Disclaimer: Wir besitzen keine Rechte an seaQuest oder deren Personen. Die hier vorkommenen Personen und Tiere existieren zuweilen wirklich, das heißt aber nicht, dass sie auch in Wirklichkeit genauso sind. Für diese Geschichte haben wir kein Geld bekommen, denn es ist ein Geschenk an Kiddo zu ihrem Geburtstag.

Noch etwas, weder Samusa, noch ich haben auch nur den geringsten Schimmer vom Reitsport, also seht es ab, wenn wir ein Hufeisen, einem Pferd zum fressen geben. ;)

Liebe Kiddo, mit dieser Geschichte wollen Samusa und ich dir ganz herzlich zu deinem Geburtstag gratulieren und hoffen, dass sie dir gefällt. Leider konnten wir sie aus organisatorischen und zeitlichen Gründen nicht vorher beenden. Das ist nun mal so, wenn eine Geschichte anfangs nur kurz geplant wurde und doch das Potential zu mehr hat. Wir wünschen dir ganz viel Spaß dabei! Leider ist mir erst jetzt aufgefallen, dass du ja die falsche Story geschickt bekommen hast. Dir fehlte der komplette Anfang!!! (sucht sich was um damit den Kopf einzuschlagen) Tut mir echt furchtbar leid!!!

Holiday by Samusa & YuryJulian

Sobald sie unter sich die Weite des Landes erkennen konnte, wurde ihr schon mulmig zumute. Zu gerne hätte sie ihre Freundin bei sich gehabt, doch leider konnte sie wegen einer Grippe nicht an ihrem gemeinsamen Urlaub teilnehmen. Zuerst wollte sie die Reise komplett umbuchen, doch dann hatte ihre Freundin solange auf sie eingeredet, bis sie doch zusagte. Es wäre schade, wenn ihre ganze Vorfreude für umsonst gewesen war. Demnach musste sie sich dem fügen und hatte schweren Herzens ihrer kranken Freundin zuliebe die Reise angetreten. Drei Wochen Arizona auf einer Pferdefarm. Der Gedanke an die Pferde machte einiges wieder weg. Mit ihrer Digitalkamera wollte sie so viele Fotos wie möglich machen, damit die Zurückgebliebene auch etwas davon hatte.

Sobald sie bei der Gepäckabfertigung fertig war, ging sie nach draußen und suchte den Jeep, der sie zu der Farm bringen sollte. Schwer schleppend schlurfte sie durch die Drehtür. Ihre Augen suchten unentwegt den Vorplatz nach dem Logo ihrer Urlaubsfarm ab. Hier musste doch jemand sein. Man hatte ihr zugesichert, sie abzuholen. Das Bestätigungsschreiben in Form einer E- Mail hatte sie noch bei sich, auf Diskette, denn aus Respekt vor dem Regenwald, versuchte sie so viel Papier wie nur möglich zu sparen.

Glücklicherweise fuhr gerade ein beige farbener Jeep auf dem großen Parkplatz vor dem Flughafen vor. An seiner Seite prangte das Logo ihres Zielortes; der Horse Vacation Farm. Ein springender Hengst vor einer untergehenden Sonne umrahmt von einem gelben Kreis. Sie zog die Schlaufe ihrer Tasche fester über der Schulter und ging mit festen Schritten darauf zu.

Ein Mann mittleren Alters mit tief braun gebrannter Haut, wie sie nur jemand haben konnte, der sein ganzes Leben lang schon unter der Sonne verbracht hatte, saß hinter dem Steuer. Er zündete sich gerade eine selbstgedrehte Zigarette an, als Anja bei dem Wagen ankam.

Er begrüßte sie und als sie sich ausgewiesen hatte, dass sie seine Passagierin war, half er ihr mit dem Gepäck. Sobald sie auf dem Beifahrersitz Platz genommen hatte, hätte es eigentlich losgehen können, doch es sollten noch andere Urlauber mit ihnen kommen. Der Fahrer war ziemlich neugierig und wollte von ihr alles mögliche wissen. Glücklicherweise kamen die restlichen sehr bald. Es handelte sich dabei um weitere Ausländer aus Europa. Zwei britische Mädchen, die auf Anja einen recht netten Eindruck machten und ein junger Mann, der jedoch ein Gesicht zog, als würde er lieber überall sein, nur nicht hier.

Sie ließ sich dadurch nicht stören. Satt dessen genoss sie lieber die Landschaft. Schon bald wurden die Häuser am Wegesrand weniger und immer mehr und mehr trockenes, karges Land prägte das Landschaftsbild. Hier würde man sicher toll ausreiten können. Sie hoffte, dass sie nicht allzu lange warten musste, bis sie eines der Pferde der Farm ausreiten durfte, schließlich war es ja eine von denen, auf denen man arbeiten musste.

Weit hinten am Horizont erstreckte sich ein Gebirge. Sie war neugierig, wie weit es wohl entfernt sein würde und ob sie bis dorthin reiten könnte. So ihren Tagträumen nach hängend bemerkte sie gar nicht, wie sei ein großes Tor passierten und rechts und links von ihnen ein Holzzaun von einfacher Art die Straße begrenzte. Erst als sie eine kleine Herde brauner Pferde erblickte, wurde ihr die Erreichung ihres Zieles bewusst.

Der Jeep kam zum Stilstand. Vor ihnen lag ein großes Haus, das Haupthaus der Farm und darum herum lagen mehrere kleinere Holzhütten, die von außen bereits einen sehr heimischen Eindruck machten. Von ihrem Sitz nach draußen rutschend ging sie staunend um den Wagen herum. Sie wussten gar nicht wo sie als erstes hinsehen sollte, so sehr war sie von der Umgebung angetan. Ein Mann mit verblichenen Jeans und einem karierten Hemd, das er offen über der braun gebrannten Brust trug, führte zwei Pferde aus einem nahen Stall. Locker hielt er deren Zügel in seiner Hand. Der braune Cowboyhut saß keck auf seinem Kopf. Naja, vielleicht würde es ihr hier ja doch besser gefallen, als sie dachte und die Sehnsucht und das schlechte Gewissen über die Grippe ihrer Freundin würden schnell verflogen sein.

Als erstes wurden sie in das Haupthaus geführt. Das war auch gut so, denn die drückende Hitze der Mittagssonne über der Wüste ließ ihnen den Schweiß in Bächen hinunter laufen. An der Decke waren mehrere kleine Ventilatoren angebracht, die die Luft abkühlten und diese ihnen entgegen bliesen.

Anja fühlte sich gleich hundert Jahre in die Vergangenheit zurück versetzt. Ein großer Teil der Möbel im Haus waren aus Holz. Die runden Tische mit ihren einfachen Holzstühlen wirkten wie in einer Bar aus dem Wilden Westen. Ganze drei solcher fanden sich auf der rechten Seite direkt neben einer altmodischen Treppe in das obere Stockwerk. Von außen hatte man bereits gesehen, dass es hier mehr als zwei Stockwerke gab. Im Gegensatz zu den kleineren Häusern, die genau aus zwei zu bestehen schienen. Noch hatte sie diese jedoch nicht gesehen und konzentrierte sich auf ihre jetzige Umgebung.

Direkt vor ihnen befand sich auch eine Theke wie in einer alten Wildwestbar. Dahinter stand aber kein langes Regal mit allen Arten von Whiskey sondern kleinere Fächer mit Nummern und einem modernen Computer. Es war die Rezeption des Hauses. Links gab es noch eine Art Leseecke mit gemütlichen Sofas, die passend zur anderen Einrichtung, aus derselben Epoche stammen mussten. Dieser Leseraum war durch eine dünne Holzwand vom Rest getrennt. Ein breiter Durchgang führte hinein. Rote Samtvorhänge waren stilvoll angebracht. Auf diese Weise wurde vermieden, dass der Kontrast von Baridylle zum heimischen Kaminfeuer nicht zu groß war. Neben der Rezeption führte ein kurzer Gang in den hinteren Teil des Hauses. Würde nicht unmissverständlich Speisesaal in großen Lettern über dem Türbogen stehen, hätte sie nicht gewusst, wo er sie hinführte.

Ihr Fahrer haute mit Kraft auf die kleine Tischglocke an der Rezeption. Sobald jemand kam, drehte er sich herum und wünschte den Neuankömmlingen einen schönen Aufenthalt. Anja sah ihm verwundert nach. Er würde schon wissen was er tat. Eine Frau mit dünnen hellbraunen Haar, war hinter dem Empfang erschienen und ließ sich die nötigen Unterlagen geben. Auch Anja gab ihren Ausweis und die Diskette mit der Buchungsbestätigung hin. Schließlich mussten die Leute hier ja wissen, dass sie auch wirklich die Person war, die hier erwartet wurde und nicht eine wildfremde, die sich auf ihre Kosten hier ein paar nette Tage machte. Nur mit dieser Buchungsbestätigung, wurde man Gast auf der Farm.

Die Frau, die sich als Mrs McKinley vorstellte, versuchte so schnell wie möglich die Formalitäten zu erledigen indem sie den einzelnen Neuankömmlingen die Schlüssel für ihre Unterkünfte gab. Sie sollten sich zuerst ausruhen und konnten im Speisesaal in einer halben Stunde auch etwas zu essen bekommen. Ein Angebot, was jeder hier bestimmt gerne annehmen würde. Bis zum Abend würden ihnen dann die Dienstpläne vorliegen, nach denen sie ab dem kommenden Tag sich aktiv auf der Farm beteiligten. Darauf war sie schon besonders gespannt. Sie hatte bereits mehrere Erfahrungen mit Pferden und brauchte auch nicht an dem frühen Einführungskurs teilnehmen. Wie man hier alles handhabte, würde ihr schon bei der Arbeit beigebracht. Jeder Gast bekam für die ersten paar Tage einen Betreuer, auch diesen würde man ihn erst am Abend mitteilen.

Mrs McKinley gab jedem einen Plan von der Farm. Die kleineren Häuser beherbergten die unterschiedlichsten Zimmer und waren alle mit Nummern versehen. Insgesamt gab es fünf Häuser und die Zimmer trugen demnach die Anfangsnummer fünf. Anja hatte eins im Haus Nummer zwei. Sie unterschrieb ein Formular zum Erhalt des Schlüssels und begab sich nach draußen. Nun schlug ihr die Hitze härter entgegen, als sie es erwartet hätte. Bevor sie sich daran gewöhnte, musste sie erst mehrmals ruhig durchatmen. Die trockene Luft trug den Staub des Sandes mit sich, der in ihrer Nase zu kitzeln begann und sie niesen ließ.

„Gesundheit."Wünschte ihr ein Teenager lächelnd, der gerade an ihr vorbei ging und in das Haupthaus wollte.

„Danke."sagte sie und sah ihm nach. Er war so schnell verschwunden, dass sie überhaupt nicht mitbekommen hatte, wie er eigentlich aussah. Sie hoffte nur, dass hier nicht zu viele junge Teenager herumliefen und sie ihn wieder finden würde, doch als erstes war Koffer auspacken angesagt. Laut ihrem Plan musste sie sich nach links wenden. Die Häuser eins bis drei befanden sich auf dieser Seite. Glücklich stellte sie fest, dass ihr Haus, das sein würde, welches direkt an einen der Ställe anschloss. So konnte sie schneller bei ihren geliebten Pferden sein.

Eilig stieg sie die zwei Stufen der Veranda hoch und öffnete die Holztür. Das Innere war ganz und gar nicht so, wie sie es sich vorgestellt hatte. Sie vermutete, es würde wie das Haupthaus vielleicht aussehen, oder ein langer Gang mit den Zugängen zu den einzelnen Zimmern vor ihr erstrecken, aber dem war nicht so. Vor ihr befand sich tatsächlich ein Gang, doch dieser machte nach einigen Metern einen scharfen Rechtsknick. Ebenfalls vor ihr befand sich eine schmale Holztreppe, die nach oben führte. An ihrer Seite war ein Schild angebracht, das auf die Zimmer mit den Nummern fünfundzwanzig bis neunundzwanzig verwies. Ihres hatte die sechsundzwanzig also musste sie folglich dieser Treppe folgen. Die Erkundung des Hauses konnte sie später auch noch durchführen. Sie hoffte nur, dass in den Zimmern Deckenventilatoren existierten, auf dem Gang taten sie das jedenfalls nicht. Die stillstehende Luft in dem Haus atmete sich schwer und stickig.

Am oberen Treppenabsatz angekommen sah sie sich um. Hier befand sich kein Gang, sondern eine Art größerer Vorraum, der die einzelnen Zimmer verband. In der Mitte befand sich ein niedriger runder Tisch mit Zeitungen und Zeitschriften darauf. Darum herum standen mehrere kleinere Sofas. Die ausgebleichten Polster sahen schon recht zersessen aus, aber sie konnten bestimmt auch weich sein. Anja kannte das bereits. Schon des öfteren wurde sie vom ersten äußerlichen Anschein getrübt, der in Wahrheit überhaupt nicht stimmte.

Sie ließ den Blick weiter kreisen. Hinter sich war eine große Fensterfront, die sie von außen gar nicht so wahrgenommen hatte. Sie schritt darauf zu. Ihre Tasche ließ sie neben dem Geländer liegen. Vor ihr erstreckte sich das Tor zur Farm zwei Reiter kamen anscheinend von einem Ausflug zurück. Hier und da wurden Pferde an den Zügeln zu einem anderen Ort gebracht und der kleine Parkplatz vor dem Haupthaus war bis auf zwei der Jeeps leer. Von hier oben entdeckte sie auf einem weiter entfernt liegenden Teil weitere Ställe. Das mussten die Rinder sein. Einige der Touristen hier, konnten sich auch für die Rinder zur Verfügung stellen. Wahrscheinlich waren diese Leute in den Häusern vier und fünf untergebracht. Viele würden es jedoch nicht sein, vermutete Anja, sie sah mehrere junge Mädchen und die waren garantiert nur wegen der Pferde hier. Sie wandte sich von dem Fenster ab und ging nach links. Ein kurzer Gang führte zu den Toiletten. Leider befanden sich diese nicht in den Zimmern. Auf dem Gang befanden sich die für die Männer. Eine der Einrichtungen, von denen sie sicher war, sie öfters benutzen zu müssen. Wenigstens die Duschen gab es separat auf jedem Zimmer. Ganz begeistert hatte sie die Nachricht keine eigene Toilette zu besitzen nicht aufgenommen, doch damals hieß es noch, ihre Freundin würde immer mitkommen, auch wenn es schon tiefste Nacht war.

Sie ging wieder zurück. Aus dem Zimmer mit der Nummer fünfundzwanzig, das neben ihr lag, kam ein Ehepaar, wie es schien, heraus. Sie war in eine blaue halblange Jeans und lockere Bluse gekleidet und er trug einfach nur Sandalen zu einer kurzen Bermuda und weißem Schlabberhemd. Händchen haltend gingen die beiden nach unten, jedoch nicht um ihr freundlich zu zu nicken. Die Frau mit den roten Haaren, war ihr sofort sympathisch. Mit solchen Nachbarn sollte es doch keine Probleme geben.

Endlich war es soweit und sie würde ihr neues zu Hause für die nächste Zeit sehen. Sie drehte den Schlüssel im Schloss herum und verharrte mit geschlossenen Augen einen Moment, bis sie hinein trat.

Langsam öffnete sie die Augen. Das erste was sie sah, war eine alte Kommode auf der rechten Seite. Sie ging darauf zu. Die Tür fiel hinter ihr automatisch ins Schloss. Ihre Tasche schob sie nur hinein und ließ sie dann liegen. Das viereckige Zimmer war recht geräumig. Das zweite überflüssige Bett schmerzte ihr dann doch. Sofort ging sie zu dem Nachttisch und hob den Höhrer ab. An der Rezeption hatten sie alle eine Nummer zum freischalten der Telefone bekommen. Neben dem Gerät befand sich nochmals eine ausführliche Erklärung zur Handhabung. Anja überflog kurz den Text und schon machte sie sich ans Werk. In windeseile hatte sie ein Freizeichen. Auswendig flogen ihre Finger über die Tasten. Nach zweimaligen Tuten wurde der Apparat am anderen Ende abgenommen. „Hallo?"fragte eine krächzende Stimme.

„Hallo Nicki! Du hörst dich aber gar nicht gut an."

Aus irgendeinem Grund konnte sie die vor Überraschung weit aufgerissenen Augen ihrer Freundin vor sich sehen. „Anja! Und wie ist es dort? Wie lange bist du schon da? Hast du schon die Pferde gesehen? Wie viele haben sie? Wann darfst du auf einem reiten?"Ihr Fragenmarathon wurde durch einen jähen Hustenanfall unterbrochen. Nicki tat ihrer Freundin unheimlich leid.

„Beruhige dich. Ich bin gerade erst angekommen und habe die Schlüssel für mein Zimmer geholt. Als ich das zweite Bett hier drinnen sah, musste ich dich erst einmal anrufen. Ich habe noch nicht einmal die Zeit gehabt mich umzusehen."Während sie dies sagte, schweifte ihr Blick durch das Zimmer. Neben der Tür befand sich eine kleine Kammer. Sie konnte die Dusche darinnen erkennen und ein kleines Waschbecken mit einem rechteckigen Spiegel darüber. Die Kommode wurde von kleineren Schränken flankiert. Die beiden Betten waren aus schwerem Holz ohne Schnitzereien. Die Bettwäsche schlicht weiß, aber frisch. Das konnte sie riechen und an der Decke war ein Ventilator. „Warte mal einen Augenblick."sagte sie zu ihrer Freundin und suchte den Schalter zur Aktivierung des Ventilators.

„Da bin ich wieder. Es ist schrecklich heiß hier und ich musste den Ventilator in meinem Zimmer einschalten."

„Machst du auch von allem Fotos?"

„Natürlich, das habe ich dir doch versprochen."

Am anderen Ende benieste Nicki es und schneuzte sich geräuschvoll die Nase.

„Bis jetzt sieht es so aus, als würde ich nächstes Jahr wieder her kommen."

„Aber dann mit mir! Diese doofe Erkältung."

„Du hast nicht nur eine Erkältung. Werde erst einmal wieder ganz schnell gesund. Vielleicht kannst du doch noch nachkommen sobald es dir besser geht. Ein Bett ist hier noch frei. Ich werde dir auch ein Pferd frei halten."

„Genau, so machen wir das. Ich gehe jetzt gleich zum Arzt und lasse mir ein Wundermittel geben zum schneller gesund werden."

„Ist gut. Ich werde jetzt erst einmal etwas essen gehen und dann mit der Digitalkamera bewaffnet die Farm erkunden. Musste dir doch versprechen mindestens hundert Bilder zu machen."

„Gut, viel Spaß. Ruf mich an, sobald du wieder auf dem Zimmer bist."

„Werde ich. Tschüß."Sobald sie aufgelegt hatte, drückte die Einsamkeit auf ihren Schultern stärker als zuvor. Sie vermisste ihre Freundin doch recht stark. Hoffentlich würden die Pferde sie ablenken können. Dann rief sie sich in Gedanken, wie sehr es ihrer Freundin doch missfallen würde, wenn sie nicht ein wenig Spaß an ihrem Urlaub hätte.

Schnell stand sie auf, suchte aus ihrer Tasche ein paar frische Sachen heraus, denn so verschwitzt wie sie war, wollte sie sich nicht an den Esstisch setzen. Aus einer Seitentasche zog sie noch ihre Digitalkamera und legte sie auf das Bett. Diese würde gleich mit ihr das Zimmer verlassen.

Beim Essen angekommen, erblickte Anja auch schon ihre Nachbarn von vorhin wieder und entschied sich dazu, sich zu ihnen zu setzen, da ohnehin nicht viele Sitzmöglichkeiten zur Auswahl standen. Sie ging auf die zwei freien Plätze zu und lächelte freundlich.

„Ist dieser Stuhl noch fr...?"

„Ist das zu fassen?! Die haben hier keine Cola!!!"sagte ein aufgebrachter Teenager, als er auf sie zukam und sein Tablett mit Essen auf den Tisch abstellte und sich hinsetzte. Dann blickte er auf die drei ziemlich verdutzten Personen, die ihn gerade anstarrten.

Anja fing sich relativ schnell wieder und wollte einen neuen Versuch starten, doch schon wieder kam ihr die selbe Person dazwischen.

„Hi, wir haben uns doch heute schon mal gesehen!"

„Lucas. Sei nicht so unhöflich."Die rothaarige Frau, die anscheinend die Mutter des Jungen war, lächelte Anja nun zu und machte eine Handbewegung in Richtung Stuhl. „Sie können sich ruhig zu uns setzen."

Das Mädchen war nun verwirrt und erleichtert zugleich, nahm das Angebot dann aber dankend an. Die Digitalkamera fand ihren Platz neben ihr auf dem Tisch.

„Cooles Teil!"Lucas hatte soeben das gute Stück entdeckt und schien sich über seinen Fund zu freuen. Er nahm die Kamera in die Hand und ließ sein Essen links liegen. Die Bratkartoffeln strömten einen verführerischen Duft aus, doch für ihn war der Duft der Technik viel anziehender.

Fast wie vom Donner getroffen folgte Anja fassungslos dem Geschehen. Als er auch noch damit anfangen wollte, ihre Kamera auseinander zu nehmen, ging sein Vater schnell dazwischen indem er ihm das Stück aus der Hand nahm. „Du kannst doch nicht einfach fremdes Eigentum kaputt machen."ermahnte er ihn und gab dem Mädchen seine Kamera zurück. „Tut mir leid, er kann sich bei manchen Dingen einfach nicht halten. Wir haben uns noch gar nicht vorgestellt. Ich bin Nathan Bridger, das sind meine Frau Kristin und unser frecher Sohn Lucas."

„Hallo, Anja, ist mein Name."Glücklich, ihre Kamera noch in einem Stück wieder bei sich zu haben und über die freundliche Begrüßung dieser netten Leute, nahm sie ihre Gabel in die Hand.

„Was heißt hier frech? Außerdem hätte ich die Kamera nicht kaputt gemacht. Ich wollte nur wissen, ob es eine von den ganz neuen Teilen ist." Sein Vater ging darauf gar nicht ein. „Ich hätte sie wirklich nicht kaputt gemacht!"versicherte Lucas Anja nochmals und lugte bereits in die Richtung, wo sie ihre Digitalkamera hingetan hatte.

Lächelnd aß sie ihre Bratkartoffeln.

„Du bist im selben Haus wie wir, nicht wahr?"fragte die rothaarige Frau sie freundlich.

Anja nickte.

„Bist du auch mit deinen Eltern hier?"

„Nein, meine Freundin wollte mit, doch sie ist leider krank geworden. Wir hoffen noch immer, dass sie vielleicht in der letzten Woche nachkommen kann. Wäre schade, wenn ich ganz allein hier bin."

„Dann hast du es besser als ich. Mich lässt keiner allein in den Urlaub fahren. Kann man ja sehen." Mit zusammengekniffenen Augen, sah der Teenager seine Eltern an.

„Auf mich machen deine Eltern nicht den Eindruck, als sei es schlimm mit ihnen zusammen weg zu fahren."entgegnete sie.

„Wart's nur ab. Wenn du mir nicht glaubst, kannst du für vierundzwanzig Stunden mit mir tauschen. Danach denkst du bestimmt anders. Meinst du nicht, mir deine Kamera mal für eine Stunde ausleihen zu können? Ich mache dir auch ein paar nette Fotos."versuchte er erneut wieder seinem technischen Drang nach zu kommen.

Die Frau seufzte auf. „Warum isst du nicht erst auf, bevor du schon wieder Pläne für den Nachmittag machst."

„Stimmt. Ich habe heute Nachmittag noch gar nichts vor. Hey, wenn du gerade erst angekommen bist, kann ich dich ja herumführen!"

Sie konnte sich nicht helfen, aber dieser Junge gefiel ihr einfach und das nicht nur vom optischen her. Ihre Sorgen hier ganz allein mit den Pferden zu sein, waren also völlig unbegründet gewesen.

„Beginnst du dann auch endlich deinen Teller leer zu essen? Du verschreckst das arme Mädchen ja völlig."schollte sein Vater ihn erneut.

Anjas Teller und auch der der Bridgers war fast komplett leer nur Lucas' beinhaltete noch die volle Portion. Die Bratkartoffeln mussten bereits kalt sein, als er endlich mit dem Essen begann.

Nach dem Essen hatte sie sich von den Bridgers getrennt. Anscheinend musste Lucas noch etwas erledigen und die Führung würde sich ein wenig verschieben. Daher machte sie sich allein auf den Weg und sah sich vorher auf eigene Faust um. Von dem Ober hatte sie erfahren, dass sich in dem Stall nahe des Haupthauses mehrere Pony's befanden. Die wollte sie natürlich als allererstes sehen.

Sobald sie hinein trat bemerkte sie die wohlige Kühle im Schatten des Holzhauses. Mehrere Pferche säumten sich rechts und links bis hinter, wo ein ebenso großes Tor offen stand, wie jenes, durch das sie herein gekommen war. Langsam schritt sie die einzelnen Parzellen ab. Es waren alles ohne Ausnahme wunderschöne Tiere. So viele Rassen auf einmal. Das war auch einer der Gründe gewesen, warum Nicki und sie unbedingt hierher wollten. Diese Farm war dafür bekannt, besonders viele verschiedene Rassen zu vereinen. Es gab sogar ein internes Zuchtprogramm, dieses interessierte sie zwar weniger, aber schaden konnte es nichts, da auch einmal rein zu schnuppern. Sie lehnte sich an einen der Pferche und beobachtete das darin befindliche Pony, wie es sich sein Heu schmecken lies. Von hinten näherte sich von Anja unbemerkt jemand, der es auf das abgesehen hatte, was sie in ihrer Westentasche bei sich trug.

Erschrocken fuhr sie herum. Ein kleines Shettlandpony mit rotbraunem Fell und heller Mähne kam immer wieder mit seiner Schnauze an ihre Westentasche heran. Die Versuche an die Möhrchenstücke zu kommen, kitzelten. „Hey, ist ja gut. Ich gebe dir schon etwas."Sie griff hinein und holte mehrere Stückchen heraus. „Lass es dir schmecken."Während es fraß, tätschelte sie dem Pony den Kopf. Sein Fell fühlte sich herrlich weich an. Richtig kuschelig.

Ein Pfleger mit einer Heugabel kam auf sie zu geeilt. „Ist alles in Ordnung bei ihnen, Miss?"

„Ja, warum denn nicht?"antwortete sie ihm verwundert.

Er schien darüber erleichtert. „Dieses Tier macht nur Ärger. Es hat sich schon wieder aus seinem Stall geschlichen. Normalerweise sollte es gar nicht hier sein."

Das Pony störte sich überhaupt nicht an dem Pfleger. Statt dessen ging es ein paar Schritte zur Seite, weg von ihm und näher an Anjas Tasche mit den leckeren Möhrchenstückchen. Mit der Schnauze versuchte es daran zu kommen. „Du bist aber ein ganz schöner Frechdachs, wenn du immer in meine Tasche willst."sagte sie, als es in den Stoff hinein biss, in der Hoffnung, diesen zum reißen zu bringen.

„Frechdachs ist gar kein Ausdruck. Keines unserer Tiere ist so unberechenbar wie unser Felix."

„Felix heißt du also."Anja erbarmte sich und gab dem Pony noch einmal ein Stückchen. Wie um sich zu bedanken, legte Felix seinen Kopf auf ihre Schulter. Zumindest versuchte er es.

„Sie sollten vorsichtig sein. Wenn er so lieb tut, dann plant er meistens etwas."

„Aber er ist doch nicht gefährlich?"

„Nein, ich meine ja auch nur, dass er ihnen ihre Weste ausziehen könnte. Unser Felix ist nicht nur frech sondern auch hinterhältig."

Liebevoll streichelte sie dem Pony durch den Schweif. Sie konnte sich das gar nicht vorstellen. Irgendwie spürte sie, wie nah sie sich doch standen, obwohl sie erst seit einigen Minuten miteinander bekannt waren.

Der Pfleger trat an ihre Seite. Die Mistgabel hatte er an einen der Verschläge gelehnt. „Ist gut, Felix. Das hübsche Mädchen hast du nun genug beschnuppert, wird Zeit, dass du wieder in dein zu Hause zurück kehrst."

„Warum läuft er immer weg? Es muss doch einen Grund dafür geben."Jetzt war sie aber neugierig geworden.

„In diesem Stall befinden sich andere aus seiner Herde, darum. Er ist wohl ein recht sozialer Typ. Als wir die Ponys erwarben, haben wir mehrere aus einer Koppel genommen und mussten sie aber aufgrund Platzmangels auf verschiedene Ställe verteilen. Seine besten Freunde scheinen wir hier untergebracht zu haben. Doch woher soll man im Voraus wissen, welches mit welchem am liebsten zusammen bleiben möchte."

Sie nickte nur, auch wenn sie es besser wusste. „Kann man die nicht nachträglich noch umlegen?"

„Können schon, aber ich bin nicht der Chef hier und habe daher nur wenig zu sagen. Wenn ich eigenmächtig handle, gibt es Ärger und wenn ich es dem Chef sage, kann es sein, dass er es entweder vergisst oder gar nicht drauf eingeht. So leid es mir tut, für unseren Felix wird es wohl keine andere Möglichkeit geben als weiterhin vor uns weg zu laufen."

Traurig sah sie dem Pony nach, das genauso wie sie über die Wendung der Dinge nicht besonders glücklich war. Ein Tippen an ihrer Schulter riss Anja aus ihrer Nachdenklichkeit.

„Was ist nun? Soll ich dich rumführen?"

Anja erkannte den Jungen vom Essen sofort wieder und erinnerte sich sogleich an das Angebot, welches er zuvor gemacht hatte. „Ja klar. Kann losgehen."

„Gut, ich dachte schon du willst hier lieber deine Stallbesichtigung allein zu Ende führen. Eben sahst du ja nicht gerade glücklich aus."Sie erzählte Lucas kurz, was sie eben von dem Pfleger erfahren hatte und wie unfassbar sie es fand, dass dem Chef die Situation wahrscheinlich kaum interessieren würde.

„Na, dann überlegen wir uns eben etwas, um den guten Felix zu seinem Glück zu verhelfen. Der Boss hier muss doch wohl auch irgendwie zu überreden sein und sonst gehen wir dem einfach auf die Nerven, bis er freiwillig mitmacht." Lucas plapperte einfach drauf los und ließ das Mädchen neben ihm ziemlich perplex aussehen.

Sie überlegte kurz und grinste. „Einen Versuch ist es wert."

„Genau! Am besten wir überlegen uns etwas, während ich dir hier alles zeige."

Anja streichelte Felix noch einmal und gab ihm ein weiteres Möhrchenstückchen, bevor sie sich zusammen mit Lucas auf den Weg machte. Weshalb das Pony auf einmal wieder an ihrer Seite war, fragte sie sich gar nicht. Eigentlich hatte der Pfleger es soeben doch aus dem Stall gebracht. Wie selbstverständlich nahmen die Teenager die Anwesenheit des Tieres hin. „Ach und solltest du Fotos machen wollen – ich bin gerne bereit dir mit der Kamera zu helfen. Also frag ruhig, ich spiel gern den Fotografen." Völlig unschuldig blickend ging er weiter, ohne zu wissen, dass er längst durchschaut wurde. Anja lächelte nur amüsiert.

Fortsetzung folgt...