Die Wolken zogen sich zusammen. Der graue Himmel verdunkelte das Licht der Sonnenstrahlen, die hin und wieder einen Blick auf die Erde warfen und umhüllte alles in finstere Dunkelheit. Mittagswolken fingen an, ihre Arbeit fortzusetzen, die sie am Abend zuvor beendetet hatten. Es regnete wieder.
Das laute Knallen, mit welchem Joey Wheeler die Villa Kaibas verließ, hallte in den finsteren Gängen wider.
Immer noch am Boden liegend, sah Kaiba auf seine Hand, mit der er Sekunden zuvor seine Nase leicht berührte. Mit einem gedämpften Stöhnen öffnete er seinen Mund. Die Dunkelheit, die sich so unmerklich angeschlichen hatte, hinderte ihn daran, klar zu denken.
Er fühlte, das im Grunde nur Blut an seinen zitternden Fingern kleben konnte, doch diese Klarheit war ihm in diesem Moment nicht gegeben.
Das Rufen nach Hilfe von seinem kleinen Bruder nahm er nicht mehr wahr. Mokubas besorgte Blicke ruhten nicht mehr auf ihm.
Durch die Dunkelheit zögerte Kaiba nicht lange.
Leicht löste er seine Zähne voneinander, um seiner Zunge freie Bahn zu schaffen. Sanft berührte er mit der Spitze die dunkle Flüssigkeit, die sich durch den Geschmack von Eisen als Blut identifizieren ließ.
Sein Blut.
Natürlich wusste Kaiba, dass nur eines an seinen Fingern kleben konnte. Und dennoch hatte er diese Bestätigung gebraucht.
Mit jeder Minute, die er hier liegend verbrachte, fühlte er den Verrat seines Körpers immer mehr.
Eine warme, zärtliche Hand berührte ihn am Arm. "Seto! Ich habe einen Arzt gerufen!" Tränen lagen in seinen Augen, Verzweiflung und Angst in seinen Worten. Leicht zog Mokuba an ihm, half ihm, sich auf die Beine zu stellen.
Kaiba wusste, sein Bruder meinte es nur gut, doch stieß er seine helfende Hand blitzartig von sich weg.
Unter den verstörten Blicken Mokubas stand er auf.
Joey´ s Schlag hatte Kaiba nicht nur überrascht, er hatte ihn auch gewaltig unterschätzt. Der blauäugige verfluchte sich selbst, nicht ausgewichen zu sein. Verfluchte sich selbst, keinen gestählten Körper für solche Angriffe zu haben. Doch er wusste, dass es das erste und letzte mal war, in der Joey Wheeler so eine Gelegenheit erhalten würde.
Er würde dafür büßen müssen.
Bei all den mordlustigen Gedanken, die Kaiba erreichten, und die er hauptsächlich seinem Stiefvater Gozaburo zu verdanken hatte, machte sich dennoch kein Lächeln auf seinen aufgerissenen Lippen breit.
Wieder hatte Kaiba ein Problem mehr um das er sich kümmern musste.
Er strauchelte etwas, schnell fasste er sich wieder, da er nicht wollte, dass Mokuba ihm half. Er wollte nicht, dass er ihn berührte, wollte nicht, dass er es erkannte. Wollte genau das verhindern, was ihm bei Joey so misslang.
Es stand ihm fern, seinem Bruder solchen Kummer zu bereiten.
Er wollte allein damit fertig werden, genauso wie mit anderen Problemen, die er bereits in seiner Vergangenheit gemeistert hatte.
Besorgt schaute ihm Mokuba zu, wie er sich am Tisch hielt und seinen Gedanken nachjagte. Sein melancholischer Blick ruhte in der Leere des Raumes.
"Es tut mir so leid, Seto! Wenn ich das gewusst hätte, dann... -"
Eine Handbewegung von Kaiba brachte ihn zum Schweigen.
Wieder rannen Tränen seine geröteten Wangen runter. Er sah verzweifelt zu, wie sein Bruder sich langsam in Bewegung setzte. "Aber... Bruder! Der Arzt wird sicher gleich hier sein!" Er hob seine Stimme, da er befürchtete, Kaiba würde ihn nicht hören.
Auch er setzte seinen Körper nun in Bewegung.
Nach einigen Schritten blieb er wie erstarrt stehen. Kaiba hatte sich umgedreht, seine Hände zitterten heftig, die Nase mit Blut bedeckt, der Blick steif und ernst.
"Ich will jetzt allein sein. Ich brauche keinen Arzt."
Mit diesen Worten verschwand er im düsteren Gang, die Tür blieb weiterhin offen.
Zurückgelassen, halb im Dunkeln, blieb Mokuba stehen. Die Welt nahm für ihn andere Gesichter an, die er nicht kannte.
Warme Tränen kullerten unwillkürlich seine Wangen runter. Bewegungslos starrte er auf die Tür, in der soeben sein Bruder verschwand, den er zu verstehen versuchte. Nur noch leises Schluchzen zeriss die Stille der Dunkelheit unter dem schnellen Regen, der an den Fenstern nagte, aus seinem tiefen Schlaf.
Kaiba, wieder in Besitz seiner vollen Kräfte, bewegte sich auf sein Zimmer zu. Der dunkle Gang, der wie so viele andere nicht beleuchtet wurde, erstreckte sich in gähnender Länge.
Eine Tür glich der anderen.
Schon fast wie mechanisch folgte der junge Mann dem schwachen Ruf, der fern aus seinem Zimmer drang.
Er spürte es wieder, doch noch war es nicht an der Zeit. Sofern er den Trieb, den diese Drogen in ihm wachriefen, unterdrücken konnte, würde er nichts unternehmen. Nur wenn es wirklich sein musste und seine Konzentration vollkommen dem nächsten Schuss galt, würde er sich diesen "gönnen".
Mit jedem einzelnen Schritt, den er tat, merke er, wie er sich selbst belog.
In diesem Gang ruhte sein Zimmer, in der darauffolgenden Etage sein Büro, in dem er jetzt eigentlich sitzen wollte. Auch die Arbeit rief ihn, die kein Ende zu nehmen schien.
Vor einer massiven Holztür blieb er abrupt stehen.
Die Unreinheit in seinem Geicht fing an, an seinen Nerven zu nagen. Er fühlte, wie eine unbändige Wut in ihm aufstieg. Joey würde für alles bezahlen, für das Blut, das er verlor, für die Unannehmlichkeiten, die Kaiba durch ihn zu erfahren glaubte und letztendlich dafür, dass der Blonde seine Zeit stahl, die er so dringend brauchte.
Vollkommen in seinen Gedanken versunken und erst durch einen grellen Blitz und dem darauffolgenden Donnern in die Realität gebracht, stellte Kaiba fest, dass er sich bereits in seinem Zimmer befand. Sein erstes Interesse galt dem Blut, das zu trocknen anfing.
Eilig erreichte er das Badezimmer und ließ das Wasser der Dusche laufen. Ungeduldig zog er seinen schwarzen Kragenpullover aus.
Wollte dieses Blut mit heißem Wasser wegspülen, hoffte auch die Erniedrigung, durch Joey in seiner Sucht erkannt, so ebenfalls verschwindet.
Wieder fühlte er das Zittern seiner Hände.
Es breitete sich wie eine krankhafte Einbildung an seinem Körper aus.
Mit schnellen Handgriffen zog er sich das Paar Socken aus, schnallte seinen Gürtel mit den Initialen der Kaiba Corporation ab und legte auch seine Hose sowie auch die Retro- Pants neben die anderen Klamotten. Lustlos ließ er alles auf dem Boden liegen und stieg in die Duschkabine, von der er hoffte, eine kleine Ablenkung von der Welt und somit auch von dem pharmazeutischen Verlangen erhalten zu können.
Das lauwarme Wasser, das seinen Körper langsam einnahm, gefiel ihm. Er sah auf seine Hände, das Zittern unterdrückend und hoffend, nach der Dusche einfach aus dem Zimmer gehen zu können und mit der Arbeit endlich zu beginnen.
Nur noch eingerissene Lippen und kleine Narben, die sein Körper durch den Zusammenstoß mit Stuhl und Tisch erfahren musste, erinnerten an Joey Wheelers aggressive Aktion.
Das Blut floss allmählich in den Abfluss, verschwand für immer in der Tiefe.
Nachdem er wohltuendes Duschgel auf seiner Haut verteilte, und dieses dann eilig abwusch, stieg er aus der Duschkabine. Schnell trocknete er sich ab.
Mit jeder Minute stieg die Sehnsucht in ihm.
Er streifte sich wieder seine Kleider über den Körper, seine Hände zitterten. Zwar fühlte er sich nach der Dusche besser, doch die Stimmen, die leise in seinem Verstand hauchten, erreichten ihn nicht mehr mit dem sonst monotonem Geflüster.
Nun fühlte er die Gier danach.
Unter Druck zog er sich fertig an.
Gezielt öffnete er die Tür und betrat das dunkle Zimmer, das ab und zu vom hellen Aufflackern eines Blitzes erleuchtet wurde. Sein Körper bewegte sich zielsicher auf die Kommode neben seinem Bett zu. Beim Gehen griff er nach dem Schlüssel in seiner Hosentasche, den er irgendwann wegwerfen wollte, es aber trotzdem noch nie geschafft hatte. Knapp vor der Kommode fiel er im runter.
Seine Hände fingen wieder an ungewollt zu zittern.
Ganz leicht zunächst und dennoch stark genug, um seine Nervosität zu verstärken.
Kaiba fühlte sich gefangen, wollte hier weg, wünschte sich alles zu vergessen.
Durch die Abhängigkeit angetrieben, hob er den Schlüssel vom Boden und schloss die erste Schublade von unten auf.
Ungeduldig kramte er, um schnell das gesuchte zu finden.
Seine Augen weiteten sich, als er es spürte.
Ordentlich in einem transparenten Säckchen gehüllt.
Wiedereinmal verlor er den Kampf gegen seinen Körper.
Wiedereinmal und sicherlich nicht das letzte.
Nur noch einige Minuten, sein Körper und all seine Sinne konzentrierten sich nur noch auf den Schuss, den er sich setzten würde.
Tief atmete er das "weiße Glück" ein.
Spürte die Wirkung sich ausbreiten.
Sein Verstand blockte die Hintergrundgeräusche ab, nichts nahm er mehr war, außer der traumähnlichen Entspanntheit,
die ihn beflügelte...
Das Gewitter breitete sich aus.
Keine Gasse, keine Straße blieb von den stürmischen Winden und dem Hagel verschont.
Es war bereits Abend, als Seto Kaiba seine Besinnung fand. Langsam und unter Kopfschmerzen öffnete er seine Augen. Noch immer befand er sich in seinem Zimmer, die Dunkelheit, durch das Gewitter umso mehr bestärkt, hüllte alles in einen finsteren Schleier.
Seine Hände ruhten auf der Kante seines Bettes. Die Wärme des beheizten Bodens tat seinem kalten Körper einen Gefallen, seine Augen schlossen sich, als er das bisschen weißes Pulver auf der Kommode erblickte, was vom letzten Male übrig gebliebnen war.
Sein Körper fühlte sich schwer an.
Er hoffte, dieses unangenehme Gefühl würde vergehen, doch stattdessen nahm es zu, als er sich aufstellte und ein weiteres Mal auf das Pulver starrte.
Nach der Einnahme und dem etwas unbeholfenem Aufwachen fragte sich Kaiba immer wieder, warum er es tat.
Doch dann stieg für einige Sekunden wieder dieses Gefühl in ihm hoch. Bei all seinem Wissen, welches er sich unter der strengen Hand Gozaburos angeeignet hatte, wusste er dennoch nicht, wie er sich selbst dieses Hoch erklären konnte.
Kaiba wusste, dass sich sein Stoffwechsel bereits der Droge angepasst hatte. Auch wenn er es wollte, und hin und wieder gab es solche Momente, dann wäre es unmöglich gewesen, sich davon loszureißen.
Außerdem, überlegte er still vor sich hin, immer noch auf das Pulver starrend, genoss er dieses Gefühl.
Er brauchte es.
Etwas langsam nahm er die leere, transparente Tüte, sammelte das schneeweiße Pulver auf seine linke Handfläche, legte es sorgfältig wieder in das Säckchen und ließ es in der letzten Schublade verschwinden. Hastig nahm er die Uhr auf der Kommode, die er seit einigen Tagen dort hat liegen lassen. Enttäuscht legte er es sich ums Handgelenk und befestigte das Band aus überschichtetem Titan mit einem leisen Klicklaut.
Ungewollt hatte er den ganzen Tag verloren.
Soweit wollte er es nicht kommen lassen. Wieder dachte er an Joey und schob ihm jegliche Schuld zu.
Unter leisem Keuchen und immer noch etwas müde verließ er sein Zimmer, nachdem er sich versichert hatte, dass sein Äußeres vorzeigbar war.
Seine Schritte führten ihn ins Büro.
Er spürte, dass er Hunger bekam, doch konnte sich darauf jetzt nicht einlassen.
Die Nacht würde er brauchen, jede Minute davon, um den verlorenen Tag einzuholen. Das Meeting mit wichtigen Persönlichkeiten des Staates, die ihm die Zusage eines neuen Komplexes geben sollten, mussten vollkommen von der Richtigkeit seines Unternehmens überzeugt werden.
Der Plan dafür schwirrte ihm im Kopf herum, doch nun galt es, diesen perfekt umzusetzen.
Kaiba seufzte leise.
Nicht nur diese Nacht würde er dafür brauchen.
Die Zeit rann ihm davon, es blieb kaum mehr Zeit sich zu entspannen, zu essen oder für seinen Bruder Mokuba dazusein. Vielleicht blieb ihm auch gar keine Zeit, um sich an Joey Wheeler zu rächen.
Der überfüllte Schreibtisch mit Papieren und Dokumenten bestätigte diesen Gedanken.
Doch was ihm seine Zeit am meisten nahm, waren Drogen und somit die Sucht, die damit verbunden war, die er immer öfters befriedigte und die seinen Verstand vollkommen benebelte.
Sein Körper kam ohne die tägliche Aufnahme von Kokain nicht mehr zurecht.
Kaiba fühlte sich gezwungen, so, als fehlte ihm etwas.
Er fühlte selbst wie sein Wille daran bracht.
Er setzte sich auf seinen Stuhl und blätterte in einigen Dokumenten, seine Gedanken immer noch abschweifend.
Seit einigen Tagen hatte er versucht, fern davon zu bleiben. Er arbeitete kontinuierlich, um nicht daran zu denken. Doch er hatte den Teufelskreis, in den er da geraten ist, gewaltig unterschätzt.
Nein, davon würde er nie wieder loskommen...
Sein Blick schweifte etwas gequält über den Berg von Papieren und technischen Geräten, ohne welche seine Arbeit nicht vorankam. Wie ungern er es auch zugab und sich in dieser Sache selbst belog, er war am Ende seiner Kräfte. Zwar sah man es ihm äußerlich nicht an, doch seine Seele verblasste mit jedem Tag immer mehr in der Dunkelheit seines Selbst und seiner Vergangenheit.
Mit einem schwachen Blitz in der Ferne, welches von einem Donnern und starkem Wind begleitet wurde, entschied sich Kaiba, diese Gedanken fallen zu lassen. Minuten verstrichen und er hatte noch nichts getan, um selbst mit sich zufrieden zu sein.
Es lohnte sich nicht, weiterhin diesen Gedanken zu folgen.
Mit einer Handbewegung, welche die Klappe des Laptops öffnete und dieser mit einem angenehmen Brummen das Betriebssystem überprüfte, versprach Kaiba sich selbst, dass er erneut versuchen würde, auf Entzug zu gehen.
Er würde es allein schaffen, es wäre einfach lächerlich, wenn er sich solchen Problemen beugen würde und einfach aufgab.
Es war sonst auch nicht sein Stil und wäre er wohl durch eine andere Einstellung nie so weit gekommen.
Schnelles Bedienen der Tastatur durchbrach die Stille, die nur noch durch das Peitschen des Windes an den Fenstern übertönt wurde.
Wolken überraschten erneut mit einer Ladung Schnee, die die Stadt bedeckte und das Weiß durch grelle Blitze erstrahlen ließ, die in der Ferne aufflackerten.
Die leichten Schneeflocken schmolzen nach kurzen Zeit und vermischten sich mit Wasser und Erde zu schlammigen Gehwegen.
Nur noch mehr erschien Domino verregneter als es ohnehin schon war und senkte jegliche positive Stimmung der Bewohner ins Tiefe.
Sanfte Schneeflocken, die langsam auf die Erde fielen und die Stadt für wenige Stunden mit weißer Pracht bedeckten, wurden allmählich durch gleichmäßigen Regen abgelöst. Ein weiteres Gewitter bereitete sich auf seinen Auftritt vor. Leicht zuckten Blitze am Firmament und mit jedem deutlichen Grollen rückten sie näher und näher heran.
Seto Kaiba sah auf seine Armbanduhr, die er sich vor etlichen Stunden um sein Gelenk gebunden hatte.
Der neonbeschichtete Zeiger ruhte auf der vierten Ziffer.
Langsam wich sein Blick von der Uhr zurück zum Bildschirm des Laptops. Seine müden Augen schlossen sich für wenige Momente, seine Hände legten sich auf das Gesicht, so, als könnte er den fehlenden Schlaf damit nachholen. Schon seit Tagen saß er an diesem Bericht und nun, nur noch einige Zeilen und unnötige Worthülsen, würde Kaiba endlich damit fertig.
Durch diesen Gedanken angetrieben, richtete er seinen Körper auf. Sein Rücken dankte ihm durch ein leises Knacken in der Wirbelsäule.
Seinen Oberkörper leicht nach vorne gebeugt, legten sich seine Finger wieder auf die schwarze Tastatur und tippten weiter die noch fehlenden Sätze.
Das Wetter beruhigte sich zum Anfang des neuen Tages, die temperamentvolle Laune des Windes legte sich und nur noch das Rauschen der losen Blätter auf dem Boden verrieten die Stille und Einsamkeit der Nacht, die bald der Tag ablösen sollte.
Kaiba, seine Augen starr auf den Bildschirm gerichtet, überforderte seinen bislang immer noch müden Körper, der sich durch langanhaltende Schmerzen im Rücken und Armen bemerkbar machte. Der Jungunternehmer war es gewohnt, seinen Körper diese Strapazen zuzumuten und achtete kaum mehr auf das Stechen in seinen Beinen, die nach Bewegung verlangten.
Schon bald vernahm er das leise Geräusch des Papiers, welches durch den Drucker Farbe bekam.
Ein kaum bemerkbares Grinsen überzog seine Lippen.
Kaiba schloss die Augen ein weiteres Mal, die Dunkelheit und Ruhe, die er dadurch empfand, gefielen ihm.
Mit einem Blick auf den Drucker, der noch immer nicht fertig war, entschied sich der junge Mann zu einer Pause.
Er wollte nicht schlafen, doch sein Körper verlangte es.
Nur schwer nahm er seine Umgebung war, seine Augen brannten und die Konzentration ließ von Stunden zu Stunde nach.
Wieder warf er einen Blick auf das Papier, das gemächlich auf die Ablage des Druckers fiel.
Kaiba stand auf.
Der Stuhl ächzte unter der Erleichterung des Gewichtes.
Ohne zu zögern verließ er sein Büro und lief durch etliche Gänge, bist er sein Zimmer erreichte.
Vollkommen erschöpft zog er seine Bekleidung aus und streifte sich stattdessen ein Hemd aus Satin über seinen Oberkörper.
Langsam knöpfte er es zu.
Der Regen klopfte leicht am Fenster und wurde unter Kaibas müden Blicken immer leiser, bist er vollkommen verschwand und nur den schwarzen Himmel und Kaibas schlafenden Körper im Bett zurück ließ.
Der neue Tag lockte mit Sonnenstrahlen und viel versprechenden Wetterberichten nach draußen. Zwar zogen graue Wolken immer noch am Himmel vorbei, doch lösten sich diese an einigen Stellen vollkommen auf und ließen die Sonne durchdringen.
Das schwere Gebäude erstrahlte freundlich im Sonnenlicht. Angenehm wehte der Wind und ließ die Bäume im Vorgarten flüstern.
Die großen Fenster der Villa "Kaiba" ließen das warme Licht durchdringen und sich über dem Boden verteilen.
Die Gesänge der Vögel, die ihre Laune im Einklang des warmen Morgens stimmten, drangen in das halb durch Vorhänge verdeckte Fenster.
Ungestört dessen, atmete die schlafende Person kaum hörbar regelmäßig ein und aus, die Sonnenstrahlen kitzelten den unter der Decke befindlichen Körper.
Durch die ansteigende Wärme langsam die saphirblauen Augen öffnend, besann sich Seto Kaiba seiner Umgebung.
Langsam zog er seine Beine weiter an sich um der Wärme zu entkommen, die weiter im Zimmer anstieg und unter der Decke unerträglich wurde.
Kaiba drehte sich mit dem Gesicht vom Fenster ab und somit der Sonne, die in ihrer Fröhlichkeit durch lautes Zwitschern der Vögel verstärkt wurde.
Ohne genau zu wissen, was er tat, schloss er wieder seine Augen.
Das alles erschien ihm fremd.
Seit langem konnte er sich unnötiges Faulenzen im Bett nicht leisten und in seiner Situation schon gar nicht.
Er erinnerte sich wieder an seinen Bericht, den er jetzt fertig hatte. Trotz dieser Erleichterung, eine Tätigkeit weniger zu haben, fühlte er sich nicht wohler in seiner Haut.
Kaiba setzte sich an den Rand seines Bettes und unterdrückte ein Gähnen.
Sich selbst antreibend endlich aufzustehen, zu duschen, sich anzuziehen und dann wieder an die unfertigen Projekte zu gehen, von denen es noch massig gab, fühlte er die Leere in seinem Magen.
Er verfluchte sich, dieses unkontrollierbare Verlangen des Körpers nicht beherrschen zu können.
Zum Essen fand er kaum Zeit.
Was für andere eine Teilzeitbeschäftigung ist, der sie jede paar Stunden nachgehen, ist für ihn, so empfand er, ein Hindernis.
Leichtsinnig versprach er sich selbst, erst den fertig gedruckten Bericht zu lesen und nach Fehler und Erklärungen zu suchen, die nicht passten oder das Erreichen seines Zieles nur hinderten, und sich erst dann ein Frühstück zu gönnen, welches keinesfalls viel sein durfte, da seine Zeit für mehr nicht ausreichte.
Er stand auf.
Sein Gewicht beim Gehen von einer Seite auf die andere verlagernd, erreichte er das Badezimmer, welches als Inneneinrichtung der wenigen Zimmer in dieser Villa angehörte. Nach einer kalten Dusche zog er sich ein weißes Hemd über den gekühlten Körper.
Die Wärme, die durch die Sonnenstrahlen den Boden anheizte, sammelte sich ebenfalls in der Luft.
Kaiba zog sich ungeduldig seine restliche Kleidung an und hastete in sein Büro.
Beim Durchlaufen der vielen Gänge der Villa, fiel Kaiba sein kleiner Bruder ein. Er hatte Mokuba schon seit langem nicht mehr gesehen.
Unbemerkbar seufzte der junge Mann.
Das alles hätte nicht so kommen sollen.
Langsam fragte er sich, ob Mokuba angst vor ihm bekam.
Kaiba biss sich leicht auf seine warmen Lippen.
Er wollte nicht mit dieser Gewissheit den Tag beginnen, welcher schon auf Grund der Hitze in seinem Zimmer alles unerträglich gestaltete. Beinahe rennend, erreichte er sein Büro und schloss die Tür auf.
Seine Hände zitterten.
Kaiba rannte zur Ablage, in der sein Bericht lag, griff nach der Vielzahl der bedruckten Blätter und setzte sich auf den Stuhl hinter seinem Schreibtisch.
Sein Büro lag im Hinteren Bereich der Villa, sodass die Sonne durch einen großen Ginkobaum nicht durch das Fenster in den Raum gelangen konnte.
Kaiba hastete mit seinen Blicken über jede einzelne Letter, schnell wollte er das Ergebnis der vielen Wochen überfliegen, für welches er so einige schlaflose Nächte einstecken musste.
Er wollte dieses Thema abhacken, seinen Bruder suchen und mit ihm frühstücken, wie schon seit langem nicht mehr.
Kaibas nervöse Finger hielten verkrampft den schweren Stapel Papier.
Seine bleichen Augen weitete sich, die Pupillen schnellten von einem Absatz zum anderen.
Kaiba zuckte unmerklich zusammen, starrte auf einen unbedeutenden Punkt in der Leere, als wollte er dort eine Antwort finden.
Den Bericht teils auf den Boden fallen lassend, weitete sich seine Augen weiter auf.
Damit hatte er nicht gerechnet.
Etliche Stunden, Wochen, Monate hatte er damit zugebracht diesen Bericht zu entwerfen, ihn zu schreiben.
Sein Ziel stets vor Augen haltend, wollte er den Bau eines neuen Komplexes der Kaiba Corporation vom Staat genehmigen lassen. Mit jeder fließenden Minute, die an ihm verstrich, begriff Seto Kaiba, was geschehen war.
Sein Dokument, die Präsentation, war ein Misserfolg.
Geradezu ein Desaster...
Kaibas Verstand versuchte den Fehler zu finden, doch im nachhinein, in seinem Unterbewusstsein, wusste er es bereits.
Tag für Tag spürte er die Droge in seinem Körper und seinem Verstand immer mehr.
Durch Kokain und andere Suchmittel, die er seinen Körper hat spüren lassen, verdunkelte sich sein klarer Blick und nebelte seinen Verstand vollkommen ein.
Das einzig Wichtig erschien ihm an manchen Tagen, war nur noch die Befriedigung, die er durch Drogen empfand.
All seine Probleme schienen für kurze Zeit leichte Hürden zu werden.
Die Schwierigkeiten der Welt flossen an ihm vorbei und das einzige, was in solchen Momenten richtig erschien, war die Genugtuung.
Eine leichte Böe strich über die Stadt Domino. Trotz eines milden Lächelns warmer Sonnenstrahlen, die immer noch der Menschheit entgegenschienen, sammelten sich dunkle Wolken erneut für ihren Auftritt am Horizont.
Kaibas Gedanken erreichten wieder die Realität.
Immer noch vor sich hin starrend, sammelte er einige Blätter vom Boden auf.
Fehler.
Das Papier war voller Fehler.
Kaiba starrte entsetzt auf die Rechtschreibfehler und die nicht beendeten Sätze, die schwarz auf weiß das Papier säumten.
Überrascht von seiner schlechten Leistung, die er nicht von sich kannte, zerknüllte er den Bericht.
Einige Blätter ließ er durch den Reißwolf gleiten und genoss unbewusst das leise Arbeiten des Geräts.
Stille trat ein.
Kaiba konnte es nach wie vor nicht glauben, dass er für das alles selbst verantwortlich sein sollte.
Er seufzte schwer.
Immer noch in Gedanken versunken, hörte er leise Schritte im Gang vor seinem Büro näher kommen.
Nach wenigen Sekunden klopfte es an der Tür, diese öffnete sich und schloss sich nach einigen Minuten wieder. Dem jungen Mann erschien es vollkommen sinnlos sich nach seinem Besucher zu erkundigen.
Als er leises Atmen hörte, blickte er auf und schaute in dunkle Augen, die Mitleid empfanden.
"Seto. Du arbeitest schon so früh...?" Mokubas Stimme klang verheult und leise. "Ich..."
Kaiba musterte das Gesicht seines Bruders.
"Kann ich etwas für dich tun?" Mokuba begriff den eisigen Blick nicht, der auf ihm ruhte. Verunsichert schaute er Kaiba weiterhin an und hoffte auf eine Antwort oder wenigstens eine Gestik, die Leben zeigte.
In den saphirblauen Augen seines Bruders lebte, beinahe übersehbar, etwas auf. Mokuba sah etwas Veränderung in ihm und versuchte diese zu deuten. Zwar wurde er von Kaibas Augen fixiert, doch merkte man sofort, dass Kaiba angestrengt, ja sogar pflichtbewusst seinen Gedanken nachjagte.
Mokuba kannte seinen Bruder nicht als eine träumerische Person.
Um so mehr hoffte er, Kaiba würde ihm etwas sagen, worüber er sich freute. Selten bekam er so was zu hören, nur, wenn sein Bruder ihn aufmuntern wollte oder gar einen genialen Schachzug plante.
Leicht veränderten sich Kaibas steife Gesichtszüge.
"Ich möchte, dass du bis heute Abend die Villa verlässt. Das Personal soll ebenfalls gehen."
Mokuba konnte einen Schrei nicht unterdrücken.
Sein Bruder hatte solche Wünsche noch nie geäußert.
Der Junge konnte sich keinen Reim darauf machen, was Kaiba sich davon versprach. "Seto!" "Kein Widerspruch. Bis heute Abend bist du nicht hier. Das ist ein Befehl, den du befolgen wirst."
Mokubas Augen weiteten sich und füllten sich allmählich mit Tränen. Er trat einige Schritte von seinem Bruder weg. "Was ist nur mit dir los Seto? Warum willst du mich nicht hier haben?" Er wollte nicht weinen, wollte so stark und stolz sein, wie sein Bruder war, doch unkontrollierbar kullerten salzige Tränen seine kindlichen Wangen runter.
Mokuba würde sich Kaibas Wunsch nicht widersetzen, er würde gehen und erste gegen Abend zurückkommen.
Während er immer noch in die starken Augen seines Bruders sah und nun endgültig begriff, dass dieser nicht scherzte, fühlte er das Zittern in seinen Beinen.
Nun weinte er endgültig und lief davon, wollte nicht, dass Kaiba ihn so sah und ließ eine weitere schmerzliche Erinnerung an seiner Seele nagen.
Kaiba biss sich auf die Unterlippe und schaute der geöffneten Tür nach, durch die soeben sein Bruder verletzt und unverstanden rausgerannt war.
Wieder erfüllte Stille den Raum, nur die Regentropfen der Wolken am Himmel tanzten im Wind des immer kälter werdenden morgens.
Es war nun an der Zeit...
Seto Kaiba entscheide sich für eine für ihn ungewöhnliche Variante der Selbsthilfe.
Seit Monaten stieg das Verlangen nach Drogen immer weiter an.
Er fühlte sich entmachtet etwas dagegen unternehmen zu können.
Tatenlos sah er zu, wie es sein Leben zerstörte, wie es einen Keil zwischen seinem Bruder und ihm schlug.
Widerwillig fasste er den Entschluss, der ihm spontan eingefallen war und der eine große Herausforderung für ihn darstellte.
Er wog alle Pro und Contras ab und schließlich sah er keine andere Wahl, als genau das zu tun, was er zu hassen gelernt hatte.
Er war auf Hilfe angewiesen, um seinem Leben genau das wiederzugeben, was er sich selbst zerstört hatte.
Im Gegensatz zu den Versuchen sich selbst von Rauschgift fernzuhalten, würde er dieses Mal anders vorgehen...
Die Dämmerung nahm allmählich überhand und längst schwebten dunkle Wolken am Himmel und trugen der werdenden Dunkelheit bei. Die Stille der Nacht hallte in der Villa "Kaiba" wider.
Die Fenster verzichteten auf alles Leben, die Dunkelheit und Stille war nun ein Teil des Gebäudes. Nur ein Raum widersetzte sich dem Gesetz dieser Nacht und barg einen hellerleuchteten Kronleuchter, der alles Finstere vertrieb.
Gleichmäßiges Ticken einer Standuhr war neben dem unkontrollierbaren Heulen des Windes das einzigste Geräusch.
Der Regen peitschte gegen die abgedunkelten Fensterscheiben einer schwarzen Limousine, die unter dem Heulen des Windes fast lautlos vor den schwarzen Toren der Villa anhielt.
Ein kräftiger Mann öffnete das Fenster der Beifahrertür und zog mit einer schnellen Bewegung eine Plastikkarte durch einen Kartenschlitz, der an der Sprechanlage vor den Toren postiert war. Nach wenigen Sekunden wichen die Tore, durch elektronisches Abtasten der durchgezogenen Karte, zur Seite.
Diese schlossen sich wieder, als die Limousine den Weg weiterfuhr, der sie vor den Eingang der Villa brachte.
Dieses Mal stieg der Mann auf dem Beifahrersitz aus und öffnete die sich zur Eingangstür befindliche Seitentür.
Zuerst stieg ein weiterer Mann von ähnlicher Statur aus dem Wagen. Beide trugen schwarze Anzüge, passend dazu die Krawatte
Ein blonder junger Mann, kaum zwanzig, wurde durch einen weiteren Mann in schwarz aus der Limousine gedrängt.
Kaum waren beide aus dem Wagen gestiegen, bohrte einer der dreien eine ebenso schwarze Pistole in den Rücken des Blonden. Der Schmerz war gering und doch keuchte der Unglückliche auf.
"Schnauze! Geh!" - "Mal nicht so unfreundlich, Alter."
Als Antwort wurde ihm der Lauf der Pistole weiter in den Rücken gestoßen.
Gezwungenermaßen setzte Joey Wheeler einen Fuß auf den anderen, auf seine Chance wartend.
Doch diese kam nicht.
Auch weiterhin wurde er von seinen Entführern begleitet, entlang der Eingangshalle, die Wendetreppe hoch bis hin zu einer großen Tür vor der er zum Stillstand gebraucht wurde.
Joey wartete ab, die drei Männer wechselten einige unverständliche Worte untereinander, während die Pistole immer noch an seinem Rücken verharrte.
Nun wurde die Tür, vor der ist standen geöffnet und Joey unsanft reingeschubst. Warme Wohligkeit des Raumes, die durch Licht und Heizung verursacht wurde, umschlangen Joey´ s Körper.
Wieder war er in der Villa der Kaiba- Brüder und wieder war er durch den Regen nass geworden.
Und auch dieses Mal hatte er ein ungutes Gefühl.
Dieses verstärkte sich, als er das Zuschließen der Tür hinter ihm hörte und am Kamin, welcher sich parallel zu ihm befand, eine Gestalt sich umdrehen sah.
Was Joey an der Sache gefiel, waren zwei Sofas, die sich zum sofort einschlafen anboten und ein gläserner kleiner Tisch zwischen ihm und dem Mann, dem er vor gar nicht langer Zeit seine Faust ins Gesicht gerammt hatte.
Joey blieb an der Tür stehen, umfasste mit der rechten Hand hinter seinem Rücken den Türgriff und drückte ihn langsam nach unten. Als er bemerkte, dass sich die Tür dadurch nicht öffnen wollte, drehte er sich blitzartig um und drückte nun mit beiden Händen den Griff nach unten.
"Mach dir keine Mühe. Sie ist verschlossen."
Joey drehte sich um, es einsehend, das unnötiges Rütteln am Griff ihn aus dieser Situation auch nicht retten würde.
Angespannt und seine Sinne geschärft, starrte er auf Kaiba. Dieser verließ seine Position am Kamin, nahm etwas von der oberen Ablage und schritt gemächlich auf eines der Sitzgelegenheiten zu. Ruhig setzte er sich auf ein Sofa rechts von Joey´ s Seitenblick und legte sieben kleine kegelförmige Eisengegenstände vor sich auf den gläsernen Tisch.
Joey weitete seine Augen, jetzt verstand er auch, was Kaiba in der Hand hielt.
Unruhig schaute er sich im Raum um.
Sie waren allein, keiner der Männer, die Joey in der Wohnung seines Vaters überrascht hatten und herbrachten, hatten diesen Raum betreten.
Zu seiner linken standen Regale mit Büchern, Lexika und kleine Büsten von Persönlichkeiten der Geschichte, wie Albert Einstein und Isaac Newton.
So wie die Räume der Villa, die er bereits gesehen hatte, war auch dieser groß und komfortabel.
Joey fragte sich, was Kaiba in so einem gemütlichen Raum wohl machte. Vielleicht nahm er sich die Zeit, um ein Buch zu lesen oder hier seine ungebetenen Gäste zu erschießen...
Wie witzig der Blonde diese Vorstellung noch vor ein paar Minuten gefunden hätte, so ernst erschien sie ihm jetzt.
Krampfhaft ballte er seine Hände zu Fäusten und sah zu, wie Kaiba die metallenen Kugeln eine nach der anderen in die Trommel der Pistole schob.
Das Feuer im Kamin tanzte leidenschaftlich weiter.
Kaiba wandte seinen Blick von der Pistole und deren Inhalt ab und sah zu Joey´ s ahnenden Blicken.
Uninteressiert dessen, was der junge Mann gerade dachte, fuhr er mit dem Füllen des schwarzen Gegenstandes fort.
"Setzt dich."
Mit einer Handbewegung verstärkte er seinen Wunsch und zeigte auf das Sofa gegenüber dem Tisch, welches sich links von Joey befand.
"Wenn du keine Dummheiten machst, werde ich darauf verzichten, dich zu erschießen." - "Du hast sie wohl nicht mehr Alle! Erst lässt du mich hierher bringen und dann drohst du mir auch noch!" Kaiba lies sich von seinen provokativen Worten nicht abschrecken, schob stattdessen die letzte Kugel auf ihren Platz, klappte die Trommel ins Innenleben der Pistole und zielte auf den Blonden.
"Setzt dich."
Der Blonde traute Kaiba nicht zu, abzudrücken, doch wollte er nichts riskieren, da dieser bereits ohnehin zu weit gegangen war.
Auf das ihm zugewiesene Sofa gehend, überlegte er, was der Leiter der Kaiba Corporation und der arroganteste Mensch, den er kannte, von ihm wollen könnte.
Das Peitschen des Regens und das unaufhörliche Heulen des Windes verstärkten sich von Minute zu Minute immer mehr. Schwache Blitze flackerten in der Ferne auf und zogen leises Grollen hinter sich her.
Joey setzte sich, sein Blick von Kaiba nicht abwendend.
Langsam zog er seine blaue Jeansjacke aus, da diese nur hinderte und durch die Nässe zum Bewegen unpässlich wurde.
Joey würde sich wehren, falls der junge Mann vor ihm einen Versuch starten würde, ihn zu erschießen.
Die Jacke auf den Rücken des Sofas legend, stellte Joey zu seiner Überraschung fest, dass Kaiba seinen schwarzen Begleiter auf ein Kissen neben sich ruhen ließ, seine Arme vor der Brust verschränkte, so wie er es öfters tat und sein rechtes Bein auf das Linke legte.
Seine kalten Augen ruhten teilnahmslos auf Joey.
"Und was willst du, Alter?" Auf eine Antwort hoffend, verzog Joey leicht sein Gesicht. Er konnte sich nicht vorstellen, was Kaiba von ihm wollte, außer Rache.
Joey überlegte nicht lange und stimmte sich selbst zu, dass Kaiba seinen Angriff nicht so schnell vergessen würde.
Mal davon abgesehen, dass er zu viel wusste.
Joey´ s Augen weiteten sich ein wenig.
Panik stieg in ihm auf.
"Hey! Wenn du- " - "Wheeler, halt deine vorlaute Klappe und höre mich an!" - "Dann sag´ auch mal was!" Wieder trat stille ein.
Joey musterte sein Gegenüber.
Nichts schien zu verraten, weshalb er hier war und was Kaiba mit ihm vorhatte.
"Ich habe mich dazu entschieden, dass du mir bei meinem Drogenentzug helfen wirst."
"WAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAS?
Ich krümme mir keinen Finger für dich! Und außerdem..."
Joey´ s Nervosität, die er am Anfang spürte und die bislang geblieben war, verschwand nun vollkommen. Jetzt fand er die beste Gelegenheit, Kaiba unter Druck zu setzten. "Ich könnte mit dieser kleinen Geschichte zur Presse gehen, dann bist du nicht mehr so toll, wie alle glauben!"
Sein Lächeln verschwand jedoch so schnell wie es gekommen war, denn Kaibas Mimik änderte sich in keiner Weise, was der Blonde sehr bedauerte.
Er hatte gehofft, endlich zu punkten und Kaibas sichere Mine verschwinden sehen.
"Du vergisst, dass Menschen käuflich sind..."
Noch bevor Seto Kaiba seinen Satz zuende bringen konnte, schrie Joey schon los.
"NEIN!"
Er wusste, dass Kaiba recht hatte, er kannte selbst die Presse und all die anderen, die für Geld alles tun würden.
Er hasste solche Menschen.
Nun brüllte Joey.
"Auch wenn du der letzte Mensch auf der Welt wärst, ich würde dir nicht helfen!" Er fühlte die Wut in sich aufsteigen. Kaiba entschied über sein Leben, ohne ihn auch nur gefragt zu haben.
"Du hast keine andere Wahl, Wheeler." Bei diesen Worten schaute Joey auf die Pistole, die immer noch auf dem Kissen ruhte.
Draußen durchzog ein heller Blitz den Himmel.
Leise sprach Joey die Worte aus, die ihn schon am Anfang ihrer "Unterhaltung" beschäftigten. "Willst du mich erschießen?"
Kaiba riskierte ebenfalls einen kurzen Blick auf die Waffe, dann grinste er jedoch. "Ich werde dich wegen Körperverletzung anzeigen.
Der Tod ist zu gut für dich."
Joey konnte seinen Worten keinen Glauben schenken. Wieder einmal trieb ihn dieser Mann in den Wahnsinn.
Joey begriff nicht, warum Kaiba es immer auf ihn abgesehen hatte.
Er stand auf, sitzen konnte er nicht mehr, seine verstörten Blicke ruhten auf Kaiba und seinem kalten Blick. Leise hauchte er, fast in sich hinein.
"Das kannst du nicht..."
"Ich habe alles Recht dazu und einen Zeugen ebenfalls."
Joey sah zu, wie Kaiba vorsichtshalber die Pistole in die rechte Hand nahm und auf ihn zielte.
Der Blonde begriff.
Kaiba hatte angst,
angst,
wie vor einem wilden Tier, das ihn angreifen könnte und seine Welt dadurch durcheinander brachte.
Und er traute Kaiba zu, das er vor Gericht ging.
Nach seiner Aktion würde Mokuba ganz sicher nicht auf Joey´ Seite sein.
Er hielt zu seinem Bruder.
Immer.
Nun blieb Joey auch nicht anderes übrig, als alles zu verstehen.
Kaiba hatte alles gut durchdacht.
Und es war auch egal, ob sich Joey einen Anwalt leisten konnte oder nicht.
Kaiba würde gewinnen und er verlieren, alles sprach gegen ihn.
Die Wahrheit erst recht.
Joey, der aufgestanden war, sah sich nun gezwungen wieder zu setzen und den bitteren Geschmack der Realität zu spüren, starrend auf den gläsernen Tisch.
Kaiba lies ihm Zeit, um zu begreifen.
Nach einer langen Pause, in der Kaiba die Pistole sinken gelassen hatte, sie aber dennoch in der Hand hielt, hörte er Joey leise flüstern.
"Und wieso gerade ich? Wie stellst du dir das denn vor?" - "Du bist der einzigste, der es weiß und dabei sollte es auch bleiben." Der Blonde starrte immer noch auf den gläsernen Tisch, begreifend, das Kaibas Kontakte zu Drogendealern unter der "Kategorie" Mensch nicht zählten.
Er wollte also nicht, dass es jemand erführ. Erst recht niemand, der einen Vorteil daraus ziehen könnte oder jemand,
den diese Wahrheit verletzten würde...
Joey´ s Blicke galten nun Kaiba, der ihn ebenfalls ansah.
Sein Blick war steif und ernst.
Gequält richtete Joey seine Haltung auf und versuchte Kaibas Fassade zu durchschauen.
Es fiele ihm schwer zu begreifen, dass der Rivale seines besten Freundes und die stolzeste Person, als die er ihn schon von Anfang an kannte, von Drogen abhängig war.
"Ich kann dir nicht helfen. Ich wüsste auch nicht wie." - "Das wirst du aber müssen. Du hast keine andere Wahl. " - "Aber Kaiba! Ich bin dazu nicht ausgebildet, wer weiß ob es richtig ist, was ich tue." "Ich setzte mich auf Entzug, beseitig alle Drogen aus dem Haus und du siehst zu, dass ich nicht in Versuchung gerate." - "Das stellst du dir alles so einfach vor. Du muss in eine Klinik, wo du betreut wirst!"
"Du wirst mich betreuen, solange es nötig ist."
Joey sah verkrampft und überrascht auf Kaiba.
"Tag und Nacht?"
Er wollte lachen, doch das Gefühl, das Kaiba es ernst mit ihm als Helfer meinte, blockierte seinen Lachmuskeln.
Die ersehnte Antwort bliebe aus, stattdessen wanderte der kalte Blick des Konsumenten auf das knisternde Feuer, welches durch eingelagerte Kohle im Inneren von neuem entfachte.
Joey konnte seine eigenen Gefühle nicht einordnen,
er wurde von einem Tag auf den Tag gezwungen ihm zu helfen, obwohl er sich immer sicher war, das Kaiba ihn nicht ausstehen konnte. Joey gestand sich selbst, dass Kaiba auf ihn einen anderen Eindruck machte als sonst.
Er wünschte sich, Kaiba hätte gefragt, anstatt ihn gezwungen, doch wusste der Blonde, das es nicht seine Art war.
Joey überlegte wie schwer es für ihn werden würde, da sein Stoffwechsel mehr oder weniger sich der Droge angepasst haben musste.
Er wusste, Kaiba würde es unangenehm fallen, vor ihm in Angstzuständen auszubrechen, ihm zu sagen wie schlecht es ihm ging.
Er wusste auch, dass Abhängige den Bezug zur Realität verlieren und nur noch auf Suchtbefriedigung fixiert sind. Aber Kaiba machte auf ihn nicht den Eindruck, als habe er seine Seele daran verkauft.
Joey sah auf.
Alles wirkt wie eine Fassade, hinter welcher er sich versteckt und die er auch seinem Bruder vorspielte.
Er schaute auf Kaiba, dessen Blick immer noch auf dem Kaminfeuer ruhte und wandte ebenfalls seinen Kopf, um das elegante Tanzen des Feuers zu betrachten.
War es überhaupt für ihn, der niemals Drogen genommen hatte und kaum eng damit zu tu bekam, überhaupt möglich, zu helfen?
Joey biss sich auf die Unterlippe.
Er fühlte, er wollte ihm helfen, so gut er konnte.
Auch wenn er seine eigenen Gefühle zu dieser Entscheidung nicht ganz verstand.
Er wollte wieder den Kaiba zurück, der er einst war,
auch wenn er
ihn hasste.
"Du wirst gleich jetzt anfangen." Kaibas kalte, monotone Worte rissen Joey aus seinen Gedanken.
Überrascht sah er in seine saphirblauen Augen, die nach Verständnis und Hilfe suchten...
