„Woher kannst du eigentlich so gut Englisch?" fragte Draco Carina am nächsten Morgen beim Frühstück.

„Ich lerne es seit der dritten Klasse und Sabrina und ich gehen jede Woche in einen englischsprachigen Film, und außerdem lese ich viele Bücher auf englisch." antwortete sie errötend. „Aber du solltest mal Sabrina hören, die spricht noch besser. Sie lernt Englisch schon seit der ersten Klasse Oberschule und die spricht schon so schnell, wie wenn sie Deutsch spricht." Draco blickte nur kurz in Richtung Hufflepufftisch und zuckte mit den Schultern. Ein Schlammblut konnte ihn garantiert nicht beeindrucken.

„Wart ihr zwei denn nicht auf einer Schule?" fragte Marianne interessiert.

„Nein, gar nicht. Wir haben uns in der Firmgruppe kennengelernt, als wir ungefähr vierzehn waren." Marianne, deren Familie größerer Teil aus Schottland und Irland stammte, war auch gefirmt worden, aber da hatte sie niemand nettes kennengelernt, mit dem sie außerhalb der Schule Kontakt gehalten hätte. In diesem Augenblick kam Professor Snape, ihr Hauslehrer, um die Stundenpläne zu verteilen. Er hieß Carina herzlich willkommen und bat sie, sich bei Problemen vertrauensvoll an ihn zu wenden. Als er weitergegangen war, fragte Carina Marianne, wie er so war. Marianne sagte die Wahrheit: Undurchsichtig, aber immer nett zu den Schülern aus seinem eigenen Haus, und manchmal unfair gegenüber den anderen.

Die Wochen zogen ins Land. Die Bodyguards hatten nicht viel mehr zu tun als ein paar Vampire und Dämonen aufzumischen, die sich im Verbotenen Wald eingenistet und offensichtlich einen Übergriff auf die Schule geplant hatten. Sabrina lebte sich auch gut ein in ihrem eigenen Haus. Marianne freundete sich mit ihr genauso wie mit Carina an, was manchmal Konflikte mit Draco auslöste, der ihr immer wieder vorhielt, daß sie die Ehre ihrer Familie besudele, wenn sie sich mit einem Schlammblut wie Sabrina abgäbe. Aber Carina schaltete sich jedesmal ein und wusch Draco ordentlich den Kopf, deshalb fühlte Marianne ihren Rücken gestärkt und kümmerte sich auch nicht um die gelegentlichen Sticheleien von Pansy.

Über Sabrina lernte Marianne zum ersten Mal auch einige andere Schüler aus ihrer Jahrgangsstufe kennen, die sie bis dato immer nur im Unterricht getroffen hatte. Manchmal war es sehr schwer, als Mädchen aus Slytherin Bekanntschaft mit den Kameraden aus anderen Häusern zu machen, da Slytherin von Haus aus als potentiell böse ausgeschlossen wurde. Was ja nicht ganz unrecht war. Wenn Marianne an die Aktion vom letzten Jahr dachte, in der Draco, Pansy und einige andere Mrs. Umbridges kleine Neonazis gespielt hatten, würde sie am liebsten noch heute im Boden versinken! Aber sie als normaler Mensch litt unter den Vorurteilen, die dadurch entstanden. Letztes Jahr zum Beispiel hatte sie versucht, in Harrys DADA-Unterricht zu kommen, doch keiner hatte ihr vertraut, und sie hatte deshalb nie eine Einladung bekommen. Im Gegenteil war sie von Hermine bezichtigt worden, „herumzuschnüffeln" und zu spionieren, als sie auf der Mädchentoilette interessiert ihren geflüsterten Ausführungen zugehört hatte. Doch mit Carina und Sabrina, die schon vorher befreundet gewesen waren und sich von Häusergrenzen nicht abschrecken ließen, und mittendrin Marianne als Carinas Freundin, die jetzt einfach immer mit dabei war, war es ganz einfach, den anderen zu zeigen, daß sie überhaupt nicht so dachte wie viele Leute aus ihrem Haus. Sie freundete sich sogar mit Harry Potter und seiner Bande an.

Das Wichtigste, was Marianne von ihren deutschen Freundinnen lernte, war das Schlonzen.

Aus Mariannes Tagebuch:

Hierbei handelt es sich um einen Vorgang, bei dem mindestens zwei Mädchen zusammenkommen und über einen Roman, den beide gelesen haben, oder einen Film, den beide gesehen haben, diskutieren.

FILM: In der Muggelwelt gibt es „Fernseher", und „Videorekorder". Einen Fernseher „schaltet man an" und kann Filme sehen (?) und in den Videorekorder kann man „Videokassetten" „einlegen" und dann über den Fernseher einen bestimmten Film angucken. Ein Film ist die visuelle Form eines Buches. ?

Bis ich einen Film gesehen habe, werde ich es nie verstehen, so informiert mich Carina gerade, die ich nochmal mit Fragen gelöchert habe.

Beim Schlonzen geht es auf jeden Fall darum, daß man einen Charakter (meistens männlich) besonders gerne mag und dann darüber redet, wie toll er doch ist und wie man sich vorstellt, daß er aussieht. Ich habe mit den beiden schon über „Emma" von Jane Austen geschlonzt, und zwar hat es mir Mr. Knightley angetan, genauso wie den beiden anderen! Wir haben glaube ich mal fünf Stunden am Stück gestritten, ob Mr. Knightley braune oder schwarze Haare hat (wir waren uns zumindest darüber einig, daß sie dunkel sind), und haben überlegt, ob er wohl mich, Sabrina oder Carina am ehesten heiraten wollen würde, wenn er uns kennenlernen würde. Sabrina hat gesagt, er würde sicher mich nehmen, weil ich so lebensfroh wie Emma bin, aber Carina tippte auf sich selbst, weil sie so intelligent ist (das hat sie natürlich nicht ernst gemeint). Beim Schlonzen fängt man irgendwann an, hysterisch zu kreischen und nur noch zu rufen: „Der ist SO geil!" oder, wenn es sich um ein Film-Schlonzen handelt und man über einen „Schauspieler" spricht: „Der schaut SO geil aus!"

SCHAUSPIELER: Gerade wurde z.B. „Emma" verfilmt, und da mußten Personen in die Rollen der Charaktere aus dem Buch schlüpfen. Wenn ein Schauspieler besonders toll aussieht, kann man ihn besonders anschlonzen.

Neulich habe ich übrigens Sabrina gefragt, was ihre Eltern von Beruf sind. Carinas Vater, das wußte ich schon länger, arbeitet für das deutsche Zaubererministerium (er hat sogar einen ziemlich hohen Posten inne), und ihre Mutter arbeitet in einer Buchhandlung im Münchner Pendant zur Diagon Alley. Sabrina sagte mit sehr viel Ernst in der Stimme: „Mein Vater ist Pirat, und meine Mutter ist erster Steuermann auf seinem Schiff." Manchmal gibt sie so einen Blödsinn von sich, bevor sie eine Frage richtig beantwortet.

AUTOVERKÄUFER: Jemand, der „Autos" verkauft (Sabrinas Vater).

AUTO: Eine Kutsche, die ohne Pferde fährt. Aber ohne Magie angetrieben wird. Also irgendwie haben die Muggeln da was erfunden, wo sie keine Magie brauchen, sondern Energie, und dann bewegen sich Dinge scheinbar von selbst fort. Und nur wegen meinen Eltern mußte ich bis jetzt ohne dieses Wissen durch die Welt gehen! Seufz.

BUCHHALTERIN: Jemand (Sabrinas Mutter), die in einer Firma die Abrechnung macht, sprich Kosten und Konten. Dafür braucht man Arithmantik. Bäh!

Das war bei uns im Gemeinschaftsraum. Carina hat Sabrina einfach mal mit reingebracht, und irgendwie haben sie das ab dann immer so gemacht, obwohl alle sich beschwert haben. Dafür nimmt Sabrina mich und Carina auch in den Hufflepuff-Gemeinschaftsraum mit, und die anderen haben sich mittlerweile damit abgefunden. Draco war da und hat die ganze Zeit säuerlich geguckt. Dann hat er Sabrina ein paar herablassende Fragen gestellt bezüglich ihrer Eltern und so, und da hat Sabrina angefangen, ihn auszufratscheln über seine Eltern und was die so machen etc. und er hat zwar gesagt, es ginge sie gar nichts an, aber hat dann doch mit den zahlreichen Geschäften seines Vaters im „Import" und „Export" angegeben. Sabrina kennt sich mit sowas irgendwie auch ganz gut aus, die hats zwar auch nicht so sehr mit höherer Arithmantik, aber sie hat Ahnung von „Wirtschaft". Dieses Wort kann ich jetzt aber echt nicht erklären, das hab ich überhaupt nicht kapiert. Sie sagte zu Draco, daß in der Muggelwelt heutzutage der Ex- und Import immer noch hauptsächlich über Schiffsverkehr betrieben wird, da mehr „Cargo" (?) geladen werden kann. Oder so ähnlich. Draco wandte ein, daß es ihn nicht im geringsten interessiere, was die Muggel machen, versicherte aber, daß sein Vater nur die schnellsten Schiffe anheuere, um seine kostbaren Güter von A nach B zu transportieren. Oh Mann, was die immer für hochintellektuelle Diskussionen führen müssen!