Kapitel 6: Jahr 6

Tausend Stiche versetzte es dem kleinen Harry. Dudley und er waren beide 7 Jahre alt. Da Harry nun alt genug war, so meinten seine Verwandten zumindest. Harry musste das Blumenbeet jäten, aber ganz vorsichtig, denn diese Blumen waren für Tante Petunia sehr wichtig. Und wenn Harry nur einen Fehler machte, bekam er sogleich auch eine Standpauke, die sich gewaschen hatte. Immer wenn etwas passierte, wurde Harry dafür verantwortlich gemacht. Sei es, dass Dudley weinte, dass Tante Petunia das Essen anbrannte, dass Onkel Vernon kein Geschäft abschloss. Es war ihnen egal, er war für alles der Schuldige.

Dudley sah seinem Cousin zu, wie er dort auf dem Boden kroch und die Drecksarbeit machte. Wenn das Jugendamt etwas davon mitbekommen würde, würden die Dursleys sicher zahlen können, aber sie erfuhren es nie. Die Nachbarn konnten teilweise sehen, wie der Junge arbeitete. Dies war keine normale Arbeit für einen sieben Jahre alten Jungen. Er war viel zu mager, viel zu ernst … niemand wollte mit ihm spielen. Vielleicht hatte ihnen Petunia ein Märchen aufgetischt. Es war ja kaum zu fassen, zu was ein einziger Mensch fähig war.

Aber selbst Harry konnte sich einige Dinge nicht erklären. Wenn ihm seine Tante die Haare schnitt, also fast vom Kopf schor und nur die Stirnfransen ließ, um diese hässliche Narbe, wie sie es nannte, zu verdecken. Das Komische daran war, dass am nächsten Morgen die Haare wieder gleich aussahen, wie das sie nie geschnitten wurden.

Auch war Harry mal wütend, weil er das Geschirr abspülen, trocknen und anschließend wegräumen sollte. Zwar gaben die Dursleys ihm ein Dach über dem Kopf, aber die Verhältnisse hier, waren katastrophal, da würde es ihm ja in einem Gefängnis besser gehen. Als er also gerade das Geschirr machte, war er so wütend, weil Dudley vorm Fernseher saß und nichts tat, außer Chips in sich hinein zu stopfen – es war sein Lieblingshobby, außer vielleicht Harry ärgern und ähnliches. Er durfte nie das machen, was er wollte. Auch seine Hausaufgaben musste er spät nachts erledigen, wenn er die Hausarbeiten erledigt hatte. Harry durfte eben nicht besser sein, als ihr Prinz Dudley. Harry wurde wie ein Sklave gehalten. Man würde nie denken, dass ein siebenjähriges Kind schon so etwas durch leben musste. Ging er während der Schulzeit in die Schule, dann war er morgens müde und schlief beinahe ein. Einmal wurde er von den Lehrern sogar nach Hause geschickt. Sie hatten ihn sogar gefragt was er denn habe, aber Harry gab ihnen keine Antwort. Er wollte nicht bei Tante und Onkel noch schlechter dastehen, als er es ohnehin schon tat.

Als er dann das Gebäude betrat, wurde er von einer sehr wütenden Petunia empfangen. Sie holte mit der Hand aus, sein Kopf bewegte sich zur Seite und man konnte einen roten Handabdruck erkennen. Harry wollen Tränen die Wangen hinunter laufen, aber er würde stark sein, er würde nicht zeigen, dass er Schmerzen hatte, sonst würde er noch eine bekommen, so wie damals.

„WIE KANNST DU ES WAGEN? WIR TUT ALLES FÜR DICH UND DANN BIST DU SO EINE SCHANDE FÜR UNS! NICHT EINMAL IN DER SCHULE LEISTEST DU WAS. DU KÖNNTEST DIR AN DUDLEY WIRKLICH EIN BEISPIEL NEHMEN! ABER NEIN, FÜR DICH IST DAS WOHL ALLES VIEL ZU GUT! WENN ICH NOCH EINMAL ERLEBE, DASS DU VON DER SCHULE NACH HAUSE GESCHICKT WIRST, DANN WÜRDEST DU DIR AM LIEBSTEN WÜNSCHEN, DASS DU NIEMALS GEBOREN WORDEN WÄRST!", schrie sie ihn an. Was wollte sie denn? Er hatte gestern ihre Blumen gemacht, das Geschirr abgespült, den Tisch abgeräumt, Staubgesaugt, dann seine Hausaufgaben gemacht und irgendwann spät in der Nacht schlafen gegangen. Es war kein Wunder das er müde war und das war der Dank? Eine Ohrfeige und eine Predigt über schlechtes Verhalten? Eine Drohung? Harry wünschte sich, dass er diese Menschen hier niemals kennen gelernt hat. Er wünschte sich, dass seine Eltern niemals bei einem Autounfall gestorben wären. Wieso waren sie es? Wieso mussten sie ihn alleine lassen? Alleine bei diesen Menschen?

„GEH SOFORT IN DIE KÜCHE UND MACH SAUBER. WENN DU DAS GEMACHT HAST, DANN GEHST DU SOFORT IN DEIN ZIMMER UND LÄSST DICH NICHT MEHR BLICKEN – HABEN WIR UNS VERSTANDEN?" Sie sah ihn eindringlich an, Harry nickte nur kurz und hatte seinen Blick auf den Boden geheftet. Langsam ging er Richtung Küche, um für seine Tante aufzuräumen. Dann ging er in sein „Zimmer", Tante Petunia sperrte ihn ein. Harry hörte, wie sie das Schloss umdrehte. Er schaltete die kleine Lampe ein, die sein „Zimmer" beleuchten sollte, aber sie warf nur sperrliches Licht. Harry nahm eines der Kinderbücher in die Hand, die Dudley als einziges von seinen Dingen ganz gelassen hatte und begann zu lesen. Es war ein schönes Buch – über eine Welt jenseits von dieser. Über Zauberer, Feen, Magie! Eine belanglose Welt ohne Zwang, Hass und Gewalt. „Wie schön müsste es dort doch sein", dachte sich Harry. Immer, wenn er traurig war, flüchtete er sich in dieses Buch. Es war schon ziemlich abgegriffen. Auch konnte er den Text wohl schon auswendig, so oft hatte er das Buch bereits gelesen.

Das „Bett" das er darin hatte, wurde im schon zu klein, aber wie konnte er seine Verwandten nur davon überzeugen, ihm ein neues Bett zu kaufen? Sie würden ihn für verrückt halten und meinen, dass sie kein Geld hätten, um ihm etwas zu kaufen. Er solle zufrieden sein, mit dem was er hatte und sich nicht beschweren. Sie meinten auch des Öfteren, dass er überhaupt froh sein könnte, dass sie ihn aufgenommen hatten und nicht gleich an ein Waisenhaus weiter gaben.

Irgendwann, legte Harry das Buch beiseite, er war müde und seine Augen waren dabei zuzufallen. Er schaltete das Licht aus und ehe er das Kissen mit dem Kopf berührte, schlief er schon tief und fest.

Er war in einer menschenleeren Straße. Es war ein ruhiger Abend. Plötzlich befand er sich in einem Haus, er konnte nichts erkenne, aber er befand sich in einem Raum, konnte ein Kinderzimmer sein. Aber von wem? Das von Dudley? Es war möglich. Harry hörte Schreie und drehte sich zur Tür. Eine Frau, sie hatte rote Haare, trug ein Kind in ihrem Arm. Sie rannte, sie hatte Angst. Ihr folgte ein Mann im schwarzen Umhang, seine roten Augen stachen hervor. So kalt, so tot. Sie sagte irgendetwas, aber Harry konnte nicht verstehen was es war. Er konnte sich noch so anstrengen, aber er sah nur, dass sich die Lippen bewegten und der Mann ein böses Grinsen hatte. Er hatte etwas in der Hand und zielte damit auf die Frau. Grün! Überall wurde es grün, die Frau lag am Boden, nicht weit weg von ihr saß das Baby und weinte. Dieser Mann richtete auch auf es das Ding in seiner Hand. Grün – Schwarz!

Harry wachte schwer atmend auf. Was war das? Es war kein normaler Traum, denn es wirkte so real. Aber was hatte das zu bedeuten? Wer war diese Frau? Wer war dieser vermummte Mann? Sollte er es seinen Verwandten erzählen? Nein, wäre wohl besser wenn nicht. Sie würden nur meinen, dass es wieder eine seiner Phantastereien sei. Harry hatte aber das Gefühl, dass er diese Situation schon einmal erlebt hatte, aber es war doch unmöglich, er müsste sich daran erinnern können, aber er tat es nicht.

Desto mehr er versuchte, sich an diesen Traum zu erinnern, desto weniger wusste er. Er konnte sich noch grob an den Handlungsablauf erinnern, aber ansonsten auch an nichts. Harry schüttelte energisch den Kopf und mahnte sich selbst: „Vergiss es einfach! Wird schon nicht so schlimm sein!"

Irgendwann hatte Harry diesen Traum ganz vergessen, er wusste nicht einmal mehr, dass er ihn geträumt hatte. Wenn er gewusst hätte, dass diese rothaarige Frau seine Mutter sei und er die Wahrheit über den Tod seiner Eltern wüsste, dann würde ihm dieser Traum klar sein. Vielleicht eine Warnung? Aber das wird Harry nie erfahren, außer er beschäftigte sich mit seiner Vergangenheit, die er versucht zu verdrängen. Nur für den Moment leben – nur bei seinen Verwandten, nicht in Hogwarts – hier lebte er für die Ewigkeit!