Anmerkung: Es ist korrekt, daß Hermine Wahrsagen abgewählt hat, aber es ist durchaus möglich, daß sie es aus irgendeinem Grund (z.B. Einschreibebedingung für die Magie-Uni? Wie bei uns vielfach das Latinum?) im siebten Jahr doch wieder nehmen mußte... und da das hier so schön gepaßt hat – ist das in meiner Version halt so +ggg+


Seit Hermines Brief ist fast eine Woche vergangen. Die zwei haben in der kompletten Woche so getan, als wäre alles absolut normal. Ein wenig auffällig ist für die anderen höchstens, daß Hermine so viele Aufzeichnungen im Unterricht macht, daß sie kaum noch Zeit findet, sich zu melden... da sie dadurch aber in einem für sie sehr angenehmen Maße weniger Zielfläche für Snapes Sarkasmus zu bieten scheint, findet niemand es verwunderlich, daß sie das beibehält...

Hermine geht inzwischen davon aus, daß sie keinen weiteren Brief erhalten wird, als abends wieder die kleine Eule an ihr Fenster pickt und einen ausgesprochen dicken Umschlag bei sich hat...


Sehr geehrte Miss Granger,

Ich habe mich bei meiner Zwergeule, ihr Name ist übrigens Helena, für das, was ihr geschehen ist, entschuldigt. Der Angriff dürfte allerdings schlimmer ausgesehen haben, als er es war, denn Helena ist die Angriffe von Alexander, meinem Raben, aus ihren täglichen kleinen Kämpfen längst gewöhnt, aus denen sie übrigens nicht selten als Siegerin hervorgeht. Auch Professor McGonagall ist stets um Helena besorgt, aber letztendlich muß sie doch immer einsehen, daß für die Eule keine Gefahr besteht, da sie es versteht, ihren Gegner mit seinen eigenen Mitteln zu schlagen, im Zweifelsfall sogar, indem sie ihn schlicht mit einem Blick aus ihren großen Augen um den Finger, pardon – die Feder - wickelt.
Aber Sie haben trotzdem Recht, daß meine Vorgehensweise unangebracht war. Und es würde mir wohl kaum gut zu Gesicht stehen, die Schuld dafür auf den Wein zu schieben...
Ich werde die folgenden Worte sehr vorsichtig wählen. Sicherlich vorsichtiger, als Sie es von mir gewohnt sind. Ich bewege mich damit auf Neuland und bitte Sie, zu versuchen, nicht zwischen den Zeilen zu lesen. Ich werde versuchen, alles was ich sagen will IN die Zeilen zu schreiben.
Ich habe Ihren Brief oft – sehr oft – durchgelesen und obwohl darin eigentlich nichts stand, was mir neu sein sollte, hat er mich in der Tat betroffen gemacht.
Entschuldigen Sie das Schmunzeln das auf meinen Lippen liegt, obwohl mir zu allem anderen als zum Lachen zumute ist, aber ich kann Sie jetzt vor mir sehen, wie sie mit vermutlich sehr weit geöffneten Augen und – wie es Ihre Art ist, wenn Sie schockiert sind – offenem Mund auf diese Zeilen starren – und ihn jetzt selbstverständlich schließen, weil es Ihnen unangenehm ist, daß Sie darauf aufmerksam gemacht wurden...
Es ist schon sehr seltsam... Sie haben geschrieben, ich solle auf die Körpersprache der Schüler achten - - - das tue ich... jeden Tag... in jeder Unterrichtsstunde... schon allein deshalb, weil es für mich ein Mittel ist, vorauszusehen, wann ein Schüler einem Trank etwas Falsches, Gefährliches hinzufügen will. Ich weiß wie jeder einzelne von Ihnen aussieht, wenn er konzentriert ist und ich weiß wie jeder einzelne von Ihnen aussieht, wenn er nur so tut, als sei er konzentriert... ich weiß von jedem wie er aussieht, wenn er unsicher wird und ich kann allein an der Körpersprache erkennen, ob es einem Schüler egal ist, ob er Fehler macht, oder ob er versagt, obwohl er sich bemüht... Ich weiß, daß Ronald Weasley gefährlich wird, wenn er unsicher wird und ich weiß, daß Neville Longbottom gefährlich wird, wenn er sich seiner Sache sicher ist! Ich weiß, daß aufgeregte Konzentration oder Unsicherheit ihrer Unterlippe nicht bekommen, ich weiß, daß sie sehr viel weniger Wert auf Maniküre legen als auf korrekt geschälte Zaubertrankzutaten, Ich weiß, daß Sie sehr viel länger als es natürlich wäre, den Atem anhalten, wenn der Trank vor Ihnen sich in einem entscheidenden Stadium befindet und ich weiß, wie Ihr Körper die Spannung entläßt, wenn der Trank sich auf die gewünschte Weise entwickelt hat.
Ich könnte jede Bewegung beschreiben, die Sie in meinem Unterricht machen, jede Regung, jeden Blick – und ich war dem Irrtum erlegen, ich würde Sie deshalb kennen...
Und nun stelle ich zu meinem grenzenlosen Erstaunen fest – ich kenne Sie nicht...
Ich habe angsichts dieser Novität lange überlegt und bin anfangs zu dem Schluß gekommen, daß Sie diesbezüglich schlicht und ergreifend eine Ausnahme darstellen. Aber je länger ich darüber nachdachte, desto bewußter wurde mir, daß ich nur den gleichen Fehler ein zweites Mal begehen würde, wenn ich davon ausgehe, daß ich alle anderen Schüler korrekt beurteile.
Ich weiß nicht genau, was ich mit dieser neuen Erkenntnis nun anfangen soll und fühle mich im Moment damit, so schwer es mir fällt das zuzugeben, ein wenig überfordert...
Eine Gryffindor, die sarkastische Bemerkungen über ihr eigenes Haus macht.
Ein Slytherin, der mangelnde Menschenkenntnis zugibt.
Die Säulen Hogwarts scheinen zu wanken, Miss Granger...
Ihr Brief hat mich – gelinde gesagt – verwirrt.
Allerdings scheinen auch Sie mich falsch einzuschätzen. Weder taugt meine Stimme zu anderem als zu dem, wozu ich sie nutze, noch findet sich in meinen Augen etwas Besonderes. Allein die Tatsache, daß ich es einem ungünstigen Gen-Pool zu verdanken habe, daß sie dunkelbraun sind, ist kein Grund, dort mehr Tiefe zu vermuten, als vorhanden ist. Anderes zu erwarten, hieße sentimental sein und das alleine wäre für mich, wie Ihnen klar sein dürfte, wieder ein Grund meine Stimme auf die bekannte Weise einzusetzen...
Viel dramatischer ist die Falscheinschätzung allerdings bei den Möglichkeiten die Sie in mir als Wissenschaftler vermuten (gerade ist eine Säule eingebrochen, haben Sie es gehört? Noch mehr offene Worte und ich reiße Hogwarts mit diesem Brief nieder...). Es mag sein, daß ich viel über mein Fachgebiet weiß, aber ich bezweifel, daß es mehr ist, als Professor McGonagall über Verwandlungen weiß, oder Professor Sprout über die magische Pflanzenwelt... Zugegebenermaßen ist die Welt der Zaubertränke außergewöhnlich komplex und bietet vielfache Möglichkeiten zur Forschung, aber ansonsten...
Mit meiner Liebe zu den Zaubertränken haben Sie Recht. Ohne wenn und aber... es ist verständlich, daß Sie, wenn Ihnen meine Hingezogenheit zu meinem Fachgebiet bewußt ist, Wissen vermuten, das über das normale Maß hinausgeht.
Zwingen Sie mich aber bitte nicht, nun auch noch über mich selbst nachzudenken, um darüber urteilen zu können, ob Sie mit Ihren Vermutungen richtig liegen. Ich weiß nur soviel, daß ich weiß, wovon ich spreche, wenn das Thema Zaubertränke ist.
Aber Sie sprachen noch ein anderes, wichtiges Thema an. Sie sind der Meinung, es sei mir nicht aus eigener Erfahrung bekannt, wie es ist, den Ansprüchen anderer genügen zu wollen? Oh, Miss Granger... wie sehr Sie sich in diesem Punkt täuschen... Diese Erfahrung, dieses "Wollen" hat mich zu dem gemacht, der ich bin. Seien Sie also vorsichtig, daß Sie nicht den gleichen Weg einschlagen, wenn Sie nicht dort ankommen wollen, wo meine Endstation war. Zumal ich befürchte, daß Sie nicht ohne weiteres damit klarkommen würden, daß man alleine dort ankommt. Sie haben Recht (noch eine Säule...) wenn Sie mir vorwerfen, es sei anmaßend, wenn ausgerechnet ich Ihnen unterstelle, Sie wären zwischenmenschlich nicht aktiv genug. Aber ich warne Sie trotzdem, indem ich Sie darauf aufmerksam mache, daß Sie einige Dinge verpassen, die Sie später bereuen werden und die nicht nachholbar sind...
Die langen, offenen Gänge, die Sie beschreiben, kenne ich ebenfalls. Es gab nur drei Magier in meinem Leben, die vor mir diese Wände aufstellen konnten, nach denen ich genauso gegiert habe, wie Sie. Die fachlichen Wände waren von Albus Dumbledore und Nicolas Flamel, die dritte Wand, auf deren Durchdringen ich heute nicht mehr stolz bin, stammt von... nun ja... Sie können sich denken, von wem...
Sie, Miss Granger, sind das Musterbeispiel für eine Hexe, die sich von dem Versprechen von Wissen an den Teufel verkauft. Ich weiß, wovon ich rede...
Und da ich durch Ihren Brief begriffen habe, daß ich selbst damals andere Wege gegangen wäre, wenn man mir rechtzeitig eine Wand gegenübergestellt hätte an der ich mir den neugierigen Kopf hätte einrennen und an der ich meinen unruhigen Geist hätte reiben können, unterbreite ich Ihnen ein Angebot.
Sie finden als Anlage an diesen Brief Kopien meiner bisherigen Forschungsergebnisse zum Versuch Teile des Skarabäus mit Phönix-Tränen zu kombinieren, um einen Heiltrank herzustellen, der die Wirkung der Phönix-Tränen hat, ohne daß ein Phönix zugegen sein muß, um sie "frisch" zu verschenken. Fawkes hat sich bereiterklärt, an den Versuchen mitzuwirken, solange in den Trank eine Art "Gesinnungs-Garantie" eingebaut wird. Ich habe zusätzlich eine Literaturliste beigelgt, die die Bücher beinhaltet, die eventuell Hinweise zu dem Thema enthalten. Die markierten sind die, die ich bereits durchgearbeitet habe, mit Vermerken ob die Hinweise hilfreich oder kontraproduktiv waren.
Sie haben Sich sozusagen Permanent-Nachsitzen in meinem Labor eingehandelt. Sollte es Ihnen wirklich nicht bewußt gewesen sein, verrate ich Ihnen nun noch ein weiteres Geheimnis: Ich nehme Sie ernst – habe es immer getan.

Miss Granger, wenn Sie einverstanden sind, arbeiten Sie ab sofort mit mir an meinem aktuellen Forschungsprojekt...

Mit freundlichen Grüßen
Professor Severus Snape