Disclaimer und Warnungen: siehe erstes Kapitel


Duo fühlte sich, als wenn ihn ein heftiger Schlag in der Magengegend getroffen hätte. Das hier war schlimmer, als er befürchtet hatte. Es war fast so schlimm – nein es war schlimmer als die Sache mit... Duo wusste in dem Moment nicht wirklich warum ihm Heeros schrecklicher Ausbruch so sehr wehtat.

Vielleicht war es weil er entgegen jeder Vernunft doch irgendwie gehofft hatte, dass dieser Nachmittag etwas bedeuten würde. Vielleicht auch, weil er bereit gewesen war dem hier eine Chance zu geben und sich dadurch erst wirklich für diesen Schmerz geöffnet hatte. Wahrscheinlich war es eine Kombination aus beidem.

Duo verfluchte sich zum millionsten Male für seine eigene Unvernunft. Warum hatte er es nur soweit kommen lassen? Und verdammt, warum hatte er es nicht bei einem heißen Nachmittag belassen können? Warum musste er in die Sache mehr herein interpretieren als da war, je hatte sein können? Er hatte sein Herz für Heero geöffnet, war dieses Risiko eingegangen und musste nun – mal wieder – erkennen, dass das Glück nicht mit dem Wagemutigen war.

Duo war sich sicher, das der Schmerz von Heeros Zurückweisung für eine Hunderstelsekunde auf seinem Gesicht bemerkbar gewesen sein musste. Aber dann hatte er sich auch schon wieder unter Kontrolle. Er konnte es zwar nicht mehr verhindern, von Heero verletzt zu werden, aber er würde den Teufel tun und sich das anmerken lassen! Niemals wieder würde er jemandem soviel Macht über sich geben.

All diese Gedankengänge waren in Sekundenschnelle vor sich gegangen. Dazu kannte Duo diese Litaneien schon zu gut. Es war ja nicht das erste Mal, dass er in so einer Situation war, nicht das erste Mal das er abgewiesen wurde. Bei den schmerzhaften Erinnerungen musste er hart schlucken. Nein, das war vorbei, so war er nicht mehr, so würde er nie wieder sein. Und Heero würde zumindest das lernen.

Mit angewidertem Gesichtsausdruck schob er Heero von sich. Mit der ätzendsten Stimme die er zustande brachte zischte er, „Vielen Dank für das Kompliment Heero. Welcher Mann wünscht es sich nicht, diese Worte nach dem Sex an den Kopf geworfen zu bekommen. Und jetzt verschwinde von hier."

Zum Teil durch seine eigenen Bemühungen, zum Teil durch Duos Anstoß hatte Heero es geschafft sich auf das Bett zu setzen und seine Füße auf den Boden zu stellen. Bei Duos Worten drehte er seinen Kopf zur Seite und schaute über seine Schulter. Und eines musste Duo ihm lassen, der verwunderte Gesichtsausdruck den Heero zur Schau trug, wirkte erstaunlich echt. Der Mistkerl hatte den wahrscheinlich in- und auswendig gelernt, falls es mal mit seinen One Night Stands nicht so lief wie geplant. Aber Duo wusste genau was hier ablief und würde auf so eine Schauspielerei nie wieder reinfallen.

Dann bemerkte Duo, das neben dem Erstaunen auch noch etwas anderes im Blick dieser wunderschönen kobaltblauen Augen zu liegen schien. Schmerz und Verwirrung. Aber auch darauf würde Duo nicht reinfallen. Sicher passte es Mr. Großkotz nur nicht, dass er im Moment nicht die Oberhand über die Situation hatte.

„Duo, was soll das bitte?" wieder dieser Anflug von waidwundem Reh in Heeros Blick.

„Ach komm schon, es ist doch klar was das soll. Ich will das du deinen Arsch so schnell wie möglich aus meinem Bett bewegst. Ich weiß ja nicht für was du mich hältst, aber ich stehe nicht darauf von jemandem mit dem ich gefickt habe mit den Worten ‚Oh verdammte Scheiße' begrüßt zu werden. Und jetzt zieh endlich Leine." Duo wusste, dass er äußerlich garantiert absolut ruhig wirkte. In seinem Inneren jedoch fuhren seine Gefühle Achterbahn. Seine Hände waren zum Glück unter der Decke, ansonsten würde sein Gegenüber unschwer erkennen können, dass sie so fest in das Laken gekrallt waren, dass man sicherlich die Knochen weiß durchscheinen sehen konnte.

Bei den letzen Worten hatte sich Heero vollends zu ihm umgedreht. Seine Hände hatte er auf das Bett gestützt und er beugte sich etwas mit dem Kopf vor, kam Duo – nach dessen Geschmack – viel zu nahe. Kurz senkte der Japaner fast beschämt die Augenlieder bevor er wieder anfing zu sprechen. „Oh Duo, das tut mir leid, das sollte sich nicht so anhören. Das war ja auch überhaupt nicht auf dich gemünzt."

„Klaro, das glaub ich dir auch sofort. Auf wen von den drei Millionen anderen Leuten in diesem Zimmer war das denn gemünzt, hä?" schnaubte Duo empört.

„Auf keinen, verdammt. Ich hab doch nur gesehen wie viel Uhr es ist. Und ich bin viel zu spät dran. Ich muss dringendst los, darum ist mir dieser unglückliche Satz rausgerutscht. Sorry, das war wirklich nicht so gemeint wie es geklungen hat. Aber ich muss jetzt wirklich gehen, können wir nachher darüber reden, bitte?"

Duo dachte fast er hätte sich verhört. Das konnte doch nicht wirklich der Ernst dieses arroganten Typen sein? Machte hier auf ‚lass uns später darüber reden' – verdammt wenn man schon so ein Arsch sein musste, dann sollte man doch wenigstens genug Rückgrat haben um auch dazu zu stehen! ‚Später darüber reden...' ja genau, und Duo glaubte auch noch an den Osterhasen und den Weihnachtsmann.

„Ach, und wozu kommt Mr. Zillionär zu spät? Musst du deine Ferraris Gassi führen, oder was?"

Heero zog scharf Luft ein. Duo musste unweigerlich grinsen, das hatte also gesessen! Er verbuchte sofort einen Treffer für sich.

„Was ist bloß in dich gefahren, Duo? Hör mal, ich muss jetzt wirklich los, wenn ich noch einmal zu spät komm, dann verlier ich diesen Job und das kann ich mir nicht leisten. Aber wenn du willst, dann komm ich nach der Schicht wieder her und wir können über die ganze Sache reden. Vernünftig reden." Nach diesen Worten hob er eine Hand an und schien mit dieser Duos Gesicht liebkosen zu wollen.

Reflexartig schoss Duos Arm unter der Decke hervor und mit einem klatschenden Geräusch schlug er Heeros Hand fort. Er schnaubte wieder. Das war ja noch unglaublicher als er zunächst gedacht hatte. Dieses Arsch meinte tatsächlich er würde noch mal zu ihm kommen dürfen. Duo kannte diese Sorte von Typen viel zu genau und konnte sich genau ausmalen was dieser heute Nacht hier wohl vorhaben würde. Innerlich schüttelte Duo seinen Kopf.

Er hatte vorhin einen schrecklichen Fehler begannen als er diesen reichen Fatzke an sich ranließ, aber das war OK, das konnte jedem mal passieren – auch wenn er es eigentlich schon vorher besser gewusst hatte. Aber er würde diesen Fehler garantiert nicht wiederholen. Nicht mit Heero und schon gar nicht heute. Was dachten sich diese Typen eigentlich? Das sie Göttins Geschenk an die Menschheit waren? Das sie so toll und so super waren das jemand wie Duo alle Beleidigungen und Demütigungen ertrug nur um für kurze Zeit deren Gunst zu erlangen? Falsch gedacht!

„Oh sicher. Du verlierst deinen Job, wenn du nicht rechtzeitig erscheinst. Du armes Dingelchen. Muss Papi dann die Firma aufkaufen um dich wieder einzustellen oder lässt du die Tarnung einfach Tarnung sein und verschwendest deine Zeit lieber gleich mit was Sinnvollem?"

Duo schnaubte lauter als je zuvor. Doch noch ehe Heero auf seinen neusten Ausbruch etwas erwidern konnte schob Duo noch hinterher, „Glaubst wirklich ich bin so strunz dumm das ich dir die Geschichte mit dem Job abnehme? Oh Bitte!" er rollte mit den Augen und seufzte tief. „Vergiss es einfach Heero und verschwinde jetzt. Immerhin hast du ja ergattert was du wolltest. Hast einen würdigen Abschluss für deinen Besuch im exotischen Armenland bekommen. Aber damit musst du dich jetzt zufrieden geben, glaub ja nicht das es jemals eine Wiederholung hiervon geben wird. Für manche Dinge sind einmal im Leben völlig ausreichend – oder sogar einmal zu viel. Und jetzt schwing endlich deinen Arsch aus meinem Zimmer!"

Heero war inzwischen aufgestanden und suchte seine Klamotten zusammen. Trotzdem schaffte er es Duo mit Blicken zu erdolchen. „Verdammt, was ist nur mit dir los?" heftiges Kopfschütteln folgte diesem Ausbruch. „Was ziehst du hier eigentlich für eine durchgeknallte Show ab? Vorhin beim Essen hast du mich auch schon in einer Tour fertig gemacht. Was hab ich dir getan? Warum giftest du mich derart an? Ich dachte erst – ach ich weiß gar nicht was ich dachte. Das das ganze vorhin gar nicht so ernst zu nehmen wäre. Das du nur versuchst deine Schüchternheit zu überspielen, oder weiß der Geier. Aber wenn du echt so einen Hass auf mich hast, warum hast du mit mir geschlafen?"

Das war eine verdammt gute Frage, und Duo hatte nicht wirklich vor sie wahrheitsgemäß zu beantworten. Und Angriff war immer noch die beste Verteidigung. „Ach komm schon, mach hier nicht auf Mimose. Du wusstest was ich von euch reichen Fatzkes halte. Ich hab aus meiner Meinung nun wirklich keinen Hehl gemacht.

Und warum ich mit dir ins Bett gestiegen bin, ganz einfach, du bist heiß. So viel ist sicher. Aber interpretier da bloß nicht zu viel rein. Wir hatten beide unseren Spaß und gut ist. Und wir brauchen nie wieder ein Wort darüber zu verlieren. Niemand aus deiner High Society Clique wird je erfahren das du es mit einem Kerl, mit jemandem wie mir getrieben hast. Und jetzt verschwinde endlich, deine Gegenwart kotzt mich an."

Heero zog sich mit wütenden, hastigen Bewegungen seine Klamotten an. Dabei blitzen seine kobaltblauen Augen gefährlich. Währenddessen schwieg er und Duo dachte schon das damit die Sache beendet war. Doch dann, gerade als er den letzten Hemdkopf zugeknöpft hatte, fing Heero doch wieder mit dem Sprechen an.

„Weißt du was das schlimmste ist? Ich Idiot hab echt gedacht du wärst nett, hatte gehofft, dass das hier irgendeine Chance hat. Oh Mann was hab ich mir dein Verhalten von heute Mittag schön geredet. Fuck, ich hätte es gleich erkennen müssen, so wie du mit Vorurteilen um dich schmeißt, da kannst du nur ein ausgemachter Idiot sein!"

Irgendwie traf diese Anschuldigung Duo tief, aber er wäre nicht er selbst, wenn er darauf nicht entsprechend reagieren würde. „Eine Chance, ach komm, da lachen doch die Hühner! Als ob einer aus dem Elfenbeinturm wie du auch nur auf die Idee kommen würde mit so was wie mir zusammen zu sein! Ich kenn euch, also versuch mir hier kein schlechtes Gewissen einzureden! Außerdem, ich kann mir echt nicht vorstellen das gerade du offen zugibst mit nem Kerl zusammen zu sein!" Ein verächtliches Schnauben untermalte Duos Worte.

Heero hatte die Tür erreicht, aber bevor er sie öffnen konnte, drehte er sich noch einmal um. „Ich weiß, es ist vergebliche Liebesmüh, aber ich versuch trotzdem mal dein verzerrtes Weltbild zurecht zu rücken. Du solltest echt an deinen Vorurteilen arbeiten. Du kennst also Typen wie mich? So, so. Was gibt dir bloß das Recht über mich zu urteilen? Nur weil ich auf diese Nobel-Uni geh? Entschuldige das ich versuche die bestmögliche Bildung zu bekommen. Weißt du warum ich dort studiere? Weil sie mir ein Stipendium geben. Und mir mit einem Abschluss von dort alle Türen offen stehen.

Und ja, ich habe einen Job – zu dem ich dank dir viel zu spät kommen werde. Ich habe sogar drei Jobs, weil das Stipendium leider nur für das Schul- und Büchergeld ausreicht. Den Rest muss ich mir selbst verdienen.

Und nein, ich bin nicht reich. Eher im Gegenteil. Zwar hat mein Vater reichlich Kohle, aber der gute J. hat mich mit 16 aus seinem Haus geworfen, weil ich es wagte ihm zu sagen das ich schwul bin. Seitdem schlag ich mich mehr oder weniger allein durchs Leben.

Womit wir bei deinem nächsten kleinen Vorurteil wären, das Typen wie ich, nie offen schwul wären. Bingo, da bist du in noch ein Fettnäpfchen getreten. Ich bin so was von offen schwul, offener geht gar nicht. Und ja, das bringt mir diverse Probleme im – wie nennst du es so schön – Elfenbeinturm ein. Da laufen nämlich ausreichend viele vorurteilsbehaftete Idioten, so wie du einer bist, herum. Aber das hat mich nie dazu gebracht mich zu verleugnen.

Aber jetzt kommen wir mal zu dir. Du bist äußerlich so schön, das es echt eine Schande ist, das du so ein Idiot bist. Was bist du nur für ein Typ, dass du mit jemandem, den du abgrundtief verachtest, schläfst? Wie tief muss man sinken um das zu tun? Wie krank muss man sein, um so etwas zu tun? Und ich hab echt gedacht du wärst nicht so schlimm. Hatte sogar gehofft das hier wird was ernstes... Na ja im Grunde bin ich besser dran ohne dich."

Während dieses Ausbruchs konnte Duo nur sprachlos dasitzen. So schnell konnte er all die Informationen gar nicht erfassen. Mit offenem Mund starrte er nur weiter auf Heero und musste hilf- und fassungslos mit ansehen, wie dieser die Tür öffnete und rausstürmte.


Heero ließ die Tür mit einem lauten Knall hinter sich zufallen. Er hatte sich grad verdammt beherrschen müssen. Die ganze Zeit hatte er das Bedürfnis verspürt den langhaarigen Idioten zu würgen oder mit wachsender Begeisterung auf ihn einzuschlagen. Zwischendrin hatten sogar seine Hände gezittert, so geladen war er gewesen.

Das ganze konnte doch nicht wirklich so abgelaufen sein, oder? Aber wieder und wieder hallten die Anschuldigungen von Duo in seinen Ohren. Wie kam der nur zu so was?

Richtig geschockt war Heero gewesen, als Duo hatte durchblicken lassen, dass er nur wegen des Kicks mit ihm geschlafen hatte. In dem Moment fühlte er sich benutzt und auch betrogen. Wieso nur hatte er in diese Sache mehr hineininterpretiert als da war? Wieso schmerzte Duos Zurückweisung so sehr? Hatte er schon mehr Gefühle investiert als gut für ihn war? Wahrscheinlich ja.

Heero ging zur Treppe, aber kurz davor blieb er enttäuscht stehen. Arrghh... Wie konnte er nur so dumm gewesen sein? Wieder und wieder schlug er mit der rechten Faust gegen die Wand. Irgendwie musste er seinen unbändigen Frust rauslassen. Und besser an der Wand, als an diesem impertinenten Arschloch.

Grad als er auch noch mit seinem Fuß gegen die Wand treten wollte, wurde ihm eine Hand auf die Schulter gelegt. Völlig verschreckt zuckte er zusammen und drehte sich um. Er wollte den Störenfried schon gehörig anfahren, als sein Gehirn mit Verspätung registrierte, dass da auf der Treppe Quatre stand und ihn besorgt ansah.

„Heero, ist alles in Ordnung?", fragte der Blonde mit sanfter Stimme.

Heero fühlte sich im Moment, wie während eines harten Kampfes. Er musste erst einige Male tief einatmen, bevor sich seine Atmung halbwegs beruhig hatte. „Ich... Ich... Ich..." setzte er stotternd an, bemerkte aber dann, dass er im Moment nicht in der Lage war zu beschreiben, was nicht in Ordnung war.

Aber Quatre schien ihn auch ohne Worte zu verstehen. „Ist etwas zwischen dir und Duo schief gegangen?"

„Ich will da jetzt nicht darüber reden," schaffte es Heero gequält hervorzubringen.

Quatre sah – wenn es möglich war noch besorgter drein. „In Ordnung Heero. Ich bin auch nur gekommen um dir zu sagen das du dich beeilen musst, du wirst zu spät kommen."

Verdammte Scheiße, das hatte er ja fast vergessen. Heero trat jetzt doch gegen die Wand. „Mist, das ist alles Duos Schuld," presste er zwischen zusammen gebissenen Zähnen hervor. „Was mach ich jetzt nur, ich darf den Job nicht verlieren!"

Zum Glück schien Quatre mal wieder sehr praktisch zu denken. Er griff in seine Hosentasche und streckte Heero den Autoschlüssel entgegen. „Hier nimm das Auto, dann schaffst du es noch."

„Aber, aber ich brauch doch mein Fahrrad. Und wie willst du nachher wieder in die Uni kommen?" irgendwie konnte Heero momentan nicht geradeaus denken.

Der Blonde strahlte ihn beruhigend an. „Das ist doch ganz einfach, du kommst nachher mit dem Auto wieder her und nimmst dann das Fahrrad. Ganz einfach."

Heero schüttelte abwehrend den Kopf. „Ich hab keine Lust mehr wieder hierher zu kommen. Und wie soll ich reinkommen, wenn ich Feierabend hab, schlaft ihr sicher schon alle. Oder bei meinem Glück wird Duo auf mein Klingeln öffnen."

Quatre drückte ihm dennoch den Schlüssel in die Hand. „Nun werde nicht albern. Am Bund ist auch ein Schlüssel zu diesem Haus. Du wirst niemandem begegnen müssen. Steck nachher einfach die Schlüssel in meine Jackentasche und damit hat sich die Sache. Und jetzt verschwinde sonst kommst du doch noch zu spät." Und mit diesen Worten schob er einen völlig verwirrten Heero die Treppe hinab.