Ich bin wirklich froh, dass auch diese Story mit ihrem etwas ungewöhnlichen Pairing seine Leser findet.
Mein heißester Dank geht an MistressofDisaster, Lucindana, M, ReSeSi, sevil, vanion und Latriviata.
(Ich hoffe, ich habe nirgends einen Tipp-Fehler reingehauen… Puh – eure Namen werden auch immer komplizierter aber auch immer interessanter!)
Disclaimer: mir gehört noch immer nix – nur meine dumme, dumme, Fantasie und diese albernen Plotbunnys, die sich bei mir wie die sprichwörtlichen Karnickel vermehren.
Ein Werwolf kommt selten allein – Teil 2
Am nächsten Morgen beobachtete Remus seinen Zwangspartner scharf, doch dieser benahm sich wie gehabt und ließ mit keiner Silbe oder Geste erkennen, dass dieses seltsame und ziemlich einseitige Gespräch der letzten Nacht überhaupt stattgefunden hatte.
Lucius hielt sich wieder die ganze Zeit über in den engen Grenzen des kleinen Gartens auf und Remus wühlte sich wieder durch das staubige Bücherregal. Wahllos zog er irgendein Buch heraus und fing an, lustlos darin herumzublättern. Als er begriff, dass er eine Art Ehe-Ratgeber in den Händen hielt, der sexuellen Ratschlägen ein eigenes Kapitel gewidmet hatte, war es im Prinzip schon zu spät.
Gut – die erogenen Zonen einer Frau rissen ihn nun wirklich nicht vom Hocker – die des Mannes hingegen… Merlin – Bilder gab es auch noch…
Es war wirklich alles schon schlimm genug! Allein schon, dass gerade Frühling war und sowohl seine menschlichen als auch seine Werwolf-Hormone seit Tagen auf kleiner Flamme vor sich hinköchelten – da half die Tatsache, dass er Lucius Mein-Körper-ist-makellos Malfoy als einzige Gesellschaft hatte, auch nicht gerade. Er mochte ein Todesser und ein arroganter Schnösel sein – dennoch hätte Remus blind und taub sein müssen um dessen unglaublich lange Beine zu ignorieren. Wann hatten sich eigentlich das letzte Mal ein paar solcher Beine um seine Hüften geschlungen? Eine Ewigkeit - lieber nicht genauer darüber nachdenken. Darüber hinaus rückte der Vollmond immer näher…
So dauerte es nicht lange, bis Remus diesen aussichtslosen Kampf gegen sich selbst aufgab und ins Badezimmer ging – den Kopf voller unzüchtiger Gedanken und Bilder.
OoooOoooO
Remus stöhnte verhalten, während seine leicht schweißnasse linke Hand auf den kühlen Wandfliesen besseren Halt suchte. Seine Oberschenkel stützten sich am Waschbeckenrand ab und seine rechte Hand glitt in immer schnellerem Rhythmus über seine harte Männlichkeit.
Er gab gerade der Versuchung nach, Severus in seine kleine Phantasie mit einzubauen – seine Bewegungen wurden hektischer, das lustvolle Ziehen in seinem Unterleib verstärkte sich, schwoll an… immer mehr und immer mehr… und…
Lucius Malfoy öffnete die Badezimmertür und blieb wie angewurzelt stehen.
Remus erstarrte mitten in der Bewegung und lief augenblicklich karmesinrot an.
„Oh Gott…", murmelte Lucius betroffen und wurde ein wenig blass. „Tut mir leid… ich… ich wusste nicht, dass du hier schon… ich meine…" stammelte Lucius verwirrt und machte dennoch keinerlei Anstalten den Raum wieder zu verlassen.
Remus erholte sich von dem Schock etwas schneller und merkte, wie er aufhörte sich zu schämen, sondern stattdessen langsam aber sicher, sehr, sehr wütend auf Lucius wurde.
„Verdammt, Malfoy! Verschwinde endlich und mach die Tür von außen zu! Oder zahl' wenigstens Eintritt!" schrie Remus den verdutzten Slytherin an. „Kann man sich hier nicht mal in Ruhe einen runterholen!"
Das löste endlich die Starre, die Lucius befallen hatte und schneller als Remus Wolfsbann sagen konnte war er wieder allein und stöhnte frustriert. Seine Erektion war nur noch halbsteif und irgendwie war ihm durch diese Störung auch die Lust vergangen. Etwas umständlich stopfte er alles wieder zurück und zog seinen Reißverschluss wieder hoch.
Er musste Lucius nicht lange suchen. Er stand im Wohnzimmer am Fenster. Eine Hand auf das Fensterbrett gestützt, die andere fuhr unruhig durch die langen blonden Haare.
Ein Seufzer entwischte Remus' Lippen. Lucius war offensichtlich sehr verwirrt und durcheinander. Vielleicht sollte er sich dafür entschuldigen, dass er ihn so angefaucht hatte. Im Prinzip war er ja selbst schuld - er hätte ja auch die Tür abschließen können…
Er trat hinter Lucius und hob eine Hand, unsicher, ob er den andern Mann berühren sollte, oder nicht. Unschlüssig schwebten seine Finger über Lucius' Schultern.
„Malfoy, ich…", fing Remus zögernd an.
„Ich störe doch nicht etwa?" erklang Severus' kalte Stimme von der Eingangstür her und Remus und Lucius drehten sich abrupt zu ihm um.
Remus zumindest ärgerte sich darüber, dass sie sich wie ertappte Schüler benahmen und er bemerkte aus den Augenwinkeln heraus, dass auch Lucius eine seiner Hände zur Faust geballt hatte.
Severus hob eine Augenbraue und bemerkte mit einem maliziösen Lächeln: „Wirklich – es wäre mir unendlich peinlich, wenn sich meine Anwesenheit störend auf eure… ah… tierischen Triebe auswirken würde." Ein anzüglicher Blick huschte zu der leichten Beule zwischen Remus' Beinen.
Lucius wandte sein Gesicht ab, doch Remus wurde nun wirklich sauer. Warum hatte er sich diese unverschämten Bemerkungen eigentlich jahrelang gefallen lassen?
„Besser tierische Triebe, als gar keine, Severus!" gab Remus heftig zurück. „Denn wenn ich richtig informiert bin, dann ist es in deinem Bett zur Zeit etwas einsam und kalt. Genau wie du!"
Severus' schwarze Augen schossen Blitze, doch er presste lediglich seine Lippen zu einem dünnen Strich zusammen, stellte die Flasche mit dem Wolfsbanntrank auf den Tisch und verschwand wortlos.
Immer noch schäumend vor Wut holte Remus zwei Gläser, schenkte den Trank ein und reichte eines davon Lucius, der sich langsam zu ihm umgedreht hatte und ihn mit einem seltsamen Blick musterte, in dem Remus etwas wie Verletzlichkeit zu erkennen glaubte.
„Er war nie kalt… niemals…", murmelte Lucius geistesabwesend und nippte an dem Wolfsbanntrank.
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Mit einer gewissen beklemmenden Vorahnung legte Remus sein Buch zur Seite und löschte die Kerze neben seinem Bett. Würde Malfoy auch heute wieder das Bedürfnis haben zu reden?
Und richtig – kaum, dass sich der leicht beißende Geruch des gelöschten Dochtes verflüchtigt hatte, fing Malfoy an zu reden. Leise – wie zu sich selbst – und doch laut genug, dass Remus ohne Probleme jedes Wort verstehen konnte.
„Obwohl er so kalt wirkt, waren seine Lippen und Hände immer warm… so warm, dass ich oft geglaubt habe an ihnen zu verbrennen", sagte Lucius mit leiser Wehmut in der Stimme. „Ich weiß nicht mal mehr genau, wann es angefangen hat – es war irgendwann nach Dracos Geburt… Narcissa hatte ständig Kopfschmerzen und war nur noch mit unserem Sohn beschäftigt – sie hatte das Interesse an Sex völlig verloren."
„Und da hast du dir Severus ausgesucht um diese Lücke zu füllen?" stieß Remus impulsiv aus und biss sich gleich darauf auf die Zunge. Warum hatte er sich nicht von Anfang an die Ohren zugehalten um nichts von alledem zu hören – es machte ihn ja doch nur krank. Krank vor verdrehter Eifersucht. Doch wem wollte er etwas vormachen? Das war die einzige Möglichkeit für ihn, um zu erfahren, wie Severus im Bett war – und er starb beinahe vor Neugier.
„Nein – so war es nicht", antwortete Lucius zögernd. „Im Nachhinein würde ich eher sagen, er hat mich ausgewählt."
Remus hörte, wie Malfoy tief Luft holte.
„Ich verstehe nicht, dass nach allem, was zwischen uns war… wie er war… dass er jetzt so…" Ein weiteres angestrengtes Atemholen. „Ich kann jetzt nicht einfach aufgeben. Ich kann ihn einfach nicht aufgeben. Du müsstest das doch am Besten verstehen, oder? Wie weit seid ihr eigentlich miteinander gekommen?"
„Ich höre mir diesen Mist nicht länger an – Halt endlich die Klappe und schlaf!" fauchte Remus und wischte sich mit den Handrücken eine Zornesträne aus dem Augenwinkel.
OoooOoooO
Am nächsten Morgen tat Lucius wieder so, als ob nichts geschehen wäre und Remus fing an sich zu wundern. Warum musste ausgerechnet er als nächtlicher Beichtvater herhalten?
Lucius war den ganzen Tag in einer nachdenklichen, ruhigen Stimmung. Er schlief immer wieder ein, mal auf dem Sofa, mal im Garten auf einer Liege – und Remus ertappte sich dabei, dass er wie auf Zehenspitzen durchs Haus lief um ihn ja nicht zu stören. Er ärgerte sich über seine eigene Rücksichtnahme und behielt sie doch bei. Gleichzeitig wurde er immer wütender auf Severus, der es geschafft hatte, diesen arroganten, stolzen Mann in dieses sehnsüchtige, unsichere Etwas zu verwandeln.
Als Severus am späten Nachmittag den Wolfsbanntrank brachte, lag Lucius wieder im Garten und schlief und Remus war aus irgendeinem unerfindlichen Grund froh darüber.
„So allein heute, Lupin?" fragte Severus ohne wirkliches Interesse. „Wo ist denn die andere… Bestie?" Er reichte Remus die Flasche mit dem Trank, doch anstatt sie einfach an sich zu nehmen, packte Remus das Handgelenk des Tränkemeisters.
Lediglich die geweiteten Pupillen des dunkelhaarigen Mannes ließen erkennen, dass er in diesem Moment Angst hatte. Ein Teil von Remus zollte ihm hierfür Beifall. Er hatte sich wirklich gut im Griff. Doch ein weitaus größerer Teil von ihm wollte Severus für diese Bemerkung einfach nur in die nächste Ecke klatschen.
„Er ist draußen", knurrte Remus. „Er ist völlig erschöpft, weil er weder versteht, noch es erträgt, wie du ihn behandelst. Herrgott, Severus! Er kann doch nichts dafür!" Remus wusste selbst nicht, woher diese Worte auf einmal gekommen Waren, doch kaum hatte er seinen Mund geöffnet, waren sie wie selbstverständlich aus ihm herausgesprudelt. War er eigentlich verrückt geworden? Warum fing er jetzt an, diese kaputte Beziehung kitten zu wollen, wo er doch eigentlich Severus all die Jahre für sich hatte haben wollen?
Ein Muskel an Severus' Mundwinkel zuckte. Doch mehr Regung zeigte er nicht.
Remus schüttelte den Kopf.
„Und ich verstehe es auch nicht", sagte er missbilligend. „Ich weiß, dass jahrelang mehr zwischen euch war als… bloße Freundschaft." Nun hatte er damit angefangen – nun konnte er auch genauso gut weitermachen.
Eine dunkle Augenbraue wölbte sich langsam in die Höhe.
„Eifersüchtig, Lupin?"
Ein brennender Blick und ein stummes Kopfschütteln folgte dieser Bemerkung.
Severus seufzte kaum hörbar, dann schüttelte er unwillig die Finger von seinem Handgelenk.
„Was veranlasst Sie zu der Annahme, dass es überhaupt so etwas wie Freundschaft zwischen Malfoy und mir war?"
Das traf Remus nun völlig unvorbereitet.
„Aber… er hat mir doch…" Hatte Lucius gelogen? Log Severus?
„Natürlich hat er – er sollte es schließlich auch glauben", fauchte Severus gereizt. „Doch jetzt, da er beim dunklen Lord in Ungnade gefallen ist – hat es keinen Sinn mehr, diese… peinliche Scharade fortzusetzen. Malfoy hat für den Orden – und dadurch auch für mich seine Nützlichkeit eingebüßt", schloss er emotionslos.
Plötzlich klickte in Remus' Gehirn jede Information an ihren richtigen Platz.
Nach Dracos Geburt… Ich würde eher sagen, Severus hat mich ausgewählt… Lucius war nützlich für den Orden… nützlich für mich…
Severus hatte sich mit Lucius nur eingelassen, um an Informationen über die Todesser zu kommen… Informationen, die Dumbledore und der Orden brauchten… gut – vielleicht auch um gewisse körperliche Bedürfnisse zu befriedigen. Das tragische daran war, dass Lucius offensichtlich während dieser peinlichen Scharade sein Herz an Severus verloren hatte… an diesen eiskalten, skrupellosen… Halt! Über wen wollte er hier richten? Er war doch selbst keinen Deut besser…
Remus hörte sich selbst wie aus weiter Ferne fragen: „Und was ist… mit uns?"
Mehrere Sekunden verstrichen, bevor Severus antwortete.
„Sie phantasieren, Lupin. Es gibt kein uns. Wie abweisend muss ich mich eigentlich noch verhalten – wie deutlich muss ich Ihnen meine Verachtung noch zeigen, damit sogar Sie es mit Ihrem kleinen Gryffindor-Gehirn verstehen? Da ist nichts, da war nichts und da wird nie etwas sein!"
„Oh doch – tu' nicht so!" platzte Remus heraus. „Du kennst genauso gut wie ich den wahren Grund, warum Sirius dich damals zur heulenden Hütte gelockt hat!"
„Ich muss mir diesen Blödsinn nicht länger anhören!"
„Er wollte damit erreichen, dass du aufhörst, mich so anzusehen."
„Ich würde sagen, er war damit sehr erfolgreich", gab Severus ätzend zurück. „Was soll überhaupt dieser ganze Quatsch? Erst stellen Sie mich wegen Malfoy zur Rede und dann halten Sie mir diese uralten Geschichten vor. Ist das der Vollmond oder die Hormone? Oder doch eher irgendein dämliches Rudelverhalten!"
Remus zwinkerte überrascht. War es das wirklich? Rudelverhalten? Sprang er deshalb immer in die Bresche und stellte sich vor Malfoy – wenn auch nur verbal? Was das das normale Verhalten eines Alpha-Männchens, das sein Rudel verteidigt?
Obwohl Remus noch nie mit einem anderen Werwolf so eng zusammengelebt hatte oder auch nur soviel Zeit verbracht hatte, spürte er instinktiv, dass diese Vermutung richtig sein musste.
Doch noch etwas anderes war in diesem Moment wichtig und verlangte deutliche Klarstellung.
„So. Jetzt sind es also plötzlich uralte Geschichten, dass du mich damals geküsst hast?" fragte Remus mit mühsam unterdrückter Heftigkeit.
„Entweder das oder der größte Fehler meines Lebens – Sie haben die freie Auswahl", zischte Severus böse. „Ich tendiere allerdings eher zu letzterem. Immerhin hätte ich Blacks Versuch, mich von diesen Blicken zu kurieren, fast mit meinem Leben bezahlt."
Bevor Remus noch eine Erwiderung in den Sinn kam, hatte sich Severus auf dem Absatz herum gedreht und mit wehenden Roben das Haus verlassen.
Mit Severus zugleich schien Remus jedes Fünkchen Energie verlassen zu haben. Erschöpft sank er in den nächst besten Sessel.
So fand ihn Lucius vor, als er geraume Zeit später und völlig ahnungslos das Haus betrat. Er bemerkte die volle Flasche Wolfsbanntrank auf dem Tisch.
„Oh – war Severus schon hier? Komisch – ich war die ganze Zeit hinten im Garten – ich habe ihn gar nicht gehört."
„Vielleicht besser so…", murmelte Remus zu sich selbst.
OoooOoooO
Remus konnte in dieser Nacht lange nicht einschlafen. Er wusste nicht, ob Malfoy schon schlief – oder einfach nur so tat. Zumindest belästigte er ihn nicht wieder mit seinen emotionalen Geständnissen.
Doch je länger Remus wach lag, desto weniger konnte er sich der Intimität der Dunkelheit entziehen und schließlich war er es, der die Stille mit geflüsterten Worten durchbrach.
„Wir haben uns geküsst… mehr nicht. Das heißt…", fuhr er zögernd fort, „Eigentlich hat er mich geküsst – zumindest das erste Mal."
„Wo?" kam die unerwartet sanfte Gegenfrage.
„Hinter dem Gewächshaus… wir hatten gemeinsam Unterricht und wir waren die letzten und haben noch aufgeräumt…" Remus schluckte. Es tat merkwürdig weh, diese süßen Momente aus seiner Erinnerung hervorzuholen.
„Und dann?"
„Nichts – und dann…", gab Remus resigniert zu. „Wir haben noch zweimal zusammen aufgeräumt und uns geküsst… und dann… dann war Vollmond und Sirius hielt es für eine lustige Idee Severus zu erklären, wie er zur heulenden Hütte kommt", schloss er bitter.
„Ich verstehe…" kam es gedämpft von jenseits des Vorhangs.
„Wir waren diskret", erläuterte Remus. „Wobei ich selbst nicht weiß, warum eigentlich. Wir haben uns nicht abgesprochen oder so… wir haben überhaupt kaum miteinander gesprochen… Sirius muss trotzdem was gemerkt haben… Mir ist es nicht aufgefallen, aber etwas in der Art, wie Severus mich angesehen hatte, hatte sich wohl verändert… und… es hat Sirius offensichtlich nicht sehr… gefallen…" Remus musste aufhören zu sprechen. Es fiel ihm immer schwerer an diese Zeit zurückzudenken. Ein Kloß saß in seinem Hals und drückte ihm fast die Luft ab – doch noch viel mehr drückte er ihm das Herz ab.
Zwangsläufig landete er in Gedanken wieder bei der Frage, die ihn seit fast 20 Jahren quälte:
Hätte er jemals eine Chance gehabt, wenn Severus auf andere Art und Weise erfahren hätte, dass er ein Werwolf war?
OoooOoooO
An diesem Tag hätte Remus gerne mit Lucius über ihre nächtlichen Unterhaltungen gesprochen, doch gleichzeitig schreckte er davor zurück.
Was war nur mit ihnen beiden los?
Nachts schienen sie sich näher zu kommen – schienen die Barrieren kleiner zu werden, doch am Tage zerstob dieses Gefühl wie Nebelschleier an einem sonnigen Morgen.
Remus wusste wirklich nicht, ob es gut oder schlecht war und er dachte halb im Ernst darüber nach in nächster Zeit einen Psychiater zu konsultieren.
Als es Zeit war zum Abendessen, war Severus immer noch nicht erschienen. Sie aßen schweigend, sahen aber beide von Zeit zu Zeit mit nervösen Seitenblicken auf die Uhr über dem Kamin.
Nach dem Essen räumte Remus noch einige Reste in die Küche, bevor sich der Tisch wieder von selbst abräumte. Es war ganz günstig, wenn genügend Lebensmittel für Sandwiches vorhanden waren falls sie außerhalb der Essenszeiten hungrig werden sollten.
Er verstaute gerade alles im Kühlschrank, als er vom Nebenraum zwei Stimmen hörte.
Aha – war Severus nun doch endlich gekommen. Er hatte kein gesteigertes Verlangen, den schwarzhaarigen Slytherin heute zu sehen und räumte daher erst alles auf, bevor er mit einem leisen Seufzen die Tür zum Wohnzimmer öffnete.
Es hatte den Anschein, als ob er mitten in eine heftige Szene geschliddert war. Beide Slytherins sahen ihn an, schenkten ihm dann jedoch keinerlei Aufmerksamkeit mehr.
Remus konnte nicht anders, er stand wie erstarrt auf der Türschwelle und beobachtete mit großen Augen das Drama, das sich da vor ihm abspielte.
Severus hatte Lucius' Handgelenke gepackt und hielt den anderen Mann damit auf Abstand.
„Malfoy – wie deutlich muss ich denn noch werden!" nahm er das Gespräch dort wieder auf, wo es offensichtlich durch Remus' Eintreten unterbrochen worden war.
„Ich glaube nicht, dass das alles nur gespielt war – kein Mensch kann diese Hingabe, diese Leidenschaft vortäuschen!"
„Du siehst doch, dass ich es konnte! Ich habe nie irgendetwas empfunden, außer vielleicht ein gewisses Maß an Langeweile!" gab Severus eindringlich zurück.
Remus bemerkte, dass in Severus' Stimme weder Sarkasmus noch Bosheit oder Verachtung lag.
„Das glaube ich einfach nicht!" schrie Lucius.
„Was ich getan habe, habe ich getan um zu überleben – nichts weiter."
„Du hast mich geliebt", entgegnete Lucius hartnäckig und Remus wäre vor Peinlichkeit am liebsten im Boden versunken.
„Ich könnte nie einen Werwolf lieben", sagte Severus und warf Remus einen raschen Seitenblick zu, der diesen trotz seiner Starre erschauern ließ.
„Aber ich habe dich geliebt! Ich liebe dich noch!"
„Das ist dann dein Pech", erwiderte Severus kalt, stieß Lucius von sich, drehte sich auf dem Absatz um und verließ das Haus.
Lucius starrte die geschlossene Tür an, als ob er vor seinem eigenen Grab stehen würde.
Gallige Wut mit Severus, mit Lucius und mit dieser ganzen Situation stieg in Remus hoch.
Er ging auf Lucius zu. Er konnte nicht mit ansehen, wie sich dieser Mann – wie sich irgendein Mann - wegen Severus Snape derart zum Narren machte.
„Malfoy – ich hätte zwar nie gedacht, dass ich das mal sagen würde, aber…" Remus hielt inne, atmete tief ein und legte dann beide Hände auf Lucius' Schultern. „Er ist es nicht wert. Vergiss ihn", sagte er so sanft wie möglich.
Nichts bereitete ihn auf die Heftigkeit vor, mit er sich Lucius von ihm losriss.
„Fass mich nicht an!" schrie der blonde Mann wie von Sinnen. „Fass mich nicht an – du Monster!"
Das war für Remus in diesen Tagen eindeutig eine Beleidigung zuviel gewesen.
Jegliches Mitleid, das er je für den Slytherin empfunden hatte löste sich schlagartig in Nichts auf.
„Interessant", bemerkte er mit stechender Stimme und ebensolchem Blick. „Es ist etwas dran an dem alten Spruch, dass man ein Monster sein muss, um eines zu erkennen. Also überleg' dir gut, wen du hier ein Monster nennst!" knurrte er drohend.
„Ich weiß genau, wen ich wie nenne!" begehrte Lucius auf. „Ein Monster wie du hat mich zu seinesgleichen gemacht!" Er zeigte anklagend und mit flammendem Blick auf Remus. „Nur ein Moment der Unaufmerksamkeit, ein einziger Augenblick der Verwirrung – und eine Kreatur wie du hat mir mein Leben genommen!"
„Gott, Malfoy! Du solltest dich mal hören! Immerhin lebst du noch!"
„Ja – aber um welchen Preis", erwiderte Lucius bitter. „Ich wünschte er hätte mich getötet anstatt mein Leben auf diese Art zu zerstören."
Einen Moment lang sahen sich beide nur stumm an.
„Du weißt nicht, was du da sagst", murmelte Remus mit brüchiger Stimme. „Ich für meinen Teil danke Gott jeden Monat auf Knien dafür, dass nie der Geschmack von Blut über meine Lippen gekommen ist. Und ich gehe sogar noch weiter: ich bin unendlich froh, dass ich noch lebe – selbst wenn es für mich bedeutet, mich einmal im Monat in einen Werwolf zu verwandeln. Auch wenn du es mir jetzt nicht glaubst, Malfoy – aber das Leben hat dir noch mehr zu bieten als eine mordlüsterne Ehefrau, einen Sohn, der dich verachtet, einen Anführer und Kameraden, die dich nur nach deinem Nutzen beurteilen und einen Liebhaber, der dich nie geliebt hat."
Lucius' Gesicht verlor bei diesen Worten jegliche Farbe.
„Das ist alles richtig", bestätigte er leise. „Aber es war immer noch mein Leben – und jetzt ist es vorbei."
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In dieser Nacht schreckte Remus aus seinem leichten und unruhigen Schlummer in den er gefallen war durch einen angsterfüllten Schrei.
„NEIN! NEIN! NEEEEEIIIIIINNN!"
„Malfoy?" rief Remus in die Dunkelheit. „Lucius – was ist?"
Als er keine Antwort erhielt und das Schreien lediglich in lautes Schluchzen überging, sprang Remus aus seinem Bett und eilte zu Lucius' Lager.
Der Slytherin war offensichtlich in einem Alptraum gefangen, denn erst als Remus ihn mit beiden Händen an den Schultern packte und kräftig schüttelte, kam er langsam zu sich.
„Was… wo…", stammelte Lucius.
„Es war nur ein Traum, Lucius – nur ein Traum", beruhigte Remus ihn. „Alles ist gut…"
Lucius sah ihn mit geweiteten Augen an und dann huschte zu Remus' Überraschung ein klägliches Lächeln über seine Lippen.
„Alles ist gut?" wiederholte er fragend. „Wenn es nur so wäre..."
Remus steckte seine folgende Reaktion einfach in die Schublade dämliches Rudelverhalten – denn wenn er das nicht tat, würde er sich wirklich auf seinen Geisteszustand untersuchen lassen müssen und darauf hatte er immer weniger Lust.
Er nahm seine Hände von Lucius' Schultern und schloss den anderen Mann in eine tröstende Umarmung. Der Slytherin wehrte sich nicht und barg sein Gesicht in einer Geste der Erschöpfung an Remus' Halsbeuge. Mit einer Hand streichelte Remus ihm beruhigend über den Rücken, bis er spürte, dass der Körper in seinen Armen sich entspannte und die verkrampften Muskeln wieder anfingen sich zu lockern. Er hatte keine Ahnung, wie lange sie so da saßen und er wollte sich auch lieber keine Gedanken darüber machen, was es bedeutete, doch Lucius seufzte leise: „Es tut mir leid" in seinen Nacken und plötzlich schien tatsächlich alles gut zu sein.
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Fortsetzung folgt
