Kapitel 9 – Love and a Marriage
Endlich war der Frühling eingezogen. Die Thermometeranzeige schoss simultan mit den Hormonen der Schlossbewohner in die Höhe, und bei strahlender Sonne und blauem Himmel hatte es kaum jemanden mehr lange im Schloss gehalten. Es war früher Nachmittag, und nur Raven und Vinya waren noch im Schloss, sie saßen, noch ziemlich verschlafen, beim 'Frühstück'.
"Wo sind eigentlich die anderen schon wieder alle hin?", grummelte Vinya und rieb sich die Augen.
"Wasweißich", morgenmuffelte Raven zurück und schenkte sich noch Kaffee nach.
In diesem Moment kam der Hauself hereingerauscht und tauschte die leere Kaffeekanne durch eine volle aus. Raven blickte auf und grinste wie ein Schaf, plötzlich fantastischer Laune. "Guten Morgen, Snapey!", kicherte sie. Snape antwortete nur mit einem genervten Augenrollen, bevor er die Flucht ergriff.
"Na, gut geschlafen?", fragte Vinya mehr, um Raven davon abzulenken, dem Hauselfen verträumt hinterher zu glotzen, als aus wirklichem Interesse.
"Großartig!" Raven verschränkte die Arme hinter dem Kopf und lehnte sich zurück. "Han-"
"Ich will es gar nicht wissen", unterbrach Vinya, stand auf und ging zum Fenster. Sie öffnete es weit und lehnte sich ein Stück hinaus. Sie musste ein paar Mal blinzeln, um ihre Augen an das helle Sonnenlicht zu gewöhnen. Aus der Ferne drang ein leises, monotones Knattern herauf.
"Aber das muss ich dir erzählen, das glaubst du mir im Leben nicht", beharrte Raven. "Han hat-"
Vinya ignorierte Raven und begann statt dessen, lauthals zu lachen. "Ach herrje Raven! Das musst du dir ansehen, komm schnell!"
Raven sprang auf und trat zu Vinya ans Fenster. Ihre Kinnlade klappte herunter, als sie sah, dass Indiana rittlings auf einem Rasenmäher saß. Ein Lasso schwingend. Und hinter ihm rannte sein Bruder Han, seinen Blaster in der Hand, hüpfte hin und her wie der Teufel, warf sich zu Boden und rollte sich ab, sprang wieder auf und schoss mit dem Blaster auf imaginäre Feinde. Dabei brüllten sie sich gegenseitig irgendwelche Kriegsschreie zu.
"Die spielen Räuber und Gendarm!" Vinya hielt sich den Bauch, so sehr musste sie lachen. "Ist er nicht hinreißend!"
"Oh ja, das ist er", stimmte Raven verträumt zu. Ein Seitenblick auf Vinyas etwas schiefe Mundwinkel zeigte ihr allerdings, dass sie offenbar nicht von dem gleichen Mann sprachen.
Eine halbe Stunde später machten sich die beiden Schlossherrinnen auf den Weg nach draußen. Mittlerweile hatte Indiana den Rasenmäher abgestellt und war nicht in Sichtweite, aber hinten am Waldesrand entdeckten sie eine Gestalt, die über einem Blumenbeet hockte, und als sie näher kamen, entpuppte sich diese Gestalt als Han Solo. Er trug einen orangefarbenen Strohhut und eine mit bunten Blümchen bedruckte Gärtnerschürze, und er summte fröhlich die Titelmelodie von Biene Maja.
Als Vinya und Raven ihm in die Sonne traten, blickte er auf, lächelte sein unwiderstehlichstes schiefesLächeln und wischte sich arbeitsam mit dem Handrücken den Schweiß von der Stirn.
"Wunderschönen Tag, ihr Lieben", grüßte er und stand auf, klopfte sich die Erde von der Blümchenschürze und trat auf Raven zu, legte seine Hände um ihre Hüften und drückte ihr einen Schmatzer auf die Stirn. "Zauberhaft wie immer, meine Holde", sagte er mit so samtiger Stimme, dass Raven bis unter die Haarspitzen errötete.
Dann wandte er sich Vinya zu, tippte sich an den Strohhut und beäugte sie von oben bis unten. "Oh, hey, Krümelchen! Ganz wunderbar", meinte er dann und nickte anerkennend, "ich hatte mich schon gefragt, wo du bleibst."
Vinya sah ihn skeptisch an. Sein anzüglicher Blick und sein viel zu aufgesetzt freundlicher Tonfall gefielen ihr ganz und gar nicht, sie wusste genau, dass er wieder mal etwas ausheckte, und richtig...
"Du kommst wirklich wie gerufen!", freute Han sich händereibend. "Ich habe Indy vor zehn Minuten los geschickt, um die Vogelscheuche aus dem Keller zu holen, aber jetzt bist du ja da!" Er warf den Kopf zurück und lachte.
Vinya klappte die Kinnlade herunter. Für einen kurzen Moment starrte sie ihn fassungslos an.
Raven schüttelte den Kopf und sagte missbilligend: "Han, was soll das denn jetzt bitte? Ich dachte, ihr-"
"Ach lass ihn doch reden", fauchte Vinya, "er braucht das eben, um seinen Mangel an Charakter und seine Unzulänglichkeiten in... gewissen anderen Bereichen... irgendwie zu kompensieren, nicht wahr, Han?" Angriffslustig schmunzelte sie ihm zu.
"Also wenn ich dazu mal was sagen dürfte-", wollte Raven einwenden, aber Han schnitt ihr das Wort ab. "Wow, Schwester. Wie lange hast du vor dem Spiegel geübt, bis du diesen Satz fehlerfrei aufsagen konntest?"
"Leute...!"
"Nicht nötig", Vinya grinste Raven zu. "Ich werde mich doch nicht auf das Niveau eines eingebildeten hirnamputierten dreckigen-"
"Stinkmorchel", sagte Han leise und sehr bedeutsam.
Vinyas Augen machten den Anschein, als würden sie jeden Moment aus den Augenhöhlen ploppen. "Stink... morchel?"
Etwa hundert Meter weiter steckte Indiana den Kopf aus dem Kellerloch hervor, aufgeschreckt von dem Geräusch einer schallenden Ohrfeige und eines Aufschreis. Indy kniff die Augen zusammen und erkannte die beiden Schlossherrinnen – Vinya marschierte forschen Schrittes über den Rasen in Richtung Schlosstor, und hinter ihr Raven, die an Vinyas Ärmel zupfte und hektisch auf sie einredete. Indys Blick fiel auf seinen Bruder, der sich mit einem Oberarm auf seiner Harke abstützte, mit der anderen Hand seine schmerzende Wange rieb und den beiden selbstgefällig hinterher gaffte.
"Oh nein, nicht schon wieder", murmelte Indiana zu sich selbst und warf die Vogelscheuche, die Snape ihm gerade aus dem Kellerloch herauf gereicht hatte, wieder zurück.
"AU!" Snape hatte die Vogelscheuche auf den Kopf bekommen, das Gleichgewicht verloren und war der Länge nach hingeschlagen – dem Scheppern, Krachen und Klirren zufolge mitten ins Wandregal.
"Halt die Klappe, Hauself", grummelte Indiana noch, doch seine Stimme ging in Snapes Gejaule unter.
"Das ist nicht wirklich wahr, oder?", fragte Vinya ungläubig, während sie und Raven die Treppen zum Schlossportal hoch liefen. "MEINEN String!"
Raven nickte. "Japp, den pinkfarbenen. Der Rest der Nacht war damit gelaufen, ich musste so lachen, als er sich ausgezogen hat und dieses... Ding trug", und sie kicherte schon wieder, "da konnte unmöglich noch Stimmung aufkommen, glaub mir."
Vinya kratzte sich am Kinn. "Wieso hat er meinen String getragen? Und wieso erzählst du mir das erst jetzt?"
Raven zuckte mit den Schultern. "Vorhin wolltest du mir ja nicht zuhören. Also, er hatte zuvor versucht, Jack unter den Tisch zu trinken, und wir beide wissen ja, wohin so etwas führen kann, jedenfalls muss er ziemlich dicht gewesen sein, aber da wir ja noch eine... Verabredung hatten..."
Vinya rollte mit den Augen.
"Also, da wir noch etwas vor hatten, ist er schnell unter die Dusche gehüpft, um wieder klar im Kopf zu werden, und dabei hat er wohl hinterher versehentlich..."
"Meine Unterwäsche", jammerte Vinya und ballte die Fäuste. "Wie kommt meine Unterwäsche in sein Zimmer?"
"Das würde mich auch mal interessieren", kicherte Raven und piekste Vinya in die Seite. "Aber ich nehme eher an, dass der Hauself etwas damit zu tun hat. Da muss ihm beim Wäschesortieren wohl ein kleines Malheur unterlaufen sein..."
"Wenn ich den in die Finger kriege!" Vinya stieß die Flügeltür zum Wohnzimmer auf, pflanzte sich auf das Sofa und schaltete den Fernseher ein. "Snape ist SO tot. Und Han sowieso."
Raven setzte sich neben Vinya, drückte ihr ein Gamepad in die Hand und schaltete die Playstation ein. Sie musste sich sehr beherrschen, sich das Lachen zu verkneifen, und als sie Vinya verstohlen aus dem Augenwinkel musterte, stellte sie zu ihrer Erleichterung fest, dass es dem wütenden Krümel im Grunde nicht anders ging.
"Du musst etwas für mich tun", flehte Indiana. "Ich weiß nicht, wen ich sonst fragen soll, und es ist wirklich kein großer Gefallen... ich möchte nur, dass alles perfekt ist, verstehst du?"
Wolverine legte einen Arm auf die Lehne der Hollywoodschaukel, auf der er neben Indiana saß, hob seine Bierflasche und stieß mit Indy an. "Klar helfe ich dir, alter Kumpel", versprach er. "Ich kann zwar nicht dafür garantieren, dir deinen widerwärtigen Bruder vom Leib zu halten, aber ich kann dir helfen, Vinya glücklich zu machen."
Indiana sah seinen Kumpel schief an.
Wolverine ließ ein grollendes Lachen hören. "Du weißt genau, was ich meine", sagte er und prostete Indy zu.
Etwa zur gleichen Zeit erlagen Raven und Vinya beinahe einem kollektiven Herzinfarkt, als jemand lautstark die Treppe hoch und ins Wohnzimmer gepoltert kam, aus vollem Halse den Hochzeitswalzer grölend. Dieser Jemand trug eine braune Hose, ein offenes, dreckiges Hemd und darüber eine abgetragene braune Lederjacke, sowie auf dem Kopf einen uralten Cowboyhut und am Gürtel befestigt eine Peitsche. Eine Hand war hinter dem Rücken versteckt.
"Indy?", fragte Vinya, warf das Gamepad zu Boden und sprang auf.
"Holla, schöne Frau", grölte der Kerl und zauberte einen Kaktus hinter seinem Rücken hervor. Er verbeugte sich ein wenig umständlich und kam näher, und nun erkannten Vinya und Raven, dass es nicht Indiana war, sondern-
"HAN!" Raven war ebenfalls aufgesprungen. "Was zum Teufel!"
Indy-Han machte eine unbeholfene Verbeugung, drückte Vinya den Kaktus in die Hand und fiel theatralisch vor ihr auf die Knie. "Liebste, beste, schönste Vinya! Vinya-Spätzchen! Du, mein Augenstern! Du, mein Krümelkeks!", brüllte er aus Leibeskräften, und bevor Vinya die Chance bekam, etwas zu erwidern, umklammerte Han ihre Beine und zerrte und zupfte an ihr herum und erging sich in etlichen oh's und ah's, dann sprang er auf, griff sie um die Hüften und hob sie hoch, so dass sie jetzt vollkommen fassungslos in seinen Armen hing; er verpasste ihr einen äußerst feuchten Schmatzer auf die Wange und säuselte dann in übertriebener Singsangstimme: "Ich liebe dich ja so sehr, willst du mich heiraten, Spätzchen?"
"HAN!" Raven zerrte an seinem Arm. "Lass sie runter und hör sofort auf mit diesem Mist!"
"Was ist denn hier los?" Jack stürmte ins Zimmer, von dem Gekreische aufgescheucht.
Als Han Jack saß,ließ er Vinya wieder runter, tippte sich an den Hut und flüchtete aus dem Zimmer, wobei er irgend etwas murmelte, das klang wie "muss weg, hab zu tun".
In dieser Nacht schreckte Raven aus dem Schlaf. Sie setzte sich auf, sah sich schläfrig im dunklen Zimmer um und fragte sich, ob das Geräusch, das sie gehört hatte, nur ihrem Traum entsprungen war, und anscheinend war es das, denn Wolverine lag, regelmäßig atmend, neben ihr im tiefsten Schlummer. Raven gab ihm einen sanften Kuss auf die Wange, dann stand sie auf, zog ihren smaragdgrünen Morgenmantel über und öffnete leise die Schlafzimmertür. Sie trat hinaus und lauschte. Das Schloss lag in völliger Stille.
Raven schnappte sich eine Laterne und grinste in sich hinein. Wenn alle schliefen, könnte sie sich ja in die Küche schleichen und ein bisschen die Süßigkeitenvorräte plündern. Und vielleicht würde sie in den Gängen ja dem allnächtlich im Schloss herumstreifenden Hauselfen begegnen... und niemand würde davon erfahren.
Raven schlich in die Küche, stellte die Laterne auf den Küchentisch und begann, sich fröhlich summend ein Nutellabrötchen zu schmieren. Da hörte sie plötzlich jemanden reden. Der Klang zweier männlicher Stimmen drang dumpf durch die Wand, wurde mal lauter und dann wieder zu einem kaum wahrnehmbaren Gemurmel, aber Raven konnte nicht erkennen, wem diese Stimmen gehörten und schon gar nicht, wovon sie sprachen.
Raven, jetzt voll und ganz in Alarmbereitschaft, nahm das Nutellabrötchen, schnappte sich noch schnell ein scharfes Schlachtermesser von der Anrichte und schlich aus der Küche, um den merkwürdigen Stimmen nachzugehen. So leise wie sie konnte, schlich sie aus der Küche und den Stimmen entgegen, den grünen Umhang fest um sich gezogen, den Arm mit der Laterne vor sich ausgestreckt und mit der anderen Hand das Messer umklammernd. Die Stimmen kamen aus der Speisekammer. Einbrecher, schoss es ihr durch den Kopf. Raven überlegte eine Sekunde, ob sie in Panik geraten und wegrennen und die anderen wecken sollte, dann fiel ihr ein, dass sie schließlich nicht Jack war, also blieb sie stehen, drückte ein Ohr gegen die Tür und lauschte.
"Aber Vogelscheuche war schon ein bisschen drastisch, Bruderherz!", hörte sie Indianas vorwurfsvolle Stimme.
"Was soll's", antwortete Han, "aber ich muss zugeben, sie ist immerhin keine solche Vogelscheuche wie Jack."
"Und... Stinkmorchel, also wirklich! Hör mal, mir liegt wirklich viel an Vinya, und ich werde es nicht länger dulden, dass du sie bei jeder sich bietenden Gelegenheit beleidigst und piesackst, Freundchen!"
"Mach dir bloß nicht ins Hemd! Und ich denke, Vinya kann sich ganz gut alleine verteidigen, auch ohne die Hilfe ihres Ritters in schimmernder Rüstung, meinst du nicht auch?"
Indiana zögerte einen Moment, dann räusperte er sich und sagte sehr leise, so dass Raven den Atem anhielt und die Ohren spitzte: "Jetzt hör mir mal gut zu, mein Lieber. Ich weiß genau, was hier läuft. Und ich sage es dir ein einziges Mal. Lass. Deine. Finger. Von. Meinem. Mädchen. Verstanden?"
"Na toll." Han klang zutiefst beleidigt. "Wenn du dich also zwischen deinem Bruder und deinem Mädchen entscheiden musst, nimmst du das Mädchen. Ein feiner Bruder bist du."
"Mach dich doch nicht lächerlich!", grollte Indiana. "Entscheiden, warum sollte ich mich entscheiden? Weiter denkst du nicht? Ah... Han. Du bist und bleibst ein großer dummer Junge. Gebt ihm eine Schrottmühle von einem Raumschiff und eine Spielzeugpistole, und sein Ego nimmt das Ausmaß eines kleinen europäischen Staates an."
Han lachte auf. "Wer hat denn hier das Ego-Problem? Kaum tauche ich hier auf, schmeißen sich mir die Frauen vor die Füße, was natürlich kein Wunder ist, ich bin ja auch unwiderstehlich sexy. Und dass DU deswegen angefressen bist, kann ich nur zu gut nachvollziehen, Bruderherz, und nicht nur du, genauso der haarige Mutant und dieser hasenfüßige Hippie."
"Rede nie, nie NIE wieder so über meine Freunde", zischte Indiana wütend. "Und schon gar nicht über die Damen! Und am allerwenigsten über Vinya. Meine Geduld mit dir ist am Ende!" Er zögerte einen Moment und dann sagte er mit schwermütiger Stimme: "Du gehst jetzt deine Siebensachen packen und machst den Falcon startklar, und morgen früh bist du hier weg."
Han lachte erneut. "Das glaube ich weniger. Ich will doch schließlich dabei sein, wenn du deiner Angebeteten den Antrag machen und dich dabei fürchterlich blamieren wirst."
Als Raven das hörte, ließ sie vor Schreck das Nutellabrötchen auf ihren Fuß fallen und presste sich erschrocken eine Hand auf den Mund.
"Ich wusste, es war ein Fehler, es dir zu erzählen", seufzte Indiana bedrückt.
Raven ging von der Tür weg. Während sie noch überlegte, ob sie schnell hoch laufen und Wolverine davon unterrichten sollte, was sie gehört hatte, ging auch schon knarrend die Tür auf und Indiana stolperte in sie hinein. "Whoa!", rief er aus und packte Raven gerade noch bei den Schultern, sie stolperten ein paar Schritte rückwärts, bis Raven ziemlich schmerzhaft gegen die Wand krachte. Indianas Blick richtete sich auf das Messer in Ravens Hand und das Brötchen auf ihrem Fuß. Er zog eine Augenbraue hoch und wandte sich fragend zu seinem Bruder.
Han prustete los. "Wie niedlich, ein kleiner Tomberry!", kicherte er.
Raven bückte sich, klaubte das Brötchen von ihrem Pantoffel und drückte es Han mitten ins Gesicht, dann rannte sie davon, die Treppen hoch, ins Schlafzimmer und huschte unter die Decke, wo sie mit klopfendem Herzen liegen blieb, bis Wolverine sich im Schlaf umdrehte, einen Arm um ihren Bauch legte und sie zärtlich anknurrte.
"Bewachst du die Kaffeemaschine?"
Vinya hob den Kopf und ihr Blick fiel auf die gutgebaute nackte Brust eines zwei Köpfe größeren Mannes mit Mordskoteletten.
"Morgen, Wolvi", grüßte sie matt.
"Wenn du nichts dagegen hast...?", Wolverine grinste und zeigte auf die Kaffeemaschine.
Vinya, die noch immer mit verschränkten Armen und grüblerischer Miene direkt davor stand, als würde sie ihre Beute verteidigen, räusperte sich peinlich berührt und trat einen Schritt zur Seite. "Entschuldige."
Wolverine goss sich eine Tasse Kaffee ein und sah sie prüfend an. "Was ist los? Warum bist du nicht bei den anderen? Indiana hat draußen den Tisch decken lassen, die Sonne scheint und alle-"
"Und warum bist du hier?", fragte Vinya zurück. Beinahe hätte sie noch gefragt, ob er sich nicht verdammt noch mal etwas überziehen könnte, weil der Anblick seines freien Oberkörpers nicht gerade dazu beitrug, ihre Verwirrung zu mindern.
"Wollte mal nach dir sehen", antwortete Wolverine und nahm einen Schluck Kaffee. "Soll ich dich lieber wieder alleine lassen?"
Vinya sah ihn ratlos an. "Warum?"
"Ähm... sicher, dass alles okay ist, Spätzchen?" Wolverine legte ihr eine Hand auf die Schulter und drückte sie sanft.
"Klar."
"Es ist wegen Han, hm?", fragte Wolverine. "Ich verstehe ja noch immer nicht, was das ist mit euch dreien, also mit ihm, dir und Raven, ganz ehrlich, dieser Kerl treibt mich auf die Palme, und wenn er nicht Indianas Bruder wäre, würde ich ihn nur allzu gerne ein wenig... filetieren."
Nun musste Vinya doch lachen. "Filetieren? Ach Wolvi, du bist toll, danke."
"Keine Ursache", grinste Wolvi und sah sie verschwörerisch an. "Ein Wink von dir, und Han ist Geschnetzeltes." Dabei ließ er seine Krallen ausfahren und strich ihr damit spielerisch über die Wange.
"Aber ich verstehe das auch nicht", Vinya schüttelte nachdenklich den Kopf. "Han ist so... argh. Er macht mich völlig wahnsinnig. In mehr als einer Hinsicht... Aber sag mal... ganz ehrlich... findest du, dass ich überreagiere?"
Wolverine schüttelte hastig den Kopf. "Keinesfalls. Mal ehrlich, du bist die letzte, die hier überreagiert. Schau dir Ravi an, die jedes Mal beim Anblick dieses widerwärtigen Hauselfen in Verzückung gerät, oder Jack, dieses schreckhafte kleine Mädchen..."
"Hm, wenigstens ein schwacher Trost." Ein gequältes Lächeln erschien auf ihrem Gesicht.
Wolverine antwortete nichts, er ließ ihre Worte einsinken und dachte lange und ausgiebig darüber nach.
"Tut mir leid." Vinya missverstand sein plötzliches, betretenes Schweigen, als wäre er einfach peinlich berührt aufgrund ihrer Worte.
"Was tut dir leid?", fragte Wolverine irritiert.
"Dass ich dich mit meinen Problemen belästige."
"Das tust du nicht..."
"Trotzdem." Und da war er wieder, der trotzige Gesichtsausdruck in Vinyas hübschem Gesicht, ihre Augen strahlten, doch nicht vor Freude, sondern vor Wut und Anspannung. Es war ihr unangenehm, derartige Gespräche zu führen.
Wolverine schien ihre Gedanken erraten zu haben. "Hör mal... wir beide sind vielleicht die einzigen hier, die noch nicht völlig dem Wahnsinn verfallen sind und ich möchte, dass du weißt, dass ich mich niemals über dich lustig machen würde oder dich nicht ernst nehmen würde, verstehst du?"
Er scharrte ein wenig mit den Füßen wie ein unbeholfener Schuljunge, eine merkwürdige, fast niedliche Geste für einen Mann von seiner beeindruckenden Statur.
Vinya nickte und lächelte gequält. Seine Worte lösten Erleichterung in ihr aus, dennoch fühlte sie sich von Sekunde zu Sekunde unwohler in seiner Gegenwart und wagte es nicht einmal, ihm direkt in die Augen zu sehen. "Ja, ich verstehe."
"Kann ich irgendetwas tun, um dich abzulenken?"
Vinya schüttelte den Kopf. "Danke, ich werde einfach mein bestmöglichstes tun, Han aus dem Weg zu gehen, und hoffen, dass er irgendwann auch mal wieder verschwindet. Zurück zu diesem haarigen Biest. Und zu Chewie, natürlich."
Wolverine legte den Kopf schief und sah sie lange aus den Augenwinkeln an. "Bist du dir sicher? Nun ja... auf jeden Fall... wir wollten nachher ein bisschen... ähm... Filme gucken, genau, Filme gucken, leistest du uns wenigstens dann Gesellschaft?"
"Wem uns?"
Wolverine verzog angewidert das Gesicht. "Da Raven mal wieder mit Han zugange ist, wahrscheinlich nur Jack, Indy und ich. Oben in meinem Zimmer. In einer Stunde. Okay?"
"Klingt gut", sagte Vinya und grinste. "Bis später."
Indiana schlich durch das Zimmer wie ein Tiger im Käfig. Wiederholt schüttelte er nervös den Kopf und vermied es, seinem Gegenüber in die Augen zu sehen, während er schimpfte wie ein Rohrspatz. "Ein bisschen klüger hättest du es schon anstellen können!"
"Wie oft willst du mir das noch sagen? Du sagtest, ich solle diskret sein. Das war ich, oder nicht?" Wolverine sprach mit sanfter Stimme, in der ein leichter Anflug von Belustigung mitschwang.
Indiana rollte mit den Augen und stöhnte entnervt. "Ja, diskret genug, damit sie den Braten nicht sofort riecht!" Er ließ sich auf einen Stuhl fallen und ließ hilflos die Schultern senken. "Aber auch nicht so beiläufig... sie hat es wahrscheinlich schon längst wieder vergessen..."
"Das glaube ich nicht", und das kam aus dem Brustton der tiefsten Überzeugung, "aber was hätte ich denn sagen sollen? Hey, Vinyaspätzchen, komm mal nachher hoch in mein Zimmer, da wartet Indy mit einem Verlobungsring für dich?"
"Nein, so hab ich das nun auch wieder nicht gemeint." Indiana blickte auf die Uhr. Fast eine Stunde lang saß er schon auf diesem Zimmer und wartete, wartete, wartete... und kein Zeichen von seiner Geliebten. Wo steckte sie nur? Hatte sie vielleicht von seinem Plan Wind bekommen und war geflüchtet? Was nur allzu verständlich war, wenn er daran dachte, wie Vinya ihm zuvor ganz aufgelöst von Hans Indiana-Heiratsantrag-Parodie erzählt hatte... dieser verdammte Idiot, er konnte einem wirklich alles ruinieren...
Indy hörte Schritte vor der Tür. Als ob er fürchtete, bei etwas verbotenem erwischt worden zu sein, setzte er sich schnell aufrecht hin und faltete artig die Hände im Schoß.
Die Tür ging auf und eine riesige braune Papiertüte voran und dahinter Beine, die in Piratenhosen steckten, traten herein.
"Ach, du bist es nur", murrte Indy.
"Ist sie immer noch nicht da?", fragte Jack und wuchtete die mit Wein, Obst, Süßigkeiten und haufenweise Zutaten für ein kleines, aber feines Abendessen bei Kerzenschein gefüllte Tüte auf den Tisch.
"Siehst du sie irgendwo?", gab Wolverine lapidar zurück, stand auf und begutachtete den Inhalt der Tüte. Jack schlug ihm auf die Finger, als er nach einer Tüte herzchenförmiger Gummibärchen griff. "Die sind nicht für dich", mahnte er.
Wolverine zog einen Schmollmund und ließ sich wieder zurück auf sein Bett fallen. "Du gönnst mir auch überhaupt nichts."
"Heul doch."
"Das sagt der Richtige!" Kaching! Schon blitzten gefährlich scharfe Krallen im Licht des Meeres aus Teelichtern, die überall in Indys Zimmer aufgestellt waren.
"Jungs!" Indiana war aufgesprungen. "Was mache ich, wenn sie nicht kommt? Wenn sie stinksauer auf mich ist, weil ich das Pech habe, mit diesem Idioten verwandt zu sein? Und das nur, weil dieser Gummibärchenfreak hier", er wies auf Wolverine, "sich nicht richtig artikulieren kann!"
Nun war es Wolverine, der aufsprang. "Indiana Jones", nannte er ihn mit tiefer, knurrender Stimme bei seinem vollen Namen, während er auf ihn zutrat und ihn bedrohlich ansah. "Du hast mich um einen Gefallen gebeten, und den Gefallen habe ich dir getan."
Jack trat zwischen die beiden, legte eine Hand auf Indianas Schulter und eine andere gegen die Brust Wolverines, als ahnte er, dass die zwei jeden Moment aufeinander losgehen würden. "Jungs, Jungs, Jungs." Er bemühte sich, nicht allzu sehr durchblicken zu lassen, wie lächerlich er das ganze fand, und versuchte, ein ernsthaftes Gesicht zu wahren. "Jungs."
"Schon gut", unterbrach Indiana und ließ sich mutlos zurück in seinen Stuhl sinken. "Ich bin nur... meine Nerven!"
Auch Wolverine nickte zustimmend. "Tut mir leid. Wenn sie nicht kommt, werde ich es ihr später erklären."
"Das ist auch das mindeste", brummte Indy.
"Aber nur, wenn ich dann die Gummibärchen kriege."
"Wolverine, du..."
"Jungs!" Jack rollte mit den Augen.
Das würde eine lange, anstrengende Nacht werden... Okay, Wolverine hätte schon etwas deutlicher auf das angebliche "Filmgucken" eingehen können, das musste er Indiana eingestehen. Aber Indiana hatte mindestens hundertmal unterstrichen, dass Wolverine es überlegt und vorsichtig angehen sollte, damit Vinya nicht misstrauisch wurde und die ganze Überraschung im Eimer war. Indy und Wolverine warfen sich gegenseitig noch etliche kindische Schimpfwörter an den Kopf, und Jack beschloss, dass es wohl das beste sei, auf Durchzug zu schalten.
Ein zaghaftes Klopfen ließ die beiden Streithähne endlich verstummen. Indy starrte mit weit aufgerissenen Augen zur Tür, blieb jedoch wie angewurzelt auf seinem Sessel sitzen. Die Farbe wich aus seinem Gesicht, und über seine Lippen kam ein tonloses "Oh mein Gott."
"Na aaaaalso!" Jack klatschte in die Hände und grinste von einem Ohr zum anderen, erleichtert, dass die Aufregung für ihn nun endlich ein Ende hatte, und Wolverine seinerseits grinste von einem Ohr zum anderen aus Schadenfreude darüber, dass die Aufregung für seinen Freund gerade erst beginnen würde.
"Deine letzte Chance, es dir zu überlegen", scherzte Jack und erntete dafür einen bitterbösen Blick von Indiana. Schützend warf er die Hände empor und lachte in sich hinein. "Hab nix gesagt."
Es klopfte noch einmal, diesmal etwas energischer. Wolverine schlug Indiana ermutigend auf die Schulter und öffnete dann die Tür.
"Da bin ich!" Vinya drückte Wolverine eine Schüssel Popcorn in die Hände und sah misstrauisch an ihm vorbei ins Zimmer. "Na hier tobt ja das Leben."
Wolverine trat einen Schritt beiseite und streckte einladend seinen Arm aus. "Willkommen."
"Wo ist die Party?", fragte Vinya irritiert. Unter einem gemütlichen Filmabend hatte sie sich etwas anderes vorgestellt, als drei Männer, die stocksteif da standen bzw. saßen und sie neugierig anstierten.
"Komm doch erst mal rein!" Wolverine versuchte einen ermutigenden Blick.
Vinya zuckte mit den Schultern und tat, wie ihr geheißen.
"Hi, Schatz!" Indiana war aufgesprungen.
"Indy, was ist denn hier los? All die Kerzen, und... die Blumen?" Sie trat zum Tisch, auf dem eine große kugelige Vase mit mindestens einem Dutzend roten Rosen stand.
Wolverine schloss die Tür und lehnte sich dagegen, rein präventiv, damit Vinya gar nicht erst auf die Idee kam, die Flucht zu ergreifen. Genüsslich mit Jack um die Wette grinsend, beobachtete er Indy, den sichtlich die Nervosität ergriffen hatte.
Indiana war auf Vinya zugetreten. Umständlich fummelte er in den tiefsten Abgründen der Taschen seiner abgewetzten Lederjacke und stellte dabei ziemlich seltsame Verrenkungen an, wobei ihm dicke Schweißperlen auf die Stirn traten.
Vinya verschränkte die Arme und ließ ihren Blick von Wolverine zu Jack und zurück zu ihrem so unglaublich liebenswert ungeschickten Indy wandern. "Erklärt mir jetzt mal einer, was hier los ist?"
"Ablenkungsmanöver", murmelte Indy und langte noch tiefer in seine Jackentaschen. Mit einer unwirschen Handbewegung wedelte er in Richtung Wolverine. "Hat er es also doch nicht versaut."
"Ich verstehe überhaupt nichts..." Vinya ließ mutlos die Arme sinken.
"Indiana hat dir etwas zu sagen", kam Wolverine zur Hilfe. "Aber wie du siehst, ist der Ärmste ein nervöses Wrack. Doch um eins klarzustellen, wir haben gehofft, du würdest kommen... dieses Spektakel konnten wir uns doch unmöglich entgehen las- AU!"
Jack, der Wolverine einen gut gezielten Tritt gegens Schienbein verpasst hatte, lächelte selbstzufrieden.
"Danke für die Einladung", murmelte Vinya nervös lächelnd. "Indy, was tust du da eigentlich?"
"Suche etwas... Überraschung... ah!" Indiana schien offenbar endlich gefunden zu haben, wonach er gesucht hatte, und beförderte, über das ganze Gesicht strahlend, ein kleines, mit nachtblauem Samt bezogenes Kästchen aus seiner Jackentasche.
"Was um alles..." Der Schock stand Vinyas ins Gesicht geschrieben.
Indiana kratzte sich am Hinterkopf. Er fühlte sich plötzlich wie ein Schüler, der ein Theaterstück aufführen sollte, das Spotlight und alle Blicke waren auf ihn gerichtet, und er hatte den Text vergessen. Er hatte vergessen, wo er war, warum er hier war und was er tun sollte. Er wusste überhaupt nichts mehr.
Wolverine erhob sich von seinem Bett und trat neben Indiana, und Jack gesellte sich auf die andere Seite des unbeholfenen Abenteurers. Wie zwei Bodyguards säumten die beiden ihren Freund und murmelten ihm so leise, dass Vinya sie nicht verstehen konnte, Ermutigungen zu.
Indiana nickte entschlossen und sah Vinya tief in die Augen. Dann ging er vor ihr auf die Knie. Sie schluckte den dicken Kloß in ihrem Hals herunter und sah ihn verwundert an. Er würde doch nicht...?
"Vinyaaaa", Indy hustete sich das Kratzen aus dem Hals. "Vinyaspätzchen... wir sind jetzt schon so lange zusammen und äh... na ja..."
Nach einem wiederholten Husten schlug Wolverine ihm so kräftig auf den Rücken, dass er sich an Vinyas Rock festhalten musste, um nicht vornüber zu fallen, doch er verzog keine Miene.
Jack grinste so breit, dass seine Augen nur noch zwei dünne Schlitze bildeten.
"Also! Vinya, ich liebe dich... du bist mir das wichtigste im Leben, und ich war noch nie so glücklich wie mit dir. Du bist meine Traumfrau, du bist wirklich alles für mich." Seine Stimme klang nun gefestigt. War er erst einmal so weit, dann konnte ihn niemand mehr aufhalten. Indiana vergaß alles um sich herum, vergaß Wolverine und Jack, das für einen solchen Anlass eigentlich viel zu schäbige Zimmer, nur noch er und Vinya existierten in diesem Moment.
"Ich liebe dich von ganzem Herzen, so sehr, wie ich noch keinen anderen Menschen je geliebt habe. Ich möchte nichts lieber, als mein ganzes Leben mit dir zu verbringen... mit dir an meiner Seite, für immer und ewig... deshalb... w-will ich dich fragen... also, na ja, willst du mich heiraten?"
Vinya nahm einen tiefen Atemzug. Indy kniete noch immer vor ihr, hatte nun jedoch den Kopf gesenkt. Hatte er etwa Angst, sie würde ihn auslachen? Oder ihn gar abweisen...? Sie betrachtete andächtig den wunderschön in allen Farben des Regenbogens strahlenden Ring, der in dem kleinen Kästchen steckte, das Indy ihr entgegen hielt.
"Indy..."
"J-ja?"
"Sieh mich bitte an." Vinyas Stimme klang schwermütig. Sie kämpfte gegen die aufsteigenden Tränen der Rührung. Es war ihr plötzlich unangenehm, dass Wolverine und Jack noch immer an Indianas Seiten standen und alles genauestens beobachteten.
Indiana hob den Kopf und traf ihren Blick. Seine Mundwinkel zuckten verdächtig, auch er hatte Schwierigkeiten, seine Fassung zu bewahren.
"Und jetzt steh bitte auf", bat Vinya und reichte ihm die Hand.
Indiana fühlte sich, als würde jemand ihm den Boden unter den Füßen wegziehen. Er hatte verloren. Sie würde nicht ja sagen. Sie würde ihm sagen, dass sie noch Zeit brauche, dass er überstürzt handelte, und überhaupt. Wie hatte er auch nur im Traum daran denken können, diese wunderschöne Frau würde ihn heiraten wollen? Er erhob sich mühsam und wich ihrem fragenden Blick aus.
"Sieh mich an", wiederholte Vinya. Ihre Hand strich behutsam über seine Wange. "Bitte."
Langsam hob sich Indianas Kopf, und seine tiefbraunen Augen blickten sie fragend an.
Vinya sah ihn lange an, nur ein leichter Anflug eines Lächelns umspielte ihre Lippen. Sie näherte sich ihm und küsste ihn sanft, nur ein kleiner Hauch eines Kusses, doch er reichte, um Indiana weiche Knie zu verschaffen. Es dauerte nur den Bruchteil einer Sekunde, doch Indy kam es vor wie die ewige Verdammnis. Wenn sie doch nur etwas sagen würde...
Und dann antwortete sie. Nur leise, für die beiden anderen kaum hörbar, murmelte sie die heiß ersehnte Antwort in Indys Ohr. "Ja."
"Ja?" Indiana schrie fast. Ihm fiel gleich ein ganzes Gebirge vom Herzen. "Ja? Ja ja ja? D-das heißt... D-du willst mich heiraten? Du willst mich wirklich heiraten!"
Lachend warf Vinya den Kopf zurück und fiel ihm in die starken Arme. Sanft streichelte sie seinen Rücken, während Indy sie einfach nur fest an sich drückte und sie nie wieder los lassen wollte. "Ja, Indy, ich will dich heiraten. Ich liebe dich so sehr, dass es fast weh tut."
Sie küssten sich, ein leidenschaftlicher Kuss, der so lange überfällig gewesen war.
Wolverine und Jack tauschten bedeutsame Blicke. Indiana hatte es also überstanden... und er hatte glorreich gesiegt. Wolverine ließ ein leises Knurren hören, weil es ihm heiß und kalt den Rücken hinunter lief, und Jacks Unterlippe begann verdächtig zu zittern.
Es dauerte eine Ewigkeit, bis die beiden Verliebten realisierten, dass sie nicht allein waren. Vinya löste sich nur widerstrebend von Indiana, doch obwohl sich jede Faser ihres Körpers nach seinen Berührungen verzehrte, musste es dennoch sein. Sie hatten ja noch die ganze Nacht. Und die ganze Ewigkeit...
"Tja, dann... Glückwunsch, euch beiden", sagte Wolverine und schlug Indy erneut in einer gut gemeinten kumpelhaften Geste auf den Rücken, so dass Vinya befürchtete, es würde ihn wieder von den Füßen hauen. Dann umarmte Wolvi Vinya und tätschelte ihr den Kopf. "Ich wünsche euch alles Glück der Welt."
"Ich auch", sagte Jack, schnäuzte lautstark in ein rosa geblümtes Taschentuch und umarmte die beiden dann nacheinander. Vinya seufzte vor Erleichterung und Glück und murmelte ein unverständliches "Danke" in Jacks Brust.
Die vier hatten eine lange Zeit zusammen gesessen, bei Kerzenschein, köstlichem Rotwein und gutem Essen, welches Wolverine in Sekundenschnelle aus der unscheinbaren braunen Papiertüte hervorgezaubert hatte. Indiana und Vinya saßen ganz nah beieinander, in der Wärme und Nähe des anderen badend, und hatten kaum Augen für etwas anderes als einander. Die Tischgespräche hatten sich demnach auch auf das Wesentliche beschränkt, hauptsächlich Wolverine und Jack hatten sich beiläufig über Gott und die Welt unterhalten, während Indiana und Vinya kaum einen Bissen des zugegebenermaßen wirklich erstklassigen Essens zu sich genommen hatten. Auch ihre Weingläser waren noch unberührt, die beiden waren voneinander schon berauscht genug.
Wolverine gähnte ausgiebig. Es war eine lange Nacht gewesen, er war sehr müde. Er sah Jack an, dass es diesem nicht anders ging. Vinya und Indy nahmen Wolverines Gähnen als mehr oder weniger willkommenes Zeichen, sich langsam zurückzuziehen.
"Danke für den wunderschönen Abend", sagte Vinya und küsste Jack auf die Wange. "Und keine Sorge, ich werde niemandem verraten, dass du dich auch ab und zu wie ein normaler Mensch verhalten kannst." Sie zwinkerte, und Jack griente so breit, als hätte sie ihm gerade einen Orden verliehen.
Indiana und Wolverine verabschiedeten sich ebenfalls mit einer Umarmung und unter begeisterten Dankesbekundigungen, und dann endlich hatte Indy seine Vinya wieder für sich allein. Die beiden kümmerten sich nicht darum, dass sie mitten auf dem Schlossflur standen – sobald Wolverine die Tür hinter sich geschlossen hatte, fielen sie übereinander her und küssten sich innig. Minutenlang verharrten sie in diesem Kuss, bis sie sich schließlich atemlos voneinander lösten.
"Ich liebe dich so sehr, Vinya", murmelte ein überglücklicher Indiana in ihr Haar.
"Ich dich auch." Milliarden von Sternen tanzten vor ihren Augen. Vinya legte ihren Kopf an seine Brust und lauschte dem Schlagen seines Herzens. Nie hätte sie gedacht, dass jemand sie so glücklich machen würde. Sie dachte an all ihre vorangegangenen Beziehungen – einige mehr, andere weniger intensiv, doch nie hatte ein Mensch sie sehr verstanden und akzeptiert wie Indiana und nie hatte sie einem anderen Menschen so viel Liebe entgegenbringen können wie diesem. Es war perfekt. Dieser Moment war perfekt... nur sie beide, vereinigt in Liebe und Glück, dem nichts anderes auf der Welt gleich käme.
Noch eine lange Zeit standen die beiden Verliebten stumm, in inniger Umarmung auf dem Flur vor Wolverines Zimmer und lauschten in die Stille, bis...
Man hörte einen dumpfen Schlag und zeitgleich das tiefe Grummeln eines Mannes. "Aua!"
Indiana und Vinya schreckten auf, durch die Geräusche, die aus dem Zimmer gekommen waren, unsanft auf den Boden der Realität zurückgeholt. "Wa...?"
"Shhh", machte Indiana und legte Vinya einen Finger auf den Mund. Die beiden lauschten in die Stille und fragten sich, was dort drinnen wohl vor sich gegangen war.
Wolverine hielt sich seinen schmerzenden Kopf und jaulte leise. "Bist du wahnsinnig geworden?", fauchte er Jack an, der mit einem schweren Buch in der Hand und mit zuckenden Schultern vor ihm stand. "Du musst mich doch nicht gleich schlagen!"
Jack lachte. "Ich habe dir gesagt, die sind nicht für dich, Wolvilein."
"Aber...?"
"Nichts aber."
"Aber die beiden sind doch jetzt eh weg!"
Jack kicherte. "Meine Güte, wenn du willst, schick ich gleich noch mal Snape zur Tankstelle, damit er dir deine eigenen Gummibärchen kauft, okay?"
Auf der anderen Seite der Tür blickte Vinya Indiana mit ungläubigen Augen an. Ihre Lippen formten ein stummes "Gummi... bärchen?"
Indy schlug sich mit der flachen Hand gegen die Stirn und hielt sich dann die Hand vor den Mund, um nicht laut loslachen zu müssen. "Herrje, die Gummibärchen. Die habe ich ganz vergessen..."
"Indy-Schatz?"
"Hm?"
"Lass uns gehen... das hier ist mir gerade... mehr als unheimlich."
"Du hast recht." Indiana bot Vinya seinen Arm an, und die beiden machten sich auf den Weg zu ihrem Zimmer.
Jetzt, da die Anspannung von Indiana gefallen war, konnte er einfach nicht anders, als sie auf halbem Wege zu überfallen – aufgeregt packte er Vinya, drängte sie mit dem Rücken an das Treppengeländer und küsste sie stürmisch, schob seine Hände unter ihre Kleidung, Vinya vergrub ihre Hände in seinem Haar und küsste ihn fordernder.
Da gellte plötzlich ein lauter, wütender Schrei durch die Schlosshalle unter ihnen. "NEIN!", kreischte Raven, "VERGISS ES!"
Vinya löste sich von Indiana und warf einen Blick über die Schulter hinunter in die Halle. Raven rannte quer durch die Halle, sie trug ihren wehenden grünen Morgenmantel und einen wütenden Gesichtsausdruck, und sie wurde gejagt von Han Solo, mit ausgestreckten Armen und ihr verklärt hinter her starrend. "BITTE! Nur noch ein Mal!", flehte er.
"NEIN NEIN NOCHMALS NEIN! Ich mache dir nicht noch mal den Tomberry!", zeterte Raven aufgebracht.
"HEY!", rief Indiana herunter.
Beide blieben wie angewurzelt stehen und sahen hoch zu Indiana und Vinya. Raven hatte vor Schreck ihre Laterne fallen lassen, die klirrend auf dem Boden zerbrach. Automatisch blickte sie nach links und rechts, aber der Hauself blieb verschwunden.
"Was zum Teufel macht ihr da?", fragte Indy beunruhigt.
"Han will, dass ich ihm... äh..." Raven wurde zinnoberrot.
Han ließ die Arme sinken. "Ja mein Gott, doch nur noch ein einziges Mal... bevor ich gehe..."
Indiana lehnte sich über das Treppengeländer und sah seinen Bruder kopfschüttelnd an. "Bevor du wohin gehst?"
"Du hast mich rausgeschmissen", erinnerte Han und verschränkte die Arme vor der Brust.
"Ach... weißt du was? Wenn ich es mir genau überlege... Bleib doch noch ein Weilchen!" Indiana, vollkommen im Taumel der Glückseligkeit, grinste auf ihn herunter, legte Vinya einen Arm um die Schultern und zog sie mit sich hinfort.
Durch das Gebrüll aufgeschreckt, steckten nun auch Jack und Wolverine die Köpfe durch die Zimmertür. "Was ist denn hier los?", rief Jack herunter.
"WOLVI!" Raven schlug nach Han, der ihr gerade die Arme um die Taille gelegt hatte, und hüpfte hektisch winkend auf und ab wie ein Gummibällchen. "Wolvilein!"
Han schnaubte. "Das heißt, du möchtest wirklich nicht mehr mein Tomberry sein?"
Raven schüttelte den Kopf und winkte Wolverine ununterbrochen zu. "Bist du mir böse?", rief sie herauf.
Wolverine hob anzüglich grinsend eine Augenbraue. "Kommt drauf an. Komm her und finds raus..."
Raven nickte und stürmte die Treppe hoch, wild entschlossen, lieber als Wolverines Gummibärchen herzuhalten als für Hans perverse Rollenspielchen (Der Alienjäger und das Küchenmesser-Dingens). Sie packte Jack am Arm, zerrte ihn aus dem Zimmer und schlug krachend die Tür hinter sich und Wolverine zu.
Indiana und Vinya schüttelten die Köpfe und machten sich auf den Weg zu Vinyas Schlafzimmer. Für sie alle vier war die Nacht noch lange nicht vorbei.
teh end (of chap 9)
