Titel: Liebe lieber ungewöhnlich
Autor: Cyrrer aka Laren
Prequel: Kleine Tode unter Freunden
Warnungen und Disclaimer: siehe erster Teil
„Ich... Ich... OK, ich vertraue dir," erklang Duos leise Stimme.
Heero atmete erleichtert auf. Erst jetzt realisierte er, das er vollkommen angespannt seine Atmung angehalten hatte. Er wusste immer noch nicht genau warum es ihm so wichtig war das Duo mit ihm redete, aber er nahm es einfach hin. Was sollte er diese Tatsache noch hinterfragen?
Und Duo wollte mit ihm reden, war das nicht das wichtigste? Eine irrationale Hoffnung machte sich in Heero breit. Er wusste nicht genau worauf er denn hoffte, nur das es sehr wichtig für ihn war.
Duo stand immer noch auf der Treppe, halb nach oben gerichtet. Er warf einen bedeutungsvollen Blick zu Heero. „Aber... aber nicht hier. Kommst du mit nach oben?"
Auf Heeros nickende Zustimmung hin begann der Langhaarige die Treppe hinaufzugehen. Heero folgte ihm mit einem gewissen Abstand und erinnerte sich dabei wieder daran wie es heute Nachmittag gewesen war, als Duo ihn an der Hand festgehalten und hoch geführt hatte. Er vermisste diesen Körperkontakt plötzlich sehr.
Während er die Stufen erklomm fragte sich Heero wieder, was er denn nun genau von dieser Aussprache erwartete. Nach den merkwürdigen Hoffnungsschimmern zu schließen, die sein Gehirn durchfluteten, schien er tatsächlich daran zu glauben das aus ihm und Duo etwas werden könnte. Oder warum sonst sollte sich Duo diese Mühe gemacht haben und sich bei ihm entschuldigen wollen? Außerdem hatte er selbst doch klar gemacht das dieses Gespräch nur nötig wäre wenn es mehr zwischen ihnen war als ein heißer Fick.
Neben diesen Zweifeln und Hoffnungen beschäftigte ihn aber auch noch etwas anderes. Duo hatte gerade völlig verängstig reagiert. Beinahe panisch. So als wenn er wirklich damit gerechnet hatte, das Heero gleich handgreiflich werden würde. Das ließ viele verschiedene Schlüsse zu, und keiner davon gefiel Heero besonders. Konnte es sein das Duo früher geschlagen worden war?
Ärgerlich kniff Heero die Augen zusammen. Das konnte doch nicht sein, oder? Hoffentlich nicht. Er wusste nicht wie er mit so etwas umgehen sollte. Er war doch schon bei normalem sozialem Kontakt völlig unbrauchbar. Er konnte nur hoffen das er mit seiner ungeschickten Art nicht wie ein Elefant im Porzellanladen eine Spur der Verwüstung hinterlassen würde.
Aber wahrscheinlich war alles sowieso ganz anders und er hatte nur wieder alles falsch interpretiert. Geschah ihm ja auch nicht zum ersten Mal.
Ohne es wirklich bemerkt zu haben hatten die beiden das Ende der Treppe erreicht und standen jetzt vor Duos Zimmer. Der Langhaarige huschte hinein und winkte Heero das er ihm folgen sollte. Duo wirkte so, als wenn er sehr darauf bedacht wäre das seine Mitbewohner nichts mitbekommen würden. Das war auch ganz in Heeros Interesse. Er konnte eine Begegnung mit Quatre in diesem Moment nicht wirklich gebrauchen. Es ging jetzt nur um ihn und Duo, niemand sonst sollte sich da einmischen.
Als Heero die Tür hinter sich ins Schloss fallen ließ atmete er unwillkürlich wieder auf. Es war geschafft, sie waren nicht entdeckt worden. Er ließ seine Augen suchend durch das Zimmer wandern. Nur die Nachttischlampe war eingeschaltet und spendete etwas Licht. Es sah immer noch ein wenig chaotisch aus, Duo hatte seit heute Nachmittag nicht unbedingt aufgeräumt. Bei dem Gedanken an das was vorhin hier geschehen war lief Heero rot an. Nicht das er sich schämen würde, das nicht, aber es waren eindeutig Erinnerungen, bei denen man rot anlief.
Duo hatte sich inzwischen auf das Bett gesetzt. Und wie schon vorhin auf der Treppe hatte er seine Knie angezogen, seine Arme darum geschlungen und sein Kinn darauf abgestützt. Er wirkte als wenn er sich möglichst klein machen wollte, eine kompakte Kugel die man nicht so schnell angreifen konnte.
Heero hätte den Langhaarigen am liebsten einfach in seine Arme geschlossen. Aber etwas hielt ihn vor diesem Schritt zurück. Sie hatten offiziell noch keinen Frieden geschlossen, und vielleicht würde Duo zu diesem noch etwas unstabilen Zeitpunkt vor zu großer Nähe zurückschrecken. Heero hatte keine Ahnung, aber er beschloss sich auf seine – sehr unzureichenden – Instinkte zu verlassen.
Darum nahm er auch davon Abstand sich direkt neben Duo zu setzen. Er wollte diesen auf keinen Fall zu sehr bedrängen. Nie wieder wollte er diese Panik, diese Angst in Duos wunderschönen Amethysten sehen. Aus diesem Grund schnappte sich Heero den Schreibtischstuhl, rollte ihn neben das Bett und setzte sich Duo gegenüber. Und wartete darauf das der Langhaarige endlich mit dem Sprechen anfangen würde.
Duo hatte inzwischen seine Stirn auf die Knie gedrückt. Ein leichtes Zittern überzog seinen Körper, während er flach ein- und ausatmete. Aber er blieb stumm wie ein Fisch.
Heero wartete weiter geduldig. Er wusste das nicht er den ersten Schritt machen musste. Immerhin hatte Duo ihn mit hierher genommen. Es war an Duo den Mund aufzumachen.
An einer der Wände von Duos Zimmer hing eine Uhr. Heero konnte sie nicht sehen, aber ihr Ticken schien immer lauter und lauter in seinen Ohren zu dröhnen. Diese Uhr war das einzige was in dem Zimmer zu hören war.
Heero versuchte verzweifelt nicht mitzuzählen wie die Sekunden wie Sand in der Hand verstrichen. Er wollte gar nicht wissen wie lange er schon hier saß. Er versuchte sich zu ermahnen das er Geduld haben musste. Aber langsam wurde er unruhig.
War das ganze etwa schon wieder ein neues Spiel von Maxwell? Wollte dieser ausprobieren wie lang er ihn an der Nase herumführen könnte? Aber nein. Das konnte nicht sein. Er glaubte nicht daran das alles vorhin auf der Treppe nur gespielt gewesen war. Aber so langsam musste etwas passieren. Oder sie würden noch bis morgen Früh hier sitzen und nicht um einen Deut schlauer sein.
Da er um seine Unfähigkeit mit Worten wusste beschloss Heero Taten sprechen zu lassen. Es war gewagt, aber vielleicht würde das Duo am ehesten aus seiner Erstarrung lösen.
Mit einem lauten – vollkommen unnötigen – Quietschen schob er den Stuhl nach hinten und stand auf. Und tatsächlich, dies schien Duos Aufmerksamkeit zu erregen. Sein Kopf flog nach oben. Seine wunderschönen Augen waren weit aufgerissen als sie Heero erschrocken ansahen.
„Wo willst du hin?" fragte er schließlich erstaunt.
„Weg, was glaubst du? Du hast gesagt das du mit mir reden müsstest. Aber seit einer Viertelstunde schweigst du mich nur an. Ich habe wirklich besseres zu tun, als hier meine Zeit zu verschwenden. Entweder du redest endlich, oder ich geh," obwohl seine Stimme fest und entschlossen klang fühlte sich Heero alles andere als das. Wieso wagte er soviel? Er war doch noch nie gut im Pokern gewesen.
Duo starrte ihn mit offenem Mund an. Aber noch immer blieb er stumm.
Heero zuckte kurz mit den Schultern. „Fein, dann halt nicht," sagte er obwohl alles in ihm sich dagegen wehrte und dann drehte er sich um, um zu gehen. Aber er kam nicht sehr weit, denn plötzlich hatte Duos Hand sein linkes Handgelenk in eine Art Todesgriff gefangen genommen.
„Geh nicht," flüsterte der Langhaarige.
Heero blickte über seine Schulter hinweg auf den zitternden Jungen. „Warum soll ich bleiben, Duo?"
„Weil... weil ich mit dir reden möchte," schluckte der Langhaarige.
„Dazu musst du aber deinen Mund aufmachen. Du bist mir bisher auch nicht als der unbedingt schweigsame Typ vorgekommen. Ich bleibe nur wenn du auch wirklich redest."
„OK," flüsterte Duo. Heero konnte sehen das dieser nervös auf seinen Lippen kaute.
Heero beschloss ein wenig Stress aus der Geschichte zu nehmen und setzte sich wieder hin. Duos Hand ließ seinen Arm sofort frei, was Heero sogleich bedauerte.
„Duo, wir können uns hier noch stundenlang im Kreis drehen, aber damit ist uns beiden nicht geholfen. Du wolltest mir erzählen warum heute Nachmittag alles so furchtbar schief gelaufen ist. Das hast du mir versprochen. Wirst du dich daran halten?"
Sein Gegenüber fuhr sich nervös mit einer Hand durch die zerzausten Haare. „Es ist nur so furchtbar kompliziert. Es ist eine sehr lange Geschichte."
Heero seufzte tief. Duo schien ein Meister des Ausweichens zu sein. „Nur zu Duo, wir haben alle Zeit der Welt." Heero fragte sich wieso er dies so einfach behaupten konnte. Es war inzwischen schon weit nach Mitternacht, er hatte noch einen langen Heimweg und morgen Früh um 8 Uhr begann eines seiner schwersten Laborpraktika.
Eigentlich sollte er in seinem Bett liegen und sich ausruhen, wie es sich für einen braven, strebsamen Studenten gehörte. Und wenn ihm heute Morgen jemand gesagt hätte, das er sich freiwillig die Nacht um die Ohren schlagen würde um einem so verwirrenden Wesen wie Duo eine zweite Chance zu geben, dann hätte er lang und laut gelacht. Aber genau in diesem Moment wurde ihm klar, das es für ihn nichts Wichtigeres gab, als genau jetzt hier zu sitzen und darauf zu warten das Duo endlich den Mund aufmachen würde.
„Ich weiß einfach nicht wo ich anfangen soll," gestand Duo in diesem Moment.
Das hätte sich Heero auch so denken können. Er versuchte ein beruhigendes Lächeln, das wahrscheinlich ziemlich wackelig aussah. „Fang einfach am Anfang an."
Der Langhaarige lachte einmal kurz auf. „Wenn das so einfach wäre, dann hätte ich's schon längst getan."
Heero zuckte kurz mit den Schultern. „Da hast du wohl Recht. Wie wäre es wenn du mir erklärst warum du mich von Anfang an nicht ausstehen konntest. Ich glaub dir nicht das es nur daran gelegen hat, weil du dachtest das ich reich wäre. Für so verdammt eindimensional halte ich dich dann doch nicht."
Heero glaubte schon kurz das er wieder was falsches gesagt hatte, denn Duo verfiel wieder in sein Schweigen. Aber dann, nach zwei unendlich langen Minuten machte der Langhaarige doch seinen Mund auf.
„Ich hab bisher immer nur Pech gehabt in der Liebe," sagte er scheinbar etwas aus dem Zusammenhang gerissen. Ein trauriges Lächeln erschien auf dem schönen Gesicht. „Ich hab einfach einen schrecklichen Geschmack was Männer angeht. Ich dachte du gehörst auch in dieselbe Kategorie."
Heero beschloss erst einmal nicht empört zu reagieren. Er wollte jetzt alles erfahren, darüber diskutieren konnten sie später immer noch. „Und was für eine Kategorie ist das?" fragte er ruhig.
„Groß, dunkel, schweigsam. Macht und Autorität ausstrahlend. Die Sorte von Kerl, die einen allein durch ihre Präsenz aus dem Konzept bringen können. Die immer nur alles nach ihrem Willen haben wollen, angreifen und erobern und sich nach einer heißen Nacht sofort von einem verabschieden. Ich bin schon viel zu oft auf diese Typen reingefallen." Duo schluckte heftig.
„Und das komische ist, ich kenne meine Schwäche, ich weiß das diese Typen nie mehr als eine Nacht wollen. Und trotzdem falle ich immer wieder darauf rein. Ich hatte mir geschworen das ich mir dafür zu schade bin, das es nie wieder passieren wird. Und dann tauchst du hier plötzlich auf und meine Hormone spielen verrückt. Ich hätt dich am liebsten sofort angebaggert. Aber ich wollte nicht noch einmal so verletzt werden. Darum hab ich auf abweisend geschaltet. Das du mir die ganze Zeit Kontra gegeben hast, hat mir nicht wirklich geholfen. Ich war völlig fasziniert von dir und hab mich gleichzeitig darüber geärgert."
„Aber Duo, das stimmt nicht. So bin ich nicht. Zunächst einmal gehöre ich nicht zu den Typen die jeden Tag jemand neues aufreißen. Frag Quatre, der hatte ja schon Sorge das ich mich dem Zölibat verschrieben hätte," Heero schaffte es tatsächlich mit diesen Worten ein kleines bisschen Glanz in Duos Augen zurückzubringen. „Zum anderen, selbstsicher und autoritär. Das bin ich wirklich nicht. Ich weiß zwar das ich in einigen Bereichen gut bin und da kann mir so schnell auch keiner ein X für ein U vormachen, aber es gibt so viele Dinge in meinem Leben, die mich völlig unsicher zurück lassen. Genau in diesem Moment fühl ich mich hilfloser als je zuvor. Pack mich nicht in eine Katerorgie mit diesen Angebern."
„Das weiß ich jetzt Heero, aber vorhin dachte ich, ich fall wieder auf die gleiche Sorte Mann rein. Ich dachte, ich lass mich wieder wissenden Auges darauf ein erneut verletzt zu werden."
Heero nickte stumm. Das konnte er verstehen. Er wusste auch genau von welchem Typ Kerl Duo da sprach. An seiner Schule gab es genug von diesen Arschlöchern, die sich selbst für den Nabel des Universums hielten und ihre eigene Unsicherheit mit einem überhöhten, unechtem Selbstbewusstsein kompensierten und ihr Ego dadurch aufplusterten, indem sie andere dazu brachten sich ihnen unterlegen zu fühlen. Aber wieso hatte Duo es bisher nur mit solchen Idioten zu tun gehabt?
Konnte er es wagen diese Frage zu stellen? Er musste es wohl. Schwer seufzend versuchte er die richtigen Wörter zu finden. „Duo, willst du damit sagen, das du bisher immer nur was mit solchen Typen gehabt hast? Das kann doch nicht sein?" fragte er ungläubig.
Der Langhaarige zuckte resignierend mit den Schultern. „Ist aber so. Ich weiß nicht wieso ich auf diesen Typus steh. Oder warum nur solche Idioten was von mir wollen. Vielleicht liegt es an meinem Aussehen, vielleicht hab ich einfach einen eingebauten Spacken-Magneten. Ich kann es dir nicht sagen. Wahrscheinlich sollte ich damit aufhören jemanden in Bars oder Discos kennen lernen zu wollen. Was kann da schon außer einem One Night Stand herausspringen? Ich hätte wohl wie Trowa eine Dichterlesung besuchen sollen. Aber ich hasse Gedichte und tanz dafür so gern."
Heero konnte ihn fast verstehen. Wo sollte man seinen Partner heutzutage schon finden? Kneipen und Discos waren die reinsten Abschlepp-Gründe. Sicher, man fand fast immer was für eine Nacht – wenn man es darauf anlegte. Aber wann hatte man schon jemals davon gehört das eine feste Beziehung aus so einer Begegnung heraus entstanden wäre? Das war einer der Gründe warum Heero nur noch zum arbeiten eine Bar betrat.
Blieb also nur auf den großen Zufall zu warten. Auf die Eins in einer Million Chance das man sich unbewusst über den Weg lief wie Trowa und Quatre? Oder darauf das seine Freunde einen verkuppelten? Aber das ging doch auch immer in die Hose.
Aber irgendwie konnte Heero immer noch nicht glauben das Duo noch nie eine Beziehung gehabt hatte. Das konnte nicht sein, nicht bei jemand der so gut aussah wie Duo, jemandem der so lebhaft war wie der Langhaarige. Von Rechts wegen müssten die Typen Schlange bei Duo stehen.
Außerdem, die Panik die Duo vorhin gezeigt hatte, Heero glaubte nicht das die nur aus diesem einfachen ‚Pech in der Liebe' resultieren konnte. Das rief aber eine weitere Frage hervor. Konnte Heero es wagen sich direkt danach zu erkundigen? Würde er es damit besser oder vielleicht sogar noch schlimmer machen?
Aber andererseits, wenn es jemals was mit ihnen beiden werden sollte, mussten sie dann nicht darüber reden? Über Duos Probleme und über seinen eigenen Sack voll schlechter Erinnerungen? Irgendwie hatte Heero keine Zweifel mehr daran das sie beide hier saßen weil sie sich von dem Ganzen mehr erhofften. Aber das konnte doch nur gut gehen, wenn sie alle Tiefen und emotionalen Strudel markieren würden, so dass sie sie später umschiffen konnten.
Argh, Heero wünschte sich gerade zum tausendsten Mal das er nicht so unsicher wäre was das zwischenmenschliche Verhalten anging. Quatre würde jetzt sicher sofort wissen wie weit er gehen könnte, was er fragen dürfte und was nicht. Wieso konnte das nicht einfacher sein?
Heero beugte sich etwas vor und umfasste Duos Hände mit seinen eigenen. Duo blickte erstaunt auf und Heero hätte in den tiefen Amethysten ertrinken können. „Duo, das ist aber nicht alles, oder? Du kannst mir nicht weismachen das niemals jemand länger bei dir bleiben wollte. Das kann ich einfach nicht glauben."
Duo schluckte wieder schwer. Heero hatte kurz das Gefühl als wenn Duo fliehen wollte. Er drücke kurz dessen Hände, ließ sie dann aber wieder los um den Langhaarigen nicht in die Enge zu drängen.
Nervös kaute Duo wieder auf seiner Unterlippe herum und schien einige Momente zu brauchen bis er sich zum Reden entschloss. „Nein, da hast du Recht. Einer wollte bei mir bleiben. Treize." Duos Stimme war mit dem letzten Satz immer leiser geworden. Heero hätte den Namen fast nicht mehr verstanden.
„Treize, ihm war ich ein halbes Jahr lang hörig."
