombe, die ihn in tausend Stücke reißen sollte. Hielt man ihn wirklich für so dumm? "Ich habe eine Warnung für Jedi-Meister Luke Skywalker", sagte der Droide. "Der bin ich", sagte Luke ohne wirklich eine Reaktion zu erwarten. Der Droide wiederholte sich: "Ich habe eine Warnung für Jedi-Meister Luke Skywalker." Luke verdrehte die Augen und schlug mit der Handfläche einmal kräftig gegen die Seite des Droiden. "Ich bin Luke Skywalker. Wie lautet die Warnung?" Der Droide reagierte nicht, sondern sagte erneut - wenn auch mit gedehnter Stimme - "Ich habe eine Warnung für Jedi-Meister Luke Skywalker." Luke wusste nicht, wie er den Droiden noch zum Reden bringen konnte. "Gibt es vielleicht ein Passwort oder eine Frage?", fragte er leicht genervt. Und darauf hin regte sich etwas beim Droiden. Im Inneren schienen Zahnräder zu knarren. "Name eines wahnsinnigen Jedi-Meisters auf Wayland?" Luke runzelte die Stirn und ein eiskalter Schauer fuhr ihm über den Rücken. Es war, als würde man ihn in die Vergangenheit reißen. Wayland war ein geheimer Planet, auf dem der Imperator seine Schätze versteckt hatte. Vor zwei Jahren war er dort gewesen. Großadmiral Thrawn hatte zu diesem Zeitpunkt die Führung über das Imperium übernommen. Er hatte sich der Schätze von Wayland bemächtigt und dem Wächter der Schatzkammer, einem wahnsinnigen Jedi-Meister, der der dunklen Seite verfallen war, einen Schüler versprochen. Luke sollte dieser Schüler sein. Es war nicht einfach gewesen, den dunklen Jedi-Meister zu besiegen. Wer konnte von Wayland wissen und von dem dunklen Jedi-Meister? Luke würde mit Sicherheit eine Antwort bekommen.

"Joruus C'baoth", antwortete er laut und deutlich. "Antwort korrekt", sagte der Kurierdroide. In der Verkleidung des Droiden öffnete sich eine Klappe und enthüllte einen Holoprojektor. Nach einigen Sekunden schaltete sich der Projektor ein. Vor ihm erschien ein kleines, blaues Abbild eines älteren Mannes in einer grauen Uniform. Er trug das Abzeichen eines imperialen Vizeadmirals. Luke überlegte und dachte an die Beschreibung von Tionne's Vision. Er versuchte sich, an den Namen dieses Mannes zu erinnern. Pellaeon. Er war einst der Vertraute von Großadmiral Thrawn gewesen und seines Wissens nach der momentane Verwalter der Imperialen Flotte. "Ich grüße Sie, Jedi-Meister. Ich bin Vizeadmiral Pellaeon und ich schicke ihnen diesen Kurierdroiden, in der Hoffnung, dass er den Luftraum über der Jedi-Akademie durchfliegt und Euch auf diese Kapsel aufmerksam macht. Ich befinde mich an Bord der Feuersturm, einem Sternzerstörer, der sich in Kürze auf den Weg nach Yavin 4 machen wird. Wahrscheinlich wird er kurz nach diesem Kurierdroiden eintreffen. Ich befinde mich an Bord, doch habe ich keine kriegerischen Absichten. Vielmehr hat ein Inquisitor namens Arlok das Kommando übernommen. Er hat einen Spion auf Yavin 4. Sie planen einen Angriff, um Euch gefangen zu nehmen und die Jedi-Akademie zu vernichten. Sie haben Ysalamiri dabei. Ich bitte um Verzeihung, doch habe ich nicht die Möglichkeit, Admiral Arlok aufzuhalten. Ich habe Euch diese Nachricht geschickt, als Zeichen, dass ich den Waffenstillstand nicht brechen möchte. Ich bitte Euch, diesen Kurierdroiden zu verbergen und alles zu unternehmen, um zu überleben. Arlok ist sehr gefährlich. Retten Sie, was Sie können. Sollten Sie dennoch gefangen werden, werde ich versuchen, Ihr Los zu erleichtern. Niemand darf von dieser Nachricht erfahren. Sollten die Streitkräfte der Neuen Republik eintreffen und die Feuersturm besiegen, so bitte ich Euch, keine kriegerischen Handlungen gegen die Imperialen Systeme vorzunehmen. Ich möchte Frieden haben. Leider machen mir Menschen wie Arlok dies unmöglich. Und leider kann ich ihn momentan nicht aufhalten. Nutzen sie die Zeit, Jedi-Meister." Die Projektion erlosch. Luke sprang auf und sah zum Himmel, dann wieder zu dem Kurierdroide. Er sah sich hastig um und fand einen hohlen Baumstamm und ließ den Kurierdroiden mit der Macht hinein schweben. Er tarnte den Baum und die Absturzstelle so gut er konnte und rannte dann wieder zurück zum Großen Tempel. Er hoffte, dass die Ankunft noch etwas auf sich warten lassen würde.

Diese Hoffnung wurde zunichte gemacht, als er leise Triebwerksgeräusche hörte und als er sich umdrehte und zum Horizont schaute, konnte er weit hinten über den Bäumen die Positionslichter von Imperialen Fähren sehen. Tionne's Vision wurde Wirklichkeit. Brakiss hatte sie alle verraten. Die Imperialen waren unterwegs.

Seit seiner Zeit in den Gewürzminen von Kessel hatte Kyp nicht mehr so geflucht. Er hatte auf seinem Weg zum Tempel des Blaublatt-Schwarms das Tempo seines Düsenrads drosseln müssen, weil der Fahrtwind einfach zuviel war. Und die Dunkelheit machte das Fahren sehr gefährlich. Er konnte mit dem Düsenrad nicht über die Baumwipfel schweben und deshalb musste er langsamer fahren und sich dennoch sehr konzentrieren. Nach einer halben Stunde hatte er endlich die Lichtung erreicht, auf der der alte Tempel stand. Der Tempel des Blaublatt-Schwarms war dem großen Tempel ähnlich. Doch wo der Jedi-Tempel eine viereckige Stufenpyramide war, war der Tempel des Blaublatt-Schwarms rund mit jeweils einem Eingang an der Nordseite und einem an der Südseite. Die Eingänge waren terrassenartige Ausbauten, die rechteckig waren und dem Tempel aus der Vogelperspektive ein fast schon ovales Aussehen verliehen. Der Tempel war keine Pyramide, aber dennoch hatte er Stufen. Insgesamt drei Plattformen, die über Treppen erklommen werden konnten. Er war damit um die Hälfte kleiner als die Jedi-Akademie. Doch anders als die Jedi-Akademie war der Blaublatt-Tempel noch sehr viel überwucherter. Die Natur hatte hier deutlich zugeschlagen. Der Tempel hatte eine grüne Farbe, denn eine dicke Schicht aus Moos bedeckte die Steinblöcke. Kyp lenkte das Düsenrad zu einem der Eingänge und stieg ab. Er sah sich um und konnte die Blicke der Raubtiere förmlich auf sich spüren. Aber sehen konnte er nichts, nur in einiger Entfernung sah er große, grün leuchtende Augenpaare in der Dunkelheit. Der Tempel war ein schauriger Ort und Kyp fragte sich, welch dunkle Rituale die Massassi hier einst durchgeführt hatten. Zögernd betrat er den Tempel. Vom Eingang aus führten zwei Gänge in die Hauptkammer. Als Kyp diese betrat, wurde das schmutzige Grün der Wände zu einem geisterhaften, blauen Schimmer. In der Hauptkammer, die von der hohen Decke bis weit nach unten reichte, war ein riesiger Kristall untergebracht. Kyp schätzte die Größe des Kristalls auf 20 Meter. Von dem Punkt, an dem Kyp stand führte eine Treppe an der Wand hinab nach unten. Wie ein Pfad. Der Kristall glühte und flackerte als würde er Leben beinhalten und strahlte jenes blaue Licht aus, welches die Hauptkammer beleuchtete. Kyp hielt sein Lichtschwert fest und ging die Treppe nach unten, bis er vor dem Kristall stand. Zögern streckte er die Hand aus und strich über den Kristall. Dieser fühlte sich ölig glatt an und Funken flogen, als Kyp den Kristall berührte, denn er war mit einer statischen Energie geladen. Und dann erschrak Kyp, als er genauer in die leuchtenden Tiefen des Kristalls sah. Der Kristall war gefüllt mit geisterhaften Schemen der vor tausenden von Jahren vernichteten Massassi-Sklaven. Man konnte ihre Gesichter im Inneren des Kristalls sehen. Kyp wurde schlecht. Der dunkle Lord der Sith, Exar Kun, musste diese armen Seelen in den Kristall gesperrt haben. Als Energiereserve. Kurz spielte Kyp mit dem Gedanken, den Kristall mit seinem Lichtschwert zu zerschlagen. Aber dies war nicht sein Auftrag. Er sah sich um, auf der Suche nach einer Funkanlage. Die Hauptkammer hatte mehrere Korridore, die in die Dunkelheit führten. Insgesamt vier Gänge. Als er mit der Macht hinaus griff, konnte er mehrere große Lebensformen spüren. Gefahr lauerte auf ihn. Plötzlich regte sich etwas in einem der Korridore und sofort aktivierte Kyp sein Lichtschwert und umklammerte den Griff mit beiden Händen. Das gelbe Leuchten der Klinge kämpfte tapfer gegen das blaue Glühen des Kristalls an. Aus einem der Gänge schwebte ein imperialer Suchdroid. Wie alle Suchdroiden verfügte dieser über leistungsstarke Sensorpakete für die Untersuchung der Umgebung und die Auswertung der Daten. Ihre Programmierung umfasste die Überwachung akustischer, elektromagnetischer und seismischer Signale sowie Bewegungsvorgänge und Tausender von Frequenzen im ganzen Spektrum. Kameras, Zoomvergrößerer, Infrarotsensoren, Magnetbildwandler, Radar, Sonar und Strahlungsmesser gehörten zur Grundausstattung. Suchdroiden waren gefürchtete Spurenleser. Der Kopf bestand aus einem eiförmigen Kasten, speziell dazu entworfen, Sensorabtastungen abzulenken. Der Unterkörper starrte regelrecht vor kraftvollen, vielgliedrigen Extremitäten. Mit diesen Armen konnten sie Proben entnehmen, technische Ausrüstung untersuchen, Geräte bedienen und angreifen. Für Angriffs- und Verteidigungszwecke verfügte der Suchdroid über einen Blaster. Kyp verstand sofort, dass der Suchdroide all die Botschaften von Brakiss sofort kodieren und per Breitband-Sendeantenne an das Imperium senden konnte. Gerade als er den Droiden angreifen wollte, hörte er ein Klicken aus dem Gang, den der Droide zuvor verlassen hatte. Der Droide schwebte einige Meter in die Luft und beobachtete Kyp. Dieser sah nun in den dunklen Korridor, in dem nun mehrere große, leuchtende Augenpaare auftauchten. Klickgeräusche waren zu hören, und im nächsten Augenblick ergossen sich Dutzende von großen, insektenartigen Kreaturen in die Hauptkammer. Zwei Meter große Monster, die stark an Gottesanbeterinnen erinnerten. Klikniks. Sie hatten sechs Extremitäten, wovon die hinteren vier zum Laufen gedacht waren und die vorderen zwei sensenartige Stich- und Greifwerkzeuge. Ihr Körper war vom Kopf - mit seinen großen Facettenaugen und seinen scharfen Kauwerkzeugen - bis zum Hinterleib mit Chitin gepanzert. Kyp wich zurück, bis er mit dem Rücken an den großen Kristall stieß. Dann griffen die Klikniks auch schon an. Der junge Jedi wusste, dass es einfach zu viele waren und er unmöglich eine Chance haben würde, also konzentrierte er sich und versuchte es mit der defensiv Form Drei, als der erste Kliknik auf ihn zu stakste. Das riesige Insekt stach mit den Sensenklauen nach ihm, aber Kyp war eins mit der Macht und ließ die Klinge seines Lichtschwertes geschickt hin- und her sausen. Der Kliknik traf mit seinen Klauen das Lichtschwert und trennte sich die vorderen Gliedmaßen praktisch selber ab. Das Monster schien zu brüllen vor Schmerz und grünes, dickflüssiges Blut spritzte aus den Wunden. Tödlich getroffen versuchte es Kyp umzurennen, doch dieser duckte sich und rammte dem Biest das Lichtschwert in den Körper und setzte es damit außer Gefecht. Weitere Klikniks griffen ihn an und droschen mit ihren Klauen nach ihm. Kyp ließ bedrohlich die Klinge kreisen, um sie auf Distanz zu halten. Aber die Monsterinsekten kannten keine Angst. Sie waren in der Überzahl und früher oder später würden sie Kyp erwischen. Der Jedi versuchte nun, sich bis zur Treppe zu kämpfen, um zu entkommen, wobei er einen Pfad durch die Körper der Klikniks schlug. Fast wäre er aufgeschlitzt worden, als der Suchdroid, der über dem Geschehen schwebte, mit seinem Blaster das Feuer auf Kyp eröffnete. Kyp konnte den Schuss gerade noch abwehren und ein weiteres Insekt töten, doch hatte diese Ablenkung genügt, dass eines der Monster seine Sensenklaue an Kyp's Rücken hinab sausen ließ. Kyp taumelte nach vorne und spürte den Schmerz, wo die Klaue seine Robe, seine Kleidung und seinen Rücken aufgeschnitten hatte. Doch schien es keine ernste Verletzung zu sein, da sich Kyp in Bewegung befunden hatte und deshalb nicht mit voller Wucht getroffen wurde. Kyp biss die Zähne zusammen und erinnerte sich an die Lektionen von Meister Skywalker. Er musste den Schmerz ignorieren. Aber dann würde er nicht mehr wirklich kämpfen können. Die Klikniks umzingelten ihn und schnappten mit ihren Klauen nach ihm, klickten aggressiv mit ihren Mundwerkzeugen. Ich werde sterben, schoss es ihm durch den Kopf. Die Insekten würden ihn unermüdlich weiter angreifen, um ihr Nest zu beschützen. Ihre Brut und ihre Königin. Er konnte es ihnen nicht verübeln, schließlich war er der Eindringling. Kyp fragte sich, wie Brakiss diese Biester überleben konnte, aber wahrscheinlich verließ der Suchdroide hin- und wieder den Tempel, wenn Brakiss zu ihm kam. Kyp musste an Tionne denken. Er würde ihre glänzenden, großen Augen nie wieder sehen. Der Jedi-Ritter wurde aus den Gedanken gerissen, als sich einer der Klikniks auf ihn warf. Er hob das Lichtschwert um das Biest in der Luft in zwei Teile zu schlagen, doch schien sich das Monster zu weigern, einfach zu sterben und schlug mit der Klaue nach Kyp's Gesicht und obwohl Kyp nach hinten sprang, wurde er an der Stirn getroffen. Etwas Warmes rann langsam sein Gesicht hinab. Kyp fluchte und sah nach oben. Er musste hier schnellstens raus, oder er würde sterben. Während die Klikniks den Kreis um ihn immer enger werden ließen, ging Kyp Durron in die Hocke und konzentrierte sich. Er ließ die Macht sein Sprungbrett sein und schnellte hoch, als sich die Klikniks auf ihn warfen. Dank der Macht sprang er mit einem unglaublichen Sprung nach oben und landete auf der abgerundeten Spitze des gigantischen Kristalls. Frustriert kreischten die Klikniks. Ihre Beute war ihnen entkommen. Der Suchdroide eröffnete erneut das Feuer auf Kyp, dessen Beine nun wieder leicht schmerzten. Zusammen mit seinen anderen Verletzungen. Kyp wehrte den Blasterstrahl ab und wechselte dann in Form Fünf, um die Schüsse wieder zu ihrem Ursprung zurück zu schicken. Adrenalin rauschte durch seine Adern und sein Herz schlug wild, denn so eine ernste Situation hatte er noch nie zuvor erlebt. Als der Droide einen seiner eigenen Schüsse selber ab bekommen hatte, änderte er seine Taktik und versuchte, Kyp zu rammen und vom Kristall zu stoßen. Seine Programmierung beinhaltete keinen Selbsterhaltungstrieb und er hatte seine Nachrichten bereits versendet. Der Angriff seiner imperialen Gebieter würde noch heute Nacht erfolgen. Sein Zweck war also getan. So schnell er konnte, schwebte er nun auf den Jedi-Ritter zu. Kyp schloss die Augen und verbannte den Schmerz aus seinem Verstand und ließ die Macht seine Bewegungen leiten. Er sprang auf den Suchdroiden zu und holte mit dem Lichtschwert aus. Zwanzig Meter unter ihm war ein Meer aus sich bewegenden, hungrigen Rieseninsekten. Der Tod war allgegenwärtig. Aber das war nicht wichtig. "Es gibt keinen Tod", flüsterte Kyp und öffnete die Augen um den Suchdroiden anzusehen. "Es gibt die Macht!" Kyp ließ sein Lichtschwert nach unten sausen und trennte dem Droiden seine vielen Mehrzweckarme ab. Er prallte mit dem Droiden zusammen und für einen kurzen Moment schien es, beide würden abstürzen. Doch dann deaktivierte Kyp sein Lichtschwert und hielt sich am runden Kopf des Droiden fest, konzentrierte sich und stieß sich von dem Droiden ab, um zu dem Vorsprung zu springen, von dem aus die Treppe nach unten in die Hauptkammer geführt hatte. Er hätte es nicht geschafft, hätte der Suchdroide ihm nicht unfreiwillig geholfen, indem er die Selbstzerstörung auslöste. In einem großen Feuerball explodierte der Suchdroid, in der Hoffnung, Kyp zu erfassen und mit in den Tod zu nehmen. Doch Kyp, für den das alles in Zeitlupe ablief, bildete wie damals in der heißen Quelle einen Schutz, mit der Kraft seines Willens und der Macht. Die Druckwelle erfasste ihn und versengte seine Kleidung und warf ihn gegen die Wand des Tempels, direkt neben dem Gang, der aus dem Tempel hinaus führte. Kyp rappelte sich mit großer Mühe hoch und sah nach unten, wo die Trümmer des Droiden einige der Klikniks getroffen hatten, die nun die Treppe hinauf staksten, um den Eindringling zu verfolgen. Kyp steckte sein Lichtschwert an den Gürtel und lächelte schwach. "Schon gut, ich geh ja schon. Etwas Kuchen wäre beim nächsten Mal recht nett. Ihr seid keine guten Gastgeber." Erschöpft ging er zu seinem Düsenrad und fuhr in Richtung der Jedi-Akademie. Der Suchdroide war zerstört. Brakiss musste dafür zur Rechenschaft gezogen werden. Kyp fuhr nicht mit Höchstgeschwindigkeit, denn es war noch immer stockfinster und der kalte Fahrtwind brannte auf seiner Stirn. So gut er noch konnte konzentrierte er sich auf die Heilung, um das Blut schneller gerinnen zu lassen, damit ihn seine Wunden nicht behinderten. Er sah auf sein Chronometer. Er war weitaus länger unterwegs gewesen, als er geplant hatte. Es war bereits nach Mitternacht. Kyp freute sich auf sein Bett. Aber zuerst würde er zu Meister Skywalker gehen, denn man musste sich sofort um Brakiss kümmern. Kyp blickte an sich runter. Die schöne, schwarze Robe die Han Solo ihm geschenkt hatte war völlig verfetzt und verbrannt. Gleichzeitig wurde ihm etwas bewusst: Er hatte erfolgreich einer großen Gefahr getrotzt und die Macht zum Guten eingesetzt. Seine zerfetzte Robe bauschte sich im Fahrtwind wie eine Wolke auf und wirkte dabei fast schon wie ein Fallschirm, der ihn fast vom Düsenrad riss. Kyp streifte daher seine Robe ab und sie wurde vom Fahrtwind sofort weggerissen und blieb hinter ihm in der Nacht zurück. Der junge Jedi lächelte müde und lenkte das Düsenrad durch den Dschungel. Was Tionne wohl zu seinen Verletzungen sagen würde? Sicher würde sie sehr böse mit ihm sein. Kyp's fast schon gute Laune verflog, als plötzlich über ihm, knapp über den Baumwipfeln, acht imperiale Shuttles auftauchten. Es waren typische Raumfähren, die Soldaten zwischen Sternenschiffen und Planeten transportierten. Diese Fähren waren leicht an der umgedrehten Y-Form zu erkennen, die im Flug von drei ausgefahrenen Leitflächen gebildet wurde. Die beiden unteren Leitwerke klappten hoch, wenn die Fähre zur Landung ansetzte. Kyp war entsetzt. Die Imperialen griffen schon heute Nacht an. Die Fähren flogen so tief wie möglich, um von den Sensoren der Jedi-Akademie nicht erfasst zu werden. Sie flogen außerdem so langsam wie möglich, damit die Triebwerke nicht allzu laut waren. Wahrscheinlich dreihundert Stundenkilometer, schätzte Kyp. Was bedeutete, dass er mit seinem Düsenrad zuerst bei der Jedi-Akademie sein konnte. Wenn er mit Höchstgeschwindigkeit fuhr. Er seufzte. Er war verwundet und erschöpft. Aber das würde wohl noch eine sehr lange Nacht werden. Kyp packte die Lenkstange des Düsenrads und beschleunigte. Der kalte Wind zerrte an ihm und war schmerzhaft. Kyp biss die Zähne zusammen und schloss die Augen, als er das Düsenrad auf seine Höchstgeschwindigkeit von fünfhundert Stundenkilometern brachte. Er vertraute auf die Macht, schien nun mit einem anderen Augenpaar zu sehen. Er wich Baumstämmen aus und raste durch den Urwald. Intuitiv wich er Hindernissen aus und steuerte das Düsenrad durch verschlungene Pfade in Richtung des Großen Tempels. Plötzlich erwachten die Triebwerke der imperialen Fähren dröhnend zum Leben, als hätten sie nicht mehr den Wunsch, die Jedi-Ritter zu überraschen. Sie gewannen etwas an Höhe, ehe sie mit Höchstgeschwindigkeit auf die Jedi-Akademie zusteuerten. Rasch entfernten sich die Positionslichter und die glühenden Triebwerke, als sie Kyp auf seinem Düsenrad hinter sich ließen. Kyp fluchte in allen Sprachen, die er kannte. In weniger als fünfzehn Minuten würde er erst beim Tempel sein. Tionne, Luke, dachte Kyp und düste weiter durch den dunklen, dichten Regenwald. Haltet durch!