Kapitel 2
Der Ausbruch

Die Schale mit Haferbrei sah nach einem äußerst einladenden Kopfkissen aus. Genaugenommen sah im Augenblick alles, was sich nicht bewegte, wie ein einladendes Kissen aus. Berichtigung: Alles, das weich genug war, um ihr nicht den Schädel einzuschlagen, sah wie ein einladendes Kissen aus. Hermine war noch nie in ihrem Leben so müde gewesen. Bis in die frühen Morgenstunden aufzubleiben, vier Stunden davon in Gesellschaft eines sarkastischen Slytherin, war definitiv keine gute Idee.

Sie war um halb fünf Uhr morgens zurück im Gryffindor-Turm gewesen und direkt ins Bett gegangen, war aber nicht eingeschlafen, bis irgendwann nach fünf, und da sie während der Schulzeit um viertel vor sechs aufstand, bedeutete das, daß sie insgesamt vierzig Minuten Schlaf gehabt hatte. Sie hatte seit dem Aufstehen jeden angefahren, sie in Ruhe zu lassen, und gerade versuchte sie, nicht mit dem Gesicht zuerst beim Frühstück in ihre Haferbreischüssel zu fallen.

Was sie am meisten ärgerte, war nicht die Tatsache, daß sie für vier Stunden im Raum der Wünsche festgesessen hatte, oder daß sie sich regelmäßig kneifen mußte, nur um wach zu bleiben. Was sie am meisten aufregte, war Blaise Zabini. Sie hatte ihn gesehen, als sie in die Große Halle gekommen war, und er hatte sehr zu ihrem Verdruß wach und gutgelaunt ausgesehen – sofern man einen Slytherin als gutgelaunt oder fröhlich bezeichnen konnte.

Anschließend hatte sie die übrigen Gryffindors angeknurrt und sich gesetzt, um mit Schrecken den Beginn der ersten Stunde zu erwarten, eine Doppelstunde Zaubertränke mit den Slytherins, was nicht gerade ihre Stimmung hob. Sie würde im selben Raum sein wie dieser verdammte Blaise Zabini, und noch dazu in Snapes Unterricht, wo ganz sicher niemand einschlafen wollte, ob nun aus Versehen oder nicht.

Harry und Ron halfen ihr, wach zu bleiben, indem sie ihr hin und wieder Fragen stellten, und sie war ihnen für ihre Mühe dankbar, aber im Moment wollte sie nichts, als wieder schlafen zu gehen. Sie wurde aus ihren Überlegungen, ob sie den Haferbrei als Kissen benutzen sollte, herausgerissen, als Harry ihr auf die Schulter tippte.

„Was?" grummelte sie.

„Zaubertränke, Hermine, es geht gleich los", erinnerte er sie.

Sie nickte, hob ihre Büchertasche auf und folgte ihren beiden besten Freunden aus der Großen Halle, die Treppen hinunter und in die Kerker. Die kalte Luft hier unten weckte sie auf, aber es war nur ungefähr eine Minute vergangen, bevor die Schläfrigkeit zurückkehrte.

Sie marschierten still in den Klassenraum für Zaubertränke und setzten sich auf ihre üblichen Plätze, Hermine in der Mitte, Harry zu ihrer Linken, Ron rechts von ihr. Bald kamen andere Gryffindors dazu. Die Slytherins kamen immer vornehm zu spät. Hermine hielt ihre Augen auf das Lehrbuch vor sich geheftet und ignorierte alle um sich herum. Nach einer Weile kamen die Slytherins, sowohl der Vorstand des Hauses als auch die Schüler, und der Unterricht begann.

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Sie hatten für die heutige Stunde einen Aufsatz schreiben sollen, und Draco Malfoy wurde herumgeschickt, um sie einzusammeln und zu Snape zu bringen. Er schnappte sich Hermines Pergamentrolle mit einem höhnischen Lächeln, das Hermine mit einem finsteren Blick beantwortete, ließ dann „versehentlich" ihre Rolle zu Boden fallen und ging weiter.

Blaise warf ihr über die Tische hinweg einen Blick zu und bückte sich, um das Pergament aufzuheben. Als er sich wieder aufrichtete, sah er in ihre Richtung und hob eine Augenbraue. Sie warf ihm einen mürrischen Blick zu. Er nickte, grinste sie kurz an, was wahrscheinlich die Slytherin-Version eines Lächelns war, und sah zu Malfoy hinüber.

„Draco!" rief er.

Malfoy drehte sich um und hob eine Braue.

„Du hast das hier fallenlassen", sagte Blaise und warf ihm den Aufsatz durch den Klassenraum zu.

Malfoy blickte finster drein, aber er hatte keine andere Wahl, als die Rolle zu fangen und abzugeben. Er konnte sie schlecht noch einmal fallenlassen, während die gesamte Klasse zusah. Das war genau, was Blaise geplant hatte, aber er wußte es besser, als sich das anmerken zu lassen. Und er wußte es besser, als Draco Malfoy zu zeigen, daß er wußte, daß es Hermine Grangers Aufsatz war.

Als Draco sich wieder neben ihn setzte, schenkte er ihm einen bösen Blick und lehnte sich über den Tisch.

„Das war Grangers Aufsatz, Blaise", brummte der Blonde.

Blaise setzte eine überraschte Miene auf, die durch und durch falsch war, und mimte Verwirrung.

„Verdammt. War es? Ich dachte, es wär Millicents", erwiderte er, wobei er versuchte, weder zu interessiert noch zu unbeteiligt zu klingen.

Dinge vor den anderen Slytherins zu verheimlichen war etwas, das selbst die Erstkläßler schnell lernen mußten, und über die Jahre war er darin einer der Besten geworden. Er konnte sogar Snape täuschen, wenn er sich genügend Mühe gab, und das wollte was heißen. Die Siebtkläßler auszutricksen, war einfach im Vergleich. Snape hatte die unangenehme Gewohnheit, schon zu wissen, was man dachte, bevor man es dachte.

Da sie heute keinen Zaubertrank brauten, las Blaise weiter im Lehrbuch und notierte die wichtigeren Informationen auf einer Pergamentrolle. Eine geschäftige Ruhe senkte sich über den Raum, da niemand – nicht einmal Slytherins – in Zaubertränke sprach, wenn er nicht dazu aufgefordert wurde. Die einzigen Geräusche waren das Kratzen von Federn, das Knistern von Pergament und das leise Atmen der Schüler im Kerker. Alles in allem war es eine ungewöhnlich friedliche Unterrichtsstunde.

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Es war Mittagszeit, und Hermine war so schnell wie möglich in die Bibliothek geflüchtet. Sie wollte weg von Harry und Ron, die sie darüber ausfragten, warum sie letzte Nacht so spät noch draußen gewesen war, außerdem mußte sie für die UTZs lernen. Sie las ein Buch über komplizierte Heiltränke, eingerollt in einem Sessel im hintersten Winkel der Bibliothek, immer noch damit beschäftigt, ihre Augen offenzuhalten.

Jemand, der widerlich gutgelaunt war, setzte sich in den Sessel ihr gegenüber. Sie blickte auf und grummelte Blaise etwas zu, der erstaunlich fröhlich zu sein schien für jemanden, der nur etwa eine Stunde Schlaf gehabt hatte. Er las in einem dünnen, grünen Buch mit goldenen Lettern auf dem Einband: Hélas, j'ai transfiguré mes pieds. Der Autor war ein gewisser Malecrit.

„Schon gegessen?" fragte er heiter.

„Nein, ich wollte nicht über dem verdammten Essen einschlafen", schnappte sie. Sie klang extrem müde, sogar in ihren eigenen Ohren.

„Das wär mal ein Anblick gewesen." Blaise grinste.

„Halt die Klappe", fauchte sie. „Danke für dir Hilfe mit dem Aufsatz", wechselte sie das Thema.

„Mmh? Ach das. Keine Ursache." Er zuckte mit den Schultern.

Sie nickte und kehrte zu dem Versuch zurück, gleichzeitig zu lesen und zu schlafen. Zumindest im Augenblick sah sie tatsächlich die Buchstaben auf der Seite, während sie zur gleichen Zeit etwas von dem Schlaf nachholte, den sie letzte Nacht verloren hatte.

Sie saßen schweigend da, lasen still und ignorierten sich mehr oder weniger vollkommen. Keiner von ihnen bemerkte, daß das Mittagessen längst vorbei war, aber da Hermine anschließend eine Freistunde hatte, machte es nicht viel. Ungefähr eineinhalb Stunden nach dem Mittagessen wurden sie jedoch unterbrochen. Von Draco Malfoy, der in die Bibliothek gerauscht kam, als würde sie ihm gehören.

„Blaise!" raunzte er. „Du bist eine halbe Stunde zu spät zu Arithmantik."

Blaise blickte auf und hob eine Augenbraue. Er legte das Buch auf den Tisch, stand auf und sah Draco an.

„Ich war in mein Buch vertieft." Er zuckte die Schultern.

Aber Draco hörte ihm nicht zu. Er hatte Hermine erkannt und setzte sein spöttischstes Grinsen auf.

„Was machst du hier, Schlammblut? Suchst du nach einer Möglichkeit, bei deinen Tests zu betrügen? Das sähe dir ähnlich. Niemand kann so gute Zensuren haben, ohne zu betrügen. Oder es ist was anderes. Sag mal, Schlammblut, hast du dich jemals angeboten?" fragte er so beleidigend wie möglich. Und er hatte Erfolg, sogar Blaise zuckte zusammen.

Hermine sah buchstäblich rot. Sie schlug ihr Buch auf den Tisch, stand so schnell auf, daß ihr Sessel hintenüber kippte, und packte Malfoy bei seiner Krawatte, wobei sie ihn beinah erwürgte.

„Hör gut zu, Malfoy. Ich hab deine Andeutungen satt, und dieser letzte Kommentar war sogar unter deinem Niveau. Es ist mir nicht einmal in den Sinn gekommen, so etwas zu tun, und selbst wenn es das wäre, hätte ich es sicher nicht getan. Und Malfoy, wenn ich je wieder höre, wie du mich „Schlammblut" nennst, werde ich dafür sorgen, daß nur noch dein Zahnarzt dich identifizieren kann", knurrte sie.

„Laß los, verdammt!" Malfoy versuchte, sich von ihr befreien. „Blaise, hast du nicht vor, mir zu helfen?" fragte er verzweifelt.

Blaise sah nur zu ihm hinüber, dann zu Hermine und zuckte gleichgültig mit den Schultern.

„Was kann ich sagen, Draco? Wo sie recht hat, hat sie recht. Das war ein Tiefschlag", antwortete er. „Und jetzt komm, wir müssen zum Arithmantikunterricht." Er packte Draco an der Schulter und schleifte ihn aus der Bibliothek hinaus.

Er riskierte ein Zwinkern über die Schulter, bevor er und sein reichlich geschockter Hauskamerad durch die Türen der Bibliothek verschwanden. Hermine sank in einen Sessel. Sie wußte nicht, ob sie über Blaises Rettungsaktion lachen oder über Malfoys Anspielungen weinen sollte. Sie entschied sich, im Gryffindor-Gemeinschaftsraum weiterzulesen, lieh das Buch aus und ging davon.

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Blaise versuchte, Dracos mißtrauische Blicke auf dem Weg zu Professor Vektors Klassenraum zu ignorieren, während er seine Hausaufgaben durchsah, um zu überprüfen, ob er etwas falschgemacht hatte. Er wußte, er hätte in der Bibliothek lieber den Mund halten sollen, aber sein Temperament hatte die Oberhand gewonnen, und er hatte seine Zunge einfach nicht halten können. Natürlich würde es höllisch schwer werden, da jetzt wieder rauszukommen, da er Hermine Granger unter keinen Umständen „Schlammblut" nennen wollte – hauptsächlich weil er dieses Wort nie benutzte, denn seine Eltern waren Muggeln gegenüber ziemlich tolerant. Aber er würde sich schon irgendwie rauswinden.

„Was zum Teufel hast du gerade gemacht, Blaise? Hast du die Schlammblut-Gryffindor verteidigt?" fragte Draco nach einer Weile.

„Ich hab sie nicht verteidigt, Draco, ich habe lediglich Tatsachen festgestellt. Das war ein Schlag unter der Gürtellinie, sogar für dich." Blaise zuckte die Schultern, wußte aber, er würde sich etwas Besseres einfallen lassen müssen als das.

„War es nicht! Es war gerechtfertigt. Kein Schlammblut sollte bessere Zensuren haben als ein reinblütiger Zauberer! Sie muß irgendwas machen, um sie zu verbessern!" brüllte Draco.

Wieder einmal verlor Blaise die Beherrschung, und da keine Bibliothekarin hier war, die ihn hinauswerfen konnte, weil er zu laut war, gab er sich nicht einmal Mühe, leise zu sprechen.

„Um Himmels Willen, Draco, du warst kurz davor, sie zu beschuldigen, mit Snape zu schlafen! Ich weiß nicht, wie das bei dir ist, aber ich würde das meinem ärgsten Feind nicht antun. Sie lernt, Draco, sie lernt. Das ist alles, was ich auch tue, und falls es dir entgangen ist, ich bin Zweitbester in unserem Jahrgang, nach Hermine!" Blaise schrie fast. „Es ist mir egal, ob du mit ihr verfeindet bist, und es ist mir egal, ob sie eine Gryffindor ist. Einige Dinge sagt man einfach nicht, und das war so eine Sache!"

„Aber dieses Schlammblut …", begann Draco, offenkundig völlig verblüfft.

„Nicht! Hör einfach auf, ja? Meine Schwester ist mit einem Muggel verheiratet, wenn du also dieses Wort sagst, dann beleidigst du meine Nichte und meinen Neffen, und ich will dich so was nicht sagen hören, verstanden?" sagte Blaise. Er war wieder ruhiger, aber immer noch verärgert.

„Entschuldige, ich dachte nicht …" sagte Draco, aber er wurde erneut von Blaise unterbrochen.

„Es ist offensichtlich, daß du das nicht hast, tu's nur nicht noch mal. Laß uns zu Arithmantik gehen." Blaise sah ihn nicht an.

Dracos Worte hatten ihn geärgert. Er hatte niemals irgend jemanden „Schlammblut" genannt, nicht einmal bevor seine Schwester geheiratet hatte. Seine Eltern waren sehr gegen Voldemort gewesen, wie sehr sie auch Slytherins waren. Aber das war nicht, was ihn am meisten geärgert hatte. Es war die Tatsache, daß Dracos Worte an Hermine Granger gerichtet gewesen waren.

Draco hatte kein Recht, so über sie zu reden. Er wußte überhaupt nichts über sie. Zugegeben, er auch nicht, aber immerhin wußte er mehr als Draco, und das gab ihm ein Recht, sich angegriffen zu fühlen. Das war jedenfalls, was er sich selbst sagte. Er sollte der einzige sein, dem es gestattet war, sie zu beleidigen, und es gefiel ihm nicht, wenn jemand anders, wie Draco, es tat. Nichts davon war logisch, aber ihm war im Moment nicht nach Logik.

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Hermine hatte keine Ahnung, wie sie den Tag hinter sich gebracht hatte, aber als sie schließlich ins Bett fiel, schlief sie umgehend ein. Ihre Freunde hüteten sich, ihren Schlaf zu stören, da sie schon schrecklich genug gewesen war, solange sie wach gewesen war. Hätten sie sie aus ihrem langersehnten und dringend nötigen Schlaf gerissen, hätte Hermine sie in Grund und Boden verhext.

Der Tag war verwirrend gewesen, und das war noch milde ausgedrückt. Sie war vor Malfoy verteidigt worden – von Blaise, der selbst ein Slytherin war. Sie hatte Gerüchte gehört, daß Blaise nicht lange nach dem Vorfall lautstark mit Malfoy aneinandergeraten war, und daß Malfoy sich danach ein wenig besser benommen hatte. Sie war natürlich überrascht gewesen. Sie konnte nicht anders, als sich zu fragen, ob sie irgend etwas mit dieser Unterhaltung zu tun gehabt hatte.

Es war erstaunlich, wie vier Stunden in Blaise Zabinis Gesellschaft ihre Einstellung gegenüber den Slytherins im allgemeinen und Blaise im Besonderen verändern konnten. Sie stellte fest, daß sie die Slytherins erträglicher fand als gewöhnlich; Draco Malfoy war da allerdings eine Ausnahme, eine große. Sie hatte so ein Gefühl, daß sie ihn zu einem gewissen Grad immer geringschätzen würde.

Blaise war irgendwie anders. Sie machte sich nicht vor, daß er nett war, nicht in ihren kühnsten Träumen, aber er schien etwas leichter zugänglich zu sein als der Rest der Slytherins. Nicht, daß das schwer gewesen wäre. Ein Slytherin hätte einem eher den Kopf abgerissen, als mit einem zu reden.

Blaise war nicht nett, er war ein sarkastischer Bastard, der klüger war, als gut für ihn war, und er schien es zu genießen, Leute zu beleidigen, einfach weil er es für witzig hielt. Nichts davon war „nett", aber es machte ihr irgendwie Spaß, seinen kleinen Beleidigungen zuzuhören, und bis zu einem gewissen Grade fand sie sie lustig. Es war seltsam und wahrscheinlich falsch, aber im Augenblick war es ihr egal, und sie bezweifelte, daß sich das je ändern würde.

Sie hatte es nie jemandem erzählt, aber der Sprechende Hut hatte es nicht leicht gehabt, sie einem Haus zuzuordnen. Sie hatte die Wahl gehabt zwischen Ravenclaw und Gryffindor, aber für einen Moment hatte der Hut gemeint, sie hätte gut nach Slytherin gepaßt, wäre sie reinblütig gewesen. Sie hatte diesen Gedanken nun für fast sieben Jahre verdrängt, aber plötzlich schien es passend zu sein. Es wäre jedenfalls unterhaltsamer gewesen. Die Gryffindors hatten einen ziemlich platten Sinn für Humor.

Sie hatte sich immer wie das fünfte Rad am Wagen gefühlt, selbst als sie sich mit Harry und Ron angefreundet hatte. Die beiden waren die perfekten Gryffindors: Sie brachen Schulregeln, ohne Angst, erwischt zu werden, sie waren immer bereit, Verantwortung für andere zu übernehmen, sie sagten immer die Wahrheit. Sie war nicht so. Meistens plante sie ihre nächtlichen Ausflüge im Voraus, damit sie nicht erwischt wurde, sie übernahm Verantwortung für andere, fand aber, daß die das auch selbst konnten, und sie log häufiger als die meisten, machmal nur, um ihre Haut zu retten, und machmal die eines anderen.

Zugegeben, Harry und Ron hatten gelogen, aber auf die korrekte Gryffindor-Art, das heißt, sie waren nicht damit davongekommen. Sie war fast immer mit ihren Lügen durchgekommen. Und sonderbarerweise machte sie das stolz. Sie war immer eine Besserwisserin gewesen, immer da, um andere rauszuholen und sicherzustellen, daß sie nicht erwischt wurden. Jetzt hatte sie endlich etwas, das sie nicht mit Harry und Ron teilen mußte.

Sie schmiegte sich enger an ihr Kissen und lächelte im Schlaf. Jedwede Entdeckungen konnten bis morgen warten.

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Draco war seit Blaises Ausbruch sehr still gewesen und saß jetzt in einer Ecke, wo er offensichtlich wegen irgend etwas schmollte. Blaise beobachtete ihn, kehrte aber sofort zu seinem Buch zurück, sobald er sicher war, daß der Blonde nichts Unüberlegtes tun würde.

Er hatte Hermine seit dem Vorfall in der Bibliothek nicht mehr gesehen, aber er bezweifelte nicht, daß Dracos Verhalten sie getroffen hatte. Er beschloß, zu ihr zu gehen und mit ihr darüber zu reden, sobald er die Gelegenheit hatte. Er würde erklären, daß er mit Draco geredet hatte, und daß er ihn in der Luft zerfetzen würde, sollte er so etwas noch einmal tun.

Er ertappte sich, als er den Gedanken gerade zu Ende gedacht hatte. Das konnte er nicht tun, es würde sich zu sehr danach anhören als würde er sie beschützen wollen, und es würde mehr als ein bißchen falsch klingen. Er würde es anders formulieren müssen, aber er würde sichergehen, daß Draco etwas wie das nicht wiederholte. Er gab es nicht gerne zu, aber Dracos Wortwahl hatte ihn aus der Fassung gebracht. Hoffentlich würde er zweimal überlegen, bevor er dieses Wort noch einmal benutzte.

Draco blickte erschrocken auf, als Blaise sein Buch zuschlug und in seinen Schlafsaal hinaufging. Dort legte er sich auf sein Bett und starrte an die Decke. In den letzten vierundzwanzig Stunden war eine Menge passiert, und er brauchte etwas Zeit, um das alles zu verarbeiten.

Anscheinend hatte er genaugenommen eine neue Nichtfreundin gewonnen, aber immerhin jemanden aus Gryffindor, der ihn nicht schon bei seinem Anblick umbringen würde. Das war wirklich etwas Seltenes, wenn man in Slytherin war. Und Hermine Granger gehörte nicht zu den Gryffindors, die Slytherins gewöhnlich tolerierte, was es nur zu einem größeren Triumph machte. Nicht daß ihn das sonderlich interessierte. Es wäre nett, sie auf seiner Seite zu haben, sollte sie jemals wütend werden, aber wenn sie das nicht war, tja, wen störte es?

Er rollte sich auf die andere Seite und starrte auf den Boden. Vielleicht wäre es ein Verlust? Aber sie konnten nicht direkt Freunde sein, oder? Sie hatte Potter und Weasley, die den Slytherins alles andere als wohlgesinnt waren. Und außerdem, eine Unterhaltung bewies gar nichts. Es war nicht mal eine zivilisierte Unterhaltung gewesen, sie hatten sich gegenseitig beleidigt und nur Pausen gemacht, um Luft zu holen.

Nein, er würde morgen darüber nachdenken müssen. Normalerweise waren Sachen wie diese kein großes Problem.