Vergebung

Der Verstand sagt „Lass es!"

Das Herz sagt „Nimm ihn!"

Und nun rate, wer gewonnen hat...

Es war nun schon eine Woche vergangen. Der März brach an und London war stürmisch und regnerisch zu dieser Zeit.

Blaise saß bei Draco auf der Couch und beobachtete den Blonden.

Dieser saß aus Gewohnheit auf dem Sims, das Fenster weit offen. Der Boden war nass, seine Klamotten auch. Das Rauchen hatte er sich nicht wieder abgewöhnt.

Er sah schlecht aus. Die schlaflosen Nächte, der Stress und die Qual hatten ihn dahinsiechen lassen. Blaise machte sich große Sorgen, doch er konnte nichts tun.

Der Tod war schlimm, aber man fand sich irgendwann damit ab. Jeder. Und die die es nicht taten, die folgten demjenigen, dem sie ihr Herz geschenkt hatten irgendwann.

Doch wie war es mit Menschen, die noch lebten? Die man aber trotzdem verloren hatte? Man konnte ihnen nicht wirklich folgen.

Blaise erinnerte sich noch gut, an den einen Tag.

Draco war mit Harry weggegangen und er hatte sich ein wenig umgesehen. Dabei war er auch auf Damian gestoßen. Sie hatten sich ein wenig unterhalten. Der alte Mann hielt nicht viel von Draco und Blaise wusste, dass es auf Gegenseitigkeit beruhte. Draco mochte keine Muggel. Noch nie. Er selber hatte mit ihnen weniger Probleme.

Fakt war aber, dass es Harry bei ihnen gut hatte. Sie kümmerten sich um ihn und man merkte, das Damian den Jungen richtig ins Herz geschlossen hatte.

Dann kam Draco wieder.

Blaise hatte schon von weitem erkannt, das etwas nicht stimmte, doch noch ehe er es herausfinden konnte war Draco appariert. Er war ihm zwar gefolgt, doch selbst im Hotel waren die einzigen Worte des Blonden „Wir reisen ab" gewesen.

Und Blaise begriff. Harry wollte nicht. Er konnte. Er war sich nicht sicher.

Seit diesem Tag, war er bei Draco gewesen, hatte sich so gut es ging um ihn gekümmert, doch der Blonde schien es eigentlich gar nicht zu wollen und so leistete Blaise ihm nur stummen Beistand.

„Du musst nicht hier bleiben."

Draco flüsterte. Seine Stimme schien sonst zu versagen.

„Ist gut. Ich komme aber gleich wieder. Will nur schnell zum Chinesen uns was zu Essen holen. In einer Stunde bin ich wieder da." Blaise wollte ihn nicht alleine lassen, doch er musste auch einmal rauskommen. Insgemein war er froh einen Grund zu haben Draco ohne schlechtes Gewissen allein lassen zu können.

Schnell zog er sich seinen Mantel über und verließ die Wohnung.

Draco atmete aus. Er war froh, das Blaise gegangen war, sah er seinem Freund doch an, dass dieser auch froh war, einmal raus zukommen. Draco wollte nicht. Und Blaise musste sich auch nicht um ihn kümmern. Das war nicht wichtig.

Er zündete sich noch eine Zigarette an.

Früher hatte er wegen Harry aufgehört. Dieser mochte weder den Geruch, noch den Geschmack. Aber Harry gab es nicht mehr. Es gab nur noch Yosh. Mit Harry Potters Tod war Yosh Lorain geboren.

Und so sehr es Draco auch das Herz zerriss er wünschte ihm alles Gute.

Vielleicht hatte Harry auch recht mit seiner Entscheidung.

Langsam konnte Draco nachvollziehen, warum er es getan hatte. Jeder von ihnen hatte schwer mit seiner Vergangenheit zu kämpfen gehabt. Doch wo Draco eisige Fassung behielt und sich zur Ordnung rief, wurde Harry emotional. Der Blonde konnte sich gut vorstellen, dass sein Freund es nicht mehr ausgehalten hatte. Er hatte seinen Auftrag erfüllt, als Voldemort starb. Es bestand kein Grund mehr, in dieser Welt zu bleiben.
Draco hatte immer geglaubt, er wäre ein Grund gewesen. Er wäre der Grund gewesen. Und es tat weh zu bemerken, dass dem nicht so war. Zu weh.

Auch bei ihm gab es einen Punkt, an dem er nicht mehr konnte. An dem er sich nicht mehr zur Ordnung rufen wollte. Dieser Punkt war nun erreicht.

Die Asche glühte rot auf und ging mit einem Zischen aus, als er sie aus dem Fenster schnippte.

Harry hatte sie alleine gelassen. Das wurde Draco erst recht bewusst, als sie wieder nach Hause kamen. Hedwig war ihnen nicht gefolgt.

Nichts band sie mehr, weder an ihren Besitzer, noch an Draco. Er hoffte dass es ihr in der Freiheit gut ging.

Ein klingeln riss ihn aus seinen Gedanken.

Er ignorierte es und zündete sich eine weitere Zigarette an.

Es klingelte wieder.

Blaise hatte einen Schlüssel. Er würde schon reinkommen, dachte er und zog an seiner Zigarette.

Es klingelte wieder.

Lang, anhalten, schrill.

Er wollte alleine sein.

Wieder die Klingel.

Die Zigarette flog aus dem Fenster und Draco stand auf. Mit einer wütenden Bewegung seiner Hand flog die Tür auf und…

„Hi." Die Worte waren nur geflüstert. Die Person, die da im Rahmen stand, war klitsch nass und tropfte den Boden voll. Eine Lache hatte sich schon gebildet.

Plitsch. Plitsch. Plitsch.

Ansonsten war es still.

„Ich… Draco…!" er sprach nicht weiter, sonder fiel dem Blonden in die Arme, weinte.

Draco wusste nicht, was er machen sollte. Sein Körper war wie versteinert. Mit hölzernen Bewegungen schlang er seine Arme um die Person, drückte sie so fest an sich. Er wollte sie nie wieder verlieren.

Wie lange sie so dastanden wussten sie nicht.

Harry hörte nach einer Weile auf zu weinen. Nur noch manchmal schluchzte er auf.

Und Draco?

Er spürte nicht, wie auch im Tränen über das feine Gesicht liefen. Tränen, die tief aus seiner Seele kamen, geprägt von Freude, Hoffnung, Schmerz und unendlicher Liebe.

„Es tut mir so Leid. Es tut mir so unendlich Leid.", wisperte Harry. Er schluckte. Ein dicker Kloß hatte sich in seinem Hals gebildet und wollte nicht verschwinden. „Ich wollte das nicht. Ich wollte dir nicht wehtun. Draco…!" er schaute auf. Dem Blonden ins Gesicht, verlor sich in den grauen Augen, so tief wie die Liebe, die sie für einander empfanden und die er aus Egoismus einfach wegwerfen wollte.

Er war so dumm.

„Es ist okay. Es ist alles okay."

„Nein, ist es nicht, ich…!" er konnte nicht aussprechen, denn Draco hatte sich zu ihm gebeugt. Weiche Lippen pressten sich auf seine, raubten ihm die Luft zum atmen.

Er versank in diesem Kuss aus Verzweiflung und Entbehrung und… Liebe. Wie hatte er so was einfach aufs Spiel setzen können? Wie konnte er nur.

Feuer explodierte in seinem Inneren, als eine Zunge sanft gegen seien Lippen stieß, sie umschmeichelte, mehr forderte. Er öffnete seine, ließ die fremde, vertraute Zunge eindringen, kam ihr entgegen und versuchte dem Ansturm ebenbürtig zu sein.

Hatte er vorher gefroren, so was dies vergessen. Es kam kein Warm und Kalt mehr. Nur noch Feuer und Draco.

Feuer, das in seinen Adern kochte, durch seinen Körper jagte und Draco, der überall war.

Warme Hände, die langsam seine Kleidung aufknöpften über die kühle Haut strichen und diese ebenfalls zum Brennen brachten.

„Ich hab dich so vermisst!" Löste sich Draco von ihm.

Harry konnte nicht antworten, denn wieder legten sich weiche Lippen auf seine und nur am Rande bekam er mit, wie Draco die Tür mit einer Handbewegung schloss und er dann in Richtung Sofa geschoben wurde.

Sie unterbrachen den Kuss abermals und Harry blickte in Sturmgraue Augen. Immer wieder faszinierten sie ihn, immer wieder wollte er sich in ihnen verlieren.

Endlich streifte der Blonde ihm den nassen Mantel ab und auch Harry ließ seine Hände über die weiche Haut wandern, liebkoste sie, kostete sie. Wie sehr hatte er es vermisst.

Dracos Lippen wanderten über seinen Hals und Harry seufzte auf, als er fest zubiss. Süßer Schmerz durchfuhr ihr und würde mit einer weichen Zunge wieder gesühnt.

Sanfte Finger strichen über die Narbe an seiner Schulter, verwöhnten das übersensible, feine Gewebe.

Sie kosteten sich ausgiebig, streichelten sich, erkundeten den Körper des anderen aufs Neue und als Draco schließlich in ihn eindrang, war es Harry, als würde er erst jetzt anfangen wieder zu leben. Alles um ihn explodierte, nahm Farben und Konturen an. Seine Hände krallten sich in die des Blonden, registrierten die sehnigen Muskel, die mit den Stößen vibrierten. Er kam ihnen sehnsüchtig entgegen, erwiderte sie mit unbarmherzigem Verlangen.

Blaise stand derweil vor der Tür. Eine Stunde. Bis er nach Hause ging.
Draco würde er erst in drei Tagen wieder sehen. Ziemlich müde, ausgelaugt, aber so glücklich und zufrieden… oder sollte er eher sagen… so befriedigt, wie schon lange nicht mehr.

Auch sollte er fast in Ohnmacht fallen, als Harry, in einem ähnlichen Zustand wie Draco, sah.

Dies lag nun schon eine ganze Weile zurück. Blaise wusste gar nicht mehr wie lange. Ein paar Jahre? Er war mittlerweile 25 und –zu Dracos größter Zufriedenheit, wie dieser schrieb- nicht mehr ledig.

Warum Draco schrieb?
Blaise grinste bei dem Gedanken. Sie hatten London, England, Europa generell verlassen.

Sie lebten nun mit Neuseeland.

Harry wollte nicht mehr zurück, in die Welt, die ihn gefangen hielt. Er wollte irgendwohin, wo niemand ihn kannte. Niemand, außer Blaise und Draco, wussten, das Harry Potter noch lebte. In Neuseeland.

Draco arbeitete dort, wie er es auch hier getan hatte, in der Zaubertrank Forschung. Schon damals hatte er sich vorgenommen vor seinem dreißigsten Lebensjahr mindestens zwei Tränke patentieren zu lassen. Nun…. Mittlerweile waren es schon viere und Draco war erst 26.

Was aus Harry geworden war? Nun, der arbeitete erfolgreich, beim dortigen Ministerium, als Fluchbrecher. Er wollte schon im Krieg kein Auror mehr werden, auch wenn er selbst als Unbekannter, überall diesem Job bekommen hätte. Seine Noten waren gut, doch sie entsprachen nicht im Geringsten seinen Fähigkeiten. Das hatte Blaise gelernt. Harry konnte kalkulieren, listig und äußerst vorsichtig sein, wenn es hart auf hart kam. Das musste er auch, wenn er mit seinem Leichtsinn in gefährliche Situationen am. Aber das wichtigste war: Die anderen hörten auf ihn. Er hatte schon immer eine Gruppe leiten können, doch er war das kämpfen satt gewesen.

Fluchbrecher dagegen fand er interessant.

Und warum waren sie von hier weggezogen?

Und warum wollte Harry nicht mehr in sein altes Leben?

Warum wollte er weg aus England, weg aus Europa, wollte für die Welt tot bleiben?

Blaise erinnerte sich noch an das Gespräch oder eher die Geschichte von Harry.

Ich schulde euch eine Erklärung. Bitte unterbrecht mich nicht. Es ist einer der Gründe, warum ich mich nie wieder erinnern wollte…!" er machte eine Pause. Niemand sprach, nur der Regen prasselte gegen die Fenster. Draco rauchte nicht mehr. Die Schachtel lag unberührt auf dem Fenstersims. „Es war im Kampf… Ich hatte Draco verloren, wusste nicht wo er war. Überall flogen Flüche durch die Luft, Menschen gingen zu Boden, viele Leichen lagen dort und dann kam er. Ich hatte nicht damit gerechnet ihn so früh gegenüber zu treten. Die Haut war aschfahl und seine roten Augen glühten"

Harry blickte seinem Feind, der ihn nun schon sein gesamtes Leben verfolgte, entgegen.

Harry Potter. Gefällt dir, was du siehst? Sie alle sterben. Alle. Sterben wegen mir und… wegen dir!" Die roten Augen schienen sich direkt in seine Seele zu brennen und wieder einmal dankte Harry seinem Toten Professor für die Okklumentikstunden. Er ließ ihn nicht in seinen Geist, versuchte, alles zu versperren. „Wie ich sehe, hat Severus, diese miese Ratte, doch noch seinen Dienst getan. Hat es dir beigebracht, wie? Aber es wird dir nichts nützen. Denn ich weiß auch so, was in der vorgeht. Wir sind nicht so verschieden, wie du denkst. Wir beide sind Mörder. Nur das du es noch nicht begriffen hast!"

Harry schluckte. Er wusste, das Voldemort Recht hatte. Er wusste es verdammt.

Lass ins beenden, was du angefangen hast!", keuchte er nur und richtete seinen Zauberstab auf den Feind.

Es dauerte lange. Ich weiß nicht einmal wie lange. Ich wusste nur noch, dass ich diesen einen Spruch gesprochen hatte. Snape hatte einmal davon erzählt, da er angeblich eng mit Zaubertränke zu tun haben sollte. Ein Giftspruch.. Serpentis Venenare Lentus. Ich habe ihn ausgesprochen. Er tötet schnell, wenn der Körper zu schwach ist. Ich hatte Glück, so schnell zu reagieren. Sein Inflamare hatte mir die Schulter verbrannt.

Was…. Argh! Du hast mich…!"

Vergiftet. Schlangengift. Kommt dir das bekannt vor." Harry zitterte, der Zauberstab fiel ihm aus der Hand.

Ich mag sterben… Aber lebe damit, dass du ein Mörder bist. Du hast gemordet, vorsätz...lich. Mit Absicht. Stirb mit dem Wissen. Du Mörder…!"

Tränen schossen ihm in die Augen. Voldemort war tot, doch mit ihm war auch ein Teil seiner selbst gestorben. Er hatte Recht gehabt. Er war ein Mörder, auch wenn es Voldemort gewesen war. Er hatte einen Mord begangen.

Harry sackte auf die Knie. Sein Körper bebte. Noch schien keiner von seinem Sieg etwas bemerkt zu haben. Seine Finger tasteten nach seinem Zauberstab und auch wenn seine Schulter wie Feuer brannte, er packte fest zu.

Ich will vergessen. Einfach nur vergessen… Draco… Es tut mir so Leid. Bitte.. ich… AMNESIA!"

Ich konnte nicht mehr. Ich wollte nicht mehr. Draco, es tut mir so Leid. Ich war so dumm. Ich wollte aus dieser verfluchten Welt. Wollte einfach nur weg aus dem, was mich dazu gemacht hat. Einem Mörder. Ich konnte damit nicht leben. Aber ich konnte dich auch nicht vergessen.

Ich weiß nur noch, dass mein Zauberstab in dem Moment zerbrach, als der Fluch mich traf. Und irgendwie bin ich dann weggelaufen. Ich hatte Angst und ich wusste, ich musste weg. Überall Flüche… Dann bin ich … Tage lang? Ich weiß es nicht… lange Zeit gelaufen. Immer weiter, bis ich nicht mehr konnte. Irgendwann muss ich dann wohl zusammengebrochen und eingeschlafen sein. Damian hat mich gefunden." Er machte eine Pause und schmiegte sich dicht an Draco, welcher ihm bereitwillig Schutz bot.

Ich wollte dich niemals verlassen. Nie. Aber ich konnte damit nicht leben. Nicht mal jetzt, auch wenn der Schmerz nicht mehr so groß war, wie am Anfang. Aber selbst wenn… So eine Dummheit werde ich nie wieder begehen." Er schaute ihn aus tief grünen Augen an.

Ich hab dir schon längst vergeben."

Ja… Blaise hatte sich das schon gedacht. Harry war immer sehr emotional gewesen. Ganz anders als Draco, welchem es, ja fast schon egal war, wenn er getötet hatte. Sicherlich, ihm war es nicht egal, aber er nahm es ganz anders auf. Man sollte sich ihm oder einem der ihm etwas bedeutete, in den Weg stellen. Und bei einem Krieg mussten Menschen sterben. So war es nun mal.

„Schatz, du solltest dich fertig machen. Unser Flug geht in ein paar Stunden und ich will ihn nicht verpassen. Möchte doch unbedingt deine beiden Freunde kennen lernen."

„Das wirst du Liebling, das wirst du!"

Niemand wusste, dass Harry Potter noch lebte.

Als Draco damals weggezogen war, alles, was in London lag, verkaufte, hatte sich niemand Gedanken darüber gemacht. Alle schoben es auf einen Neuanfang oder welche, die über die Beziehung zu Harry wussten, dachten er wollte einfach nur weg von seinen Erinnerungen.

Nun, es war zumindest teilweise richtig, wobei es sich nicht um seine, sondern um Harrys Erinnerungen handelte.

„Liebling, nun komm endlich!"

Blaise stand auf und ging. Wenige Minuten später fiel die Tür ins Schloss. Sie waren gegangen.

Schlange

vergiften

langsam