4. Kapitel

Erleichtert ließen sie sich auf die Stühle im Büro sinken. "Das war knapp." meinte Harry. Remus befreite Snape aus seiner Hemdtasche und setzte ihn auf dem Schreibtisch ab. "Du kannst doch nicht einfach sprechen, wenn andere dabei sind. Jetzt zwingt mich Creevey wahrscheinlich mit der Nummer beim nächsten Halloween aufzutreten!" schimpfte Remus vor sich hin. Snape zuckte nur mit den Schultern und ließ sich auf seinem Sessel nieder. "Wenn schon. Es gibt schlimmere Probleme als Creeveys Wohlbefinden. In vier Tagen ist Vollmond." Lupin schluckte. Natürlich wusste er das. "Ich habe noch Trank für drei Tage, ich wollte ihn erst kurz vorher..." Snape schnitt ihm das Wort ab. "Albus muss ran. Oder Granger. Ich kann ihnen ja helfen und die Beschwörungen kann ich auch sprechen. Nimm deinen Trank, heute nachmittag brauen wir." Remus ging an sein kleines schwarzes Schränkchen und holte seine Wolfsbannflasche heraus. Er machte seine Dosis warm und schluckte sie mit einem Mal hinunter. Harry sah mitfühlend wie er sich danach heftig schüttelte. "Je nun, was helfen soll, muss nicht schmecken." kommentierte Snape den Vorfall.

"Ron hat seine Mutter gefragt, ob sie nämliches Buch auch hat. Sie will mal nachsehen. Leider konnten wir nicht richtig deutlich machen wie eilig es ist, sonst hätten wir uns verdächtig gemacht." erzählte Harry. Remus klopfte ihm wohlwollend auf die Schulter. "Fein gemacht. Ich werde mit Molly reden, dann gehts schneller." "Potter, machen sie sich endlich auf die Socken und schicken sie Granger zu uns rauf. Wir wollen heute noch fertig werden." grummelte Snape. "Jawohl Sir" antwortete Harry und machte sich auf den Weg. Wenige Minuten später erschien Hermine, atemlos aber hochmotiviert. Gemeinsam gingen sie in Snapes Labor, wo Dumbledore sich schon eingefunden hatte. "Setz mich auf die Arbeitsplatte." befahl Snape barsch und bekam diesen Wunsch auch prompt erfüllt. Er begann hektisch hin- und herzulaufen und laut vor sich hin zu brabbeln. "Also wir brauchen: einen Kessel Größe 3, nehmt den da hinten, das ist Edelstahl, dann die Kräuter und die Zehennägel eines mittelgroßen Yeti, etwas Wasser aus einer Quelle, die nach Süden zeigt und Tärä! ein Viertelliter reinen Alkohol. Sucht das Zeug erstmal zusammen und dann machen wir weiter." Albus und Hermine beeilten sich, den Befehlen nachzukommen. "Er ist irgendwie - aufgekratzt, finden Sie nicht auch, Herr Direktor?" Albus nickte und flüsterte: "Ich frage mich, ob man diesen Gemütszustand auf den Zauberspruch zurückführen kann, oder ob es an was anderem liegt."

Viel Zeit, den Gedanken weiterzuverfolgen hatten sie nicht, denn Severus wurde bereits ungeduldig. "Wo bleibt ihr denn?" nörgelte er sofort.

"Da sind wir schon." antwortete Hermine schuldbewusst und begann, die Zutaten in der richtigen Reihenfolge hinzulegen. Albus nahm das Journal mit der Aufschrift "Wolfsbann RJL" aus dem Regal und begann das Rezept vorzulesen. "Also zuerst werden die Zehennägel pulverisiert und zusammen mit dem Wermut geröstet, dann kommt das Wasser dazu, ein Zauberspruch und 4 Minuten auf kleiner Flamme köcheln." "Richtig." bestätigte Severus. Hermine beeilte sich, den Anweisungen Folge zu leisten. Sie machte dabei ihr verkniffenes heute muss alles klappen Gesicht. Severus hatte sich rittlings auf Lupins Daumen gestetzt und umschlang diesen nun auch mit beiden Armen. Remus fand diesen Anblick ziemlich erotisch und sagte demzufolge nichts dazu.

Dumbledore sprach die erste Beschwörung. "Nun, die Kräuter in der vorgegeben Reihenfolge hinzufügen und den Alkohol zusammen mit dem nächsten Zauberspruch hineingeben. Weiterköcheln." las er vor "Zum Abschluss sollte der Zaubertrankmeister persönlich hineinpinkeln, da dies den Geschmack entscheidend verbessert." las Albus weiter. "BITTE!" fuhr Lupin auf. Severus drehte sich lässig auf seinem Daumen um. "Das ist ein Scherz, Mann." Lupin war sich da nicht so sicher. Hermine kicherte respektlos. Albus zwinkerte über seine Halbmondbrille. Selbst Snape versteckte ein Lachen unter einem kleinen Husten.

Remus war beleidigt. So eine üble Bande! Machen einfach Spass mit Werwölfen! Nach allem, was er für Snape in den letzten Stunden getan hatte! "Na warte Snape" sagte er, "Du wirst deine Witze noch bereuen." "Ach was?" antwortete dieser, "nimm es einfach als Revanche für Longbottoms Oma und deren rote Handtasche." Lupin bewegte diese Antwort einmal quer durch seine Gedankengänge und ließ sie dann gelten. Wie soll man auch einen Mann anschreien, der in die Hemdtasche passt.

Severus räkelte sich weiter auf Lupins Daumen herum und gab Kommandos an Hermine. Mittlerweile ähnelte der Trank schon genau der graugrünen Brühe, die Lupin jeden Monat trinken musste. "Nicht mehr lange." erklärte Snape, "dann ist das Zeug fertig. Nur noch ein kurzer Test und wir können es auf Flaschen ziehen."

Hermine war so aufgeregt und hocherfreut, endlich etwas Vernünftiges machen zu dürfen, dass sie unbewusst vor sich hin summte. "Muggelpop ist das Letzte." knurrte Snape. "Lass sie doch. Junge Menschen sollten ihrer Lebensfreude Ausdruck geben dürfen." erwiderte Lupin. "Ach ja? Aber nicht in MEINEM Labor. Sie kann mir dir den Mond anheulen, aber nicht in MEINEM Labor herumsummen!" Lupin verdrehte nur die Augen.

"Ihr werdet euch nicht zu lange in diesem Labor aufhalten." mischte sich Albus ein. "In einer Stunde ist ein Treffen des Ordens bei mir. Und ihr werdet beide teilnehmen, wir müssen eine Lösung für Severus finden, vielleicht wissen die Auroren etwas." Snape wurde plötzlich sehr sehr still. Er wollte nicht, dass die anderen ihn so sahen. "Darf ich in deine Tasche?" flüsterte er Lupin zu. Remus schaute auf seinen Daumen, der noch immer mit Snape geschmückt war. "Du kannst als mein Fingerring gehen." flüsterte er zurück. Snape gab einen gereizten Laut von sich. "Du willst doch nicht, dass ich mich auf Dumbledores Tisch verlaufe." wisperte er. Lupin musste nun doch lachen. "Es ist besser, sie sehen gleich was los ist. Oder willst du die Attraktion des Abends werden?" "Ich war schon zu oft die - Attraktion des Abends." stellte Snape verbittert fest.

Remus ging darauf nicht weiter ein, was sollte er auch dazu sagen. Es war ein offenes Geheimnis, wie Snape des öfteren von den Todesser-Treffen zurückkam. Leider hielt das Albus nicht davon ab, ihn immer wieder hinzuschicken. Kingsley hatte sich mehr als einmal beschwert, dass es doch keine Art sei, seinen Freund immer wieder diesen Gefahren auszusetzen, zumal nicht allzuviel dabei herauskam. Kingsley pflegte allerdings immer 'Kamerad' zu sagen. Als ob nicht jeder wüßte...

"Sag mal, was ist eigentlich mit Shacklebolt." fragte Remus plötzlich, seinen Gedankengängen nachgebend. "Was soll mit ihm sein. Er ist groß, schwarz und sexy." antwortete Snape. "Ich meinte, bist du fest mit ihm zusammen?" Ganz schön mutig, diese Frage, fand Remus für sich selbst und klopfte sich im Geiste anerkennend auf die Schulter. Snape schaute ihn jedoch an, als habe er gerade den Verstand verlorgen. "Was bitte, geht dich das an, Lupin?" "Ich wollte meine Chance nicht verpassen." erwiderte dieser keck. Snape schüttelte ungläubig den Kopf. "Wie kommst du darauf, dass ich mit dir, selbst wenn..." Remus wurde ein ganzes Bündel Aufmerksamkeit: "Selbst wenn, was?" fragte er begierig. Snape winkte ab. "Trag mich in Dumbledores Büro." antwortete er defensiv. "Wir wollen doch nichts verpassen."

Sie kamen keine Minute zu spät. Gerade hatten sich Moody, Tonks und Shacklebolt hingesetzt und soeben trafen einige Weasleays ein. Zum Glück für Snape nur Arthur, Molly und Bill. Nach und nach kamen noch Emmeline Vance, Mundungus Fletcher, der mal wieder besoffen war, und Minerva. "Das dürften alle sein." stellte Albus trocken fest, "ich habe die Kinder heute mal weggelassen, die wissen Bescheid und können im Moment nicht helfen. Unser Problem steht auf Remus' Handfläche. Die Jungs haben eine Flaschenfalle gebaut und zwar aus diesem Buch." er hob den Band hoch. "Leider ist die Seite mit dem Gegenspruch herausgerissen und konnte nicht mehr gefunden werden. Meine Frage ist nun, wer kennt den Gegenspruch oder wer weiß, wo noch so ein Buch aufzutreiben ist?".

Die Ordensmitglieder reagierten unterschiedlich auf den kleinen Snape. Molly gab ein schockiertes Japsen von sich, Arthur nahm seine Brille heraus, Mundungus nahm noch einen Schluck aus seinem Flachmann, die drei Auroren begannen leise miteinander zu diskutieren. Snape hatte inzwischen Kingsley erreicht und war auf seinen Daumen geklettert. Er umarmte ihn mit einem traurigen Seufzer. Kingsley hob seinen Zeigefinger und strich sacht über Severus' Rücken. "Wir kriegen das schon wieder hin." sagte er. 'Du hast das Liebling vergessen.' dachte Remus grimmig. Er konnte es dem Zwei-Meter-Mann nicht verzeihen, dass dieser durch einen einzigen Kurzurlaub all seine Bemühungen um Severus zunichte gemacht hatte.

Alastor Moody ergriff als erster Auror das Wort. "Solche Unfälle sind in der letzten Zeit schon öfter mal vorgekommen. Wir müssten zuerst die Flasche untersuchen. Kann sein, dass die Flüssigkeit, die vorher drin war auf die Permanenz der Verkleinerung einen Einfluss hat." Remus erbot sich die Flasche zu holen. "Wir nehmen sie mit und lassen sie von unseren Spezialisten untersuchen. Was passiert, wenn Du-weisst-schon-wer ruft?" fragte Kingsley. "Schwer zu sagen." antwortete Snape. "Wie schon mal gesagt, er prüft nicht jeden einzelnen Anwesenden, sondern er hat eine Möglichkeit zu erkennen, ob alle Gerufenen da sind. Das bedeutet, wenn er mich nicht persönlich sprechen will, kann ich mich irgendwo verstecken und gelte als anwesend. Im Saum eines Todessermantels oder in einer Kapuze zum Beispiel." Ein Raunen ging durch die Anwesenden. Molly machte große Augen. "Aber ist das nicht unglaublich gefährlich?" fragte sie ängstlich. "Nicht schlimmer als sonst." antwortete Snape trocken.

Ein betretenes Schweigen entstand. Dumbledore ergriff schließlich wieder das Wort und meinte: "Da wir im Moment nichts weiter tun können.." Kingsley fuhr empört auf. "Wie wäre es, wenn Voldemort irgendwie erführe, dass Severus zur Zeit nicht zur Verfügung steht. Wenn er einen Hinweis bekäme, dass er irgendwie krank ist oder was? Das muss doch machbar sein. Oder bin ich hier der Einzige, der sich Sorgen macht? Verdammt!" er schlug mit der Faust auf den Tisch und hatte dabei Severus auf seinem Daumen vergessen, der dabei in die Höhe geschleudert wurde und unsaft auf der Tischplatte landete. "Autsch!" rief er. "Tschuldige." brummte Kingsley, ließ ihn wieder auf seine Handfläche und hob ihn hoch.

Severus lehnte sich nach vorn und küsste seinen Freund auf die Unterlippe. Diese Geste wirkte gleichzeitig grotesk und rührend, was Molly beinahe die Tränen in die Augen trieb.

"Mach dir keine Sorgen." sagte Severus zu Kingsley. "Ich werde das schon schaffen, irgendwie."

Damit gingen sie auseinander. Remus nahm Snape wieder mit in sein Büro. Er konnte es kaum erwarten, das Gespräch von vorhin fortzusetzen.

"Kann es sein, dass du in deiner kleineren Ausgabe bedeutend freundlicher bist, als sonst?" fragte er ihn als er ihn auf dem Tisch wieder absetzte.

Snape schaute ihn von unten herauf an und fing gleich an zu schreien: "Das ist genau wie bei dir! Weil mir nichts anderes übrig bleibt! Jeder kann mich ohne viel Federlesens zerquetschen oder irgendwas. Genau wie bei dir! Du bist auch nur so scheißfreundlich, weil man sonst sagen würde, guckt mal der Werwolf, die alte Bestie. Ist das nicht so!"

Remus war entsetzt. Dachte er das tatsächlich? Andererseits, wenn er seine Gefühle so analysierte, war etwas Wahres dran. Aber das würde er natürlich niemals zugeben.

"Das stimmt nicht." sagte er ruhig. "Ich habe ein ausgeglichenes, freundliches Wesen." beharrte er. Snape grinste maliziös. "Ja ja und ich bin der Weihnachtsmann." antwortete er. "Du bist kurz vor Vollmond genauso nervös und gereizt wie jeder andere Werwolf auch. Und du kannst die Kinder in der Zeit nicht ausstehen. Du nimmst Baldrian und Kava Kava gleichzeitig, um nicht auszurasten. Stimmts oder hab ich recht?"

Remus blieb keine Wahl. Er nickte stumm. "Wieso kennst du mich so gut?" fragte er erstaunt. "Ich habe Augen im Kopf, ich habe Werwölfe notgedrungen studiert und ich weiß, was ich an deiner Stelle täte."

Snape spazierte auf dem Tisch hin und her. "Das bringt mich direkt zu deiner Frage von vorhin. Wie war sie gleich nochmal?" Remus seufzte. "Grob gesagt, was habe ich nicht, was Kingsley offensichtlich hat?"

Snape grinste wieder. Das war sein Element. "Du weißt überhaupt nichts über mich. Du bildest dir nur ein, dass du mich kennst. Ich habe irgendwie einen sentimentalen Wert für dich, wegen Black. Du hast den Glauben, wir wären die letzten Menschen in deiner Welt." Remus musste zugeben, das was dran war. "Aber dem ist nicht so. Du kennst mich überhaupt nicht. Ich bin eine Zufallsbekanntschaft. Das wir gemeinsam die Schulbank gedrückt haben, macht uns nicht zu engen Bekannten. Kingsley hat mich sein halbes Berufsleben lang gejagt. Wir haben eine gemeinsame Vergangenheit! Ihm brauche ich nichts vorzumachen und mich auch nicht zu verstellen. Er kennt jede einzelne Facette meine Geschichte genau und er muß mich nicht ausfragen oder analysieren. Er ist einfach da und ich bin einfach da. Keine Fragen, keine Verdächtigungen, keine Alpträume. So einfach ist das."

Einfach und unverbindlich? Remus wollte nicht glauben, das dies das höchste Ziel für eine Beziehung war. Er nickte vor sich hin. "Meinst du nicht auch, es ist sinnlos, wenn wir immer alles auf später verschieben?" fragte er zaghaft. "Immer heißt es nach dem Krieg, wenn der Du-weißt-schon-wer endlich besiegt ist... Was ist wenn wir das alle nicht mehr erleben?"

Snape zuckte mit den Schultern. "Dann kann ich's auch nicht ändern. Bis jetzt ging's doch gut, oder?"

Snape griff sich plötzlich an seinen Unterarm. "Da haben wirs. Rufst du mir eine Eule bitte?" Remus hatte plötzlich eiskalte Panik. Er zitierte eine Schuleule her und Snape setzte sich auf ihren Rücken. "Viel Glück" wisperte Remus und ließ die beiden aus dem Fenster. Dann machte er sich auf den Weg zum Direktor.