Begegnung

Jede Begegnung, die unsere Seele berührt, hinterlässt in uns eine Spur, die nie ganz verweht!

Es war alles so sinnlos. Wie lange waren sie nun schon hier? Ein, zwei Wochen?
Blaise war sich nicht mehr sicher, aber er wusste zumindest, dass diese Suche ermüdend war. Sie hatten ihn immer noch nicht gefunden, geschweige den einen vernünftigen Hinweis. Er hatte es so satt. Dieses Zimmer, welches sie nur mit viel Mühe und harter Zauberei wirklich sauber bekommen hatten, diese immer fröhlichen Leute, denen Blaise gerne mal seine Meinung sagen wollte und überhaupt dieses ganze verdammte Kaff.

Er hatte es so über.

Wütend pfefferte er seinen Mantel in eine Ecke und atmet einmal tief durch, doch wirklich beruhigen tut es ihn nicht.

„Ich halt das nicht mehr aus. Das Ganze kotz mich so was von an. Die haben hier keine Ahnung von nichts! Ehrlich und dann…!" Er hält inne und blickte zu Draco, welche still auf dem Fenstersims sitzt, das Fenster weit geöffnet, mit einer Zigarette in der Hand.

Sicher, er wusste, dass sein Freund mal geraucht hatte, aber das war… vier Jahre her. Er hatte es sich ziemlich schnell wieder abgewöhnt, Harry hatte den Geschmack überhaupt nicht gemocht. Und nun saß er da, mit einer Kippe in der Hand, die scheinbar sogar von den Muggeln stammte und qualmte vor sich hin.

Mit ausladenden Schritten ging der Schwarzhaarige auf seinen Freund zu, entriss ihm die Zigarette und warf sie aus dem Fenster.

Kurz herrschte Still, bis Draco auffuhr.

„Sag mir, was das soll! Das war meine letzte und du Affe wirfst sie einfach aus dem Fenster!", fauchte Draco aufgebracht. Blaise schaute stumm zurück. Er wusste, warum Draco so reagierte. Er war völlig fertig, was man ihm auch ansah.

Seine Haare waren wieder strähnig, tiefe Augenringe zierten sein Gesicht, welches Aschfahl geworden war.

Und auch wenn Draco dachte, sein Freund würde es nicht mitbekommen. Er wusste ganz genau, dass sein Freund mitten in der Nacht aufwachte, von Träumen geplagt (Die Traumlostränke waren schon in der ersten Woche ausgegangen und sie konnten hier keine nachbrauen, da die Materialien fehlten) und irgendwo in die Nacht verschwand. Wenn er wieder kam, roch er nach Alkohol und Rauch.

Wahrscheinlich apparierte er immer in den nächsten Ort um sich dort voll laufen zu lassen. Blaise konnte nichts dagegen tun, irgendwie wollte er auch nicht.

Draco brauchte etwas, was ihn ablenkte. Ablenkte, von dieser verfahrenen Situation. Beide wussten, dass diese ganze Sache sie nervlich runter zog. Sie stritten sich wegen Kleinigkeiten, redeten kaum noch. Ihre Freundschaft wurde auf eine harte Probe gestellt, genauso wie ihre Gesundheit.

„Draco. Hör auf damit, wir finden ihn. Ganz sicher!", flüsterte Blaise und schloss seinen Freund in die Arme. Er wusste, das Draco sich wehren würde, was er auch tat, aber er wusste ebenso, dass es nach kurzer Zeit abebben würde.

Und genau das tat es auch.

„Blaise, ich bin fertig. Er lebt nicht mehr, ich sollte mich wirklich damit abfinden. Ich kann nicht mehr, wir haben jetzt schon zwei Wochen nach ihm gesucht, die gesamte Umgebung abgeklappert, das Einzige, was mir mittlerweile wissen ist, dass es hier mindestens drei Kühe, fünf Bauern und zwölf Schweine gibt, die Harry heißen!" ein trockenes Lachen entwich seiner Kehle.

„Ich weiß. Ich weiß Draco. Aber wir haben nicht schon zwei Wochen nach ihm gesucht, sondern nur zwei Wochen. Oder willst du einfach aufgeben? Damit hätte Dumbledore gewonnen, vergiss das nicht. Willst du ihm diesen Sieg können."

Es entstand eine unangenehme Still und Blaise hatte schon die Befürchtung, Draco würde wirklich aufgeben. Er liebte den Jungen. Oh ja, er liebte den Jungen wie sein Leben, aber was sollte er machen? Er konnte nicht mehr.

Und das lag sicherlich nicht an der Zeit, die sie hier verbracht hatten, sondern einfach daran, dass diese Ungewissheit über den Verbleib von Harry, sie wahnsinnig werden ließ. Draco mehr, als Blaise, wohl gemerkt, aber Draco vertrug auch mehr, als Blaise.

„Nein, Dumbledore hat nicht Recht. Und wenn ich ihn von den Toten wieder auferstehen lassen muss."

„Du solltest Harry nicht als Erfüllung deiner Rache Dumbledore gegenüber benutzen!", tadelte Blaise nachsichtig, während er den blonden Schopf streichelte. Dracos Haare waren immer noch weich und fühlten sich flüssig wie Wasser an.

„Du weißt wie ich das meine?"

„Ja. Und nun mach dich fertig du siehst schrecklich aus, riechst unangenehm und ich denke nicht, dass Harry sehr von dir angetan wäre, wenn er dich so sehen würde." Draco rümpfte die Nase.

„Du willst damit sagen, dass ich stinke?"

„Ich wollte dich nicht verletzen!", lachte Blaise, drückte Draco noch einmal an sich und entließ ihn dann. „Und was die Schweine, Bauern und Hühner angeht… Vielleicht suchen wir einfach nach dem falschen Namen!"

„Dumbledore ist zwar ein Arsch und ein Dreckskerl, aber mit einem hatte er Recht!", meinte Draco, während er aufstand und sein Handtuch suchte.

„Und das wäre?", fragte Blaise verwundert und schloss das Fenster, bevor er sich auf sein Bett fallen ließ und Draco beobachtete.

„Das Granger dir nicht das Wasser reichen könnte, wenn es darauf ankommt!"

Mit diesen Worten drehte er sich um und ging ins Bad.

Blaise schaute ihm hinterher, fragte sich, woher er davon wusste und machte sich anschließend daran ein wenig Ordnung in ihr Zimmer zu bekommen, in welchem überall Klamotten, Karten und Bücher rum lagen.

Sie fuhren mit einem alten Land Cruiser Stadt. Die Landschaft rauschte an Yosh vorbei und innerlich hatte ihn so etwas wie … Aufregung? ergriffen?

Er konnte es das Gefühl nicht ganz einordnen und so schaute er lieber aus dem Fenster. Nicht, dass es da sonderlich interessant war. Alles Grün, bewachsen. Manchmal standen schon Tiere auf den Weiden oder einige Leute ritten auf Pferden die versteckten Reitwege entlang.

„Na Junge? Schon aufgeregt?", fragte Damian. Für ihn selbst, welcher das Land nur ungern verließ, war es immer etwas besonderes, in den Ort zu fahren. Yosh war sich sicher, das er noch nie in einer Stadt wie London war, mit den vielen Häusern, den Trubel und…

Moment.. London?

„Ja, ein wenig!", lächelte er und diesmal war es sogar ein echtes Lächeln.

„Es wird dir sicher gefallen. Warst du schon mal in einer Stadt?", fragte Marie und Yosh horchte auf. Sollte er ihnen von seinen… Visionen? Erinnerungen? erzählen?

„Ähm… ich weiß nicht. London, vielleicht?" Yosh fühlte sich ein wenig unsicher. Er wusste es ja selber nicht mal mehr genau, ob er schon einmal dort gewesen war. Er vermutete es ja nur.

„London Junge? Eine große Stadt. Ich habe einige Bilder gesehen und… Marie, kommt deine Nichte nicht aus London?" Marie nickte.

„Ja, Susan wohnt dort mit ihrem Mann. Ein wenig komisch der Kerl, aber furchtbar nett. Er trägt auch mit Vorliebe solche Umhänge Yosh!", lächelt sie.

„Vielleicht ist es ja Mode in London. Wer weiß schon, was diese Großstädter alles tragen. Sind alle ein wenig verrückt, nicht?", lachte Damian fröhlich. Er schien sehr gute Laune zu haben. Ob es nun an dem Stadtbesuch lag oder daran, das es Yosh seit einer Weile besser ging. „Und vielleicht findest du ja auch was nettes für Alicia? Sie scheint dich wirklich zu lieben Junge!"

„Kann schon sein!" Yosh war dieses Thema irgendwie unangenehm. Hatte er das Mädchen anfangs gemocht, so konnte er sie jetzt nicht mehr ausstehen. Nicht, dass sie unfreundlich war, doch… wie sollte er sie lieben, wenn sein Herz schon längst verschenkt war?
So fühlte es sich zumindest an. Als hätte er sein Herz vergeben, schon vor längerer Zeit.

Ein seltsames Gefühl, wenn man nicht mal wusste, an wen.

Yosh lächelte freundlos, jedoch schob er die Gedanken kurz darauf bei Seite. Er musste aufhören daran zu denken. Hartnäckigkeit war in diesem Fall wohl nicht angebracht, auch wenn er der Meinung war, man würde es von ihm verlangen.

Wie er es mittlerweile hasste, bestimmte Dinge zu ‚wissen', aber den Grund nicht zu kennen.

„Noch eine viertel Stunde!"

Hatte Yosh vorher ins Nichts geschaut und war seinen Gedanken nachgehangen, so nahm er nun seine Umgebung ein wenig bewusster war. Doch der Anblick, der Landschaft veränderte sich nicht sonderlich. Es blieb gleich bleibend grün und ländlich.

Langweilig halt, irgendwie.

Nach einer viertel Stunde, wie angekündigt war, wurde das Auto auf einem kleinen Schotterstreifen geparkt und sie stiegen aus. Eigentlich sah es gar nicht mal so schlimm hier aus. Es gab sogar betonierte Straßen und dieser Ort hatte auch eine Menge Geschäfte. Harry fühlte sich schon ein wenig wohler.

„Na Yosh! Ist doch mal was Anderes, oder?" Yosh nickte kurz und der Wind zerzauste sein schwarzes Haar. Langsam trottete er hinter seinen Gönnern her.

„Blaise?" Draco war aufgeschreckt. Sie saßen gerade in einem kleinen Kaffee und aßen zu Mittag.

„Was ist denn?", fragte der Angesprochene verwirrt. Draco war aufgesprungen, suchte in seiner Tasche nach Geld, pfefferte es auf den Tisch und rannte nach draußen. Völlig überrumpelt ließ Blaise sein Besteck fallen und folgte seinem Freund. Die ungläubigen Blicke des Geschäftsführers ignorierte er.

Nach einer Weile hatte er Draco eingeholt, welcher mitten auf dem Gehweg stand und gerade ausschaute. Verwundert blickte er in dieselbe Richtung, wie sein Freund. Ihm stockte der Atem, er wusste nicht mehr, was er fühlen oder denken sollte. Wie ging es da Draco?

Dieser starrte immer noch gerade aus. Ihm war nach heulen zu mute, so niederschmetternd waren seine Gefühle, gleichzeitig fühlte er sich, als würde er fliegen können.

Emotionen stürmten sein Innerstes, ließen keinen klaren Gedanken mehr zu, überfluteten ihn förmlich.

Er glaubte sich zu täuschen, alles ein grausamer Scherz, welcher ihm seine zerstörte Seele spielte, doch es war Realität. So grausam süß zu gleich.

Harry stand keine fünf Meter von ihm entfernt, schaute ihn ob der plötzlichen Aufmerksamkeit verwundert an.

Draco selbst taumelte einige Schritt auf den Jungen zu, ignorierte Blaises Hand auf seiner Schulter. Die ganze Welt um ihn herum schien verschwommen zu sein, so als würden nur er und der Junge, den er so lange gesucht hatte, existieren.

Ein Knoten hatte sich in seinem Hals gebildet, erlaubte ihm nicht zu atmen. Tränen drängten in seinen Augen und er konnte und wollte sie nicht mehr zurückhalten.

Langsam flossen sie über sein Gesicht, netzen den Boden. Er fühlte sich kraftlos, völlig ausgeliefert, dennoch wurden seine Schritte schneller und ehe er sich versah, hatte er den Jungen dicht an sich gezogen, sein Gesicht tief in den weichen Haaren vergraben. Verzweifelt sog er den liebevollen Geruch ein, als hätte er nie etwas anderes getan, gleichzeitig drückte er den schmalen Körper intensiver an sich, als wolle er ihn nie wieder gehen lassen.

Was wohl auch der nackten, harten Wahrheit entsprach.

Die Sehnsucht, die die ganze Zeit über in seinem Inneren gewütete hatte, die aufgebrachten Gefühle und mit ihr die reine, unendlich tiefe Liebe, dem jungen Mann in seinen Armen gegenüber, all dies, suchte sich ihren Weg nach draußen, versuchte sich Ausdruck zu verleihen.

„Nie wieder, nie wieder gebe ich dich her. Hörst du?", hauchte er verzweifelt und küsste die schwarzen Haare, die er so schmerzlich vermisst hatte.

Yosh kam gerade von seinem Einkaufsbummel wieder. Es hatte ihm Spaß gemacht, all die Sachen anzuprobieren, bis die Beiden endlich zufrieden gewesen waren. Er wollte sich gar nicht ausmalen, was sie für ein Geld ausgegeben hatten. Doch Marie hatte ihm mehrmals versichert, dass er sich darüber überhaupt keine Sorgen zu machen hatte. Es wäre eine Selbstverständlichkeit und er solle sich lieber freuen. Ihnen würde es schon genug Lohn sein, ihn endlich wieder lachen zu sehen.

Nun waren sie auf dem Weg um irgendwo zu Abend zu Essen, doch kaum waren sie in die nächste Straße eingebogen, blieb Yosh stehen. Vor ihm stand ein junger Mann. Platin blonde Haare, blasse Haut, ein wenig Aristokratisch vielleicht.

Er starrte ihn nur an und Yosh konnte erkennen, dass sich in seinen Augen Tränen sammelten. Er selber schaute einfach zurück, ignorierte die Sehnsucht, welche in seinem Inneren wütete. Sie war ein Teil von ihm geworden, er musste sie ignorieren, wenn er ein halbwegs normales Leben führen wollte. Kurz darauf erschien ein kleinerer, Schwarzhaariger neben dem Blonden. Der Pony war violett gefärbt und irgendwie kam es Yosh abstrakt vor. Sie sahen nicht so aus, als würden sie vom Land kommen. Eher aus der Stadt. Dies verrieten ihm auch ihre Klamotten. Sauber waren sie, fast noch neu und so ganz anders, als die, die man hier bekommen konnte.

Der Schwarzhaarige legte dem Blonden eine Hand auf die Schulter, doch dieser schien das gar nicht zu beachten. Er taumelte einige Schritte voran, eher er sich Yosh um den Hals warf. Er war einen halben Kopf größer, als Yosh und schmiegte seinen Kopf nicht an die schwarzen Haare. Yosh versteifte sich instinktiv, er wusste nicht, was er davon halten sollte.

Der andere Körper schmiegte sich so vertrauensvoll an seinen, so als hätte er nie etwas anderes getan.
Yosh selbst überkamen plötzlich Zweifel.

Was sollte das?
Was hatte das zu bedeuten?

Warum tat es so weh?

Er wurde noch fester an den fremden Körper gedrückt, die verzweifelten Worte, hörte er gar nicht mehr, so erschrocken und aufgewühlt war er, von der Reaktion des Mannes.

Auf die Tatsache, dass dies vielleicht seine Antwort war, die er schon so verzweifelt gesucht hatte, kam er nicht.

Er konnte sich einfach nicht vorstellen, dass dies vielleicht der Teil seines Lebens war, den sein Herz so schmerzhaft vermisste, den er brauchte, wie die Luft zum atmen.

Und so tat er das, was wohl jeder in solchen Momenten getan hätte. Er unterdrückte seine Gefühle, begrub sie unter einer Schicht aus Eis und Selbstbeherrschung und setzte sich eine alte, neue Maske auf, die er in früherer Zeit so oft benutz hatte.

Vorsichtig schob er den Mann von sich und schaute ihn direkt in die Tränen nassen, Sturmgrauen Augen.

„Ähm… kennen wir uns? Oder umarmen sie jeden Fremden?"

Marie und Damian hatte die ganze Zeit nur fassungslos daneben gestanden und dem Ganzen zugeschaut. Sie wussten nicht, was sie davon halten sollten. Da umarmte ein völlig Fremder ihren Yosh. Denn, den sie die ganze Zeit aufgepäppelt hatten. Und so beruhigte sie die Reaktion von dem Jungen, der den Fremden leicht von sich geschoben hatte und ihn fragte, ob sie sich kennen würden.

Die Kälte traf Draco unerwartet und er war ihr völlig schutzlos ausgeliefert. Für ihn brach in dem Moment, wo Harry ihn weg geschoben hatte, eine Welt zusammen. Eine Welt aus Hoffnung, Liebe und unendlicher Sehnsucht.

Sie zersplitterte in viele tausend Einzelteile und seine Gefühle flauten ab, wie ein See nach einem schweren Sturm. Kein Gefühl drang mehr an die Oberfläche und er war sich, im hintersten Teil seines Bewusstseins bewusst, das seine Gefühle für eine lange Zeit auf Eis gelegt waren. Und so tat er etwas, was er schon seit einer Ewigkeit und schon gar nicht in Gegenwart von Harry, nicht mehr getan hatte. Er verschloss sich hinter einer Maske aus Eis und Arroganz. Der Malfoy übernahm die Oberhand, gemischt mit der Verschlagenheit Slytherins.

„Nein, ich denke nicht!", er lächelte kalt und drehte sich um, ohne einen weiteren Blick auf Harry, die beiden Leute, die mit ihm da waren oder Blaise zu werfen.

Das stechende Ziehen in seinem Inneren versuchte er zu ignorieren, genauso wie seine Gefühle, die ihn beschworen, anflehten sich umzudrehen, zurückzublicken.

Er konnte nicht.
Er konnte einfach nicht.

Es ging schlichtweg nicht.

Der Regen brach plötzlich über Yosh und das Ehepaar herein, noch bevor die beiden Leute verschwunden waren.

Der Junge krümmte sich zusammen und ging in die Knie, als seine Sicht verschwamm und er die Beiden nicht mehr sehen konnte. Sein Herz hatte sich schmerzhaft zusammengezogen und ihm blieb für kurze Zeit keine Luft zum atmen.

Damian war bei ihm und Marie, welche meist einen Regenschirm dabei hatte, wenn sie in die Stadt ging, spannte den Schirm auf.

„Alles in Ordnung Yosh?", fragte Damian besorgt. Yosh nickte nur und richtete sich zitternd wieder auf. Seine Beine waren immer noch gefährlich weich und nachgiebig, doch er drängte das Gefühl zurück, versuchte stark zu sein.

„Es geht schon. Hab nur einen Schrecken bekommen. Wir sollten uns schnell ein warmes Plätzchen suchen!", erwiderte Yosh mit einem schiefen Grinsen. Marie nickte zustimmend und eilte los. Yosh und Damian folgten ihr und der Schwarzhaarige fragte sich, warum sie den Schirm überhaupt aufgespannt hatte.

Als sie endlich ein kleines Lokal erreicht hatten, waren sie alle bis auf die Knochen nass. Eine leichte Gänsehaut hatte sich auf Yoshs' Armen breit gemacht und ließ ihn frösteln, auch wenn sein Inneres zu brennen schien. Wie eine kleine Flamme, die ihn von innen erwärmte und manchmal zu groß wurde, um Teile von ihm verbrennen zu lassen.

„Ah, endlich im trockenen!", seufzte Damian und hängte ihre Jacken an der Garderobe auf. Yosh stimmte ihm zu und schüttelte seinen Kopf. Einzelne Wassertropfen perlten von den schwarzen Strähnen.

„Dann bestellt euch, was ihr wollt!", erinnerte Marie und reichte Yosh eine der in Leder gebundenen Karten, die dieser dankend annahm.

Sein Magen grummelte immer noch so komisch, doch er war sich nicht sicher, ob dies wirklich Hunger war.

Fühlte man sich bei Hunger nicht leer?
Er fühlte sich voll gestopft, zugeschnürt mit Dingen, die er nicht begreifen konnte. Nachdenklich betrachtete er die Karte, ohne die Worte wahrzunehmen.

Erst das deutliche Räuspern von Damian holte ihn zurück.

Nachdenklich lag er auf seinem Bett, die Decke nur notdürftig über seinen Körper gelegt. Ihm war heiß und das obwohl es draußen in Strömen regnete und die kalte Luft des Nordwindes durch das geöffnete Fenster strömte.

Nie wieder, nie wieder gebe ich dich her. Hörst du?"

Das waren die Worte des Fremden. Warum hatte er das gesagt?

Warum hatte er das getan?

Warum hatte Yosh so abweisend reagiert?

Und warum fragte er sich immer wieder warum etwas so war?

Konnte er gewisse Dinge nicht einfach auf sich beruhen lassen? Sich selber Frieden geben, denn er doch so sehr verdient hatte.

Er wollte einfach nicht mehr nachdenken, er wollte ein Leben haben, für das es sich zu leben lohnte und indem niemand etwas von ihm verlangen würde, was er nicht wollte.

Yosh erinnerte sich noch genau an den Ausdruck des Fremden. Es war, als würde etwas Großes von ihm fallen, auch wenn er gebeugt ging.

Als würde er Yosh seine Gefühle darbieten, auch wenn er sie nicht aussprach.

Wie ein Liebender, der seine Seele und sein Herz verschenkt hatte.

Im Nachhinein wusste Yosh selbst nicht, warum er sich so benommen hatte, aber war es nicht… natürlich? Immerhin war der Fremde ein Mann, den er nicht kannte und er hatte ihn einfach umarmt. Das war doch widernatürlich, oder?

Aber warum hatte es sich so tausendmal richtiger angefühlt, als wenn Alicia so etwas tat?
Nicht, dass sie ihn einfach so, nur um der Geste willen in den Arm genommen hatte.

Sie hatte immer gefordert. Gefordert, was er nicht bereit war zu geben, wie er sich eingestand.

„Warum muss das Leben immer so schwer sein!", fragte er sich und rollte auf die Seite. Sein Blick schien zum Fenster zu sehen, doch seine Gedanken kreisten noch immer um die Begegnung am Nachmittag. Etwas schien ihn berührt zu haben, er wusste nur nicht was. Wie ein leichter Nebenfilm, der sich auf die Welt legte.

Yosh wusste, dass es da war, aber er konnte es nicht fassen.

Außerdem schmerzte der Gesichtsausdruck des Blonden. Eine kalte Fassade, die Yosh noch beim bloßen Gedanken Schauer über den Rücken jagten.

Ob der Blonde auch eine Maske trug, fragte er sich selbst, wobei er die Antwort schon wusste.

Jeder Mensch hatte Masken und die meisten benutzen diese auch. Einige unbewusst, andere eher selten und wieder andere schienen kein wahres Gesicht mehr zu haben, aus Angst, verletzt zu werden.

Yosh wurde leicht übel. Hatte der den Mann verletzt?
Du Idiot, natürlich hast du das, schallte er sich. Erst dieser liebevolle Blick, dann dieser Schmerz, der im selben Moment auch ihn überfallen hatte und dann dieses starre, kalte Gesicht.

Wie das aufgemalte Gesicht eines Clowns, damit niemand sah, wie traurig er war, dass alle über ihn lachten.

Ein leises Pochen ließ Yosh aufschrecken und augenblicklich zum Fenster schauen.

Dort saß ein weißer Vogel, ziemlich nass und ziemlich griesgrämig dreinschauend.

Gebannt starrte Yosh den Vogel an, doch dieser schien überhaupt nicht beeindruckt, klapperte nur mit dem Schnabel und hackte abermals gegen das Fenster.

Langsam stand Yosh auf, in der Erwartung, der Vogel würde dann verschwinden, doch dem war nicht so. Er blieb gelassen auf dem Fenstersims sitzen und funkelte Yosh böse an.

Dieser besiegte auch seine letzte ‚Angst' und öffnete das Fenster. Sofort schon das weiße Ding, einem Derwisch gleich, ins Zimmer, schlug Yosh kräftig mit seinen Flügeln und blieb schließlich auf dem Bettpfosten sitzen.

Dort tropfte es seelenruhig die Decke und den Boden nass. Das Viech schien gar nicht daran zu denken, sich vielleicht schnell einmal das Gefieder aus zuschüttelt.

„Hey, geh da runter, du machst alles schmutzig! Und riechen tust du auch. Wenn Marie das mitbekommt, dann…!" Es schien um die Beherrschung des Vogels geschehen zu sein, er flog auf, und hackte ein, zwei Mal kräftig und Yoshs vor Schreck erhobenen Arm. Anschließend ließ er sich auf der Stuhllehne nieder und streckte ihr Bein aus. Dabei würdigte sie ihn keines Blickes.

„Was willst du den, was soll… Oh!" Er starrte gebannt auf das Bein und nun erkannte er auch, um was für einen Vogel es sich handelte. Da kein Licht im Zimmer war, hatte er das vorher nicht bemerkt, aber das Vieh hatte ziemlich scharfe Krallen. Es war eine Eule, denn nun funkelten auch ihre Augen leicht, da sich der Himmel ein wenig aufhellte.

Seine Augen weiteten sich, als er einen weiteren Blick auf das ausgestreckte Bein des Vogels warf.

Ein Zettel war dort befestigt, klein, wirklich sehr schmutzig und alt, wie es schien. Anscheinend befand er sich schon ziemlich lange dort, denn als er ihn löste, konnte er sehen, wie die Haut des Vogels an einigen Stellen leicht aufgescheuert war. Er würde sie später zum Wildhüter bringen.

Langsam faltete er den Zettel auseinander.

Der gesamte Zettel war mit Tinte geschrieben und Yosh hatte Schwierigkeiten ihn zu entziffern, da die Schrift schon ziemlich mitgenommen war. Ein Teil war sogar abgerissen oder völlig unleserlich. Dennoch konnte er erkennen, dass der Schreiber eine sehr schöne, geschwungene Schrift hatte. Angenehm anmutig.

Hedwig hat dich gefunden.

Wenn du diesen Brief i st le st u ch. Se dir sicher, ich werde dich finden es das Letzte ist, was ich tue. So schnell w r t d ic nicht los, das habe dir sc n da ls gesagt.

In Liebe o