Liebe
Wer
geliebt, kann der vergessen?
Wer
vergisst, hat der geliebt?
Lieben
heißt doch nie vergessen
und
vergessen... nie geliebt!
„Wer bist du?", fragte Harry leise, trocken. Draco lächelte ihn an und streckte seine Hand nach ihm aus. Der Schwarzhaarige zuckte kurz zurück, als Draco über seine Wange strich, schmiegte sich dann aber vertrauensvoll an ihn.
In Draco selbst brannte ein Feuer, als er diese Geste wahrnahm. Vielleicht, vielleicht hatte er doch nicht vergessen…
„Weißt du es nicht?", entgegnete er ruhig und strich weiter beruhigend über Harrys Wange. Er trat einen Schritt vor.
„Nein, ich weiß es nicht…!" er beendete den Satz nicht und Draco spürte Enttäuschung, welche er meisterhaft verbarg. Harry konnte nichts dafür. Er konnte nichts dafür, dass er sich nicht erinnerte und auch nicht, das Draco zu verbrennen schien, weil er ihm so nah war und er ihn dennoch nicht erreichen konnte.
„Das macht nichts. Ich hätte es mir denken können.", flüsterte er leise und nahm den Kleineren in seine Arme, drückte ihn liebevoll an sich und streichelte zart seinen Rücken. „Denn ich bin die Antwort auf deine Fragen."
Sie saßen in der Schenke von Rosalda Hinkes, eine verwitweten Bäuerin, die nach dem Tod ihres Mannes, Wirtin wurde.
Ihm gegenüber saß der Mann mit den Blonden Haaren, er wusste nicht mal seinen Namen. Auch wusste er nicht, warum er überhaupt hier war, mit diesem Fremden. Es war doch sonst nicht seine Art, einfach mit anderen Leuten mitzugehen.
Doch etwas tief ihn ihm schmerzte, wenn er daran dachte ihn wieder zu verlassen. Er durfte und wollte nicht weg von dem Blonden. Außerdem sagte dieser, er wäre die Antwort.
Ob
er log?
Aber woher sollte er wissen, das Yosh nach Antworten
suchte, sich danach verzehrte.
Langsam trank er einen Schluck Wasser, welches in einem Glas vor ihm stand. Sein Mund war trocken, er fühlte sich heiß und unruhig. Gleichzeitig schien es ihm nie so gut gegangen zu sein, wie in diesem Moment.
Vielleicht war dies auch der Grund, warum er nicht das Weite gesucht hatte. Es fühlte sich alles so verdammt richtig an.
„Du sagtest, du hättest Antworten für mich?", fragte er ruhig und schaute seinem Gegenüber dabei in die Augen. Grau waren sie, so grau, wie Winterwolken am Himmel. Doch ihnen fehlte die Kälte. Jene Kälte, welche er gespürt hatte, als sie sich das erste Mal begegnet waren. Er hatte nicht einmal bemerkt, wie er den Blonden geduzt hatte. Diesen schien das nicht weiter zu stören.
„Die habe ich.", meinte sein Gegenüber gelassen. Sein Glas war unberührt. „Sag mir, was du wissen willst!"
„Alles!", entgegnete Yosh selbstsicher.
„Gut. Ich bin niemand, der lange drum rum redet, also…!" er zog einen länglichen Stab aus seiner Robe. Yosh war es schon vorher aufgefallen, dass der Blonde dieses Mal genauso eine Robe trug, wie er sie zu Hause hatte. Nur das die des Blonden neuer war, sauberer, aber sicherlich aus dem gleichen Material. Ob er ihn einmal danach fragen sollte. Seine Aufmerksamkeit wurde wieder auf sein Gegenüber gerichtete, der den Staub kurz über sie beide hielt, eine lässige Bewegung machte und „Silencio!" murmelte. Yosh spürte, wie ein Kribbeln durch seinen Körper lief. Es war nicht unangenehm und fühlte sich vertraut an. Auf seinem Arm hatte sich eine Gänsehaut gebildet.
„Hast du es gespürt? Die Magie?", fragte der Blonde leicht grinsend. Yosh schaute ihn verwundert an.
„Was hast du gemacht?"
„Magie. Ein Schweigezauber. Er verhindert, dass andere uns hören." Yosh schaute ihn verwundert an und der Blonde legte den länglichen Stab auf den Tisch. „Hast in der ganzen Zeit nie etwas geschehen lassen? Etwas, wenn du wütend, traurig oder konzentriert warst? Wenn du etwas wirklich wolltest?" er lachte leicht, wahrscheinlich über den erstaunten Gesichtsausdruck von Yosh. „Oh natürlich hast du. Die Jungen eben zum Beispiel. Du hast sie gespürt, die Magie, oder? Und wieder hattest du sie nicht unter Kontrolle. Ich habe dir früher häufig gesagt, du sollst aufpassen, wenn ich nicht da bin."
Yoshs Mund klappte auf.
„Du… Du bist das? Der… Mann… Junge aus…!" er schluckte sichtbar und fixierte die grauen Augen, die ihn belustigt anblitzten. Ein leichter lauernder Ausdruck war darin zu lesen. „Hast du mir auch diesen Brief geschrieben? Ist das dein Federvieh, welches die ganze Zeit bei mir war?"
Der Blonde schaute überrascht auf.
„Federvieh? Lass sie das nicht hören." Er grinste leicht „Das ist deine Eule. Ihr Name ist Hedwig. Und ja, ich habe dir diesen Brief geschrieben, auch wenn ich dachte, er würde nie ankommen. Aber scheinbar…!" er stoppte und schaute geheimnisvoll zurück.
„Du sagst, es sei meine Eule? Und wer bist du? Ich kenn immer noch nicht deinen Namen. Warum sagst du mir nicht einfach, was Sache ist. Ich habe keine Lust mehr auf versteck spielen!", brauste Yosh plötzlich auf. Dieser Mann schien wirklich etwas mit seiner Vergangenheit zu tun zu haben. Mehr, als er jetzt vielleicht glaubte. Und dennoch erzählte er ihm nicht was passiert war, er schien es für sich behalten zu wollen. Wie Yosh es hasste, wenn man Dinge für sich behielt, die ihn etwas angingen. Es führte zu Fehlern. Fehler, die immer Schuld und Tod brachten.
„Gut. Du bist ein Zauberer. Dein Name ist Harry Potter. Ich bin Draco. Draco Malfoy.", erwiderte Draco gelassen und blickte Yosh an.
Dieser schien wie weggetreten.
„Harry, du bist ein Zauberer."
…
„Und mein Name ist Malfoy. Draco Malfoy."
…
„Harry, hier her! Beeil dich!"
…
„Gib mir den Stein!"
Stimmen, Gesichter, so viele Dinge stürmten auf ihn ein, sein Kopf schmerzte, er wusste nicht mehr was Realität war und was Traum. War es vielleicht Beides?
Alles zog wie ein Wirbel an ihm vorbei, Gefühle streiften ihn, verließen ihn wieder.
„Harry Potter, Sir!"
…
„Sie hätten Gleich zu mir kommen sollen Mister Potter. Ich kann Knochen in Sekunden heilen, aber nachwachsen lassen?"
…
„Du bist ein Parselmund Harry
…
„Der kommt nicht, wenn ihn keiner ruft!"
…
„Komm Dobby, wir gehen!"
Eine riesige Schlange, Geflüster um ihn herum. Ein blonder Mann, ähnlich dem Jungen vor ihm. Ein rothaariger Junge, ein alter Mann, mit einem langen weißen Bart.
„Einen Herzlichen Applaus für Professor Lupin."
…
„Sie wollen Seidenschnabel hinrichten!"
…
„Ich denke, du solltest dich bei jemand entschuldigen."
…
„Krätze, bleib hier!"
…
„Ich bin mir nicht sicher, ob du es weißt. Aber ich bin dein Pate!"
Er wollte nicht mehr. Verzweifelt presste er seine Hände gegen seinen Kopf, versuchte so die Schmerzen zurück zu drängen.
Er kannte diese Bilder, er kannte die Stimmen, aber er konnte sie nicht zu ordnen.
„Es war zu viel, nicht? Ich hab die zur viel gesagt, oder?" Yosh wurde in den Arm genommen, sanft streichelten warme Hände seinen Rücken, trösteten ihn und versuchten ihm die Schmerzen zu nehmen oder zu erleichtern. Er schluchzte leise auf, presste sich an den anderen Körper wie ein Ertrinkender. „Ruhig. Ich bring dich nach Hause!", flüsterte Draco und streichelte ihn dabei weiter. Yosh hatte die ganze Zeit seine Augen geschlossen, die Schmerzen wichen langsam, die Eindrücke wurden weniger.
„Harry, sag mir in welcher Richtung du lebst. Wie lange ist es hin, bis hierher, wie viele Kilometer?"
„Ich… Südost… 5 Kilometer ungefähr.", flüsterte Yosh und schmiegte sich dichter an Draco. Es war ihm so vertraut, so Zuversicht spendend.
Draco selbst, dachte nicht lange nach. Er wollte in diesem Moment nur, das es Harry besser ging, er wollte, dass er wieder glücklich wird.
Er umschlang den kleineren Körper feste, genoss das Gefühl, dass sich in ihm ausbreitete, als Harry sich an ihn klammerte und warf einige Münzen auf den Tisch. Er würde vielleicht noch mal herkommen. Anschließend zog er seinen Zauberstab und apparierte.
Durch Harry's ungefähre Antwort kamen sie auch ganz in der Nähe des Hofes an. Draco hielt den schmalen Körper immer noch beschützend im Arm. Der Junge hing schlafend in seinen Armen, sein Atem ging ruhig.
Wahrscheinlich war das alles ein wenig zu viel für ihn, dachte Draco leicht besorgt. Wenn Harry die Informationen, welche Draco ihm gerade gegeben hatte schon so schlecht aufnahm, was würde dann passieren, wenn er die ganze Wahrheit erfahren würde?
Das er ein Mörder war?
Das er hintergangen wurde?
Das es niemanden gekümmert hat, als er starb?
Harry würde in Schuld vergehen.
Langsam fragte Draco sich, warum ihn der Gedanke nicht vorher gekommen war.
Vielleicht wollte Harry sich gar nicht daran erinnern.
Vielleicht wollte er einfach weiterleben, ohne zu wissen, was ihm passiert war.
Vielleicht war Draco einfach nur selbstsüchtig in seinem Wunsch, Harry wiederzugewinnen.
Draco grinste leicht, als er Harry auf den Arm nahm um ihn zum Haus zu tragen.
Er war schon immer egoistisch gewesen. Er war ein Malfoy, dieses Verhalten lag ihm im Blut und nicht einmal Harry könnte etwas daran ändern.
Langsamen Schrittes ging er über den Hof, blickte nur in das entspannte Gesicht seines Freundes. Er sah immer noch so unschuldig aus, völlig ohne Schmerzen und Last.
„Hey, wer bist du, was hast du mit Yosh gemacht?", ertönte eine Stimme. Als Draco sich umsah, kam ein älterer Mann mit angegrauten Haaren aus dem Stall. Draco hatte ihn schon in der Stadt gesehen und war sich nicht sicher, was er von ihm halten sollte, doch da er Harry scheinbar aufgenommen hatte, konnte er noch böse sein.
„Ich habe sie gefragt… Sie! Was haben sie mit Yosh gemacht?", wütend schnaufend hielt er vor Draco, welcher ihn ruhig ansah.
„Ich habe ihm etwas erzählt. Sie würden sich allerdings nützlicher machen, wenn sie mir helfen würden, ihn in sein Zimmer zu bringen, anstatt mich anzufahren. Vielleicht erzähle ich ihnen dann auch, was geschehen ist.", erwiderte Draco hochmütig. Er ließ sich von niemanden etwas sagen und schon gar nicht von einem Muggel. Denn auch wenn er Harry liebte und dieser ihm schon damals eingeprägt hatte, dass Muggelgeborene keine Schlammblüter und Muggel selbst, kein Ungeziefer waren, so hieß das noch lange nicht, das Draco sie mochte. Er verabscheute sie noch immer.
„Sie…. Gut, kommen Sie mit!" Der Mann ging vor und Draco folgte, Harry immer noch liebevoll in seinen Armen tragend.
An einer alten Holztür, welche wohl zum Hauptgebäude führte, hielten sie und Draco betrachtete gelassen, wie der alte Mann einen rostigen Schlüssel hervorzog und somit die Tür öffnete.
Der Innenraum war muffig und alt. Draco war sich sicher, das dies nicht der Haupteingang war.
„Ich will nicht, dass meine Frau sieht, was mit dem Jungen ist. Es würde sie nur aufregen!", beantwortet der Mann seine unausgesprochene Frage.
Sie schritten einen schmalen Gang entlang und kamen schlussendlich an einer weiteren Tür an, welche der Mann ebenfalls aufschloss.
Der nächste Raum sah schon ein wenig bewohnter aus, auch wenn Draco besseres gewohnt war. Selbst nachdem er sich von seiner Familie losgesagt hatte und mit Harry zusammengezogen war, lebten sie immer noch besser.
Ihre Wohnung war schön, luftig und warm eingerichtet, nicht so, wie das heruntergekommene Bauernhaus dieser Familie.
„Hier hinauf!", wies der Mann ihn an und Draco schreckte aus seiner Beobachtung. Sie stiegen eine Holztreppe hinauf und bogen anschließend links ab.
Die Tür,
welche sich am Ende des Flures befand wurde von Draco grob
aufgestoßen.
Harrys Zimmer sah aus, wie das gesamte Haus.
Ein wenig heruntergekommen, alt, muffig. Aber irgendwas lag in der
Luft, was in dem Blonden Wohlbefinden aufkommen ließ.
Vielleicht war es Harrys Geruch, welcher in diesem Zimmer
lag?
Vielleicht aber auch nur die bloße Gewissheit, dass
dies Harrys Zimmer war. Er wusste es nicht.
Langsam schritt er auf das verhältnismäßig große Bett zu und legte den immer noch bewusstlosen Jungen darauf.
Unter der strengen Aufsicht des Alten, zog er seinen Freund vorsichtig aus und deckte ihn anschließend zu.
Er sah nicht schlecht aus. Gut genährt, auch wenn er immer noch schmal und zierlich war, keine Wunden waren an seinem Körper zu sehen und feine Muskeln zogen sich über Bauch, Beine und Arme. Es schien ihm hier wirklich gut ergangen zu sein, dass musste Draco sich eingestehen.
Wäre dies jedoch nicht der Fall gewesen…
Er dachte den Gedanken nicht zu Ende, da der Alte sich mit einem unangenehmen Räuspern Aufmerksamkeit verschafft.
„Chrm Chrm!"
Eine Art Déjà Vu überkam ihn, beim Klang der Stimme. Kannte er das nicht irgendwoher?
Vorsichtig beugte Draco sich zu Harry hinab, hauchte ihm einen kurzen Kuss auf die Stirn, bevor er sich umdrehte und dem Muggel nach draußen folgte.
Die Tür fiel leise ins Schloss.
„Also, wer sind Sie und was wollen Sie? Haben Sie nicht schon genug angerichtet?", zischte er wütend. Draco zog eine Augenbraue in die Höhe und musterte sein Gegenüber skeptisch.
„Oh, Verzeihung, habe ich mich nicht vorgestellt? Draco Malfoy. Und mit wem habe ich das zweifelhafte Vergnügen?"
Innerlich lachte er über das seltsame Gesicht, welches der Mann bei seiner Wortwahl machte. Nun ja, sein Vater hatte ihm früher eingebläut, dass gutes Benehmen zur Etikette gehörte.
„Damian. Damian Lorain." Draco nickte kurz und grinste leicht.
„Gut, da wir uns jetzt bekannt sind, denke ich, dass sie einige fragen an mich haben. Wir wäre es bei einer Tasse Kaffee?", entgegnete er charmant und ohne weiter auf den alten Mann zu achten, ging er nach Unten.
Der Muggel folgte ihm.
„Wissen Sie, wie man das nennt? Hausfriedensbruch. Ich werde die Polizei rufen, wenn Sie nicht sofort verschwinden, Sie sind ja irre. Erst tun sie Yosh etwas an und dann…!" er kam nicht dazu seinen Satz zu beenden, den Draco hatte seinen Zauberstab gezogen und hielt diesen dem Mann an den Hals.
„Ich würde an Ihrer Stelle still sein. Sie wissen nicht mit wem sie es zu tun haben. Und da ich mich schon bereit erkläre, ihnen zu erzählen, wer ich bin und wer" er spie den Namen schon fast aus „Yosh ist, dann sollten Sie doch auch die Freundlichkeit besitzen, mir das Ganze so angenehm wie möglich zu machen!"
Draco räusperte sich kurz und trat einen Schritt zurück. Seinen Zauberstab hielt er sicherheitshalber noch in der Hand.
„W-Wie Sie meinen. Kommen Sie."
Der Mann ging voraus und Draco folgte ihm in Richtung Küche.
Auf dem Tisch lag ein Zettel, der Mann überflog ihn kurz und Draco setzte sich selbstgefällig an den Tisch und beobachtete den Alten, wie er den Zettel zur Seite legte und begann Kaffee zu kochen.
Müde stieg Blaise aus dem Zug. Obwohl er die ganze Zeit geschlafen hatte, war er immer noch müde. Seine Glieder fühlten sich schwer an, sein Kopf dröhnte.
„Bloß nach Hause!", murmelte er leise.
Das Bahngleis war leer, nur hier und da konnte man einen Arbeiter sehen, welcher nach dem Rechten sah oder Mülleimer ausleerte.
Kein Wunder, es war auch schon ziemlich spät. Er fuhr sich mit der rechten Hand durch die schwarzen Haare, die Linke prüfte, ob sein klein gehexter Koffer noch an Ort und stelle war.
„Was Draco wohl macht?", fragte er leise, niemand hörte ihn.
Immer wieder, während der gesamten Fahrt, hatte er sich gefragt, was sein blonder Freund macht. Nicht, das Draco nicht auf sich selbst aufpassen konnte, sicher nicht. Nur manchmal war er… ein wenig voreilig.
Blaise war klar, dass er nach Harry suchen würde, um mit ihm zu sprechen.
Aber ob das gut wäre? Ob der Junge verstehen würde, was Draco ihm sagt? Blaise glaubte nicht daran.
Immer wieder, wurden Dinge von dem Jungen verlangt. Irgendwann würde er dem nicht mehr standhalten können.
Draco jedoch würde darüber hinwegsehen. Vielleicht war es in diesem Fall auch das Richtige, Blaise war sich nicht sicher.
Aber Richtigkeit war bekanntlich Ansichtssache. Voldemort hatte damals auch geglaubt, das Richtige zu tun. Genauso wie Dumbledore. Dabei gaben sie sich Beide nicht viel. Nur, dass der eine keine körperlichen Schmerzen zu fügte, sondern seelische. Harry konnte davon sicher ein Lied singen.
Ein
ironisches Grinsen schlich sich auf die Lippen des Schwarzhaarigen.
Ein Lied, geboren aus Leid und Schmerz. Bestimmt.
Langsam
verließ er den Bahnsteig, trat durch die Absperrung und
verschwand auf die Straße.
Es war immer noch Verkehr, aber
London war wie jede große Stadt.
Sie schlief nie.
Vorsichtig, damit ihn keiner bemerkte, begab sich Blaise in eine schmale Seitengasse um dort zu apparieren. Es würde schneller gehen, als mit dem Taxi.
Keine zwei
Sekunden befand er sich zu Hause.
Es war ein kleines, aber
schönes Apartment, am Rande Londons. Er war schon eine Weile
nicht mehr hier gewesen, die Pflanzen auf den Fensterbänken
waren eingetrocknet, Staub lag auf den Möbeln und die Luft war
muffig. Er hatte nicht gelüftet.
Aber es war immer noch sein zu Hause.
Müde schleppte er sich in sein Zimmer, zog sich langsam aus und warf die Klamotten achtlos in die Ecke. Duschen könnte er auch morgen.
Geschafft fiel er auf das weiche Bett. Es roch immer noch wie zu Hause. Ein angenehmes Gefühl, wenn man so lange nicht mehr hier gewesen war.
Er schloss die Augen, in der Hoffnung schnell einzuschlafen, doch vor seinem inneren Auge spielten sich wieder irgendwelche Szenen ab.
Es beschäftigte ihn, nicht zu wissen, was seine Freunde machten. Und es beschäftigte ihn, dass Draco anscheinend keine Ahnung hatte, was danach kam.
Er hatte dieses Thema, wie die Anderen auch, nicht angeschnitten, doch irgendwann müsste er seinen Freund darauf ansprechen.
Was würde
passieren, wenn alles klappt und Harry tatsächlich sein
Gedächtnis wiedererlangen würde?
Würde er einfach
so wieder in die Zaubererwelt können? Offiziell war er tot.
Blaise sah schon den Riesenskandal, welcher Harrys Auferstehung mit sich bringen würde. Nicht auszudenken.
Aber
vielleicht wollte der Junge das auch gar nicht. Vielleicht war das
der Grund, warum er sich nicht erinnerte?
Blaise war sich nicht
sicher. Er kannte Harry zu wenig, als dass er dessen Beweggründe
beurteilen konnte. Viel zu wenig.
Vielleicht gab es nur einen Menschen, welcher ihn zumindest ein wenig kannte.
Blaise hoffte, das dieser Mensch jetzt bei ihm war. Ihm half.
Er seufzte, kuschelte sich dichter in die Kissen.
Den Wecker hatte er nicht gestellt. Draco würde sich also noch ein wenig gedulden müssen, aber auf ein paar Stunden mehr oder weniger kam es sicherlich nicht an.
Langsam driftete der Schwarzhaarige in die Welt der Träume ab. Er würde erst am Nachmittag wieder aufwachen und völlig gestresst in die Winkelgasse rennen und sich wünschen, er hätte den Wecker doch gestellt.
Damian schaute den jungen Mann, welcher sich als Draco Malfoy vorgestellt hatte, verwirrt an. Er wusste nicht, ob er die Polizei oder doch eher die Klinik anrufen sollte.
Der Blonde selbst schien jedes seiner Worte zu glauben und trank seelenruhig seinen Kaffee.
Er schien tatsächlich davon überzeugt zu sein, dass er zaubern konnte. Damian hatte schon viel gehört und anfangs war er auch der Meinung gewesen, Malfoy meinte damit diese Tricks, welche Menschen lernte und es so aussehen ließen, als würden sie tatsächlich zaubern. Ihm wurde jedoch versichert, dass er dies ganz sicher nicht meinte. Dabei sprach soviel Spott, Hohn und Verachtung aus dessen Stimme, dass es Damian kalt den Rücken runter gelaufen war.
Der Mann war ihm unheimlich.
Ein Irrer, der sicherlich gefährlich war, auch wenn er jetzt so ruhig und beherrscht wirkte.
„Nach
Ihrem Gesichtsausdruck zu urteilen, glauben Sie mir nicht, richtig?",
es war eine einfache Frage, doch Damian kam es wie eine Drohung vor.
Leise, schleichend, aber unausweichlich.
Silberne Augen fixierten
ihn.
„Warten sie einen Moment, ich muss kurz ein Gespräch führen!", merkte Damian an. Seine Hände zitterten, bei dem Gedanken, dass dieser Mann ihm oder seiner Familie etwas antun könnte.
Jemand, der von sich behauptete, ein Zauberer zu sein. Der sagte, ihr Yosh wäre ebenfalls einer. Sicherlich, dem Jungen passierten manchmal seltsame Dinge, aber was hieß das schon? Es passierten viele Dinge, die sich Menschen nicht erklären konnten, dass war bekannt und unter anderen Umständen hätte er den Blonden ausgelacht und ihn weggeschickt.
Doch der seltsame Ausdruck in den silbernen Augen, sein ganzes Erscheinungsbild…
Er wirkte wie diese Psychopaten, welche sie manchmal im Krimi zeigten. Gepflegt, aristokratisch, gut erzogen, distanziert. Am Ende stellten sie sich als Mörder heraus. Damian wollte gar nicht wissen, was der Fremde mit Yosh gemacht hatte.
Gerade wollte er aufstehen, als der Blonde leicht lachte und die Tasse zurück auf den Tisch stellte.
„Ich würde mir jetzt überlegen, was ich mache.", flüsterte er und diesmal war sich Damian sicher, dass es eine Drohung war.
„Ich muss nur kurz telefonieren. Sie werden doch sicherlich nichts dagegen haben." Fluchtartig sprang er auf, dankte Gott dafür, dass Marie zu einer Freundin war und wollte schon zum Telefon eilen, als der Fremde ebenfalls aufsprang und mit einer Gewandtheit, die man ihm nicht ansah, auf Damian zuging.
„Mag angehen, dass Sie es für das Richtige halten, aber ich habe noch nie viel Wert auf… das Richtige gelegt. Bisher hat dies nämlich nicht nur mein Leben zerstört, sondern auch das derjenigen, die ich liebe. Aber ich sollte nicht erwarten, dass Sie mir glauben. Vielleicht sollte ich es einfach beenden, was meinen Sie?", ein listiges Grinsen erschien auf dem Gesicht des Blonden.
„Wenn Sie mich umbringen wollen, dann sollten Sie wissen…!" Damian wurde abrupt unterbrochen.
„Umbringen? Nein, es mag zwar angehen, dass ich kein unbeschriebenes Blatt mehr bin, aber dies kann jemand, der einen Krieg miterlebt hat nur selten von sich behaupten. Im Übrigen, wäre Harry sicherlich nicht erfreut, wenn ich sie umbringe."
„Was wollen Sie dann? Den Jungen? Niemals!" Eine blonde Augenbraue zog sich elegant nach oben.
„Sie wollen ihn beschützen? Ihr Glück. Wäre es anders gewesen… Nein, ich will diese Liaison beendet." Er griff mit der Hand unter seinen Umhang und Damian rechnete schon mit einer Waffe, doch zum Vorschein kam ein länglicher Stock, mit einem Griff, geschnitzt in Form eines Drachen.
„Passen sie gut auf. Accio!" er deutete mit dem Stock auf ein Handtuch.
Kurz darauf schoss es in seine Hand und der Blonde fing es leicht auf. „Hat doch was, oder?" er grinste leicht, ließ das Tuch fallen und deutete nun auf den Stuhl. „Wingardium Leviosa!"
Langsam schwebte der Stuhl in die Höhe, der Blonde dirigierte ihn mit Hilfe des Stocks.
„W-Wie.. Ich mein Gott!", keuchte Damian.
Malfoy grinste nur.
„Mit Gott hat das herzlich wenig zu tun!", meinte er und ließ den Stuhl wieder zu Boden. „Ich hoffe das reicht Ihnen, als Beweis. Nun… Ich denke, ich werde Harry noch einen Besuch abstatten, bevor ich gehen!"
Mit diesen Worten steckte er den Stock ein und schritt an Damian vorbei, nach oben zu Yosh... Harry's Zimmer.
Draco lachte leise, als er die Treppe hoch ging. Es war nicht seine Art, Muggel zu zeigen, was er war und was er konnte, aber das Gesicht des Mannes war es wert gewesen. Dazu hatte er vor Harry noch öfters zu besuchen, solange bis Blaise mit den Zutaten –oder am besten dem fertigen Trank- wiederkam.
Er schon einmal das Vertrauen seines Freundes erlangt, es würde ihm auch ein zweites Mal gelingen.
Vorsichtig öffnete er die Tür und spähte hinein. Es war dunkel und nur langsam gewöhnten sich seine Augen an die Lichtverhältnisse.
Harry schien zu schlafen. Er lag noch genauso, wie Draco ihn verlassen hatte.
Vorsichtig
schlich Draco näher, er wusste, dass Harry einen leichten Schlaf
hatte.
Durch den Krieg…
Seine Hand fuhr wie selbstverständlich durch das schwarze Haar, spielte leicht mit einzelnen Strähnen.
Ein Kribbeln breitete sich in seinem Körper aus, als er seine Fingerspitzen langsam die Gesichtszüge des Schlafenden nachzog.
Feine Linien, so vertraut und doch so anders, fremd.
Für Draco war es, als würden sich langsam die Wunden schließen, die Harrys vermeintlicher ‚Tod' hinterlassen hatte. Alleine durch so einfache Berührungen flammte Liebe, tiefe Zuneigung und auch versteckte Lust auf.
„Du weißt gar nicht, wie sehr ich dich vermisst habe!", flüsterte er in die Dunkelheit.
Die ganze Zeit hatte er sich zurück gehalten, hatte versucht, so wenig Gefühl wie möglich zu zeigen.
Bei dem Gespräch mit Harry, sowie bei dem alten Mann.
Hätte er zugelassen, was sein Herz und seine Seele sich wünschten… Harry wäre völlig überfordert gewesen mit der Situation.
Aus
diesem Grund hatte Draco ihm auch nicht alles gesagt. Weder, dass er
getötet hatte, noch das Draco sein Gefährte war.
Er
schloss seine Augen und beugte sich vorsichtig zu dem schlafenden
Gesicht, ließ seine Lippen sanft über die Wange streichen
und an den Lippen seines Konterparts halten.
Und auch wenn diese Berührung so flüchtig war, wie der Windhauch den der Schlag eines Schmetterlings verursachte, so blühte in diesem Moment die Welt in Draco auf.
Farben explodierten unter seinen geschlossenen Liedern, Gefühle wollten ihn überwältigen und ein grausam süßer Schmerz umfing sein Herz.
Erst das Seufzen von Harry ließ ihn aufschrecken. Sofort zog er sich zurück, streichelte Harry noch einmal über die Wange und betrachtete mit einem warmen Gefühl im Bauch, wie sich der Schlafende an ihn schmiegte.
Er beugte sich noch ein letztes Mal vor und hauchte Harry ein Versprechen ein:
„Ich lass dich nicht mehr alleine. Nie mehr!"
Ein kurze Kuss auf die Stirn und Draco verschwand um anschließend auf dem Flur zu apparieren.
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