Die verwirrten Rufe des Jungen verebbten mit der Zeit.

Irgendwo, mitten im Wald, blieb sie stehen, setzte sich auf einen Stein und begann vor Angst zu weinen.

Was würden Rapherel, ihr älterer Bruder, und Tom, ihr Vater, sagen, wenn sie erfuhren, dass sie, die schwarze Prinzessin, entdeckt worden war!

Rapherel liebte sie über alles, das wusste sie. Natürlich nicht so wie ein Mann eine Frau liebt, aber doch so, wie ein Bruder seine kleine Schwester liebt. Er könnte ihr nie etwas antun!

Aber Lunas Vater würde sie nicht nur verfluchen, dafür war es ein viel zu großer Ungehorsam! Er würde sie vor Rapherels Augen ein wenig quälen und dann in der Nacht würde er sie besuchen. Es war ein Segen und ein Fluch, dass Lupina, wie sie mit richtigem Namen hieß, aussah wie ihre verstorbene Mutter.

Und Malfoy, würde er sie verraten?

An seinen Vater?

An ihren Vater?

Vielleicht sogar an einen Lehrer? – Nein, an einen Lehrer nicht, denn das würde auch seiner Gesundheit schaden, das wusste er selbst.

Und dem dunklen Lord würde er es sicher nicht persönlich sagen.

Also würde er sicher eine Eule an seinen Vater schicken.

Warum saß sie hier eigentlich und versank in Selbstmitleid? Sie musste ihn davon abhalten einen solchen Brief zu schreiben und abzuschicken!

Wie lange war sie gelaufen?

Wie lang war es her, dass sie ihn stehen gelassen hatte?

Eine halbe Stunde? Eine ganze?

Ihre Fassung wiedergewinnend stand sie wieder auf und wischte sich die Tränen aus dem Gesicht.

War sie denn von allen guten Geistern verlassen gewesen, dass sie einfach so weggerannt war? Sie hätte einfach fragen müssen, was er damit meinte!

Gerade als sie losrennen wollte, raschelte es hinter ihr und sie zog reflexartig ihren Zauberstab.

„Nicht, Madam.".

Es war einer der Werwölfe, welche sich inmitten des Waldes ein kleines Dorf gebaut hatten.

„Was meinst du, Loky? Warum soll ich nicht gehen?". Luna kannte ihn, er war einer ihrer Vertrauten, mit dem sie manchmal sprach, wenn sie sich einsam fühlte, und sie wusste auch, dass er das innere Auge (zweites Gesicht) besaß.

„Ihr seit zu weit von der Schule entfernt, Ihr werdet ihn nicht rechtzeitig einholen, Madam.".

„Aber ich muss-" wollte sie widersprechen, doch er schüttelte den Kopf und so verstummte sie.

„Sie werden meinen Besen nehmen, und direkt in die Eulerei fliegen, dann schaffen Sie es vielleicht noch.".

Er hielt ihr seinen Besen hin und lächelte.

Auch Luna lächelte dankbar, stieg auf den Besen und raste in den Himmel.

„vielleicht" hatte Loky gesagt.

Luna stutzte, es war das erste Mal gewesen, dass sich der Werwolf in einer Sache nicht sicher war!

„Egal", dachte sie, „sie würde die Eule schon abfangen!"

Aber wenn nicht?

Sie verfiel für den Bruchteil einer Sekunde wieder in ihre Hilflosigkeit, doch dass konnte sie sich im Moment nicht leisten! Sie musste bei klarem Verstand sein, damit sie es rechtzeitig zum Turm schaffte.

Nur wenige Minuten später landete sie auf einer der fielen Fensterbänke der Eulerei.

Sie sah sich um, es war niemand da.

Fast panisch suchte sie die Vögel nach dem Raben der Malfoys ab.

Hatte er den Brief schon abgeschickt?

War es wirklich schon zu spät?

Nein – da war der schwarze Kolkrabe Malfoys.

Also war es noch nicht zu spät!

Ein erleichterter Seufzer glitt über die Lippen des schönen Mädchens.

Plötzlich öffnete sich die einzige Tür zur Eulerei und Lucius trat ein.

Schnell überlegte sie. Er konnte sie noch nicht entdeckt haben. Wenn sie dem Raben einfach nachflog und ihm den Brief in der Luft abnahm, würde Lucius denken, alles wäre geregelt.

Aber dann würde keine Antwort darauf bekommen und er würde sicher einen zweiten Brief schreiben, oder es seinen Eltern in den Ferien erzählen.

Auf der anderen Seite war Malfoy mindestens genau so gut im Duellieren wie sie und er würde ihr den Brief sicher nicht so einfach geben. Doch sie hatte den Überraschungsmoment auf ihrer Seite.

„Accio Brief!" sagte sie und der Brief Lucius Hand flog in ihre.

„Hey, was soll das?", fragte er verwirrt und erkannte erst jetzt, das er nicht allein war, „My Lady…"

Mit einer energischen Handbewegung brachte sie ihn zum Schweigen. Luna wurde sich erst jetzt bewusst, was für Vorteile es ihr brachte, wenn Lucius wusste wer sie war. Wenn er es nicht rum erzählte, konnte sie mit ihm machen was sie wollte.

„Du wirst keine weiteren solcher Bri-" begann sie im Befehlston, doch stockte ihr der Atem, als sie den Absender sah den der Brief in ihrer Hand trug. Es war nicht wie sie erwartet hatte die Anschrift der Malfoy Manor oder ihres Vaters darauf zu lesen, sondern ihre eigene.

„Was…?" fragte sie unvollständig, denn eigentlich war sie so überrascht, dass sie gar keine richtige Frage zustande brachte.

Malfoy schwieg erwartungsvoll, seine Wangen waren leicht gerötet, doch das fiel dem Mädchen nicht auf und endlich überwand sie ihre Überraschung.