Verloren

Wer kämpft kann verlieren, wer nicht kämpft hat schon verloren.


Auf den Straßen wurde gefeiert. Fröhlich riefen die Menschen den Namen ihres Erretters in die Welt und dankten ihn für seine große Tat.

An jeder Hausecke wurden die Gläser erhoben, überall sprach man von nichts Anderem.

Gelächter hallten durch die Gassen und die Menschen, die nichts damit zu tun hatten, schauten sich verwundert nach den in Roben gekleideten Leuten um.

„Sind denn heute alle verrückt?", einen schmallippige Frau mit langem dünnen Hals schaute aus dem Fenster und schnaubte. „Alle nicht mehr ganz dicht, so was sollte eingesperrt werden!"

Er etwas beleibter Mann stimmte ihr mit einem Grunzen zu.

Solche und Ähnliche Gespräche waren wohl genauso wenig ungewöhnlich, wie die seltsamen Leute mit ihren bunten Roben und den Spitzhüten. Die Einen wussten, warum sie sich freuten, die Anderen wussten es nicht.

Doch die Feiern gingen weiter.

„Kinder, ihr könnt euch freuen. Es ist endlich vorbei." Miss. Weasley lächelte ihre Kinder an und die lachten zurück.

Es wurde gegessen, gelacht. Keiner machte sich Gedanken um die Konsequenzen, die dieser ‚Sieg' mit sich gebracht hatte. Keinen schien es zu interessieren, was mit ihrem Retter geschehen war.

Keiner?

An einer ganz anderen Ecke Londons, schaute jemand aus dem Fenster. Silberblonde, Haare fielen ihm glanzlos und strähnig ins Gesicht.

Vorgestern wurde die Nachricht verbreitet. Viel später als beim letzten Mal. Schon seltsam…

Er konnte nicht begreifen, wie man sich darüber freuen konnte. Wie konnte man sich über den Tod eines –oder zweier?- Menschen nur zu freuen?

Er empfand an diesem Tag keiner Freunde, wollte niemanden sehen, denn sein Hass richtete sich gegen alle, die lachten und fröhlich waren.

Verzweifelt schüttelte er den Kopf, unterdrückte die Tränen. Das so etwas jemals passieren würde? Er, gerade ER, weinte. Weinte um seinen eigentlich Feind und konnte sich nicht damit abfinden, dass alle sich über das Ende des Krieges freuten.

Jemand klopfte an der Tür.

„Lass mich in Ruhe!", kam es monoton. Er hatte es in den letzten Tagen schon zu oft gesagt.

Die Tür öffnete sich. „Ich habe gesagt du sollst mich in Ruhe lassen." Leise gesagt, aber diesmal mit Bestimmtheit.

Jemand kam durch die Dunkelheit des Zimmers auf ihn zu. „Ich habe gesagt du sollst mich in RUHE LASSEN!" er war laute geworden und wütend drehte sich um, funkelte den Jungen in seinem Zimmer bösartig an. Momentan war er zum töten bereit, sein Hass füllte ihn aus.

„Schiiht…!" Arme umfingen ihn und er begann um sich zu schlagen, hätte fast zugebissen, doch die Arme verschwanden nicht, spendeten weiterhin Geborgenheit. Nicht die, die er ersehnte, aber es reichte wohl aus. Sein Körper wurde weich. Er konnte nicht mehr. „Er ist nicht tot. Ganz sicher nicht. Nur weil sie seinen zerbrochenen Stab gefunden haben, ist er noch nicht tot."

„Und wenn doch? Ich will nicht mehr." Er konnte die Tränen nicht zurückhalten, sie flossen einfach so ohne dass er es verhindern konnte. Eine Hand strich sanft seinen Rücken auf und ab. Immer wieder und er konnte die Schluchzer, die seine ausgetrocknete Kehle empor krochen, zurückhalten. „Ich kann nicht mehr."

„Ich weiß, Draco. Ich weiß…!"

Und noch während die beiden Jungen trauerten wurden in der ganzen Welt die Gläser erhoben.

„Auf den Jungen, der lebte…!"

„Wie kannst du es wagen?", Draco brüllte sein Gegenüber förmlich an. Wie konnte…

„Aber ich bitte sie doch nur um ein Interview. Wie sehen sie es, dass der-dessen-namen-nicht-genannt-werden-darf, endlich besiegt ist? Was fühlen sie? Wut, Trauer, Erleichterung? Sie waren schließlich mit davon betroffen…" Er konnte nicht ausreden, da der blonde Mann schon seinen Zauberstab gezogen hatte.

„Wage es nicht einmal mich darauf anzusprechen und sich zeige dir, wie sehr ich davon betroffen war. Und nun RAUS! RAUS AUS DIESEM ZIMMER!"

Durch seine Wut, stoben Funken aus seinem Stab, die Tür schwang mit einer Bewegung seiner Hand auf und der Mann wurde durch die Wucht seiner, durch Hass, materialisierten Magie aus dem Zimmer geschlossen.

Keuchend ließ er die Tür wieder zufallen. Er konnte sich nicht konzentrieren. Sein Kopf war wie leer gefegt, nur ein Gedanke war darin Platz. Er wollte zu ihm, ihn wieder sehen.

„Ich KANN einfach nicht mehr!" Unruhe breitete sich in dem jungen Körper aus. Er musste etwas tun. So konnte das doch nicht weitergehen. Es konnte einfach nicht.

Die letzten zwei Wochen waren hart gewesen. Immer wieder wollten ihn Leute interviewen. Der Orden war auch nicht besser. Alle sprachen ihm ihr Bedauern zu, doch konnte er in ihren Augen nichts dergleichen sehen.

Dumbledore hatte ihn vor zwei Tagen, nachdem er sein Zimmer wieder verlassen hatte, zu sich bestellt. Sein bester Freund Blaise wollte ihn anfangs nicht gehen lassen, doch Draco hatte sich von ihm losgerissen und war zu seinem ehemaligen Schulleiter gegangen. Er hatte gehofft Antworten, einen Ausweg vielleicht, irgendwas dergleichen zu finden.

Doch das Ergebnis dieser Unterredung war ernüchternd gewesen.

Ich kann dich verstehen mein Junge. Für keinen von uns ist es einfach, seinen Tod hinzunehmen, doch sie es ein. Wir alle wussten, was ihn erwartete. Es war von Anfang an, nicht sicher, ob er es überleben würde" Der Schulleiter schaute bedauernd auf Draco nieder.

Dieser hatte bis eben seinen Blick zu Boden gewendet, doch nun schaute er den Direktor abrupt in die Augen. Sie sprühten Funken und glitzerten mörderisch.

Was sagen sie da? Sie hatten ihn also schon abgeschrieben? So nachdem Motto ‚Macht ja nichts. Wir wissen ja eh, dass er das nicht überlebt. Aber hey, dafür können wir weiterleben. Lassen WIR IHN DOCH EINFACH INS SEINEN TOD RENNEN!'" Draco holte Luft und fuhr fort. „Haben sie sich das so gedacht? War es das?"

Jetzt wollte er es wissen und schaute den alten Mann böse an. Doch dieser gab keine Antwort, nur ehrliche Trauer schlich sich in die alten Augen.

Das reichte Draco als Antwort.

Wagen sie es nie wieder mich zu sich zu bitten, anzusprechen oder überhaupt zu kontaktieren. Ich will nichts mehr, GAR NICHTS MEHR, mit ihnen, dem Orden und diesen Menschen, die seinen Tod einfach so wegstecken, weil sie es ja GEWUSST haben, zu tun haben." Er drehte sich um und sein Mantel rauschte hinter ihm her.

Die Tür viel laut krachend ins Schloss.

Oh ja und seitdem wurde er auch nur einmal noch von dem Greis angeschrieben.

Draco hoffte der Fluch, der auf dem Heuler gelegen hatte, würde dem Kerl eine Lehre sein. Scheinbar war es ihm auch eine, den es kam nie wieder ein Brief. Er hatte den Kontakt zu diesem beschissenen Orden abgebrochen und er würde die Verbindung auch nie mehr nutzen.

Er konnte nicht anders. Alles erinnerte Draco an IHN. An Harry. Das erste Mal, das er den Namen wieder gedacht hatte, seit der ‚Siegesfeier'.

Hermine und Ron, Harry's angebliche Freunde, waren ihm einmal in der Winkelgasse begegnet. Sie waren lachend und Hand in Hand durch die Straßen gegangen.

Er hatte ihnen ein paar Saftige Flüche auf den Hals gehetzt, die in Kombination wirklich nicht zu verstehen schienen.

Ob die die weißen Eiterpickel am Hintern wohl schon losgeworden waren? Oder ob der Dauerklebefluch dies verhindert hatte?

Sicher war er sich nicht und er hatte Glück gehabt, dass anscheinend niemand bemerkt hatte, dass er die Flüche abgeschickt hatte.

Das hätte sicherlich Konsequenzen für ihn gehabt.

Aber da die Menschen dem Frieden immer noch nicht trauten, war die gesamte Gasse in Panik verfallen und Draco konnte sich ungesehen aus dem Vorfall zurückziehen.

Blaise hatte in seiner Wohnung schon auf ihn gewartet und ihm eine saftige Standpauke erteilt. Der Artikel am nächsten Morgen war auch nicht sehr berauschend gewesen.

Glaubten die wirklich, ein Todesser würde solche Kinderflüche benutzen? Lächerlich, einfach lächerlich…

Doch so lächerlich das Ganze auch war, es war trotzdem nicht zum lachen.

Langsam packte Draco seine Sachen zusammen. Es waren einfache, schon häufig getane Bewegungen. Er brauchte nicht darüber nachdenken, doch selbst wenn er es gewollt hätte. Seitdem Harry Potter offiziell als tot galt, war sein Körper taub. Er spürte nichts mehr, nur noch grenzenlosen Hass und tiefe Trauer.

Warum waren sich auch alle so sicher, dass er tot war? Nur wegen dem zerbrochenen Stab? Oder dem letzten Fluch, den der dunkle Lord gesprochen hatte? Der, der sein Opfer elendig verbrennen ließ, bis nichts mehr übrig war?

Vielleicht… Aber vielleicht war er auch noch am leben? Noch immer war Hoffnung in Draco, auch wenn sie noch so klein und sinnlos war.

Unter dem Berg aus Verzweiflung und Aussichtslosigkeit befand sich immer noch die Hoffnung, dass er es doch geschafft hatte.

„Was hast du vor?" Blaise schaute skeptisch auf seinen blonden Freund, welcher in aller Eile seine Sachen zusammen suchte. Überall um ihn herum flogen Klamotten in die Koffer, einige Bücher wurden klein gehext und alles verschwand in einem einzigen Koffer, welcher innen magisch vergrößert war.

„Ich knabbere viereckige Kekse rund. Wonach sieht's den aus? Ich packe!", erwiderte Draco gereizt. Immer wieder dämlichen Fragen.

„Ne, wirklich? Hab ich jetzt nicht gedacht.", schoss Blaise ebenso wütend zurück. Er konnte seinen Freund verstehen. Irgendwo konnte er ihn verstehen, aber er konnte es nicht nachvollziehen. „Aber WARUM? Verdammt Dray, ich mach mir Sorgen um dich. Seit er nicht mehr da ist, bist du völlig von der Rolle!" Der Mann strich sich einige schwarz violette Haarsträhnen aus dem Gesicht.

Erschöpf ließ sich Draco auf das Bett sinken und sah müde zu seinem Freund aus. Seine Sachen waren gepackt…

„Ich packe. Ich will nicht länger hier bleiben. Meinen Job habe ich vor-„ er schaute auf den Wecker „drei Stunden gekündigt. Die Wohnungsurkunde läuft nächste Woche aus und ich habe nicht vor sie zu verlängern." Er streckte sich und ließ seine Knochen knacken. Sein Körper litt, genau wie seine Seele. Er aß kaum noch, trank nicht und pflegte sich auch weniger, als früher. Als er das letzte Mal in den Spiegel geschaut hatte, sah er einfach nur beschissen aus, wie ihm Blaise und sein Spiegelbild bekräftigten. Langsam stand er auf und ging auf eine Truhe im hintersten Raum des in Silber gehaltenen Schlafzimmers zu.

Leise murmelte er einige Zauber, löste die Flüche, die auf dieser Truhe ruhten.

Endlich sprang sie auf und öffnete den Blick auf einen kargen Inhalt. Ein altes Stück Pergament, einen zerbrochenen Spiegel, einige Schul und Quidditch Bücher und einen alter Umhang. Ehrfürchtig betrachtete er die wertlos erscheinenden Wertgegenstände. Plötzlich viel sein Blick auf einen weiteren kleinen Stapel Pergament und eine eingetrocknete Lilie.

Er hatte es tatsächlich aufbewahrt. Ungläubig schüttelte er den Kopf und griff nach den Pergamenten und der Lilie, ließ seine Finger vorsichtig darüber streichen, als hätte er Angst, das Beiden sich in Luft auflösen könnte, würde er nur ein wenig grober sein.

Er hatte Harry die Blume einst geschenkt und auch waren es seine Briefe, die er dem Gryffindor gegeben hatte.

An meinen Engel,

Es tut mir Leid, dass sie dich so schlecht behandeln. Ich wünschte ich könnte bei dir sein, doch bei mir ist die Hölle los. Ich stehe unter ständiger Überwachung und wenn ich noch einmal einen Hauselfen in meinem Zimmer rumschnüffeln sehe, dreh ich durch.

Alle sind sehr aufgeregt durch die Bekanntgabe der Todesser und auch, das mein Vater unter ihnen ist. Außerdem habe ich den Eindruck, jemand weiß von dir und mir. Es vielen in der letzten Zeit so komische Andeutungen.

Ich werde sobald es geht wieder mit dir Kontakt aufnehmen und dann alles erklären. Ich hoffe der Zeitpunkt ist nicht mehr fern.

In Liebe Draco

Oh ja, er erinnerte sich noch gut an die Zeit. Es war wirklich die Hölle los gewesen. Ständig waren irgendwelche Todesser treffen, sein Patenonkel Severus Snape stand unter Verdacht ein Spion zu sein –was sich am Ende ja auch bewahrheitet hatte, Draco wollte darüber nicht weiter nachdenken- und auch kam das Gerücht auf, das Draco sich mit dem Feind verbündet hatte. Irgendjemand hatte sie gesehen und Draco knurrte immer noch, wenn er daran dachte. Dieses Mädchen, Pansy Parkinson, welches ihm in der Schulzeit, wie so viele Andere auch, nachgelaufen war, hatte scheinbar in seinen Sachen gewühlt und einige Dinge herausgefunden.

Doch später musste Draco erfahren, dass dies scheinbar glänzend in die Pläne Voldemorts gepasst hatte. Er sollte dafür sorgen, dass Harry entweder auf ihre Seite kam oder zu einem seelischen Frack wurde. Draco hatte sich gewehrt und nur durch seinen Patenonkel hatte er fliehen können. Severus starb noch am selben Abend durch die Hand seines besten Freundes und Draco's Vater, Lucius Malfoy.

Draco hatte es seinem Vater nie verziehen und so schlug er sich auf die Seite des Phönix Ordens, auch wenn er lieber neutral geblieben wäre. Dort kam auch ziemlich schnell raus, der er seit dem sechsten Jahr etwas mit Harry hatte…

An meinen Geliebten,

Es ist grausam hier, ohne dich.

Ständig kommen Mitglieder des Ordens ins Haus und wecken die alte Vettel auf. Lächerlich, das Dumbledore sie nicht schon abgehängt hat. Ich hoffe es geht dir gut und sie behandeln dich ordentlich. Sollte dies nicht der Fall sein, sag sofort bescheit und ich hol dich persönlich da raus, Gesetz hin oder her. Sollen die mal versuchen mich aufzuhalten, das möchte ich sehen.

Ich vermisse dich,

in Liebe Draco

Tränen drängten sich wieder in seine Augen. Entschlossen packte er die Sachen wieder zurück. Er wollte darüber nicht nachdenken.

Mit einigen Sprüchen versiegelte er die Truhe wieder und richtete seinen Blick auf, Blaise, welcher immer noch im Raum stand.

„Ich werde ihn suchen. Ich glaube nicht an das, was alle Welt erzählt." Er schnippte mit dem Zauberstab und die Truhe wurde klein und flog zu den Anderen Sachen in den Koffer.

„Ich komme mit dir!", erwiderte Blaise entschlossen und ohne zu zögern. Ein lächelte leicht.

„Glaub nicht, dass du mich so schnell loswirst. So nicht mein Lieber."

Er winkte hinter sich und es tauchte ein zweiter Koffer auf. „Und da ich mir eine solche völlig überraschende Aktion schon gedacht habe, hab ich mir erlaubt zu packen."

Rumpelnd fuhr der Zug los und die Beiden Männer ließen alles hinter sich.
Natürlich hatte Draco protestiert, geschimpft, geschmollt und war am Ende sogar zu Gewalttaten bereit gewesen, doch sein Freund ließ sich nicht davon abbringen.

Auf die Frage wohin sie den eigentlich wollten, hatte Draco nur gegrinst und gemeint, wenn Blaise sich unsicher wäre, was Draco's Planungen anginge, könnte er genauso gut auch hier bleiben. Drauf hin war der Schwarzhaarige ruhig gewesen. Und so saßen sie nun in einem Zug, auf dem Weg in Richtung Schottland. Draco hatte sich alles noch mal durch den Kopf gehen lassen.

Der Kampf von Voldemort und Harry war nahe der Grenze gewesen und so wäre es nur gut möglich, dass der Junge es bis über die Grenze geschafft hatte.

Sicher war er sich dessen nicht, aber dies war der Einzige Anhaltspunkt, den sie hatten. Natürlich waren Auroren und Ordensmitglieder auf der Suche nachdem Jungen oder seiner Leiche gewesen.

Draco hatte nachgeprüft. Genau 5 Stunden hatten sie gesucht, anschließend waren alle inklusive Harry's Freunden, der Meinung gewesen, er sei gestorben. Mehr nicht. Der Mann war außer sich gewesen, als er dies erfahren hatte, doch er konnte nichts machen. Für alle war der-Junge-der-lebt, nur mehr der-Junge-der-lebte.

Eine Sache die er niemals nachvollziehen konnte. Sein Blick wanderte durch das Abteil. Es war nicht zu vergleichen mit denen im Hogwartsexpress. Viel kleine und ungemütlicher. Auch fehlten die verborgenen Schmiererein und die Brandflecken auf den Bänken und Abstelltischen. Es war nicht dasselbe.

Er hatte nur Glück, das Harry ihm in ihrer Zeit des Zusammenseins, viel über Muggel und deren Angewohnheiten beigebracht hatte, sonst hätten sie keine Chance gehabt, unbemerkt zu verschwinden.
Er hoffte nur, das es Hedwig, welche seit dem ‚Tod' von Harry verschwunden war, gut ging. Sein Freund hatte sehr an der Eule gehangen und dass sie nun verschwunden war, hieß entweder, dass ihr Besitzer tot war und sie nun frei lebte oder, dass sie ihn suchte und vielleicht auch fand.

Kopf schüttelnd schaute Draco auf seinen schlafenden Freund.

Blaise… Auch wenn er Anfangs stark dagegen war, immerhin war es ein völlig Blödsinniges Unterfangen, wie er selber wusste. Jetzt war er froh, dass sein Freund mitgekommen war.

Zumindest war er nicht alleine.

Sein Blick glitt wieder aus dem Fenster. Landschaften zogen an ihm vorbei, wie Schemen.

Alles verschwommen und unklar.

Jeder Außenstehende würde die Landschaft als schön bezeichnen. Nur er nicht.

Langsam ließ er seinen Kopf gegen die kühle Scheibe sinken. Die Kälte beruhigte seine aufgebrachten Gedanken.

Wie lange mussten sie eigentlich reisen? Draco war sich nicht sicher. Sie waren ja auch sehr überstürzt aufgebrochen und hatten sich nicht weiter darum gekümmert.

Nein, das heißt eigentlich war Draco aufgebrochen und hatte sich um nichts geschert. Blaise war ihm lediglich gefolgt.

Wieder bewunderte er die Treue seines Freundes. Schon damals hatte er bedingungslos an seiner Seite gestanden. Auch nachdem er ihm seine Beziehung zu Potter gestanden hatte.

Draco schluckte lautlos.
er erinnerte sich noch genau daran, wie er sich gefühlt hatte, nachdem er feststellen musste, dass er sich in Potter verliebt hatte.

Anfangs fand er es absurd. Eine blöde Schwärmerei alla „Wer wollte nicht mal irgendwann etwas von Potter". Er war sich sicher, dass so manch einer der Todesser solche Gedanken hatte.

Später, als er es nicht mehr vor sich verleugnen konnte, versuchte er es als bloße Verliebtheit abzutun. Als etwas, was kam und irgendwann wieder verschwand.

Doch es verschwand nicht. Im fünften Jahr gab er sich alle Mühe, Harry noch mehr zu hassen. Mit aller Kraft die er noch hatte.

Es war vergebens.

Als er ihn dann ein paar Wochen später in den Sommerferien gesehen hatte, war ihm fast das Herz stehen geblieben. Der einst übermütige und freundliche Junge war ein seelisches Frack gewesen.

Das Glitzern aus seinen Augen war verschwunden, jegliche Freude war gegangen. Seine ‚Freunde' hatten es scheinbar nicht bemerkt oder sie scherten sich nicht drum. Hatten wohl genug mit sich selbst zu tun.

So wie jetzt, fügte der ehemalige Slytherin in Gedanken hinzu.

Nach und nach hatte Draco sich mit dem Jungen befasst. Erst vorsichtig, er wollte ihn weder misstrauisch machen, noch überrennen.

Harry hatte ihn anfangs ignoriert, doch nach und nach hatte er Vertrauen zu dem Blonden gefasst, war er doch sonst alleine gewesen.

Später erfuhr Draco auch, warum es ihm damals so schlecht ging. Er hatte zwar Gerüchte von seinem Vater gehört, aber er wusste nichts Genaues.

Harry erzählte ihm alles. Er erzählte ihm von seinen Schuldgefühlen, dass alle nur wegen ihm gestorben waren. Seine Eltern, weil sie ihn beschützen wollten, Cedric, weil er einfach zur falschen Zeit am falschen Ort war, Sirius, weil er ihn retten wollte und all die Anderen, die nur sein bestes wollten.

Jedes Mal war es seine Schuld gewesen, so Harry.

Es hatte lange gedauert, bis Draco ihn vom Gegenteil überzeugen konnte.

Es war sehr schwer gewesen.

Harry wollte sich umbringen eine Zeit lang nahm er Drogen. Draco hatte nichts dazu gesagt, war nur bei ihm gewesen und hatte ihn getröstet.

Irgendwann war Harry wieder einiger maßen auf den Beinen, auch wenn ihm die Kommentare seiner ‚Freunde' teilweise wieder zurückgeworfen hatten.

Draco wusste damals, das er diesen Jungen liebte. Das er ihn immer lieben würde. Jedoch gesagt hatte er es ihm nie. Er wollte nicht verletzt werden und er wollte den Jungen nicht verletzen. Denn das war Harry immer für ihn gewesen. Ein kleiner Junge, den es galt zu beschützen, auch wenn dieser das nicht gerne hörte.

Jedoch kamen sie irgendwann in eine Pattsituation. Draco wusste komischer Weise nicht mehr genau, worum es ging.

Sie hatten, so glaubte er, über Zaubertränke geredet. Irgendwie waren sie dann zum Thema Beziehungen gekommen.

Harry hatte noch nie eine gehabt. Er hatte Angst.

Draco hatte ihn gefragt, warum er Angst hatte.

Harry meinte nur, er hätte Angst vor fremder Nähe. Außerdem hatte er sein Herz schon verschenkt…

Auf Harry's Frage hin, antwortete Draco ihm dasselbe.

Harry schwieg auf seine Antwort…

Draco erinnerte sich noch genau daran. Er war so traurig gewesen, als Harry ihm das erzählt hatte.

Ich liebe jemanden ja.", antwortet der Schwarzhaarige. „Aber dieser Jemand… Ich werde ihm wohl nie so nah kommen, wie ich es gerne will." Ein bitteres Lächelnd erschien auf den Lippen des Jungen. Draco schaute ihn unverwandt an. Seine Gefühle unter einer Fassade versteckt. In seinem Inneren tobte ein Sturm.

Er wollte nachfragen, wer es sei und setzte an, doch dann brach er abrupt ab.

In den Augen von Harry erschien leichte Enttäuschung. Draco wusste nicht warum, konnte auch nicht weiter darüber nachdenken, denn der Junge begann weiterzureden. „Und was ist mit dir? Seitdem ich dich so kennen, hattest du nie jemanden." Draco wusste das diese Frage kommen würde.

Nun… Ich bin einfach früher als du dazugekommen, mein Herz zu verschenken…", entgegnete er ruhig.

Wer ist es?" Draco schaute sein Gegenüber erschrocken an. Eigentlich hatte er gedacht, sein Freund würde diskreter sein, genauso wie Draco. Schließlich hatte er auch nicht nachgefragt.

Weißt du das nicht?", fragte Draco zurück. Jetzt oder Nie.

Harry schüttelte den Kopf und Draco stand von seinem Sessel auf und ging langsam auf ihn zu. Seine Hand strich die Konturen des Gesichtes nach, ohne ihn zu berühren.

Der, dem ich mein Herz geschenkt habe, ohne das er es bemerkt hat… Das bist du!"

Draco grinste darüber. Wie geschockte Harry damals war. Er war geflüchtet und Draco war sich sicher gewesen ihn für immer verloren zu haben.

Doch dem war nicht so. Wie in einem dieser ekligen Kitsch Romane war Harry wiedergekommen, hatte sich förmlich auf ihn gestürzt. Sie hatten sich geküsst und für Draco war es der Neubeginn gewesen, den er sich immer gewünscht hatte.

Einen Neubeginn, denn er nicht alleine durchstehen musste.

Er hatte schon vorher kein Todesser sein wollen, war sich aber noch nicht sicher gewesen. Er hatte schreckliche Angst vor seinem Vater. Ihn schauderte es immer noch, auch wenn dieser schon lange tot war.

Harry hatte ihn davon überzeugt, ohne etwas zu sagen. Draco war noch am selben Abend zu Dumbledore gegangen und hatte ihm alles erzählt was er wusste. Von dem Zeitpunkt an, war er ein Mitglied des Ordens gewesen, von dem er vorher nur Gerüchte gehört hatte.

Seine Beziehung mit Harry war dagegen etwas Anders verlaufen. Der Junge war sehr schüchtern gewesen, hatte Angst gehabt. Nur die Jahrelange Vorarbeit von Draco war es zu verdanken, das Harry dennoch zutraulich zu ihm gewesen war.

Erst ein ganzes Jahr später, ihre Beziehung war ein öffentliches Geheimnis gewesen, hatte er sich offiziell zu Draco bekannt, ihn vor versammelter Mannschaft geküsst. Noch am selben Abend hatten sie das erste Mal miteinander geschlafen.

Wie schüchtern er gewesen war und wie die Augen Draco ängstlich gemustert hatten, als er angefangen hatte ihn zu streicheln.

Bevor Draco wusste, das er Harry liebte, hatte er viele Affären gehabt. Er hatte sich jeden oder jede genommen, die er haben wollte. Immer nur war er auf sich bezogen.

Ein purer Egoist. Doch bei Harry war es etwas anderes.

Jetzt wusste er, warum die Menschen die sich liebten nie sagten, dass sie vögelten, Sex hätten oder ähnliches. Nein, sie sagten immer „sie liebten sich". Er hatte das für Kitsch gehalten, für eine schöne Darstellung. In dieser Nacht wurde ihm wirklich bewusst, was sie damit meinten.

Sie meinten das Reingefühl von Liebe. Das, wonach sich jeder sehnte, auch wenn er es verleugnete.

Das Brennen, welches das Herz zu verschlingen drohte es auffraß und aus der Asche neu erstehen ließ. Man starb tausend Tode und lebte hundert Jahre.

Er hatte es begriffen. Er war eins mit dem Menschen geworden, der ihm die Welt bedeutet hatte.

Umso schmerzlicher war es gewesen, als er Harry im Getümmel der Schlacht verloren hatte. Sein Herz wurde ihm aus der Brust gerissen, als die Auroren ihm erzählten er wäre Tod.

Draco hatte geglaubt, er hätte es verlernt zu weinen.

Es war eine Schwäche gewesen, doch nachdem man ihm kalt ins Gesicht gesagt hatte, das sein Freund tot sei…

Es war, als würde seine Seele bluten und ihn Form von Tränen seinen Körper verlassen…

Draco merkte kaum, wie ihm bei den Erinnerungen die Tränen, das Blut seiner Seele, übers Gesicht lieben.

Beschämt wischte er sie weg. Noch wusste er es nicht genau. Noch könnte er am Leben sein.

Er ließ sich tiefer in die Polster sinken. Vielleicht fand er Schlaf, der Weg dauerte noch länger…