WEISSE MÖWEN
Disclaimer: siehe Kapitel 1
A/N: Nein, bitte keine Vermisstenmeldungen aufgeben. Ich bin noch da und die Geschickte auch. Nur mit der Zeit zum Schreiben hapert es wie üblich. Hoffentlich gefällt es euch trotzdem. ;-)
Teil I: Drei Freunde
6. Ein Tag unter FreundenAls Legolas am nächsten Tag aufwachte, war es noch früh, gerade dämmerte der Morgen, und doch fühlte er sich frisch und ausgeruht als hätte er viele Stunden länger geschlafen.
Leise, wie es für Elben typisch war, verließ er den Palast, um in dem Garten etwas spazieren zu gehen. Als er etwas später zurückkehrte, traf er Aragorn und Arwen, die gerade auf dem Weg zum Frühstücken waren.
„Guten Morgen", grüßten ihn die beiden.
„Guten Morgen."
„Leistest du uns beim Frühstück Gesellschaft?", fragte Arwen.
„Ja, gerne", nickte er und folgte den beiden in das Speisezimmer.
Dort fragte Aragorn, als er das Brot herumreichte, „Hast du Pläne für den Tag?"
Legolas nickte. „Ja. Ich möchte gleich nach Ithilien weiterreisen, ehe ich nach Minas Tirith zurückkehre und vielleicht noch einige Tage hier verbringen kann."
Erstaunt ließ Aragorn das Brot sinken. „Du willst gleich weiterreisen? Wir hatten doch noch gar keine Zeit..."
„Ich bin spätestens morgen wieder hier", unterbrach der Elb seinen alten Freund ruhig, dem die Enttäuschung ins Gesicht geschrieben stand.
Arwen sah von einem zum anderen und sagte dann, „Ihr habt euch so lange nicht gesehen, glaubst du nicht, Estel, dass du es noch einen weiteren Tag aushalten kannst?"
Eigentlich wollte Aragorn widersprechen, doch die ruhige dunkle Stimme seiner Frau beruhigte ihn schnell und er nickte. „Ja, du hast Recht. Es fällt mir nur schwer, dich schon wieder ziehen zu lassen. Soll ich dich vielleicht nach Ithilien begleiten?"
Legolas schüttelte den Kopf. „Nein, danke. Ich weiß, dass du es gut meinst, aber ich möchte sehen, was aus den Elben geworden ist, ob sie sich wohlfühlen, und es wäre mir lieber, wenn ich das alleine tun könnte."
„Gewiss", nickte Aragorn. „Dann bleibe ich hier und wir werden dich zurückerwarten. Wann willst du aufbrechen?"
„Gleich nach dem Frühstück."
„Nimm wenigstens etwas Proviant mit", bat Arwen und winkte sogleich nach einem der Küchenmädchen.
Legolas war beinahe gerührt, als das Mädchen nur wenig später mit einem gefüllten Beutel zurückkam und ihn ihm übergab.
Etwa eine Stunde später hatte er den Beutel zusammen mit seinem übrigen Gepäck auf Aranells Rücken verstaut und führte den Schimmel zum Stadttor, Aragorn neben ihm.
„Und du willst wirklich alleine reisen?", fragte der König Gondors erneut.
Legolas nickte nur als Antwort und stieg wortlos auf.
„Dann bleibt mir nur, dir eine gute Reise zu wünschen", sagte Aragorn und sah, wie sein Freund zum Abschied nickte und sein Pferd mit einigen Worten antrieb. Wenig später sah man ihn mit wehenden Haaren über die Felder Pellenors galoppieren.
Während Legolas in Richtung Osten ritt, kehrte Aragorn in den Palast zurück und nahm schweren Herzens die alltägliche Arbeit wieder auf. An seiner Ruhe und Bestimmtheit, mit der er Entscheidungen traf, hatte sich auch heute nichts geändert, und so war es nur Arwen, die von allen Anwesenden im Palast sah, dass König Elessar das Herz heute viel schwerer war als sonst. War sie es doch gewesen, die ihm die Nachricht von der Ankunft Legolas' überbracht hatte und als erste das Strahlen gesehen hatte, das plötzlich von innen aus ihm herauszukommen schien. Kopfschüttelnd ließ sie ihren Mann mit seinen Terminen alleine und ging mit Amrún hinaus.
Legolas hatte inzwischen Osgiliath passiert und Nordithilien erreicht. Die meisten Elben waren ihm nach dem Ringkrieg nach Nordithilien gefolgt, in das Gebiet bis zum Emyn Arnen, während Faramir und die Menschen Gondors eher Südithilien bevölkerten. Wie selbstverständlich hatten sich im Laufe der Zeit Elben und Menschen gemischt und auf seiner Reise sah Legolas das, was er immer hatte sehen wollen. Junge Halbelben, noch Kinder, die froh und unbekümmerten auf den Feldern und in den Wäldern spielten. Das Volk der Elben hatte seit über zweitausend Jahren keine Kinder mehr hervorgebracht, wohlwissend, dass ihre Zeit zu Ende ging, und umso glücklicher machte es ihn, hier ihr Erbe weitergegeben zu sehen.
Es dauerte nicht mehr lange, bis er sein Ziel, eine Elbensiedlung am Fuße des Schattengebirges, erreichte.
Aragorn kam es währenddessen so vor, als würde der Tag überhaupt nicht zu Ende gehen. Schließlich entschloss er sich, sich und dem obersten Wachmann, seinem letzten Termin an dem Tag, einen Gefallen zu tun und sagte das Gespräch ab. Der Wachmann, erfreut über den frühen Feierabend, verschwand schnell und Aragorn eilte hinter ihm aus dem Palast und machte sich auf die Suche nach Arwen und Amrún. Er fand die beiden in der Ecke des Gartens, der zum Palast gehörte, von der aus man einen guten Blick über die Ebene von Pellenor hatte und fast bis Osgiliath sehen konnte. Arwen selbst hatte viel Arbeit in den Garten gesteckt und ihm zu wahrer Pracht verholfen. Überall wuchsen Blumen und Sträucher und eine hohe Hecke verbarg die Anwesenden vor neugierigen Blicken, ohne jedoch die herrliche Aussicht einzuschränken.
Arwens Blick schien gedankenverloren in die Ferne zu schweifen, kehrte jedoch schnell ins Hier und Jetzt zurück, als Amrún erste Greifübungen machte und obwohl es ihr noch nicht so recht gelang, sich doch in den Haaren ihrer Mutter verhakte und kräftig zog.
Lachend versuchte Arwen die Umklammerung zu lösen und auch Aragorn musste lachen, als er das Bild vor sich betrachtete. Er grüßte seine Frau mit einem Kuss auf die Stirn und setzte sich neben sie in das Gras.
„Seid ihr ganz alleine?", fragte er.
Arwen nickte. „Ich habe dem Mädchen frei gegeben und die Wache zurück in den Palast geschickt. Auch wenn du nicht bei uns sein kannst, will ich nicht ständig von irgendwelchen Leuten umgeben sein, die sicher nur unser Bestes wollen, mir aber den Raum zum Atmen nehmen. Verzeih."
Aragorn lächelte und schob die dunkle Haarsträhne, die Amrún zerzaust hatte, wieder auf Arwens Rücken. Er betrachtete sie einen Moment, wie so oft völlig eingenommen von ihrer Schönheit und fasziniert, dass sie wirklich entschieden hatte, bei ihm zu bleiben. „Ú-moe edaved, Arwen. Wenn du deinen Raum brauchst, dann nimm ihn dir."
„Was ist mit dir?", fragte sie. „Bist du schon fertig?"
„Für heute ja. Ich habe den Hauptmann nach Hause geschickt."
Arwen schien mit ihren blauen Augen direkt in seine Seele zu sehen, als sie fragte, „Legolas?"
„Ja", nickte er. „Ich weiß nicht, was mit uns passiert ist. Erst sehen wir uns so lange nicht, hören gar nichts voneinander, dann taucht er hier auf, ohne sich bei uns zu melden und reist schon am nächsten Tag weiter. Ja, ich weiß, er will morgen wieder hier sein, aber trotzdem... Ich verstehe es nicht."
Arwen drehte sich um, Amrún immer noch auf ihrem Schoß, so dass sie Aragorn jetzt gegenüber saß. Der Rock ihres langen blauen Kleides war etwas hochgerutscht und so konnte Aragorn sehen, dass sie keine Schuhe trug, was ihn zu einem Lächeln veranlasste. Manche Dinge schienen sich nie zu ändern.
Mit einer Graziösität, wie sie nur den Elben eigen ist, fuhr sie ihm mit der Hand übers Haar und legte sie schließlich auf seine Wange. „Es hat sich vieles verändert. Ihr habt euch verändert. Ihr habt nicht mehr alle Zeit der Welt und die Freiheit, zu tun und zu lassen, was ihr wollt. Du hast ein Volk, dass zu dir als seinem König aufsieht, du hast hier Verpflichtungen, die es dir nicht immer erlauben, einfach alles stehen und liegen zu lassen, um mit deinem Freund jagen zu gehen oder Abenteuer zu suchen. Und genauso wie du hier Verpflichtungen hast, hat auch Legolas sie. Er hat Ithilien damals nicht ohne Grund verlassen und ist nach Eryn Lasgalen zurückgekehrt. Auch auf ihn haben dort Aufgaben gewartet, die er nicht einfach wieder im Stich lassen konnte."
Nachdenklich wanderte Aragorns Blick von Arwen zu Amrún, die zu quengeln begonnen hatte und offensichtlich auf seinen Arm wollte. Arwen reichte ihm seine Tochter und als er sie gemütlich auf seinen Schoß gesetzt hatte, sagte er, „Du hast sicherlich recht. Ich habe in den letzten Jahren oft gedacht, dass ich einmal nach Legolas sehen sollte, aber ich habe es einfach nicht geschafft. Sicher, vielleicht hätte ich mir einfach etwas mehr Mühe geben müssen, und dann hätte ich eine Lösung gefunden, aber welchen Sinn hat es, da jetzt noch drüber nachzudenken. Die Zukunft ist es, die zählt, und in ihr will ich versuchen, Legolas wieder der Freund zu sein, der ich war, als wir noch gemeinsam durch die Wälder Mittelerdes streiften. Doch sag, weißt du auch, warum er so plötzlich weiterreisen musste? Warum gab er uns nicht die Chance, die versäumte Zeit aufzuholen?"
„Ich denke, er wird sie euch noch geben", sagte Arwen ruhig und sanft. „Der Besuch in Ithilien ist wahrscheinlich genauso Pflicht, wie die Dinge, die euch vorher voneinander getrennt haben. Wenn er morgen zurückkehrt und er eurer Freundschaft dann immer noch keine Zeit gibt, dann solltest du dir Sorgen machen. Doch vertrau mir, Legolas liegt an dir genauso viel wie dir an ihm."
Aragorns Blick schien sich bei ihren Worten etwas aufzuhellen und schließlich sah er liebevoll lächelnd zu ihr hinüber. „Was bist du doch nur für eine kluge Frau", schmunzelte er.
Auch über ihr Gesicht ging ein Lächeln und sie sagte, „Klug genug, bei dir zu bleiben."
Die beiden blieben noch eine Weile mit ihrer Tochter in dem Garten, ehe sie in den Palast zurückkehrten und gemeinsam zu Abend aßen.
Der nächste Morgen verging ohne besondere Vorkommnisse und auch das Tagesgeschäft schien Aragorn zu langweilen, so dass er beinahe erfreut aufsah, als eine der Wachen in eine Besprechung hereinplatzte und ihm leise meldete, dass „der Elb" in die Stadt zurückgekehrt sei.
Aragorn gelang es, seine Ungeduld in königlicher Manier noch etwas zu zügeln und zumindest diesen Termin zu beenden, ehe er einen seiner Berater beauftragte, alle weiteren Themen des Tages selbst wahrzunehmen oder zu verschieben, ehe er sich auf die Suche nach Legolas machte, der inzwischen den Palast erreicht haben musste.
Er fand ihn schließlich auf dem Weg nach draußen. „Legolas!", rief er ihm nach.
Dieser sah ihn erstaunt an. „Man sagte mir, du habest den ganzen Tag Termine?"
Der König grinste nur und ein seinen Augen spielte eine für ihn so untypische Leichtigkeit. „Die habe ich delegiert. Wenn du willst, können wir den Rest des Tages gemeinsam verbringen."
Legolas beantwortete Aragorns Leichtigkeit mit einem für ihn ebenso untypischen Sarkasmus und einem breiten Grinsen im Gesicht, „König Elessar von Gondor delegiert seine Termine, um den Rest des Tages mit mir zu verbringen? Da denkt man doch, ich habe es weit gebracht."
Aragorn rollte gespielt mit den Augen, legte dann aber seine Hand auf Legolas' Schulter. „Was denkst du? Soll ich dir eine kleine Stadtführung geben? Es hat sich viel verändert."
Legolas nickte. „Einiges davon habe ich schon gesehen, aber ich bin mir sicher, du kennst noch einige Ecken mehr.
Der Rest des Tages schien wie im Fluge zu vergehen. Als die beiden Freunde mit einiger Verspätung zum Abendessen erschienen, hatten sie all die Stellen der Stadt besichtigt, die Aragorn in den letzten Jahren besonders ans Herz gewachsen waren. Sie hatten mit einigen Menschen gesprochen, die ihren König erkannt hatten und sich mit der einen oder anderen Sache an in wandten, aber im Großen und Ganzen hatte man sie in Ruhe gelassen und ihnen die Zeit gegeben, in Erinnerungen zu schwelgen und über das zu sprechen, was in den letzten Jahren fern vom anderen passiert war.
Arwen lachte nur, ganz im Gegensatz zum Koch, der um sein Essen bangte, als die beiden lachend in den Speisesaal des Palastes gepoltert kamen. Aragorn musste dem Koch mehrmals versichern, dass wenn das Essen tatsächlich gelitten hätte, was er sich natürlich überhaupt nicht vorstellen konnte, er alle Schuld auf sich nehmen würde.
Aragorn sollte recht behalten, das Essen war vorzüglich, und die beiden plauderten weiter, dieses Mal zusammen mit Arwen, die, wie die beiden sich schnell erinnerten, schon in den frühen Jahren ihrer Freundschaft, immer wieder aufgetaucht war und eine Rolle gespielt hatte.
Arwen, erinnert an ihr erstes Treffen mit Aragorn, ließ sich von den beiden anstecken und vergaß, ebenso wie Legolas, ihre elbische Zurückhaltung und erzählte, wie sehr der Mann sie von Anfang an beeindruckt hatte, auch wenn sie es damals natürlich nicht hatte zugeben wollen und sein Werben genossen hatte.
Lachend beschwerte sich Aragorn, dass sie es ihm wirklich nicht leicht gemacht hatte und dass er lange Zweifel hatte, ehe sie zueinander gefunden hatten.
„Und dann hast du doch auf meinen Vater gehört?", fragte Arwen kopfschüttelnd. „Ich habe tagelang nicht verstanden, warum du mir plötzlich weismachen wolltest, dass es nur ein Traum gewesen sei. Bis Ada dann plötzlich auch auf mich einzureden begann, mich überreden wollte, Mittelerde zu verlassen."
Legolas, der den Erzählungen lächelnd gelauscht hatte, sah von Arwen zu Aragorn und sagte, „Ihr wisst, welches Glück ihr gehabt habt, oder?"
Aragorn griff nach der Hand seiner Frau und nickte, „Ja, das wissen wir. Und wir haben es immer noch."
„Ja, das habt ihr. Doch wer es schafft, sich Elronds drängenden Worten zu widersetzen, der hat in Mittelerde wahrscheinlich nichts mehr zu fürchten."
Verliebt sahen Aragorn und Arwen sich an und Legolas erinnerte sich an den Tag, an dem sie, allen Widrigkeiten zum Trotz, endlich zueinander gefunden hatten. Der Tag von Aragorns Krönung, hier in Minas Tirith. Arwens Unsicherheit, ob Mittelerde nicht zu verlassen die richtige Entscheidung gewesen war und das ungläubige Erstaunen in Aragorns Augen, dass sie noch da war und dass Elrond ihnen seinen Segen zu geben schien.
Er schüttelte den Kopf um die Erinnerung loszuwerden und sagte, „Trinken wir auf die Liebe. Dass sie jeden in Mittelerde so glücklich macht wie euch."
„Besonders dich, meinen Freund", lachte Aragorn. „Lange ist es her, dass ich dich von Frauen habe reden hören."
„Und ebenso lange wird es auch noch einmal dauern", entgegnete Legolas lachend, ehe er aufstand und sich verabschiedete.
„Gute Nacht", nickte er.
„Gute Nacht", wünschten auch Aragorn und Arwen. „Wirst du morgen in der Stadt bleiben?", fügte der König dann noch hinzu.
Legolas nickte lächelnd. „Ja, das werde ich. Sei unbesorgt."
