Gut durchdachte Pläne
Walter
wachte auf und murmelte ein langgezogenes: „Fuuuuuuuuuuuuuuuuck."
„Walt,
alles in Ordnung?"
„Ja,
Dude. Hab schon schlimmeres durchgemacht. Sind sie noch da?"
„Sucht
den Jungen! Nun macht schon!" rief Drakken und beantwortete damit
in gewisser Weise die Frage.
Einige
seiner Handlanger schwärmten in alle Richtungen davon.
„Welchen
Jungen?" fragte Walter.
„Timmy.
Den mit den Hasenzähnen."
„Wo ist
er hin?"
Mrs Turner
sprang wie aus dem Nichts auf Walter zu, packte ihn am Kragen,
schüttelte ihn durch und jammerte: „Wir wissen es nicht. Wir
sind so schlechte Eltern."
„Wenn
Timmy etwas passiert werden wir uns das nie verzeihen. Ausserdem
werden wir uns auf immer und ewig aus dem Bowlingsport zurückziehen,
da wir bei jedem umfallenden Pin, bei jeder geworfenen Kugel, bei
jedem Fußschweiss getränkten Bowlingschuh, an den Abend
denken werden, an dem unserem einzigen Kind etwas schlimmes passiert
ist."
Der Dude
kratzte sich hilflos am Kopf. Die Turners waren trotz allem, was er
bis jetzt erlebt hatte, in ihrer Merkwürdigkeit unübertroffen.
Ausserdem sorgte er sich ebenfalls um Timmy. Vielleicht hatte er es
schon nach draussen geschafft, dachte er sich, doch wenn nicht, sind
jetzt einige Männer hinter ihm her, die ihm an Körpergröße
definitiv überlegen sind. Eine Ungerechtigkeit, die der Dude
nicht auf sich sitzen lassen konnte. Er wollte gerne helfen, doch er
wusste nicht, wie.
Walter
ließ sich allerdings noch nie von einer Kleinigkeit wie „keinen
Plan haben" von etwas abhalten.
Er sah der
verzweifelten Mrs Turner in die Augen und sagte: „Keine Sorge. Wir
kümmern uns um ihren Sohn. Jetzt gehen sie und trösten sie
ihren Mann. Ich glaube, er hat es nötig."
„Okay.
Wenn ein Mann, den ich bis vor einer Stunde noch nie gesehen habe,
sagt, er würde sich um meinen verschwundenen und von Gangstern
gejagten Sohn kümmern, sehe ich keinen Grund, ihm zu
misstrauen."
Mrs Turner
ließ von Walter ab, nahm ihren Mann wie ein Baby in den Arm und
schaukelte ihn sanft umher. Der Dude ließ sich davon
ausnahmsweise nicht ablenken.
„Walt,
ich verstehe ja, dass du hier helfen willst, aber was hast du vor? Du
wirst doch nicht schon wieder mit so einer gefickten Knarre
herumballern?"
„Nein
Dude, das werde ich nicht. Bevor ich dir sage, was ich tun werde,
brauchen wir ein Ablenkungsmanöver."
„Du hast
keine Ahnung, was du tun willst, oder?"
„Doch,
habe ich. Erst müssen wir aber die Bösen ablenken."
„Wie
willst du das anstellen?"
„Weiss
ich noch nicht."
„Scheisse,
Walt. Ich wusste, du hast keinen Plan."
„Fang
jetzt nicht so an, Dude. Mir ist gerade eine Idee gekommen. Hey,
Jesus."
Jesus
beugte sich zu Walter und dem Dude runter, ohne dabei Shego aus den
Augen zu lassen.
„Was
gibt's, Walt?"
„Du bist
scharf auf die Grüne, oder? Ich habe da im Anfangsstadium meiner
Bewusstlosigkeit so etwas mitbekommen."
„Stimmt.
Sieh sie dir doch an, diese Frau würde ich so gerne die ganze
Nacht..."
„Ja, wie
auch immer. Warum gehst du nicht zu ihr hin? Zeige ihr etwas von dem
Jesus-Charme."
„Du
machst dich über mich lustig, habe ich recht?"
„Ja.
Doch wenn du jetzt zu ihr hingehst, haben wir alle etwas davon. Der
Dude und ich können uns auf die Suche nach dem Jungen machen,
während du uns entweder damit hilfst den Tag zu retten oder
vielleicht sogar noch den verdammte Scheisse nochmal besten Sex
deines Lebens hast."
„Scheisse,
Walt, du hast recht. Ich gehe jetzt zu ihr hin und mache ihr klar,
dass keine Frau auf dieser bekackten Welt, dem Jesus widerstehen
kann. Niemand sagt zum Jesus „Nein", egal wie grün und heiss
sie ist."
„Okay,
aber sei nett zu ihr. Ich glaube, unter ihrer harten Schale steckt
eine zarte Blume."
„Meinst
du?"
„Probier
es aus."
Jesus
zuckte mit den Schultern und ging zu Shego, die immer noch damit
beschäftigt war, die Augen nach Kim Possible offen zu halten.
Walter und der Dude sahen ihm hinterher und warteten den richtigen
Moment ab.
„Walt,
das war nicht nett", flüsterte der Dude.
„Die
Kunst des Krieges, Dude. Ich opfere einen Soldaten für ein
höheres Ziel."
„Scheisse,
hör mit deinem bekackten Krieg auf. Du weißt, wie ich dazu
stehe."
„Es ist
nicht mein Krieg. Ich bin nur dabei. Genau so wie du. Ausserdem war
es mal wieder fällig, das Jesus einen beschissenen Tritt in
seinen verdammten Arsch bekommt. Das letzte mal ist schon viel zu
lange her."
„Hoffentlich
wird er nicht zu schwer verletzt."
Jesus
näherte sich langsam Shego und tippte ihr vorsichtig auf die
Schulter.
„Was
ist?" stöhnte sie genervt und drehte sich um.
Jesus
zögerte mit seiner Antwort. Er versuchte nicht das zu sagen, was
er jetzt normalerweise sagen würde.
„Ähm,
vielleicht haben wir das falsch angefangen. Ich meine, ich habe das
falsch angefangen. Ich bin Jesus." Er reichte ihr die Hand, doch
Shego verdrehte nur die Augen. „Ähm, wie war nochmal dein
Name?"
„Ich
habe nicht vor, ihn dir zu verraten."
Drakken,
der Jesus' Annäherungsversuch interessiert beobachtet hatte,
übernahm die Aufgabe für seine Handlangerin: „Ihr Name
ist Shego."
Ich
wünschte, ich könnte den Blick, den sie Drakken zuwarf
näher beschreiben, doch so einen Blick sollte man, wenn
überhaupt, nur im Necronomicon schriftlich festhalten.
„Shego?
Wie in diesem Song von den Ramones?"
„Welcher
Song?"
„Shego
Is A Punkrocker."
Shego
presste genervt Luft durch ihre Vorderzähne und verursachte ein
zischendes Geräusch.
„Die
haben einen Song über dich gemacht?" fragte Drakken.
„Schnauze.
Beide."
Drakken
nahm Shego höflich beiseite.
„Erinnerst
du dich noch daran, worüber wir vorhin gesprochen haben?"
„Sie
meinen das mit dem Ausgehen?"
„Genau
das. Dieser Jesus sieht vielleicht nicht so vielversprechend aus,
aber du solltest ihm eine Chance geben."
„Sind
sie jetzt völlig durchgedreht? Wir sind gerade dabei, dieses
verdammte Bowlingdings zu stehlen. Dann schicken sie einen Teil
unserer Handlanger los, um ein Kind zu suchen und zu allem Überfluss
wollen sie mich jetzt auch noch so ganz nebenbei mit einem Mann
verkuppeln, dem ich lieber ins Gesicht treten würde, anstatt ihm
dort hinzusehen?"
„Du
schienst in letzter Zeit ziemlich unkonzentriert zu sein und..."
„Und
deshalb betätigen sie sich als mein Zuhälter? Glauben sie,
ich müsste einfach nur mal wieder flachgelegt werden?"
„Diesen
Job würde ich gerne übernehmen!" rief Jesus.
Mächtiger
Fehler. Shego griff ihm dahin, wo man einen Mann niemals hin greifen
sollte, wenn man es nicht ernst meint und drückte zu.
„Also",
sagte sie mit der Freude, die nur eine Frau beim Anblick dieser
Schmerzen empfinden kann, „du siehst nicht aus wie ein vernünftiger
Mann, aber allem Anschein nach bist du immerhin ein Mann. Darum wirst
du auch sicher einsehen, dass es am Besten für dich wäre,
sich einfach umzudrehen und mich nie wieder anzusprechen. Denn
solltest du mich auch nur anhauchen, werde ich dir all das, was ich
jetzt in meiner Hand halte, wie ein Küchentuch abreissen und dir
so tief in den Hintern schieben, dass du dir den Finger in den Hals
stecken und dich übergeben musst, damit es wieder ans Tageslicht
kommt. Verstanden?"
Jesus
nickte und Shego ließ los.
Während
Jesus Luft holte murmelte er: „Oh, ich stehe drauf, wenn Frauen so
ordinär werden."
Die
Flammen, die nach Beendigung dieses Satzes aus Shegos Händen
kamen, signalisierten Jesus zwei Dinge:
1) Obwohl
er eigentlich das Gegenteil vorhatte, hatte er diesen Satz laut
gesagt.
2) Es war
Zeit, zu rennen und sich dabei nicht umzusehen.
Hinzu kam
auch noch Shegos wütender Schrei: „Okay, Freundchen, jetzt
bist du fällig! Ich reisse ich dir den Arsch auf, dass die
Scheisse nur so spritzt!"
Jesus ließ
sich zu Boden fallen und hielt sich schützend die Hände
vors Gesicht. Als nach einigen wenigen Sekunden, die für ihn wie
Minuten waren, noch immer nichts passiert war, war er glücklich
darüber, dass man ihn so kurz und schmerzlos umgebracht hatte.
Dann öffnete er die Augen und bemerkte, dass er gar nicht tot
war. Er befand sich noch immer im Bowlingcenter und vor ihm stand
immer noch die schönste Frau, die ihm je Gewalt angedroht hatte.
Allerdings schien sie ihn vergessen zu haben. Anstatt ihm seine Haut
abzuziehen sah sie sich um. Gerade, als Jesus aus unerfindlichen
Gründen fragen wollte, was los sei, beantwortete Shego schon
diese nie gestellte Frage:
„Verflucht,
Doktor! Es sind schon wieder welche abgehauen!"
„Was?
Wie kann das sein? Ich habe ihnen doch gesagt, sie sollen
hierbleiben. Zumindest glaube ich es gesagt zu haben. Auf jeden Fall
versteht es sich doch von selbst? Wer ist verschwunden?"
„Der
Dicke, der ihr Ohr auf dem Gewissen hat und dieser dreckige Hippie."
Drakken
sah mit einem „Drakkigen" Grinsen auf Jesus hinab.
„Sag
mal, das sind doch Freunde von dir?"
„Naja,
nicht wirklich gute Freunde. Ja, wir bowlen zusammen in einem Team,
aber wenn wir nicht spielen reden wir nicht viel miteinander.
Eigentlich bin ich auch nur in ihrem Team, weil sie einen dritten
Mann für die Meisterschaft brauchten und..."
„Bla bla
bla. Shego, nimm ihn mit und mach dich auf die Suche nach seinen
Freunden. Wenn sie nicht freiwillig rauskommen, darfst du ihm sehr,
sehr wehtun."
„Das
sind doch nur zwei Spinner. Wir sollten froh sein, dass sie weg
sind."
Drakken
packte Shego am Arm und zog sie ruckartig zu sich heran.
„Einer
dieser Spinner hat mein Ohr auf dem Gewissen. Ausserdem glaube ich,
dass es an der Zeit ist, den Anderen zu zeigen, dass man sich nicht
mit mir anlegt! Und du kannst mir nicht erzählen, dass es dir
keinen Spaß machen würde, diesem Jesus weh zu tun."
Shego lächelte vielsagend. „Und wer weiss", fuhr Drakken
fort, „vielleicht lernt ihr euch auf diese Weise auch etwas besser
kennen."
Shegos
Lächeln erlosch. Sie riss sich von Drakken los, packte sich
Jesus und machte sich auf die Suche.
„Sie
können nicht weit sein, das ist schließlich nur ein
Bowlingcenter!" rief Drakken ihnen hinterher.
Mr Turner
hatte zu diesem Thema aber auch noch etwas zu sagen: „Ähm, das
ist nicht ganz richtig!"
„Was ist
nicht ganz richtig?"
„Dieses
Bowlingcenter ist riesig. Zumindest im Keller. Es wurde auf einem
alten Inka-Tempel erbaut und geht dementsprechend sehr tief runter
und vor allem sehr weit auseinander. Ich meine, ich, als offizieller
Schiedsrichter und Bowlingfreak kenne dieses Gebäude natürlich
in- und auswendig, aber sie? Die Männer, die sie suchen und
unser Sohn könnten überall sein. Hey!"
Shego
schnappte sich Mr Turner am Kragen und zog ihn hinter sich her.
„Dann
kommen sie jetzt als mein Fremdenführer mit. Obwohl ich die
Geschichte von dem Inka-Tempel für erfunden halte."
„Nein,
wo denken sie hin? Der ganze Tempel wurde nur modernisiert. Wenn sie
etwas Zeit haben und mich nachher unbeschadet wieder bei meiner Frau
abliefern, erzähle ich ihnen alles darüber."
„Na
Prima, ich freue mich schon."
Mrs Turner
sah ihnen noch besorgt hinterher, als sie hinter der nächsten
Ecke verschwanden.
Währenddessen
in einem Luftschacht, zwei Stockwerke unter der Bowlingbahn.
Timmy
krabbelte mit seinen zwei, noch immer als Mäuse getarnten Elfen,
ziellos durch die Gegend.
„Also
Leute, wir sind jetzt im Luftschacht, was machen wir nun?"
„Ja,
Cosmo, was machen wir jetzt?" fragte Wanda mit beissendem
Sarkasmus.
„Wir
kriechen weiter!"
„Warum?"
„Das
machen die im Film immer. Die kriechen durch Luftschächte. Ich
habe noch nie gesehen, dass jemand in einen Luftschacht geklettert
ist und dann nichts getan hat. Naja, in einigen wenigen Filmen sind
die Luftschachtkriecher von einem Monster gefressen worden, aber
sonst..."
Timmy
blieb erschrocken stehen.
„Moment,
hast du gerade Monster gesagt?"
„Ja,
aber das war nur im Film."
„Wisst
ihr, mir fällt gerade auf, dass dieser Luftschacht sehr...dunkel
ist."
„Ja,
jetzt, wo du es sagst?" stimmte ihm Cosmo zu und fing an zu
zittern.
„Habt
ihr das auch gehört?"
„Wanda,
das ist nicht witzig!" flüsterten Timmy und Cosmo
gleichzeitig.
„Nein,
das war mein Ernst."
Auch wenn
sie es nicht hören wollten, doch da war wirklich etwas. Ein
merkwürdiges Geräusch. Einerseits ein schlurfendes Kratzen,
andererseits eine Art Trippeln. Doch egal was es war, es befand sich
ebenfalls im Luftschacht und es kam näher. Gelähmt vor
Angst blieben die Drei da, wo sie waren, bis das Geräusch
schließlich ganz in ihrer Nähe stoppte.
„Es ist
hier", flüsterte Timmy.
Wanda, die
eigentlich überhaupt nicht an Monster oder so etwas glaubte,
fragte: „Was ist hier?"
„Ich
weiss es nicht, aber es befindet sich direkt um die Ecke. Cosmo, sieh
nach."
„Warum
ich?"
„Weil du
mein Zauberpate bist und mich beschützen musst."
„Wanda
ist auch dein Zauberpate."
„Ja,
aber ich bin auch deine Ehefrau und dementsprechend musst du mich
auch beschützen."
„Nur
Mut, vielleicht ist es nur ein Kätzchen."
„Aber
ich bin eine Maus."
„Dann...
ist es vielleicht kein Kätzchen. Jetzt sieh nach."
Cosmo
atmete tief durch. Nach einigen Sekunden, in denen er versuchte daran
zu denken, dass ihm als Zauberwesen eigentlich nichts passieren
konnte, schlich er vorsichtig um die Ecke.
Dort
blickte er der vielleicht grauenhaftesten Kreatur dieses Planeten ins
Auge.
