Kapitel 7
Ein Krieg, um alle Kriege zu beenden oder so …

Die Strafpredigt, die sie von Madame Pince erhielten, machte den schlimmsten von Snape Konkurrenz. Man hätte glauben können, sie hätten die Bibliothek bis auf die Grundmauern niedergebrannt, anstatt nur ruhig in zwei Sesseln zu sitzen und nichts zu tun.

Na ja, jedenfalls fast nichts.

Der Kuß war nicht und würde wohl auch nie vergessen sein. Hermine hatte versucht, mit Blaise zu reden, als er zurückgekommen war, aber er hatte sich nur sein Buch gegriffen und war wortlos wieder verschwunden, ohne auf irgendeine Weise auf ihre Versuche, ihn anzusprechen, zu reagieren. Also hatte sie sich etwas entmutigt wieder hingesetzt und das Ende der Nacht allein abgewartet. Sie wußte, daß es nur schlimmer werden würde, wenn sie ihm nachging. Er brauchte Zeit, um das alles zu verarbeiten.

Sie war sich bereits über alles klargeworden. Da sie praktisch veranlagt war, war sie ihre Gefühle der Reihe nach durchgegangen, hatte sie identifiziert und eingeordnet. Sie war zu dem Schluß gekommen, daß sie wenigstens ein bißchen in den schwarzhaarigen Slytherin verliebt war, wenn nicht mehr, und sobald sie das erkannt hatte, hatte sie keine Zeit verschwendet, es ignoriert und sich wieder ihrem Buch zugewandt.

Als sie jetzt vor der Bibliothek standen, mit strikten Anweisungen, zu gehen und für mindestens zwei Tage nicht wiederzukommen, wandte sie sich zu Blaise um und setzte gerade dazu an, etwas zu sagen, als er sich auf dem Absatz umdrehte und den Flur hinunter Richtung Slytherin-Gemeinschaftsraum verschwand.

Sie starrte ihm mit offenem Mund nach. Sie hatte keine Ahnung, was sie tun sollte. Bevor er sich abgewandt hatte, hatte sein Gesicht sorgfältig aufgerichtete Ruhe und Kontrolle ausgestrahlt, als hätte er Angst, etwas Überstürztes oder Falsches zu tun, wenn er sich nicht streng in der Gewalt hatte. Er hatte fast … ängstlich gewirkt.

Ein wenig traurig ging sie zur Großen Halle, wo das Frühstück in ein paar Minuten serviert werden würde. Sie zog die Schultern hoch, wie um etwas Unangenehmes abzuwehren, und stapfte still die Treppen hinunter. Vielleicht würde sie Ron und Harry treffen und über Quidditch reden, oder Schach. Alles, um sich wenigstens für den Moment von Blaise Zabini abzulenken.

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Ron und Harry saßen tatsächlich am Gryffindor-Tisch und kauten schon geräuschvoll an ihrem Frühstück, während sie sich über Quidditchstrategien unterhielten, wenn sie gerade nicht den Mund voll hatten. Sie setzte sich neben sie und begann, ein Brötchen mit Butter bestreichen, wobei sie vorsichtig zum Slytherin-Tisch hinüberschielte. Blaise war nicht da.

Erleichtert wandte sie sich wieder ihrem Frühstück zu und versuchte, ihren besten Freunden aufmerksam zuzuhören. Sie fühlte sich irgendwie schlecht, weil sie sie praktisch ignoriert hatte, seit sie diesen Krieg mit Blaise begonnen hatte, und sie wollte es wiedergutmachen, daß sie sie während dieser Zeit ertragen hatten.

„… Und dann hab ich den Quaffel einfach quer übers Feld getreten und damit auch fast Punkte gemacht!" sagte Ron gerade.

„Können die Hüter beim Quidditch punkten?" fragte sie und unterbrach die Konzentration der beiden damit für eine Sekunde.

„Was? Oh, sie können, aber das kommt nicht oft vor. Weißt du, es ist so …", begann Ron, der sie sofort in die Unterhaltung einbezog.

Eine Weile tat sie, als würde sie zuhören, aber sie konnte sich nur schwer konzentrieren. Ausnahmsweise lag das nicht daran, daß Quidditch das Thema war. Sie hatte lediglich schon zuviel im Kopf, um es aufzunehmen und tatsächlich aufzupassen.

Nach einer Weile bemerkte Harry, daß sie geistig abwesend war und beugte sich besorgt über den Tisch. Das reichte, um sie aus ihrer Träumerei zu reißen, und sie starrte ihn einen Moment an, bevor sie ihre Fassung wiedererlangte.

„Hermine, wo warst du letzte Nacht?" fragte Harry. Er sah aus, als würde er sich sorgen machen.

„Was? Oh, ich bin in der Bibliothek eingesperrt worden, da Madame Pince die Türen über Nacht verschließt, und ich konnte nicht raus", erklärte sie. Es war ihr ein wenig peinlich.

„Was?" fragte Ron kichernd. „Wie? Hattest du nicht gesagt, daß Madame Pince die Bibliothek kontrolliert, bevor sie abschließt?"

Hermine war beeindruckt – geradezu überrascht – daß Ron, der sich immer beschwerte, weil sie so ein Bücherwurm war, sich an ein so triviales Detail über die Bibliothek erinnerte, das sie vor ein paar Wochen in einer flüchtigen Unterhaltung erwähnt hatte.

„Tja, diesmal nicht. W… Ich war in der Abteilung für Muggelliteratur, und da sie mich nicht hat reinkommen sehen und ich meines Wissens die einzige hier in Hogwarts bin, die Muggelliteratur liest, hat sie sich wohl nicht die Mühe gemacht, dort nachzusehen." Hermine zuckte mit den Schultern.

Ron brach in Gelächter aus. Harry lachte in sich hinein, und Hermine sah die beiden eine Weile verlegen an, bevor sie ebenfalls einstimmte. Bald lachten sie alle drei lauthals, was mehrere Schüler dazu veranlaßte, ihnen neugierige Blicke zuzuwerfen.

Hermines Lachen verstummte jedoch unvermittelt, als sich die Türen zur Großen Halle öffneten und Draco Malfoy hereinkam, der Blaise Zabini am Kragen hinter sich herschleppte. Der Schwarzhaarige sah aus, als wäre er überall lieber als hier, aber er setzte sich widerstrebend auf seinen Platz, als sein blonder Hauskamerad ihn darauf zuschubste.

Hermine sah ihn quer über die Halle hinweg an, aber Blaise senkte schnell den Blick auf seinen Teller und weigerte sich, ihr in die Augen zu sehen. Hermine wandte sich wieder ihrem eigenen Frühstück zu und versuchte, das verkrampfte Gefühl in ihrem Hals und das leichte Brennen in ihren Augen zu ignorieren. Sie würde ihm nicht die Genugtuung verschaffen, sie vor der gesamten Halle weinen zu sehen.

Sie wurde sich zunehmend unsicher, ob sie ihm überhaupt irgend etwas bedeutete oder ob dieser Kuß nur etwas Neues gewesen war, um sie aufzuziehen. Sie hoffte, daß das nicht der Fall war, aber bei einem Slytherin konnte man nie wissen. Sie blinzelte die Tränen weg und konzentrierte sich wieder auf Harrys und Rons Unterhaltung, ohne sich aber wirklich daran zu beteiligen.

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Hätte Hermine von den Ereignissen gewußt, die sich nur eine halbe Stunde früher im Jungenschlafsaal der Slytherins abgespielt hatten, dann hätte sie vielleicht anders darauf reagiert, Blaise zu sehen. Wie die Dinge lagen, wußte sie nichts davon und reagierte nicht anders.

Draco war in den Schlafsaal gekommen, um seine Krawatte zu suchen, die er umzubinden vergessen hatte, und hatte Blaise auf seinem Bett sitzend angetroffen, mit gelockerter Krawatte, sein Umhang auf dem Boden, wie er mit einem abwesenden Gesichtsausdruck an die Wand starrte.

Der Schwarzhaarige hatte ihn nicht einmal bemerkt, bis er sich neben ihn aufs Bett gesetzt hatte, und selbst dann hatte er nur leicht den Kopf gedreht. Er hatte ausgesehen, als hätte er seit Tagen nicht geschlafen, und er hatte einen irgendwie hoffnungslosen Ausdruck in den Augen gehabt.

„Blaise, was ist mit dir? Du siehst furchtbar aus", hatte Draco gefragt.

„Nichts", hatte Blaise gemurmelt. „Außer daß ich in der Bibliothek eingesperrt worden bin, mich zum idioten gemacht und mein Leben völlig ruiniert hab."

„Das hört sich nicht gut an. Was ist passiert?"

Draco war alarmiert gewesen, daß sein Freund, bislang der Slytherin mit dem sonnigsten Gemüt – so sonnig ein Slytherin eben sein konnte – auf seinem Bett saß und aussah, als hätte er alles verloren.

„Nichts Wichtiges." Blaise hatte so unbekümmert mit den Schultern gezuckt, daß es Draco nur noch mißtrauischer gemacht hatte. Etwas wirklich Wichtiges mußte geschehen sein.

„Ich hab nur einen Fehler gemacht, der so groß ist, daß Worte ihn nicht beschreiben können, und jetzt weiß ich nicht, was ich machen soll."

„Ah. Probleme mit einem Mädchen", hatte Draco grinsend geantwortet. „Es war nur eine Frage der Zeit, bis es dich treffen mußte."

Während sämtliche Jungen aus Slytherin, außer Crabbe und Goyle, mindestens eine Freundin gehabt hatten – und alle hatten irgendeine Art von Schwierigkeiten mit dem anderen Geschlecht gehabt – hatte Blaise erstaunlicherweise keinerlei solche Probleme gehabt. Jetzt, so schien es, hatte es ihn schließlich erwischt.

Und nach dem Ausdruck von Angst, Verlegenheit und Verwirrung auf Blaises Gesicht zu urteilen, hatte Draco mit seinen Vermutungen recht gehabt. Jetzt mußte er nur noch herausfinden, wer das Mädchen war. Er hatte einen Moment dagesessen, bevor sein Verstand sich eingeschaltet und es ihm zu dämmern begonnen hatte.

„Es ist nicht Granger, oder?" hatte er gefragt. Als er gesehen hatte, wie sich Blaises Ausdruck kurz veränderte, hatte er gewußt, daß er richtig lag. „Sie ist es. Ich kann es nicht glauben. Wieso Granger? Sie ist nur ein Gryffindor-Bücherwurm mit buschigen Haaren!"

„Ich weiß es nicht. Ich bin so ein verdammter Idiot", hatte Blaise gemurmelt und sein Gesicht in seinen Händen vergraben.

Es war gelinde gesagt ein Schock gewesen herauszufinden, daß sein Freund eine Gryffindor mochte, aber wenn man darüber nachdachte, ergab es Sinn. Die beiden hatten sich in den letzten zwei Monaten gegenseitig schikaniert, aber nicht auf wirklich verletzende Weise, wenn sie es vermeiden konnten. Und wer war er, über die Wege der Liebe zu richten?

„Ah. Tja, die Liebe macht sogar die Besten unter uns zu Idioten", hatte Draco weise erwidert. „Das ruft nach umgehendem Handeln. Frühstück."

„Was?" Dracos scheinbar unlogischer Themenwechsel hatte Blaise ziemlich verwirrt.

„Frühstück. Mit Essen im Magen wirst du besser denken können. Es gibt Blaubeerpfannkuchen, du wärst dämlich, dir die entgehen zu lassen." Draco hatte gezwinkert.

„Oh nein", hatte Blaise gejammert. „Ich hätte es wissen müssen. Drehen sich all deine großen Pläne ums Essen?"

„Natürlich", hatte Draco geantwortet und ihn aus dem Raum gezerrt.

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Jetzt saß Blaise in der Großen Halle, stocherte in seinen Pfannkuchen und versuchte, Hermine nicht zu sehr anzustarren. Sie hatte versucht, seinen Blick aufzufangen, aber aus Angst, was er dort sehen würde, hatte er sich sofort abgewandt.

Draco hatte den ganzen Vorgang natürlich gesehen und angedroht, hinüberzugehen und es ihr zu sagen, hatte aber davon abgesehen, als Blaise gedroht hatte, ihn zu verhexen. Jetzt warf Draco ihm nur von Zeit zu Zeit einen Blick zu und grinste.

Blaise versuchte, die Welt um sich herum zu ignorieren, aber sie hatte die nervige Angewohnheit, sich dem zu widersetzen. Mit einem Seufzen aß er schweigsam sein Frühstück und behielt seine Gedanken für sich.

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Zauberkunst: eine nette, normale Unterrichtsstunde bei einem fast normalen Lehrer. In letzter Zeit war die Stunde allerdings ein Schlachtfeld für Blaises und Hermines persönlichen Krieg geworden. Und die Schüler, immer für Unterhaltung zu haben, hatten begonnen, die kleinen Auseinandersetzungen im Unterricht mit Spannung zu erwarten.

Daher wartete die Klasse an diesem Morgen, als sie den Raum betraten, daß die sie zu streiten anfingen. Blaise betrat den Raum hinter Draco und ging still zu seinem Platz. Er setzte sich hin, holte seine Feder hervor und wartete, daß der Unterricht begann.

Hermine folgte Augenblicke später, setzte sich ebenso still neben Ron und Harry, packte Pergament und Feder aus und ignorierte den Rest der Klasse. Eine Klasse, die zunehmend verdrießlich wurde.

Das war nicht, wie es sein sollte. An jedem anderen normalen Tag hätten sich die beiden von dem Moment an, wo sie den Raum betraten, in den Haaren gelegen. Jetzt saßen sie an ihren jeweiligen Plätzen an entgegengesetzten Enden des Klassenraumes und ignorierten sich so weit möglich.

Flitwick kam herein und begann mit dem Unterricht, und das Leben schien weiterzugehen wie gewöhnlich. Nur als sie sich für die Stunde einen Partner suchen sollten, geschah etwas ein wenig Merkwürdiges. Hermine mußte mit Malfoy zusammenarbeiten.

Das war seltsam, weil kein Lehrer, der noch ganz bei Verstand war – nicht einmal Snape – die beiden hätte zusammenarbeiten lassen. Sie haßten sich gegenseitig mit einer Leidenschaft, die ans Mörderische grenzte, und das machte eine Zusammenarbeit ziemlich unmöglich. Daher vermuteten mehrere Schüler, Flitwick habe sein letztes Quentchen gesunden Verstandes verloren.

Draco protestierte jedoch nicht zu sehr, da der durchtriebene Slytherin darin seine Chance sah herauszufinden, ob die Gryffindor mit den buschigen Haaren irgendwas für seinen Klassenkameraden empfand. Und außerdem, solange er sie dabei quälen konnte, was schadete es?

„Also, Granger, was ist los?" fragte er. „Was ist mit der üblichen Show?"

„Was für eine Show?" fragte sie, den Blick auf das Lehrbuch gerichtet.

„Du weißt schon, wovon ich rede. Warum bearbeitet ihr euch noch nicht, du und Blaise? Ist was passiert?" Es gelang ihm gerade so, bei ihrem Gesichtsausdruck nicht zu lachen.

„Nein", murmelte sie. „Ich bin nur müde. Ich weiß nicht, wie das bei ihm ist, aber das ist meine Begründung."

„Hmm. Und ihr beide wart in der Bibliothek, weil …?" fragte Draco weiter mit einem leicht boshaften Grinsen.

Sie riß den Kopf hoch und starrte ihn mit offenem Mund an. Sie sah vollkommen geschockt aus.

„Woher wußtest du das?" wollte sie wissen.

„Ich wußte es nicht. Ich wollte nur sichergehen." Draco zuckte mit den Schultern.

„Du verdammter Schnüffler", zischte sie. „Ich werde es dir nicht sagen. Wenn du es so dringend wissen willst, frag ihn. Ich bin sicher, er kann dir alles darüber erzählen."

„Autsch, laß uns besser das Thema wechseln, bevor du anfängst, mich fertigzumachen anstatt ihn. Er muß es wirklich vermasselt haben", murmelte Draco, bevor er begann, an ihrer Aufgabe zu arbeiten.

Hermine warf ihm einen finsteren Blick zu, sagte aber nichts.

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Blaise beobachtete das Gespräch von der anderen Seite des Klassenraumes, konnte jedoch nicht verstehen, was gesagt wurde. Er sah, wie Hermine Draco wütend anfunkelte, und konnte nicht anders, als leicht zusammenzuzucken. Wenn er Draco so gut kannte, wie er glaubte, dann hatte der Blonde gerade etwas Beleidigendes gesagt, und er war etwas verärgert über seinen Klassenkameraden, aber nur für einen Augenblick.

Er arbeitete schnell weiter an der Aufgabe, die er und Millicent Bulstrode erhalten hatten. Millicent war eigentlich sehr nett, wenn man sie einmal kennenlernte. Sie war über die Jahre sehr groß geworden, und jetzt waren nur noch er selbst und Weasley größer als sie, was es ihr unmöglich machte, Verabredungen zu bekommen, da der Großteil der Schüler es ablehnte, mit einem Mädchen auszugehen, das zwei Köpfe größer war als sie selbst.

Er kaute am Ende seiner Feder, während er mit den Augen das Lehrbuch nach Einzelheiten über den Teilungszauber absuchte. Es gelang ihm, sich auf den Text zu konzentrieren, wenn auch nur, weil Millicent ihn jedesmal in die Rippen knuffte, wenn seine Konzentration abzudriften begann.

„Blaise, hör auf, so zu starren. Du machst dich lächerlich", murmelte Millicent.

„Ich starre nicht. Ich frage mich nur, ob Draco es schaffen wird, sie wütend zu machen", antwortete er ebenfalls murmelnd, im Stillen verärgert, daß sie ihn erwischt hatte.

„Hmm", brummelte Millicent. Sie sah überhaupt nicht überzeugt aus, ließ ihn danach aber in Ruhe.

Er schnaubte und versuchte, beim Starren nicht zu auffällig zu sein, er bezweifelte allerdings, daß er damit erfolgreich war. Hermine hatte seit letzter Nacht die ärgerliche Angewohnheit, immer in seinen Gedanken zu sein, und sie anzusehen schien ihm schon zur zweiten Natur geworden zu sein.

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Nach dem Unterricht verließ Hermine den Klassenraum für Zauberkunst so schnell wie möglich, um nicht wieder in eine Unterhaltung mit Malfoy verwickelt zu werden oder Blaise anzustarren. Sie rannte den Flur hinunter zu Verwandlung und ignorierte Neville, als er ihr zurief, sie solle auf ihn warten.

Sie wollte einfach so schnell wie möglich weg von der Klasse. Wenn sie noch eine Sekunde länger Malfoys Andeutungen ertragen mußte, würde sie wahnsinnig werden. Seit der Unterricht begonnen hatte, hatte er Andeutungen über Blaise fallenlassen und unablässig gefragt, was in der Bibliothek vorgefallen war – ein Thema, das sie mit niemandem diskutieren würde, schon gar nicht mit ihm.

Sie wollte gar nicht wissen, was Blaise ihm über die Nacht in der Bibliothek erzählt hatte, aber da es Malfoy schwerfiel, keine Miene zu verziehen, war es offensichtlich, daß es nichts Gutes gewesen sein konnte, und das Letzte, was sie wollte war, daß Malfoy sie auslachte.

Was noch ärgerlicher war, war die Tatsache, daß Blaise direkt am anderen Ende des Raumes gesessen und ausgesehen hatte, als würde er sich bei seiner Arbeit mit Millicent Bulstrode bestens unterhalten. Und Hermine konnte es ihm nicht wirklich vorwerfen, Millicent war recht hübsch geworden, sie sah nicht mehr so bullig aus. Sie wußte, daß sie selbst nicht gerade was fürs Auge war, und es sah so aus, als hätte Blaise sich entschlossen, sich der nächsten Herausforderung anzunehmen.

Das hieß, wenn er sich überhaupt je für sie interessiert hatte. Bei diesem Gedanken mußte sie die Tränen wegblinzeln. Sie schluckte heftig und eilte zu Verwandlung, ohne darauf zu achten, daß sie beinahe Leute aus dem Weg rempelte, um dorthin zu gelangen.

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Im Slytherin-Gemeinschaftsraum lag ein dicker, grüner Teppich vor dem Kamin. Zwei silberne Schlangen schlängelten sich an den Ecken, was den Teppich perfekt für Slytherin machte. Normalerweise wurde er nur benutzt, um sich im Winter die Füße daran zu wärmen. Jetzt allerdings wurde er durch ein Paar Füße abgenutzt.

Diese Füße gehörten zu Blaise Zabini. Er tigerte ruhelos auf und ab, während er zu Boden starrte. Draco, der in einem der Sessel saß, beobachtete ihn amüsiert. Blaise war seit einer Stunde auf und ab gelaufen, und es gab keine Anzeichen dafür, daß er in nächster Zeit damit aufhören würde.

„Was hat er vor?" fragte Millicent, als sie sich in den Sessel neben Draco fallen ließ.

„Oh, du weißt schon. Probleme mit einem Mädchen." Draco zuckte mit den Schultern und grinste.

„Ah. Wer ist die Glückliche?" fragte sie, ebenfalls mit einem Grinsen.

„Rate mal."

„Oh. Granger also?" fragte sie. Auf Dracos Nicken hin fuhr sie fort: „Hmm. Ich schätze, ich hätt's wissen müssen. Er ist ihr jetzt seit Wochen ununterbrochen auf die Nerven gegangen. Ich kann nicht sagen, daß ich's hab kommen sehen, aber trotzdem. Zu dumm, daß Granger wahrscheinlich schon was mit Weasley hat."

Draco sah sie überrascht an. Der letzte Satz hatte etwas eifersüchtig geklungen. Millicent konnte unmöglich Weasley mögen, oder?

„Erkenn ich da Eifersucht, Millicent?"

„Nein", murmelte sie, aber sie wurde leicht rot.

„Lügnerin. Du magst Weasley, stimmt's?" fragte Draco, während er versuchte, das Lachen zu unterdrücken.

„Du hast ein erstaunliches Gespür für das himmelschreiend Offensichtliche", gab sie zurück.

„Oh, das macht so einen Spaß! Ich kann Kuppler spielen! Aber wie mach ich das am besten?" sagte er zu sich selbst. Millicent stand auf und ging.

Blaise schien ihn nicht gehört zu haben und ging weiter hin und her, Draco konnte also seine Kuppelei in Ruhe planen und tat das, während die Dunkelheit über das Schloß hereinbrach.