The narrow-hearted leech

Mokuba begriff, was Joey so in Schrecken versetzte. Das schlimmste, und dass wussten sowohl Joey als auch Mokuba, war das Auftauchen von Kaiba.
Er würde Joey rausschmeißen, mit Leichtigkeit. Sicherlich gefiel es ihm sogar, den Blonden bei diesem Unwetter in der Nacht umhertapsen zu sehen.
Schon immer wollte er nur sein Schlimmstes und Joey fragte sich allmählich, warum er ihn nicht endlich erschoss, wenn der Hass in ihm so groß war.

Schnell drehte sich Mokuba zu seinem Bruder um.
"Seto...!", Kaiba stoppte seinen Redefluss mit einer Handbewegung, die weiteres Wiedersetzen nicht duldete. Kaiba statt näher.
An seinem Bruder vorbeigehend, aber dennoch seine Augen auf Joey gerichtet, sprach er zu ihm. "Wir sprechen uns später." Geschockt über solch harte Worte von seinem eigenen Bruder, blieb er wie erstarrt stehen, nichts ausrichtend über das kommende Unheil.
Joey trat einige Schritte rückwärts. Er kannte sich selbst nicht so feige, doch sagten im all seine Sinne, dass es besser wäre sich heute nicht mit ihm anzulegen.

Sein Magen knurrte.

Joey umfasste seinen Bauch mit einer Hand und drückte etwas, um weiteres Knurren zu vermeiden.
"Wheeler, was tust du hier in meinem Haus?" - "Ich bin nicht zu dir gekommen, Kaiba." - "Geh wieder. Du hast hier nichts verloren!" - "Hast du schon mal aus dem Fenster gesehen!" Selbst nicht bemerkend, hob sich seine Stimme. Er schrie, wollte Kaiba nicht hören, wie er diese Worte aussprach, die ihn nach draußen schmeißen sollten. Sein Blut kochte wieder einmal. Dabei hatte er sich selbst geschworen die ganze Angelegenheit in Ruhe klären zu wollen und seinem Gegenspieler beweisen, dass er auch so seine Meinung an ihn bringen kann.

"Hört endlich auf!"

Mokuba hob ebenfalls seine Stimme. "Seto! Es wäre Wahnsinn, ihn bei diesem Wetter raus zuschmeißen. Ich weiß, ihr versteht euch nicht. Aber wenigstens solange, bis der Regen aufhört." Mokuba trat näher an seinen Bruder, legte seine Handfläche auf seinen Handrücken und sah ihn an. "Du willst auch nicht bei diesem Wetter draußen sein." Kaiba sah kurz zu seinem Bruder. "Du enttäuschst mich, Mokuba.", er wandte sich wieder zu Joey. "Du hast hier nichts verloren. Also, geh!" Er wiederholte seine Worte und zeigte zur Tür. Seine Stimme war rau, seine schmalen Lippen bebten. Man sah ihm an, dass er überrascht war, diesen jungen Mann in seiner Villa zu sehen.
Keinesfalls wollte er ihn hier haben.
Nicht für Minuten, nicht für Stunden und sicherlich nicht für eine Ewigkeit.

Gepeinigt durch solchen Widerstand, durch Widersetzung seiner Befehle, weiteten sich seine Augen. Die Iris wurde kaum merklich schmaler.
Er glaubte Joey nichts, was er auch sagen möge, für ihn stand fest, dass der Blonde die Sache vor einigen Stunden vor dem Uhrengeschäft nicht vergessen hatte und heraus finden wollte, warum, weshalb? und wieso?.

Kaiba war sich sicher, er wollte nur spionieren.
Sein Hass beruhte auf Gegenseitigkeit und sicherlich würde Joey keine Gelegenheit auslassen, um ihm zu schaden.
Sein Image wollte er nicht verlieren, die ganze Angelegenheit musste unentdeckt bleiben. Nichts würde er riskieren.

Gar nichts.

"Seto! Ich bitte dich!" "Du brauchst mir nicht zu helfen, Mokuba. Ich kann allein für mich sprechen..."

Ruhe trat ein.
Keiner sprach, nur das dumpfe Keuchen und das Knurren von Joey´ s Magen waren zu hören. Schon lange war es nutzlos geworden, seinen Bauch durch Drücken vom Knurren zu hindern.
Seine Lippen formten sich zu Wörtern, er wollte etwas sagen, doch ließ es dennoch sein. Solange Kaiba nichts sagte, war es ihm nur recht.

Er halluzinierte.

Kleine, gelbe Flecken erschienen vor seinen Augen. Leicht verschwammen sie, kehrten wieder an anderen Stellen zurück oder blieben vollkommen aus.

Joey schloss die Augen.

Er hasste es, solange seinen Magen unbeschäftigt zu lassen. Das knurren wurde unüberhörbar. Immer noch standen die zwei Kaibabrüder vor Joey. Der ältere, seine Augen kurz auf dem Fenster ruhend, spürte dessen Unbehagen.

Er würde nicht nachgeben. Er musste ihn loswerden.
Wheeler sollte einfach wieder gehen...

Aus seinen Gedanken gerissen, hörte er Mokubas Schritte. Der Junge eilte zu Joey, wechselte mit ihm einige für Kaiba unverständliche Worte und rief nach Personal.
"Mokuba, du widersetzt dich mir?" Enttäuscht verfolgte er die Situation. Aus dem Augenwinkel sah ihn Mokuba an.
"Er bleibt nur solange es gewittert. Du wirst in ja gar nicht sehen." Joey wieder zuwendend, murmelte er etwas in sich hinein.

Kaiba wollte all dem keinen Glauben schenken. Noch einmal sah er zu Joey. Kurz darauf drehte er sich um, seinen Schritt beschleunigend bog er am Ende der Treppe nach rechts und verschwand aus Joey´ s Augen in der Dunkelheit des schwach beleuchteten Ganges.

Joey seufzte leicht.
Zwar war er froh, dass Kaiba durch seinen Bruder etwas besänftigt wurde und mit Mühe sein Dasein ertrog, doch gefiel es ihm dennoch nicht. Er wollte Kaiba nichts böses, er keifte nur zurück.

Er tat im sogar leid.

Ständig schwafelte er von bester-Duellant-sein, doch im Grunde fehlten ihm Freunde. Ja, Joey war sich sicher, dass er, Seto Kaiba, keinen so schlechten Charakter haben konnte.
Er biss die Zähne zusammen, als ihm klar wurde, worüber er gerade nachdachte.
Und eigentlich kannte er ihn so gut, um sagen zu können, dass er nur ein verzogener, reicher Pinkel ist, dessen Charakter von Geld und Arroganz geprägt wurde. Kaiba war nichts weiter als ein verlogener Mensch, der es bestens verstand, sich selbst auf die Schippe zu nehmen.

Und dennoch...

Joey empfand in diesem Moment Reue. Er wünschte sich sogar der Regen möge aufhören, damit er endlich von hier wegkam und seine Gedanken nicht mit ihm verstopfte.
Das alles tat ihm nicht gut.

Mokuba lächelte.
Joey erwiderte.

Der Butler, der ihm die Tür geöffnet hatte, erschien wieder und bejahte die Anweisungen, die er von Mokuba erhielt. Mit einem höfflichgelangweilten "Darf ich bitten." hob er Joey´ s Jacke leicht an der Schulternaht an, um ihm das Ausziehen zu erleichtern. Überrascht zog Joey seine Arme aus der Jacke. Er war solchen Luxus nicht gewohnt und hielt es auch für übertrieben. Der Butler nahm die nasse Jacke und verschwand mit ihr in einem Nebenzimmer. Joey´ s Augen verfolgten ihn.
Leicht schläfrig schloss er sie.
Das Licht der Halle verschwamm, die Wärme berührte sanft seinen Körper.

"Mokuba. Ich will nichts essen, aber schlafen, das möchte ich."

Etwas verwirrt sah ihn der Junge an.
Das Knurren verriet eigentlich, was sein Körper wirklich brauchte.

Mokuba musterte ihn.
Ein hochgewachsener junger Mann, seine blonden Haare fielen ihm demonstrativ ins Gesicht, die Augen halb geöffnet, die Wärme genießend.
Trotz der Wärme im Raum zitterte er. Sein Pullover war durchnässt. Seine Hände müde am Körper hängend. Wie auf Befehl wischte er sich mit der rechten Hand an der unteren Pulloverseite kalte Regentropfen vom Gesicht.
"Ein Handtuch wär´ aber auch nicht schlecht." Mokuba stimmte dem zu.
Joey schien Schlaf wirklich nötig zu haben. Er fragte sich, was mit ihm los war. Von seinem hitzigen Charakter kaum eine Spur geblieben. Weiterhin fiel ihm auf, dass er keine Debatte mit seinem Bruder angefangen hatte, wie sonst üblich auch.

Kurz und knapp,
Joey hatte sich verändert.
Wie sehr und warum, das galt es herauszufinden.

Stumm nickte Mokuba. Ein Gedanken beflügelte seine Laune.
"Aber du hast doch sicher Hunger." Besorgt sah er in seine braunen Augen.
Einwenig matt, empfand Mokuba.
Joey´ s Kopfnicken sprach Bänder. Das abgewischte Gesicht, durch die Nässe des Pullovers immer noch feucht geblieben und durch weitere Tropfen benetzt, verneinte sichtlich das Angebot. Mokuba, leicht enttäuscht, lächelte dennoch und machte sich auf den Weg zur Treppe, auf der vor einigen Minuten noch Kaiba stand.

"Komm Joey. Du kannst heute in meinem Zimmer bleiben. Das wird schon okay sein. Seto arbeitet sowieso wieder die ganze Nacht durch, es wird ihm nicht auffallen." Joey wollte dagegen etwas sagen, es sei so nicht in Ordnung und das es nicht seine Absicht war, den jüngeren aus seinem Zimmer zu vertreiben, doch bevor er etwas sagen konnte, war Mokuba bereits auf der letzten Stufe der Treppe.

Joey folgte ihm.
Immer noch ungewiss, was ihn oben erwarten würde, folgte er willig seinem Beschützer.
Wie lange würde er brauchen, um wieder in seinen Gedanken bei Menschen zu sein, die er nicht mochte?

Er folgte Mokuba weiterhin. Der Gang erschien ihm viel zu lang, doch möglicherweise war es nur seine Müdigkeit, die alles verzerrte und in die Länge schob.
Joey hatte sich hier alles anders vorgestellt. Gesehen hatte er nur den Speisraum und einige kleine Räumlichkeiten. Der Stil der Villa passte sich an die späten Jahre der Klassik an. Die Wände waren glatt und strickt, wie man es von der Kaiba Corporation gewohnt war. Hin und wieder waren kleine Einzelheiten bis aufs Detail ausgearbeitet.

Gefiel es Kaiba überhaupt hier zu wohnen?

Und wieder war er bei ihm. Hämisch grinste er, während Mokuba in einen weiteren, dunklen Gang einbog und er ihm folgte. Joey erschien es, als wollte sein Verstand ihm einen Streich spielen. Es war doch natürlich, dass man sich Gedanken über Menschen machte, die in unmittelbaren Nähe waren. Er selbst stimmte diesem Gedanken zu und wusste, er belog sich mal wieder selbst.
Mokuba öffnete eine Tür.
"So. Da sind wir. Fühl dich wie Zuhause." Bei den letzen Worten sah Joey ihn skeptisch an. Mokuba lächelte erneut verwegen und verschwand in dem Gang, aus welchem sie gerade eben gekommen waren. Wie konnte er sich hier wie Zuhause fühlen? Hier gab es keine engen Räume, keine Nachbarn, die die Hausordnung missachteten und immer meckerten, wenn sich eine günstige Gelegenheit bot. Hier gab es auch keine Kippen, die zahllos auf den Boden geschmissen wurden, oder Bierdosen, Flaschen, allerlei, das auf dem Boden lag und vor sich hingammelte, da keiner kam und diesem ein Ende setzte. Joey erinnerte sich wieder an seinen Vater.
Früher räumte er von Zeit zu Zeit alles auf und entsorgte vorbildlich den Müll, doch neues setzte sich in Unmengen wieder an und die Mühe war umsonst gewesen, wie so vieles in seinem Leben.

Ein fröstelndes Gefühl überkam ihn.

Er war hier und sollte froh darüber sein, dass Kaiba, der reiche Pinkel, ihn solange duldete, wie es regnete. Danach kam er sicher aus seinem Versteck gekrochen und schmiss ihn raus. Joey stellte sich die Szene bildlich vor.
Nur das Kaiba nicht Kaiba war. Eine Kackaarlake tat´ s auch.
Joey würde ihn einfach zertreten und damit hat sich´ s.

Er lächelte.
Wenn Probleme nur so einfach aus dem Leben beseitigt werden könnten.

Noch immer stand er vor der geöffneten Tür. Wieder in der Realität, setzte er einen Fuß auf den anderen und trat ins Zimmer. Er schloss vorsichtig die Tür.
Etwas seltsames lag in der Luft.
Die Allegorie der Kackaarlacke längst vergessen, trat Joey in die Mitte des Zimmers. Eine leichte Woge gemischt aus Traurigkeit und Einsamkeit überkam ihn. Es war warm, gerade zu heiß. Joey sah sich um. Auch dieses Zimmer war groß und wurde darin umso verstärkt, in dem die Einrichtung minimal gehalten wurde. Vor ihm befand sich ein großes Fenster, die Vorhänge zugezogen.
Ein schwacher Lichtschein, gelblich und fahl, schien durch eine kleine Öffnung in der Mitte durch die Gardinen. Der Regen peitschte nach wie vor an die Fensterscheiben und er sah nicht danach aus, bald aufhören zu wollen.
Joey seufzte. Möglicherweise würde er es noch schaffen etwas Ruhe seinem Körper zu gönnen. Er steuert aufs Bett zu. Dieses stand rechts neben dem Fenster, die große Fläche überzogen mit einer Decke lockte einladend seinen Verstand.
Er setzte sich. Sprang jedoch sofort auf, als ihm einfiel, dass seine Jeans noch vollkommen nass war und er für keinen erdenklichen Schaden aufkommen könnte. Er hätte Mokuba nach einem Bad fragen sollen. In so einer großen Villa wird es wohl mindestens eines geben. Weder Mokuba noch Kaiba rochen ungewaschen.

Im Gegenteil.

Seine empfindliche Nase verspürte einen angenehmen, sanften, geradezu verlockenden Duft, als er vor Kaiba auf der Treppe stand. Joey wunderte sich. Gewöhnlich roch Kaiba nach Parfüm, das ab und an zu stark aufgetragen wurde. Aber keinesfalls unangenehm oder störend.

In diesem Augenblick öffnete sich eine Tür. Mokuba trat ein. Hinter ihm derselbe Mann, der Joey zu Beginn die Tür geöffnet hatte und ihm beim Ausziehen der Jacke geholfen hatte. Womöglich, so dachte Joey kurz bei sich, sah er in diesem Augenblick auch aus, wie jemand, de Hilfe nötig hatte. Doch seine Jacke hätte er sich auch selbst ausziehen können.
Der Blonde fragte sich, ob er ihm beim Ausziehen seiner sämtlichen Klamotten helfen wollte und schwor sich, dass um jeden Preis zu verhindern.
Erst jetzt erkannte er einen großen Teller in der Hand des Beobachteten. "Ich habe dir etwas mitgebracht. Iss einfach und schlaf, wenn du magst." "Gibt's hier ein Bad? Wenigstens ein Klo?"

Mokuba brach in Gelächter aus.
Mit so einer Frage hatte er nicht gerechnet. Er fasste sich wieder, da Joey das Lachen nicht erwiderte und ernst auf eine Antwort wartete. "Natürlich haben wir hier so was!" Während der Butler den Teller neben das Bett auf einen Tisch stellte und sich dann eiligst zurückzog, zeigte Mokuba auf eine Tür auf der anderen Seite des Zimmers, die Joey gar nicht aufgefallen war.
"Du kannst auch duschen. Handtücher stehen immer bereit. Ruh dich aus...", etwas leiser sprach er zu ihm, "...ich werde Seto versuchen zu überreden, dass du solange bleiben kannst, wie du magst." Joey merkte einen leisen Anflug von Unsicherheit. Mokuba konnte gegen den Willen seines Bruders nichts ausrichten und wenn dieser strikt dagegen war, so zog er die Sache auch durch. Gegen seine Familie würde Mokuba nichts sagen und einen Streit nicht riskieren, da er nur ihn hatte und alles auf ihn setzte.
Joey´ s müde Lippen formten ein Lächeln.
Wie schlecht es ihm auch ging, er wollte immer ein Lächeln übrig haben. Er erinnerte sich an einen Satz, dem er einst diese Einstellung zu verdanken hatte:
"Ein Tag ohne Lächeln, ist ein verlorener Tag."

Und Joey wollte keinen Tag in seinem Leben verlieren. Er wollte nicht so werden, wie Leute, die ihr Leben sinnlos an sich vorbeiziehen ließen und alles ertrogen, nur um etwas besseres zu sein.

Er wollte nicht so werden...

Sein Magen knurrte.
"Danke, Alter!" Mokuba wünschte ihm guten Appetit und eine angenehme Nacht und ging ebenfalls. Die Tür fiel zu, die Dunkelheit des Raumes umhüllte seinen Körper. Warum hatte Mokuba eigentlich das Licht nicht angeschaltet? Diese Frage belästigte ihn. Einen Blick jedoch auf den Teller werfend, erschien sie ihm als überflüssig. Er setzte sich wieder aufs Bett, völlig seine nassen Klamotten vergessend und fing zu essen an.

Ohne auch nur die beschmierten Brötchen genau in Augenschein zu nehmen, sie könnten ja vergiftet sein, stopfte er einen nach dem anderen in den Mund, kaute fröhlich und schluckte alles runter. Um besseres Rutschen der Mahlzeit zu erreichen, griff er zu einem Glas mit O-Saft gefüllt, das ebenfalls gebracht wurde.

Mit jedem Bissen gefiel es ihm immer mehr, hier zu sein.

Er hob sich zwei weitere Brötchen auf. Diese wollte er sich nach einer warmen Dusche schmecken lassen. Er stand auf und ging nach der Tür, die ihm von Mokuba gezeigt wurde.
Ein schwacher Blitz am Horizont blendete den Himmel.
Durch diesen kurzen Schein des Lichtes fand er erfolgreich dir Tür, betrat das Bad und suchte nach dem Lichtschalter.
Wie von Geisterhand erhellte sich der Raum.
Als wenn es nicht genügte,
dass automatisches Anschalten des Lichtes vorhanden war, erwies sich das Badezimmer als prunkvoll und gleichzeitig angenehm. Wie so vieles in der Villa wurde auch hier mit Dekoration gespart.

Eine große Badewanne befand sich zu seiner Rechten. Dahinter eine Dusche. Handtücher, Waschbecken, Klo, Bodenzeihung und allerlei Duschgel waren vorhanden.

Joey versicherte sich, dass das Badezimmer ab zu schließbar war und drehte den Schlüssel nach links, um nun allein mit sich selbst zu sein.

Enttäuscht stellte er fest, dass das reiche Angebot an Duschgel und Shampoo mit lauter für Kinder typischen Motiven ausgestattet war. Es wunderte ihn nicht, denn schließlich war es hier Mokubas Reich und was konnte er in seinem Alter schon groß mit sportlichem Männergeruch anfangen.
Erleichtert, seine nassen und schwergewordenen Klamotten endlich los zuwerden, zog er sich aus. Unordentlich legte er sie zusammen und stieg in die Duschkabine. Leicht drehte er den Hahn etwas auf, um das Grad des Wassers zu testen.

Lauwarme Flüssigkeit floss auf seine Hand.
Er drehte weiter auf.
Die Minuten verflossen, sein Körper empfang die ihm zugeteilte Wärme. Das pfirsichduftende Duschgel verteilte sich mit rotierenden Bewegungen des Schwammes auf seinem Körper.
Der Kopf im Nacken liegend, die Augen fiebrig geschlossen, tat er sich einen Gefallen...

Kleiner Schneehagel terrorisierte die Straßen.
Der heftige Wind schlug unausweichlich gegen Fensterscheiben und draußen parkende Autos. Mit einem Handtuch sich die Haare trockenreibend, stand Joey vor dem großen Fenster neben dem Bett. Er war froh, dass das Gewitter immer noch andauerte. Ein halbes Brötchen im Mund, ein weiteres Handtuch um die Hüfte gebunden, sah er dem Treiben müde zu.

Was er jetzt wohl getan hätte und wo er jetzt wäre, wenn nicht hier?

Sein Blick schweifte ab.
Nun fiel ihm ein fahler Lichtschein vors Auge. Er hatte diesen bereits gesehen, als er zum ersten mal das Zimmer betrat, doch bis jetzt dem keine Beachtung geschenkt.

Das Gegenüberliegende Fenster war hell erleuchtet.

Durch die Entfernung und durch einige Gebäudeteile fast verdeckt, erkannte Joey dennoch dir Person, die am Schreitisch saß. Kaiba, mit dem Rücken zum Fenster gewandt, blätterte in einigen Dokumenten, schrieb sich wichtige Notizen auf ein neben ihm liegendes Blatt Papier und tippte hin und wieder einiges auf seinem Laptop, das durch etliche Kabel mit anderen Geräten verbunden war.

Joey schreckte zurück.

Er hatte einen recht guten Blick auf ihn, oder eher auf seinen Rücken.
Sofort wich Joey einige Schritte ins Zimmer zurück, rannte zur Tür und legte hastig den Lichtschalter um.
Das Licht ging aus.
Erst jetzt verstand er, warum Mokuba das Licht nicht an zumachen gewagt hat. Genauso wie Joey einen guten Blick auf Kaiba hatte, so konnte dieser problemlos auch ihn sehen. Er atmete hörbar aus und hoffte, Kaiba wäre so in seine Arbeit vertieft, dass er nichts, vor allem ihn nicht, gesehen hatte.

Mokuba hätte mit ihm diese Weißheit teilen sollen.

Vor Schreck hatte er das Handtuch, das das wichtigste verdeckte, auf den Boden direkt am Fenster fallen gelassen.
Auf keinen Fall konnte er jetzt wieder dahin.
Er entschied sich wenigstens seine Boxershorts und mittlerweile getrocknete Jeans anzuziehen. Immer noch geschockt über solch eine Aussicht, holte er seine Sachen, zog diese an und schlich zum Fenster, seine Gestalt durch eine Gardine jedoch versteckt.
Voller Hast aß er sein halbfertiges Brötchen zuende.

Wusste Kaiba, dass er sich in Mokubas Zimmer aufhielt?

Zögernd streckte er seinen Oberkörper zum liegengebliebenen Handtuch. Joey nahm es zu sich und schmiss es aufs Bett. Er wandte sich wieder dem Fenster zu.

Seine Blicke glitten langsam über Kaibas Rücken.
Vollkommen verspannt und konzentriert in seine Arbeit saß er da. Seine Schultern bewegten sich leicht beim Schreiben. Er hatte sich wieder umgezogen. Anstatt des weißen Hemdes trug er einen schwarzen, engen Kragenpullover, das seinen Körperbau betonte.
Joey, auf dem Boden sitzend, den Kopf leicht zum Fenster wendend, erwischte sich mal wieder selbst dabei, wie seine Gedanken verbotene Zeile anstrebten.

Doch dieses Mall ließ er es zu.
Anstatt die Gardinen zu zuziehen, sich ins Bett zu legen und zu schlafen, entschied er sich, ihn weiterhin zu beobachten.

Joey fühlte ich leicht überlegen.
Da saß er nun, der Boden warm und angenehm. Sein Steißbein schmerzte trotzdem, doch ungeachtet dessen, kniff er seine Augen leicht zusammen, um mehr von Kaibas Tun mit zubekommen.
Möglicherweise würde er etwas machen, dass Joey vielleicht gut gegen ihn abwägen konnte.
Gierig wartete er nur darauf, dass Kaiba sich am Hintern kratzte, dass sein Laptop aus Überhitzung explodierte und dadurch seine Haare versenkt wurden.

Leicht grinste er.

Er wollte einfach einen Kaiba sehen, der mal nicht alles unter Kontrolle hatte. Der nicht all seine Bewegungen voraus plante. Einen Kaiba, dem menschliche Pannen passierten. Und auch er war schließlich nur ein menschliches Wesen, das Bedürfnisse hatte und diese gerne befriedigte.
Joey fragte sich, ob er den einmal in seinem Leben etwas verbotenes getan hatte.

Er seufzte.

Der Schmerz im Steißbein wurde intensiver.
Er stand auf.
Mit der Zeit wurde es langweilig, dass "UKO" - "Unbekanntes Kaiba Objekt" - zu beobachten. Die einzigsten Lebenszeichen, die er von sich gab, waren die leichten Bewegungen seines Körpers, wenn er schrieb oder er seine Finger durch irgend welche Papiere gleiten ließ.

Ein weiteres Mal durchzog ein greller Blitzt das Firmament.

Joey zog seine Jeans aus, schmiss sie ebenfalls unsorgsam aufs Bett zum Handtuch am Fußende und kroch unter die Decke. Weiches Material umhüllte seinen müden Körper. Er legte sich auf die Seite, zog seine rechte Hand näher an sich und legte sie über die Taille. Seine zweite Hand verschwand unter dem Kissen, in dass er seinen Kopf eingebettet hatte.
Seine Augen verfolgten den fahlen Lichtschein auf dem Boden vor dem Fenster.

Das heftige rütteln des Windes an den Fensterscheiben und das Donner, das immer stärker wurde, störten ihn nicht. Seine Augen schlossen sich.
Er wollte schlafen.
Wollte vergessen...

Das Gewitter nahm zu. Finstere Wolken verhüllten die Stadt.
Das überdimensionale Donnern riss ihn aus dem Schlaf. Voller Müdigkeit sah er auf. Sein Schreibtisch voller Papiere, über den Bildschirm seines Laptops wanderte langsam das Logo seiner Firma. Mechanisch schaute er auf die alte Standuhr. Der Zeiger bewegte sich auf sechst Uhr morgens zu. Er musste eingeschlafen sein, noch bevor er seine Arbeit zuende bringen konnte.
Gelähmt durch das ungemütliche Anlehnen auf Unterlagen und Schreibmaterial, sammelte er seine Gedanken. Ein Ringbuch hinterlies Spuren auf seiner linken Hand. Kleine Vertiefungen, entstanden durch den Druck, der durch seinen auf der handliegenden Kopf verursacht wurde.

Es war immer noch dunkel draußen. Das Gewitter würde sicherlich den ganzen Tag andauern und weitere Nächte ungenießbar bereiten.

Kaiba schloss mit einer schnellen Handbewegung denn oberen Teil seines Laptops. Die Klappe fiel zu.
Um nach einer kühlen Erfrischung und vielen Tassen starken Kaffee sich wieder bei der Arbeit finden zu können, wo er aufgehört hatte, ließ es seinen Schreibtisch so wie er war und stand auf.

Wie jedes Mal nach solchen langen Nächten, spielte sein Rücken nicht mit.
Die Schmerzen wanderten bis hin zu seinen Schultern. Sein Körper bewegend, verließ er sein Büro. Seine Schritte bewegten sich mit einer täglichen Gewohnheit einen dunklen Gang entlangt, der nur durch ein grelles Aufflackern der Blitze ab und zu erhellt wurde.

Er rieb sich feste den Nacken.
Die Verspannung saß überall.
Ein dumpfes Stöhnen, gleich einem schmerzlichen Schrei, entkam seinen Lippen. So fest er konnte, lockerte er seine verspannten Muskeln.
Es half nichts.
Er musste wiedereinmal Zeit finden um dieses Problem bei einem seriösen Masseur auszumerzen.

Er erreichte sein Zimmer.
Trotz der Dunkelheit schloss er die Tür ab. Licht erschien ihm in diesem Augenblick zu hell für seine Augen, die sich immer noch nach Schlaf sehnten. Er wollte duschen und so seine Müdigkeit loswerden.
Ein seltsames Gefühl ließ seine Gedanken einen anderen Weg nehmen.

Nein.
Er wollte etwas anderes.

Wie durch einen tierischen Instinkt getrieben, ging er zu einer Schublade. Den Schlüssel aus seiner Hosentasche rausholend, verspannten er sich erneut. Es war wie ein unüberwindbares Verlangen, dem er, sein Körper, nicht widerstehen konnte. Seine Hände zitterten, als er die Schublade aufschloss.
Er hatte es wieder nicht geschafft.
Er konnte es nicht innehalten.
Er war gefangen.
In sich selbst.

Jetzt war es wieder zu spät, um "Nein" zu sagen...

Stunden verstrichen.
Der Regen ließ etwas nach und lockerte die Ansammlung der Gewitterwolken. Gegen neuen Uhr prasselte es schwach an die Fensterscheiben.
Das düstere Flair verbreitete sich auch an diesem Morgen weiter aus.
Die Kälte blieb.
Das Grau und der schwache Regen versetzten Domino in melancholische Müdigkeit.

Joey öffnete seine Augen.
Herzhaft gähnte er und setzte sich aufrecht aufs Bett. Die Beine auseinander gespreizt, rieb er sich die Augen. Die Trübe veranlagte ihn sich ordentlich zu strecken, wobei er heftig stöhnte.
Ja, die Nacht in diesem Bett tat ihm gut. Noch einmal genoss er die Wärme und Wohltugend, die ihm die Nacht beschert hatte. Er fühlte sich seit langem richtig gut. Beim nochmaligen Gähnen fielen ihm ordentlich zusammengelegte Sachen auf der anderen Seite des Bettes auf. Wie er feststellte, waren es nicht seine Klamotten. Er zog sie näher zu sich und betrachtete sie.
Die blaue Jeans, die frisch gewaschen roch, sah seiner ähnlich, jedoch ohne Loch und nicht abgetragen. Das schwarze Langarmshirt roch ebenfalls frisch. Er hob es näher zu seinem Gesicht, bettete seine Nase hinein und genoss die Frische. Der weiße Pullover mit V- Ausschnitt wurde von Joey ebenfalls genau inspiziert.
Er sah sich um. Von seinen persönlichen Klamotten nichts zu sehen.
Voller Sehnsucht frische Sachen über seinen Körper zu streifen, zog er sie an.

Ein bisschen unwohl war ihm schon dabei, als er sich fragte, wem diese Sachen gehören mögen und wer sie gebracht hatte.
Doch er entschied sich, trotz dieser Fragen, sich wohl in seiner Haut zu fühlen.

Trug Kaiba diese Klamotten oder nicht, war Joey egal.
Und eigentlich war er sich ziemlich sicher, das er es tat. Alles saß zwar recht gut, doch etwas zu lang.
Er schaute sich nach einer Uhr um.
Auf der Kommode auf der anderen Seite des Bettes stand eine Digitaluhr. Er erkannte nicht, was diese Preis geben sollte, da sie verschoben wurde und nicht in seine Richtung gedreht war.
Mit eiligen Schritten, da zu seinem Glück nur noch ein reiches Frühstück fehlte, umging er das Bett und nahm sich die Uhr.

Zwölf nach neun.

Joey war sich sicher, er würde erst gegen Mittag aufwachen. Die Uhr zurückstellend, fiel sein Blick auf einen Fotorahmen, den er beim hastigen Nehmen der Uhr auf den Boden geworfen hatte.
Er hob es auf.
Neugierig drehte er es um. Überrascht sah er einen jungen Seto Kaiba und dessen Bruder Mokuba.
Kaiba stand neben seinem Bruder. Er umarmte Mokuba mit seiner linken Hand, die auf dessen Schulter ruhte. Mokuba schlang seine Arme um Kaibas Taille und lachte in die Kamera. Auch Kaiba sah glücklich aus.
Er lächelte.

Joey gefiel dieses warme Lächeln. Es war nicht hysterisch oder wahnwitzig, wie sonst auch.
Dieses Lächeln hatte Charakter.

Das Foto erinnerte ihn an seine Schwester und ihn selbst. Er setzte es vorsichtig auf die Kommode und sah es weiter an.
Guten Mutes und wohlwissend, dass heute ein besserer Tag werden sollte, als sein letzter, machte er sich auf den Weg in den Speiseraum. Nachdem sich Joey zweimal verlaufen hatte und einige Beschäftigte des Hauses nach dem Speiseraum fragte, wurde er fündig.

Vor ihm lag ein langer, breiter Gang. Die Fester zu seiner Linken verrieten eine weitere stürmische Ansammlung von Wolken. Innerhalb weniger Stunden würde es wieder regnen und womöglich auch hageln.
Am Ende des Ganges befand sich eine massive Tür, die einen Spalt breit offen stand. Joey machte sich auf den Weg.

Der Kaffee war bitter, zu heiß und roch nach verbranntem. Genervt stellte Kaiba ihn auf die Untertasse, sah in Richtung des Bediensteten und sprach nicht ohne einen Anflug von Wut.
"Bringen Sie mir sofort eine neue Tasse Kaffee. Ich habe doch verständlich darum gebeten, er solle fünf Minuten noch stehen bevor er mir gebracht wird." - "Sehr wohl." Der Mann trat näher, nahm die Tasse mit größter Vorsicht und entfernte sich.

So fing der Morgen erst richtig gut an. Sarkastisch lächelnd schlug er die zwanzigste Seite der aktuellen New York Times auf. Die wenig nach unten gesunkenen Kurse des NASDAQ und DAX vertieften ihn in diese Seite. Zwar waren seine gekauften Aktien davon keinesfalls betroffen, doch würde das bei weiteren Verlusten und Schwanken eintreffen.
Er hatte einfach keinen Nerv auf solche Probleme.
Mit seiner Arbeit kam er in letzter Zeit auch kaum voran, obgleich er Tag für Tag neue Tabellen entwarf, an etlichen Prototypen der Kaiba Corporation arbeitete, um diese endlich in Produktion setzten zu können und seine Mitarbeiter musste ebenfalls beschäftigt werden.
Pläne schwirrte ihm im Kopf herum, für die er keine Zeit zum Verwirklichen fand. Die Behörde wollte den Bau eines neuen Komplexes der Firma nicht genehmigen, was Seto Kaiba sehr erzürnte und er alles daran setzte, um bei seinem in vier Tagen stattfindeten Meeting die Überzeugung auf seiner Seite zu haben.

Alles in allem hob sich das Risiko um das Sechsfache einem Herzinfarkt zu unterliegen, so die Schlagzeilen an diesem Morgen.
Stress war unerwünscht und keinesfalls gesund, doch wer sollte das alles für ihn erledigen? Im Grunde genommen könnte er Arbeit unter guten Mitarbeitern seiner Firma verteilen, doch wie immer verließ er sich nur auf seine eigenen Fähigkeiten und war davon eisern überzeugt, nur er konnte es zu seiner eigenen Befriedigung erledigen.
Nur so wie er es wollte und keinesfalls anders.

Auch Mokuba bat in letzter Zeit um mehr Beachtung. Wollte etwas mehr von seinem Bruder, der ohne hin schon selten genug in seiner Nähe war. Erleichtert musste er zugeben, dass er ihn niemals störte. Zwar kam er hin und wieder in sein Büro, doch wagte es nicht einmal zu sprechen, wenn er ihn müde, überarbeitet und konzentriert bei seiner Arbeit vorfand.

Mokuba behauptete, er arbeite zu viel.
Seine Konkurrenz behauptete, er arbeite zu wenig.

Kaiba blätterte eine Seite weiter. Auch von dieser würde er nicht viel mitbekommen, zwar las er, doch seine Gedanken waren woanders.
Er musste sich zusammenreißen, mehr arbeiten, weniger schlafen. Er fragte sich sowieso, dann er das letzte Mal mehr als drei Stunden Schlaf gefunden hatte. Er wollte sich einen Vorsprung verschaffen und den gemeinsamen Traum mit Mokuba ein weiteres Mal in die Tat umsetzen.

Er erinnerte sich an den Tag, an dem er seinem kleinen Bruder dieses Versprechen gab. Sie spielten im Sandkasten, bauten einen Vergnügungspark aus Tausenden von Sandkörnern. Das war der Anreiz dazu, solche Gebäude auf der ganzen Welt zu erstellen. Damals versprach er Mokuba diesen Gedanken nicht zu vergessen und solche Anlagen auf der ganzen Welt zu bauen.

Er fragte sich aus welchen Motiven er damals so handeln wollte. Wegen seinem Bruder oder auch nur, um Menschen daran zu erfreuen? Heute hingegen tat er es in erster Linie für Geld. Sich selbst konnte er nicht belügen. Mokuba ist ihm wichtig, doch der wahre Grund war das Finanzielle.
Er spürte in letzter Zeit auch, dass er sich langsam und ungewollt von seinem Bruder entfernte. Es gab Tage, an dem er ihn nicht einmal sah. Allerdings lag es nicht an seiner Arbeit.
Und nicht, dass er es von sich aus so wollte.
Sein Körper wurde beherrscht von einer pharmazeutischen Macht, die er nicht mehr unter Kontrolle hatte.

Sein Kaffee wurde gebracht. Der Zurückgekommene stellte ihn sorgsam auf die Tasse und wünschte nun zum zweiten Mal guten Appetit. Als Gegenleistung murrte Kaiba leise. "Hoffentlich ist er dieses Mal so, wie ich ihn haben will." - "Sie haben meine volle Zusage, Sir." Kaiba nahm erwartungsvoll die Tasse, führte sie zu seinen Lippen und trank.
Er fühlte, wie warme Flüssigkeit in seine Kehle floss. Der Kaffe wirkte mit jedem Schluck. Zwar ruhte der Schlaf immer noch in seinen Gliedern, doch fühlte er sich besser.
Er schloss die Augen.
Die Dunkelheit ließ ihn für weinige Sekunden vergessen, welch höllische Kopfschmerzen er ertrug.

Er fühlte die Abhängigkeit ein weiteres Mal.

Dumpfe Schritte ließen ihn seine Augen öffnen. Er drehte seinen Kopf überrascht zur Tür.
Konnte Mokuba an einem Sonntagmorgen schon so früh wach sein?

Völlig ertappt, als wenn er etwas unsittliches tat, wenn er seinen Kaffe genoss, fühlte er Joey´ s Augen auf sich ruhen. Der junge Mann kam immer näher auf ihn zu.
"Du bist immer noch hier, Wheeler?" - "Wie du siehst, regnet es immer noch." - "Verschwinde! Ich habe bereits zuviel für dich getan. Du kannst froh sein, dass..." - "Halt doch endlich deine Klappe, Kaiba!" - "Wheeler! Du bist hier in meinem Haus und ich..." - "Ja, ja. Leck mich am Arsch. Ich werde erst Frühstücken und dann gehe ich! Zufrieden!"

Kaiba musterte ihn genau. Er sah ihn schnell atmen und verstand, dass dieser keine Antwort brauchte. Es gefiel ihm nicht, von ihm so angeschrieen zu werden.
Kaiba war in der tat mit Joey´ s eigenem Rausschmiss zufrieden. Nun musste er ihn nur noch wenige Stunden, sofern er vorhatte solange zu essen, dulden und er wäre ihn los. Und schließlich hatte er selbst keinen großen Appetit.

Sein Omelett, welches er bestellt hatte, lag lustlos und beinah komplett auf seinem Teller samt Beilage. Er wollte lediglich die Zeitung durchblättern, interessante Artikel überfliegen und seinen Kaffee trinken, der ihn für seine Arbeit wachrütteln sollte. Obgleich er sich nach so einer Nacht nicht zum Arbeiten fit genug fühlte.

Wie sonst auch, zwang er sich einfach.

Joey setzt sich vier Stühle weg von Kaiba. Der große Tisch, der fast die Länge des Raumes einnahm, stand vollkommen leer. Überrascht bemerkte er aus dem Augenwinkel, wie Kaiba zu dem Bedienstete, der in einer Ecke auf Anweisungen wartete, ansah und leicht seinen Kopf in Joey´ s Richtung wand.

Der Mann verstand und ging auf Joey zu.

Panik stieg in Joey auf. Wollte er ihn jetzt rausschmeißen? Wollte er ihm noch nicht einmal ein nettes, kleines, feines Frühstück als Henkersmahlzeit gewähren?

Doch anstatt Joey zu packen und ihn in die Kälte zu zerren, blieb der Mann neben ihm stehen und fragte, was er denn gerne frühstücken möchte. Völlig geplättet schaute er auf Kaiba. Dieser hatte sich wieder seiner Zeitung zugewandt.

"Bring mir einfach von allem etwas!" Voller Vorfreude lächelte Joey den Mann an. Dieser verstand nicht und sah zu seinem Arbeitgeber. "Bringen Sie ihm einfach irgendwelche Reste." Unzufrieden schaute Seto Kaiba von seiner Zeitung auf.
Der Bedienstete verschwand erneut hinter der Tür.
Joey wollte sich wieder über Kaibas Worte aufregen, ließ es dennoch sein. Stattdessen entschied er sich zu schmollen.

Beide mit ihren eigenen Gedanken beschäftigt, sagte keiner ein Wort.

Joey wunderte sich über den immer noch anhaltenden Regen. Zwar ließ er langsam nach, doch der Himmel wollte sich einfach nicht lichten lassen. Es schien ihm als würden Stunden vergehen.
Er hatte Hunger und wollte hier weg.
Weg von Kaiba und seinen widerwärtigen Launen.

Joey fragte sich, wie lange er wohl noch gearbeitet hatte.
Er riskierte einen Blick.
Der überspannte Gesichtsausdruck verriet eine lange, arbeitsreiche Nacht.

Joey hatte es satt immer nur dazusitzen und zu warten. In der Hoffnung Kaiba würde endlich seine Zeitung zusammenfalten und etwas anderes tun.
Zum Beispielt verschwinden.
Aber seit wann dachte er so? Kaiba hatte ihn schon von Anfang an an der kurzen Leine. Seit dem er ihn kennt ist er ein Arschloch gewesen. Sagt nicht viel, bildet sich etwas auf seinen Titel ein und behandelt Joey wie einen räudigen Köter. Mit der Zeit fragte er sich, ob Kaiba einfach nur ohne ein bisschen Streit nicht leben konnte.

Würde er sich anders verhalten, wenn Joey eine nette Geste für ihn offen hätte?

Seine Gedanken wurden durch das Eintreten des Personals unterbrochen. Er sah zu, wie ihm köstliche Speisen auf den Tisch gestellt wurde. Auch er bekam ein Omelett. Es duftete köstlich, warm und appetitlich. Joey nahm die dazugelegte Gabel und futterte los. Das Gemüse als Beilage ließ er ebenfalls nicht aus.
Es schmeckte ihm so gut, dass er sich wünschte, niemals damit aufhören zu müssen.

Noch nicht ganz runtergeschluckt, bat er den Mann, ihm noch eines zu bringen. Angewidert bejahte er und verschwand erneut. Auch Kaiba schaute auf, als er Joey´ s Manieren bemerkte. Leicht verzog er seine Augenbrauen, seine Lippen formten ein "Hmpf". Joey beachtete ihn nicht. Den Brei in seinem Mund runterschluckend, griff er zum Glas, das mit Saft gefüllt war.
Er war froh, dass er keinen Kaffee bekommen hatte.
Den Rand des Glases setzte er an seinen Lippen. Leicht öffnete er den Mund und ließ die Flüssigkeit runterlaufen. Seine Augen glitten dabei zu Kaiba, der die Zeitung leicht auf den Tisch neigte und, Joey nicht bemerkend, nach einem Apfel griff, das im Obstkorb vor ihm lag. Leicht mit seinen Finger umschloss er das Obst. In seinem Tun gestoppt, spürte er Joey´ s Blicke und sah in an.
Joey´ s Augen haben sich enorm geweitet, in seinem Gesicht stand blankes Entsetzten. Erst jetzt begriff Kaiba. Nicht dem Apfel galt sein Blick, sondern seiner Hand.

Sie zitterte heftig.

Selbst nicht begreifend, was los war, zog er seine Hand schnell an sich und legte sie auf seinen Schoß.
Seine Blicke galten nun Joey.
Er sah ihn immer noch an.

Kaum hörbar keuchte der Blonde. "Kaiba..." "Halt deinen Mund!"

Joey schreckte leicht zusammen. Kaibas Stimme hatte sich zu schnell gehoben, Joey setzte das Glas von seinem Mund ab und stand auf. Er wusste es nun.

Kaibas Verhalten und vor allem das Zittern verrieten es.
Joey kannte das alles.
Er wuchs auf der Straße damit auf, sah, wie Menschenseelen daran brachen. Er selbst war nie davon betroffen, trotz Umgang mit falschen Freunden blieb er sich selbst treu.

Wie gelähmt sah er den wütenden Blick Kaibas. Wie eine Schlange, die kurz davor stand, ihr tödliches Gift in die Venen zu spritzen.

"Warum? WARUM NIMMST DU DROGEN?"

"Halt deinen Mund, Welpe, was verstehst du davon...!" Joey riss seine Augen weiter auf. Er wusste es besser als der Konsument.
"Hör auf mich anzuschreien! Mich zu beleidigen! Ich dachte du hättest mehr Anstand. Jetzt weiß ich auch, was du von diesem alten Mann im Uhrengeschäft wolltest!"

Kaiba lächelte zum Erstaunen von Joey. Er schien einfach nicht zu begreifen, dass das alles kein Spiel mehr war.
Joey hielt ihn immer für einen starken Charakter. Arrogant und dennoch mit genug Anstand, um von so was die Finger zu lassen.

Joey drehte sich der Magen um.
Wie konnte Kaiba es zulassen, sich eigenst so schwach zu machen?

Joey suchte gestern Nacht nach einer menschlichen Schwäche in ihm. Jetzt wünschte er sich, sie niemals gefunden zu haben...

Schon lange aufgestanden, musterte er Kaiba erneut. Auch dieser stand auf, streckte seine Hand aus und zeigte auf die Tür, durch die Joey soeben gekommen war. Angewidert brüllte er Joey an. "Verschwinde aus meinen Augen! Verlasse diese Villa!" Joey´ s Geduldsfaden riss.
Er wollte weder hier spionieren noch Kaibas Hass auf ihn vertiefen. Ständig dachte er darüber nach, dass er privat nicht so ein kaltherziger Mensch sein kann.
Er hatte sich so darauf verlassen.
Er wünschte es sich, seit langem.
Es gab Momente in denen Joey sich selbst zu geben musste, das ihn Seto Kaiba faszinierte.

Seine rechte Hand ballte sich zu einer Faust. Leichtes Zittern überkam ihn. Er ging mit langsamen Schritte auf Kaiba zu, fixiert in seine saphirblauen Augen.
Er hörte Kaibas Brüllen nicht mehr. Seine Schreie gingen ins Leere. Joey spannte all seine Muskeln im Körper, rannte noch einige Schritte, bevor er ausholte. Sekundenlang starrte er auf sein Gesicht. Kaiba war sichtlich überrascht über diesen Zug von ihm.

Es blieb keine Zeit, etwas zu sagen.
Keine Zeit um auszuweichen.

Joey legte all seine Kraft in die Faust, und schnellte vor. Seine Faust rammte sich in seine Wange. Nur wenige Sekunden später, spürte er das Fleisch nachgeben, spürte seine Knochen. Durch die enorme Beschleunigung und Joey´ s Kraft, drehte sich Kaibas Kopf nach links.
"DU IDIOT! DU VERSTEHST NICHT, DASS DU DA NIE WIEDER RAUSKOMMST!" Kaibas Körper gab nach. Er flog mit dem Rücken zuerst gegen den Stuhl und prallte am Tisch ab. Sein benommener Körper sank zu Boden.

"JOEY?"

Der angesprochene drehte sich überrascht um.
Mokuba starrte entsetzt abwechselnd zu seinem Bruder und Joey. In seinem Blick lag etwas unverständliches. Joey begriff, was er getan hatte. Schnell richtete er seine Augen erneut auf den immer noch liegenden Kaiba. Dieser hatte sich unter Schmerzen und keuchen mit seiner linken Hand abgestützt. Leicht glitten seine Hände zu seinem Gesicht.

Er blutete.

Seine Nase war leicht geschwollen und voller Blut. Auch Joey bemerkte kalte Flüssigkeit auf seiner Haut. Er starrte zu seiner Hand, die sich immer noch ballte. Kaibas rotes Blut klebte auf seinem Handrücken.

Mokuba schrie und rannte zu seinem Bruder. Er wollte ihm helfen. Geschockt kniete er sich zu ihm und erkundigte sich nach dem Verletzten. Doch anstatt auf eine Antwort zu warten, blickte er unter Tränen zu Joey.
"Warum hast du das getan?" Er schluchzte.
Man sah, das der Junge nichts von alledem verstand. Durch diese übertriebenen Sorgen, wie es Joey schien, und dem emotionalen Verhalten, begriff er, dass Kaiba wohl nicht all zu oft oder auch gar nicht geschlagen wurde.

Warum sollte er auch?
Die meisten Leute, die Umgang mit ihm hatten, waren intelligent genug, um einen Skandal zu vermeiden.

Nur er, Joey Wheeler, hat sich von seinen Gefühlen leiten lassen.

Kaiba keuchte. Joey wusste, dass er sich nicht sonderlich wehgetan haben konnte, trotz der geplatzten Arterie.
Er sollte befriedigt sein, Kaiba verletzt zu seinen Füßen zu sehen. Sein Gesicht von Blut verschmiert, die Augen zusammengekniffen, versuchter er aufzustehen. Doch Joey fühlte, wie sein Körper nachgab.

Er konnte nicht mehr hier bleiben.
Und von Mokuba würde er jetzt auch keinen Schutz mehr erwarten.

Es tat ihm weh.
Er hasste sich selbst, so zu sein, wie er war.
Er wollte sich mit diesen Gefühlen nicht auseinandersetzen. Noch einen einzigen Blick auf Kaiba werfend, rannte er los. Schmiss einige Stühle zur Seite, rannte den Gang entlang bis hin zur Eingangshalle.
Joey riss die schwere Tür auf und verschwand im immer stärkerwerdenden Regen.