Trennung
Die volle Wahrheit kann ein tapferes Herz ertragen;
doch
nicht die Zweifel, die im finsteren an ihm nagen.
(Moliere)
Drei Tage vergingen schnell und ehe Draco sich versah, saß auch schon eine kleine, schwarze Eule an seinem Fenster.
Es gab nicht viele Leute, die ihm schrieben und die, die ihm schreiben würden… Nun, die Meisten sollten es vielleicht lieber lassen.
Seufzend trat er auf die Eule zu, welche bereitwillig auf seinen Arm flatterte und sich kurz übers Gefieder streichen ließ, ehe sie Draco ihr Bein mit dem Brief entgegen streckte.
Der Blonde schaute nur kurz auf die angegebene Adresse des Briefes und es war klar, wer ihm die Eule geschickt hatte.
Ich weiß nicht, wie schnell diese Posteulen sind, aber ich denke, sie schafft es noch, bevor ich bei dir bin.
Ich habe alles bekommen, auch wenn ich denke, dass du mal ein ernstes Wörtchen mit deinem Lieferanten sprechen solltest.
Widerlicher Dreckskerl. Wollte mir doch… Oh, ich denke, ich sage es dir, wenn ich wieder da bin.
Das dürfte am Donnerstag um 15.00 sein. Hoffe du holst mich wenigstens ab! Musst deinen ganzen Papierkram beseitigen, der sich während deiner Abwesenheit angesammelt hat.
Ach ja, du hast mir nie erzählt, dass du ne Villa in Spanien hast. Frechheit!
Hochachtungsvoll (von wegen)
Blaise
PS: Das mit der Villa nehm ich dir übel. Ich wollte schon immer mal nach Spanien!
Draco grinste nur. Das waren typisch Blaises Briefe. Wenn er nichts zum aufregen hatte, musste er halt irgendwelche Gründe dafür finden und das Draco ihm nichts von dem Haus im Ausland erzählt hatte den einfachen Grund, dass er es selbst nicht wusste.
Im gehörte zwar das gesamte Malfoy Vermögen, mit all seinen Länderein und Aktien, aber er konnte doch schlecht von allem wissen.
Gut gelaunt stand Harry am nächsten Tag auf. Ihm war nicht ganz klar, warum es ihm so gut ging, vielleicht hatte es etwas mit Draco zu tun?
Der Blonde war in den letzten Tagen häufig bei ihm gewesen, hatte ihm aber nichts mehr erzählt.
Harry war dies nur Recht. Vielleicht täuschte der Blonde sich auch?
Vielleicht war das alles nur ein großes Missverständnis.
Oder einfach nur ein Scherz.
Ja, ein Scherz. Das war es, als was es Harry nach einer Weile abgetan hatte. Es gab keine Zauberer. Es konnte keine geben.
Und selbst wenn…
Warum sollte ausgerechnet er einer sein?
Er war ein Mann ohne Vergangenheit, auch wenn Draco fest behauptete, dass er Harry hieße.
Dieser hatte sich mittlerweile daran gewöhnt, dass seine… Zieheltern ihn immer noch ‚Yosh' riefen und Draco bei Harry blieb.
Verrückt war die Welt.
Und verrückt war Draco, dass stand für Harry außer Frage.
Er wusste zwar noch, was passiert war, als dieser ihm eröffnet hatte, dass Harry ein Zauberer sein sollte, dennoch glaubte er nicht daran. Vielleicht war einfach irgendwas im Getränk?
Es war erschreckend, wie schnell er nichts mehr von seiner Vergangenheit wissen wollte.
Selbst für ihn.
Aber solange Draco bei ihm blieb…?
Solange war es ihm egal.
Seit
der Blonde in seiner Nähe war, hatte er keine Alpträume
mehr, keine… Visionen. Auch war die Sehnsucht auf ein Minimum
reduziert.
Er sehnte sich zwar danach Draco wieder zusehen, aber
das Gefühl war bei weitem nicht mehr so stark, wie vorher.
Nachdenklich starrte er aus dem Fenster und zuckte erschrocken zusammen, als die weiße Eule, Hedwig, auf ihn zugeflogen kam und hartnäckig gegen das Fenster pickte.
Seufzend ließ Harry sie rein und staunte nicht schlecht, als sie ihm ihr ausgestrecktes Bein hinhielt. Ein kleines Pergament war daran befestigt. Verwirrt band Harry es los und faltete es auseinander.
Lieber Harry,
Ich hoffe du wunderst dich nicht allzu sehr über diese Methode mit der Kontakt aufzunehmen. Aber es ist einfach so üblich unter Zauberern. Und da du scheinbar kein Interesse an deiner Eule hast (sie ist die ganze Zeit bei mir gewesen), habe ich mir erlaubt sie zu benutzen.
Ich werde heute nicht kommen, mein Freund ist wieder hier. Er hat etwas mitgebracht, was dir helfen wird.
Draco
Sein Freund? Wie der Blonde das wohl meinte…
Hätte er eifersüchtig sein müssen?
Nein. Es gab keinen Grund dazu und auch wenn Harry sich nicht sicher war, warum, er wusste, dass es stimmte.
Der Schwarzhaarige schaute immer noch ein wenig verwundert auf das Pergament. Draco glaubte also tatsächlich immer noch daran? An Zauberei? Wieso?
Unbeholfen ließ er das Pergament auf den Boden gleiten und setzte sich aufs Bett. Die weiße Eule musterte ihn aus gelben Augen und gab ein missbilligendes Klackern von sich.
„Was willst du? Seh ich so aus, als hätte ich Mäuse?", knurrte er und die Eule stieß ein heiseres Kreischen aus, bevor sie sich mit flatternden Flügeln auf ihn stürzte.
Ihre Flügel peitschten ihn ihm Gesicht und er keuchte erschrocken auf, versuchte sie von sich zu stoßen. „Verdammt, hör auf!", schrie er wütend und endlich hörte sie auf.
Er blickte ihr nach, als sie wütend aus dem Fenster schoss.
Es tat ihm Leid, dass er sie angemeckert hatte, aber… Sie war nur ein Vogel. Ein ziemlich intelligenter Vogel, aber immer noch ein Vogel und…
„Ich versteh das alles selber nicht…!", flüsterte er und ließ sich rittlings aufs Bett fallen.
Er musste nachdenken. Nachdenken über die ganze Situation.
Er wollte Draco nicht verlieren, er genoss dessen Gesellschaft, auch wenn sie… nun ja, auch wenn Harry sich nicht an ihn erinnern konnte.
Aber er war völlig zufrieden damit, ihn bei sich zu haben. Er brauchte nicht mehr zu wissen, als das er bei ihm war.
Denn dann war alles gut. Alles so, wie es sein sollte.
War es wirklich so?
Harry schüttelte den Kopf. Er hasste diese kleinen, nervigen Stimmen, die immer dann kamen, wenn man sie am wenigsten gebrauchen konnte.
Grausam…
Irgendwie war alles verdammt kompliziert. Seitdem er Draco getroffen hatte, noch mehr, als schon vorher.
„Yosh. Besuch für dich!", holte ihn plötzlich die Stimme Marias aus seinen Gedanken. Verwundert stand er auf und ging nach unten.
Draco wollte heute doch nicht kommen…
Er kam gerade durch die Küchentür, als ihm schone in brauner Haarbusch ins Gesicht flog.
„Da bist du ja endlich. Es ist sau kalt hier!", beschwerte sich Blaise harsch, doch sein grinsen verriet Draco, dass er nicht wirklich böse auf ihn war.
„Was regst du dich so auf? Bist ja noch nicht festgefroren. Mal davon abgesehen…" er grinste unverschämt „Weißt du doch wo unser Hotel ist."
„Ich wollte aber dass du mich abholst. Das gehört zu deinen Pflichten als Freund. Und hör auf so blöd zu grinsen. Sieht aus, als hättest du gerade den besten Sex deines Lebens gehabt!", meckerte Blaise zurück, doch bei seinen letzten Worten verdunkelte sich sein Blick. „Betrügst du Harry?"
Draco fiel bei den Worten aus allen Wolken und blickte seinen Freund ein wenig verwirrt an. Wie kam er denn dazu, so etwas zu fragen?
„Ist dir das Gehirn eingefroren Zabini? Wieso denkst du, mache ich diesen ganzen Aufwand? Nur um ihm dann zu sagen, dass es mir Leid tut, ich aber schon jemanden andern habe? Blödsinn." Dracos Worte waren hart und unnachgiebig. Sofort schien sich Blaise wieder zu entspannen und ein schiefes Grinsen schlich sich auf seine Lippen.
„Nein. Ich mache mir nur Sorgen."
„Sorgen nennst du das? Ich weiß dass ich kein Engel bin, aber untreue hat noch nie zu meinen Eigenschaften gehört. Wie kommst du bloß auf solche dämlichen Ideen."
„Schon gut, reg dich ab. Ich weiß auch nicht. Du strahlst richtig. So anders, als ich die verlassen habe.", entgegnete Blaise und zauberte in einem unbeobachteten Moment seine Tasche und den kleinen Holzkoffer den er dabei hatte, klein.
„Vielleicht hat die Zeit ohne deine Anwesenheit, ja eine heilende Wirkung auf mich gehabt!", überlegte Draco laut und ein fieses Funkeln schlich sich in seine Augen.
„Sehr witzig. Los, ich will so schnell wie möglich zurück ins Hotel. Dann am besten duschen, baden oder einfach nur ins Bett. Auf alle Fälle irgendwohin, wo es warm ist."
„Dann komm. Und sei Ja vorsichtig mit den Zutaten. Ich hoffe du hast auch wirklich alles besorgt?"
„Was denkst du denn? Wobei ich gestehen muss… Ich war sehr überrascht, wie schnell man an so manche Dinge kommen kann, selbst wenn man nicht Malfoy mit Nachnamen heißt."
„Mhm… Das Ministerium ist unvorsichtig wie eh und je. Ungenau, voreingenommen und dumm.", murmelte Draco leise.
Er wusste wovon er sprach. Damals als der Krieg begonnen hatte und sich herausstellte, auf welchen Seiten man stand, war man auf der ‚guten' Seite immer willkommen gewesen. Draco hatte es damals schon komisch gefunden. Der Orden hatte viele Mitglieder gehabt. Sicherlich. Aber der dunkle Lord hatte so viele mehr auf seiner Seite. Und es war nicht so, dass alle Kanonenfutter waren, wie es immer gerne dargestellt wird. Viele gute und talentierte Zauberer waren auf seiner Seite gewesen und viele waren den Auroren im Können und Wissen weit überlegen gewesen.
Was sie am Ende vernichtete hatte, war ihre innere Zerrissenheit. Viele, vor allem die Jüngeren, wollten nicht unter dem dunklen Lord dienen. Draco war auf Kundschaftergängen mehr als einmal auf seine ehemaligen Kameraden gestoßen. Unter ihnen waren nicht nur Slytherins, wie alle vermutet hatten. Einige Hufflepuffs und sogar ein Gryffindor… Dennis… Creev? Crokey? Draco war sich nicht mehr sicher.
Sie waren ohne eine ernsthafte Konfrontation von dannen gezogen. Auch die Leute aus Dracos Gruppe hatten ihnen nichts getan. Es war nie besonders angenehm gewesen, gegen seine eigenen Leute und ehemaligen Freunde, Liebsten und teilweise sogar Brüder und Schwestern zu kämpfen. Und das trotz aller Streitigkeiten, von denen Draco und besonders Harry Lieder singen konnten.
Keine leichte Zeit. Wahrlich keine leichte Zeit.
„Du sinnierst schon wieder!", holte ihn Blaise aus seinen Gedanken.
„Und du mischt dich wieder ungefragt in meine Gedanken ein!", knurrte Draco zurück.
„Ich weiß." Blaise grinste verschmitzt und strich sich einige violette Haarsträhnen aus dem Gesicht.
Der
Blonde knurrte leicht ob dieser Dreistigkeit, die Blaise, seitdem sie
sich näher kennen gelernt hatten, an den tag legte und winkte
eines der wenigen Taxis herbei.
Er würde sich sofort, wenn
sie im Hotel waren, an den Trank setzten.
Laut Beschreibung müsste er in drei Tagen fertig sein.
Es dauerte nicht lange, die Fahrt zum Hotel. Blaise und Draco sprachen nicht. Wahrscheinlich wussten sie beide nicht genau warum. Vielleicht war es aber auch einfach nur die Tatsache, dass sich beide ihre Gedanken gemacht hatten. Darüber was kommen würde.
Eigentlich hätten sie es besser wissen müssen. Bestimmte Dinge geschahen nicht einfach so und wenn man sie ändern wollte ging bei weitem nicht alles so glatt, wie es den Anschein hatte.
„Da sind die beiden Herren ja wieder. Noch eine Woche?" Draco nickte knapp und die Besitzerin nannte ihm die Summe. Draco bezahlte zwar nicht gerne im Voraus, man wusste schließlich nie, was noch geschah, aber da es in diesem Kaff anscheinend Gang und Gebe war, konnte er nichts anderes machen.
„Ich geh schon mal nach oben!", meinte Blaise und Draco warf ihm ohne ein weiteres Kommentar den Schlüssel zu ihrem Zimmer zu.
In Gedanken schritt der Schwarzhaarige die Treppen hoch und öffnete automatisch die Tür. Das Zimmer war sauber und ordentlich, das Bett zusammengefaltet und doch sah man, dass jemand drauf gelegen hatte. Blaise war sich sicher, das Draco die letzten Tage nicht richtig geschlafen hatte.
Er sah zwar immer noch gut aus, normal, vielleicht ein bisschen müde, aber mehr auch nicht. Doch Blaise kannte den Blonden nun schon eine Weile und er wusste, dass man Draco seinen Gemütszustand nicht immer ansah.
Seufzend hexte er seine Sachen wieder groß und betrachtete den kleinen Holzkoffer. Die Tür öffnete sich wieder und Draco trat ein.
„Blöde Kuh. Wollte mir doch tatsächlich mehr Geld abknöpfen, für die Brühe, die sie hier Kaffee nennen.", meckerte er ausgelassen und es hatte für Blaise fast den Anschein, dass alles völlig okay war.
„Draco, was ist los?", fragte er direkt und der Blonde hielt in seiner wüsten Beschimpfung inne.
Sein Blick lag undefinierbar auf Blaise. Er hätte es wissen müssen.
„Nichts!", versuchte er abzuwehren.
„Hör auf mit dem Scheiß. Was ist passiert. Erst grinst du dir einen ab und nun das. Ich könnte wetten, dass du die letzten Tage kaum geschlafen, noch gegessen hast, oder?"
„Ist jetzt nicht wichtig!", widersprach Draco und öffnete den Holzkoffer. Alle Zutaten standen bereit und auch ein Miniaturkessel und ein kleiner Bunsenbrenner. Beides wurde groß gehext und der Blonde zog gleich sein Buch zu rate. Er hatte sich den Trank schon so oft durchgelesen, seitdem sie hier waren, aber es war besser, er schaute sich alles genau an.
„Hast du Harry getroffen?"
„Ja." Er blätterte bis zu der Seite, die er benötigte.
„Du hast es ihm erzählt?"
„Ja." Er stand auf und fühlte ihm Bad Wasser in den Kessel. Einen Liter…
„Was hast du ihm gesagt?"
„Seinen Namen." Dracos Stimme war ruhig, als er zurück ins Zimmer kam. Er mied den Blickkontakt mit Blaise. „Und ich habe ihm gesagt was er ist."
„Wie hat er reagiert?" Blaise hatte sich derweil aufs Bett gelegt und schaute seinen Freund an. Ihm war eigentlich nicht nach liegen, aber es nahm ein wenig der Spannung, die dieses Gespräch mit sich hatte. Für jemanden, der nicht wusste worum es ging, würde es wohl ziemlich normal aussehen. Aber das war es nicht…
„Hat einen Schock erlitten.", war die einzige Antwort des Blonden.
Blaise wusste nicht genau, warum sich die Stimme seines Freundes so seltsam anhörte.
„Du weißt warum.", vermutet er gelassen, doch seine Stimme war dunkler als sonst.
„Ja!" Draco schnitt einige der violetten Blätter klein.
„Dann sag es."
„Ich denke du weißt es. Ein verunglückter Amnesia? Sagt dir das was?" Draco klang beiläufig. Flucht…
Blaise schaute erst verwirrt, doch dann begriff er. Sie hatten, so glaubte er, das einmal kurz in Zauberkunst gestreift. Gedächtniszauber wurden an Hogwarts nicht unterrichtet. Es erschien den Schulleitern zu gefährlich, auch wenn die meisten Schüler ab Klasse fünf ‚Oblivate' schon beherrschte. Zumindest war es so in Slytherin gewesen. Flitwick hatte beim Thema ‚Oblivate' auch eindringlich vor ‚Amnesia' gewarnt. Es sei ein tückischer Spruch, der, wenn man ihn nicht mit völliger Überzeugung aussprach einige unangenehme Überraschungen barg. An sich selbst ausgesprochen… undenkbar. Niemand, würde sich mit reinem Gewissen und vollem Vertrauen das eigene Gedächtnis nehmen.
„Woher?"
„Mein Vater." Draco erhöhte die Temperatur noch ein wenig und ging dann zum Fenster um es zu öffnen. Er ließ sich wie immer auf dem Sims nieder. Die Schachtel Zigaretten lag auch schon da.
Für Blaise gab es selber nichts mehr zu sagen. Es bekräftigte nur seine Befürchtung und so wie es aussah, hatte Draco diese Möglichkeit ebenfalls in Betracht gezogen.
Ob es dann noch gut war, Harry ‚zurückzuholen'?
Harry stand immer noch ein wenig geschockt im Raum. Nur langsam fasste er sich wieder und drückte das Mädchen von sich.
„Alicia. Was machst du hier?", seine Stimme war ausgesprochen kühl und Marie und Damian, welche am Tisch saßen, blickten sich vielsagend an.
„Ich wollte dich wieder sehen. Du glaubst ja gar nicht wie Leid mir das alles tut. Ich hab's erst jetzt begriffen. Du bist mir so wichtig. Verzeihst du mir?"
Sie redetet ohne unterlass und Harry wusste nicht was er davon halten sollte. Sie sah wie immer hübsch aus, das Haar offen, glänzend. Sie war auch leicht geschminkt, nur dezent, dass es ihre Attribute hervorhob, aber nicht zu sehr auffiel.
Doch Harry fand nichts an ihr.
Sie war hübsch, mehr auch nicht.
„Yosh?", fragte sie leise und ihre Augen wurden leicht wässrig.
Nichts regte sich in ihm. Er wusste nicht einmal, was er auf ihre Frage antworten sollte. Es gab da für ihn nicht viel zu sagen.
„Ich weiß es nicht!", meinte er schließlich wahrheitsgemäß.
„Ich…!"
„Ich denke, das sollten wir draußen bereden."
Ohne sie eines weiteren Blickes zu würdigen, schritt er nach draußen und ignorierte die Blicke von Damian und Marie geflissentlich.
Besser so.
„Yosh, warte, was ist mit dir los? Hat das was mit dem Mann zu tun, der bei dir war?" Alicia war ihm hinterher gerannt und atmete schwer. Er ging weiter in Richtung Stall.
„Unter anderem. Aber ich denke hauptsächlich hat es etwas damit zu tun, dass du diese Kerle auf mich gehetzt hast und nicht nur mich, sondern auch sie in Gefahr brachtest."
„Ich verstehe nicht." Sie war mittlerweile vor ihn getreten und schaute ihn von unten herauf an. „Ich habe niemanden geschickt. Ehrlich." Er schnaubte missbilligend. Wieso log sie, wenn ihre Gorillas es ihm schon gesagt hatten? Gorillas… Da war doch was. Wiesel und Gorillas.
Seltsam… Verwirrt schüttelte er den Kopf und blickte sie wieder an.
„Sie haben es schon zugegeben. Du brauchst es nicht zu leugnen!" er ging zu dem Sack Möhren in der Ecke und zog zwei raus. Das Reithalfter hin wie immer and er Boxentür.
„Ich habe sie nicht geschickt. Ehrlich. Ich habe ihnen nur davon erzählt. Es tut mir Leid, ich war so wütend und enttäuscht."
„Nein wirklich? Ist das ein Grund, die Beiden auf mich anzusetzen? Alicia, seh einfach zu, dass du gehst. Hörst du? Lass mich in Ruhe!"
Er legte Moritz, dem Pony, die Trense an und schwang sich, immer noch ein wenig wackelig auf den breiten Rücken.
„Aber Yosh, ich…!"
„Lass mich einfach in Ruhe!", erwiderte er und trieb das Pony in leichtem Trab von Hof.
Er war wütend und er wusste nicht was er machen sollte. Wütend auf Alicia und auf sich und verzweifelt, weil er… Er wollte Draco nicht verlieren, aber dies schien so von dieser Zaubersache überzeugt zu sein und genauso, wie Harrys Innersten ihm befahl bei Draco zu bleiben so verleugnete es doch auch die Worte, die er sprach.
Er Harry wusste nicht woran es lag.
Er
wollte nicht hören, wenn Draco von Zauberei sprach.
Er wollte
kein Wort hören, was damit in Verbindung stand.
Er wollte mit Zauberei nie wieder etwas zu tun haben.
Er spürte gar nicht wie Tränen des Zornes in seine Augen traten und heiß über seine Wangen flossen.
Warum musste nur alles so kompliziert sein.
„Hätte Gott gewollt, dass das Leben einfach ist, hätte er es nicht kompliziert gemacht."
„Du glaubst an Gott?"
„Nein, Gott ist tot."
Im schwindelte, als er wieder klar sah und die Stimmen und Eindrücke verwanden. Er kannte die Stimme. Er wusste, dass er selber sprach, das Draco bei ihm war.
Es war ihm, als würde er noch den Wind in seinem Gesicht spüren, als diese Worte gesprochen wurden.
Sein Blick fiel auf seine Uhr. Halb sechs. War es wirklich schon so spät?
„Ja…!" Es dämmerte schon. Vereinzelnd sah er Sterne am winterlich, klaren Himmel. Der hellste Stern, wie immer Sirius. Hellster Stern des großen Wagens.
Es machte ihn traurig diesen Stern zu sehen. Es war eine tief sitzende Traurigkeit, die nie verschwinden würde, denn alles was mit dem Namen Sirius zusammenhing war schmerzhaft.
Und er wollte nicht wissen wieso.
Die Neugier, die er früher noch verspürt hatte, die Verzweiflung darüber, dass er sich an nichts erinnern konnte, war verschwunden. Statt ihrer trat ein neues Gefühl.
Angst davor es zu erfahren.
Angst davor zu wissen, warum.
Angst vor seiner Vergangenheit.
Es mochte feige sein zu fliehen, doch was auch immer hinter ihm lag, es war sicher gerechtfertigt.
„Los Moritz. Wir reiten nach Hause!" er griff härter in die Zügel und kehrte um.
Drei Tage waren vergangen. Blaise schaute zweifelnd auf Draco, welcher gerade die letzte Zutat –drei Tropfen Mantikorblut- in den Kessel schüttete. Der Trank hatte sich mittlerweile leicht rötlich verfärbt und war genauso exakt, wie die Abbildung in dem Buch. Draco machte nie Fehler, wenn ihm etwas daran lag.
Das wusste Blaise, denn Fehler wurden immer bestraft. Auch wenn die Strafe nicht sofort kam, sie kam und dann meist schrecklicher, als man es sich erträumt hatte.
„Fertig.", murmelte der Blonde und ließ sich nach hinten auf den weichen Teppich fallen. Die letzten Tage hatte er nicht besonders viel Schlaf gefunden. Wie konnte er auch?
Dazu hatte er Harry nicht noch einmal besucht. Sicherlich, er hatte Hedwig noch einmal losgeschickt, auch wenn sich die Eule aufs heftigste dagegen gewehrt hatte. Draco wusste nicht, was vorgefallen war, aber es war nicht normal, das die Schneeeule nicht zu ihrem Besitzer wollte.
Es war Draco schon vorher aufgefallen. Sie war die ganze Zeit bei Blaise und ihm gewesen und nicht bei Harry, so wie es sich eigentlich gehörte. Schließlich war sie seine Posteule und nicht Dracos. Die des Blonden wurde schon vor Jahren von einem der Todesser abgeschossen. Der Verlust hatte Draco hart getroffen, auch wenn er es anderen gegenüber nie wirklich eingestanden hatte, denn es war seine erste Eule gewesen. Eine, die nur ihm gehörte.
„Draco?
Was machen wir jetzt?" Blaises Stimme war zögernd. Er wusste
nicht genau, ob es richtig war die Stille zu durchbrechen, die seit
Tagen zwischen ihnen lag.
Seit er zurück war, beschäftigte
Draco sich mit dem Trank. Es wurde nur das Wichtigste gesagt,
ansonsten gingen sie sich verbal aus dem Weg.
Und der Schwarzhaarige ließ den Blonden. Es war besser so. Unnötig Draco noch weiter zu reitzen.
„Ich weiß nicht, was du machst, aber ich werde ihm den Trank bringen."
„Soll ich mitkommen?" Es war nicht das, was Blaise fragen wollte.
Glaubst du, dass du das Richtige tust?
„Ich… Ja, komm mit! Ich appariere uns beide, du kennst den Standort nicht!"
Er nahm eine Kelle, des bereits Trankes und fühlte ihn in eine kleine Phiole, die er sicher in der Innentasche seines Umhangs verbarg.
„Komm!" Er hielt seinem Freund die Hand hin und dieser ergriff sie.
Harry kam gerade aus dem Hühnerstall, als er die Beiden Gestallten auf den Hof kommen sah. Ein freudiges Blitzen stahl sich in seine Augen, als er Draco erblickte und sein Herz klopfte schneller.
Er ging schnell auf die Beiden zu und versuchte das Kribbeln in seiner Brust zu ignorieren.
„Schön, dass du wieder hier bist. Ich dachte schon, du hast mich vergessen."
„Wie könnte ich.", erwiderte Draco lächelnd, doch irgendetwas irritierte Harry. Das Lächeln war nicht echt…
Sein Blick fiel auf den Schwarzhaarigen.
„Das
ist Blaise. Blaise Zabini!"
Ich weiß, dachte Harry und
streckte dem Schwarzhaarigen seine Hand hin. Warum wusste er, wer der
Mann war?
„Ich denke, du bist nicht einfach so hierher gekommen?"
„Nein.
Bin ich nicht. Lass uns ein Stück gehen…!"
Harry schaute
ihn ein wenig verwirrt an. Draco sprach so ernst. Sein Blick
flackerte zu Blaise.
„Schau dich ruhig ein wenig um. Damian hat sicher nichts dagegen.", meinte er freundlich, bevor er hinter Draco her lief, welcher schon vorgegangen war.
Sie verließen den Hof und folgten einem kleinen Feldweg. Harry ging schweigend neben Draco her. Er wusste nicht, was das alles zu bedeuten hatte.
Plötzlich blieb der Blonde stehen. Seine Haare verdeckten sein Gesicht und Harry fühlte Angst in sich aufsteigen. Unbändige Angst.
„Ich wollte mit dir reden. Und wieder habe ich keine Ahnung, wo ich anfangen soll." Ein heiseres Lachen erklang. „Du erinnerst dich?" er schaute auf und die grauen Augen wirkten aufgewühlt. „Ich habe dir erzählt, dass du ein Zauberer bist? Harry Potter?"
„Hör auf damit!", Harry hielt sich die Ohren zu und schüttelte wie wild seinen Kopf. Er schrie. „Ich will das nicht hören. Hör auf damit! Bitte!" Tränen traten seine Augen. Er wusste nicht woher der plötzliche Gefühlsausbruch kam. Wie eine Welle schappte die Angst, die Befürchtungen über ihn.
„Ich weiß! Ich weiß, dass du es nicht hören willst. Aber bedeutet es dir den gar nichts? Bedeute ich dir nichts?"
„Wie meinst du das?" Ein heiseres Schluchzen schlich sich seine Kehle empor.
„So wie ich es sagte. Bedeute ich dir nichts. Ich weiß nicht vor was du weggelaufen bist und ich kann auch nicht verstehen, warum du dich so dagegen wehrst. Aber, du sagtest mir mal, dass du mich nicht alleine lässt. Du hast es mir versprochen!"
„Was mache ich hier? Warum hast du das getan?"
„Ich liebe dich."
„Du wirst mich verlassen. Und dann? Dann habe ich nichts mehr. Gar nichts mehr."
„Ich verlasse dich nicht. Niemals. Versprochen!"
„Ich will nicht…. Bitte… Hör auf."
„Und da sagt man immer, einer der in Gryffindor war, hat Mut. Läuft weg vor Dingen, die nur noch Schatten sind. Denkst du, diejenigen, die dir vertraut haben, all die, die gestorben sind, glaubst du ich, wir haben gewollt, dass du flüchtest? Ich weiß wovon ich rede. Die Vergangenheit ist grausam, ungerecht und gemein, weil man sie nicht mehr ändern kann. Aber man sollte wenigstens versuchen es in der Zukunft besser zu machen. Doch was tust du? Du verkriechst dich in einer Illusion, verleugnest die Tatsachen… Denkst du, das ist der richtige Weg?"
„Draco, hör auf. Bitte… Hör auf!" Seine Beine gaben nach, er konnte den harten Boden spüren. Es tat weh. Es tat so weh. „Ich will nicht. Ich will mich nicht erinnern. Das Einzige, was ich will ist, dass du bei mir bleibst!"
„Du weißt, dass ich das nicht kann. Hier!" Draco griff in seine Manteltasche. Zum Vorschein kam eine kleine Phiole mit einer roten Flüssigkeit. Draco warf sie ihm zu. Sie landete mit einem kristallenen Klirren im Gras. „Entscheide dich."
„Ich kann nicht…!" Harry blickte auf, Tränen verschleierten seine Augen.
„Ich auch nicht."
„Dann ist das deine Entscheidung!"
Draco drehte sich um und ging.
Die Sonne ging Blutrot unter, ließ die scharfen Konturen des Mannes verschwimmen, bis er verschwunden war.
„Blaise. Komm!" Seine Stimme war merkwürdig hohl. Er hatte mit den Tränen zu kämpfen.
„Wo ist Harry?" Der Schwarzhaarige trat neben ihn, seine Hand grub sich in Dracos Schulter.
„Draco!"
Doch der Blonde reagierte nicht. Mit einem ‚Plop' verschwand er.
Blaise folgte ihm kurz darauf.
Harry kam spät abends wieder. Es war bereits dunkel draußen und sehr kalt, doch er spürte die Kälte nicht. Alles war taub, wie durch einen dichten Nebelschleier.
„Yosh, was…!" Er ging einfach weiter. Schritt für Schritt in sein Zimmer.
Einsamkeit.
Ruhe.
Allein.
Damian hielt seine Frau zurück, als diese dem Jungen nach wollte. Die ganze Zeit, seitdem er hier war, war er nie so gewesen. Sie machte sich große Sorgen.
„Lass ihn."
