Am Morgen des Valentinstages regnete es rote und rosa Briefe auf die Schüler und Schülerinnen, die sich noch nicht angesteckt hatten. Der Hit war, daß Professor Snape einen Valentinsgruß bekam, und zwar einen, der laut „Buh-Jah!" schrie, wenn man die Karte aufklappte. Marianne erhielt natürlich ihre Rosen, und vor Carina landete mit einem gehörigen Platsch ein kleines Päckchen in ihrem fettarmen Müsli. Sie fischte es verwundert heraus, und als sie es geöffnet hatte, schallte eine sonore Stimme durch die große Halle:
You are my Angel, you're my Darling, Angel!
Carina wurde rot, denn in dem Päckchen befand sich ein kleiner Ring mit einem Totenkopf, der zu ihren Lieblingsohrringen paßte, und dabei ein kleiner Zettel: Würdest Du mit mir zum Ball gehen? Leg den Ring an, wenn Du einverstanden bist, dann treffen wir uns um sieben Uhr vor dem Eingang zur großen Halle. Betont auffällig steckte sie den Ring an ihre linke Hand und grinste breiter als je zuvor. Sie hatte ein Blinddate!
Sabrina war auch nicht leer ausgegangen. Sie erhielt einen dicken grauen Umschlag, auf dem in roter Tinte stand: VORSICHT! Nicht in Anwesenheit anderer öffnen! Die Schrift kam ihr nicht bekannt vor. Neugierig ging sie sofort auf die Toilette, setzte sich in eine Kabine rein und machte den Brief auf. Es war ein dicker Liebesbrief voll von Zärtlichkeiten und Bekundungen größter Verehrung. Als sie nach ca. zwanzig Minuten fertiggelesen hatte, lief sie aufgeregt zurück in die große Halle, wo sie sich buchstäblich auf Carina und Marianne stürzte. Sie zerrte die beiden hinaus und in den Hufflepuff-Gemeinschaftsraum, wo sie ihnen den Brief hinhielt. Sie lasen sofort und fingen immer wieder an zu kreischen, weil so viele liebe Dinge darin standen, und als sie zum Ende kamen, das mit „in Liebe, Dein Bewunderer" abschloß, seufzten sie und waren sich einig, daß der Briefschreiber ein ganz süßer sein mußte.
„Der hat sich in dich verliebt, als er dich zum ersten Mal gesehen hat! Wie romantisch!" rief Marianne glühend, und Carina pflichtete ihr bei mit:
„Und er ist viel zu schüchtern, dir auch nur ein Sterbenswörtchen zu sagen, aber er konnte es nicht mehr aushalten und deswegen hat er dir einen so niedlichen Brief geschrieben!" Sabrina fing natürlich sofort an zu überlegen, wer es sein könnte. Viele Anhaltspunkte diesbezüglich gab es in dem Brief leider nicht. Er war zwar voll von Schwärmereien über ihre Schönheit (der mußte wohl einen Knick in der Optik haben, der es ihm erlaubte, über Narben hinwegzusehen), ihren Witz und Charme, und ihre hellbraunen Augen, die es dem Schreiber offensichtlich besonders angetan hatten, war aber ansonsten sehr allgemein gehalten. So konnten die drei nicht einmal ansatzweise eine Klassenstufe ausschließen. Schließlich ließ Carina die Katze aus dem Sack:
„Ich wette, der ist von Harry." Marianne grinste breit, da sie von Anfang an das gleiche gedacht hatte.
„Wieso sollte der gerade von Harry sein? Harry mag Luna."
„Ja klar. Und ich bin die Kaiserin von China." gab Carina zurück. Hilfesuchend wendete Sabrina sich an Marianne. Diese zuckte lediglich mit den Schultern.
„Was wollt ihr denn immer mit Harry? Der ist nicht in mich verliebt!"
„Klar, ihr beiden seid halt bloß das perfekte Paar, und versteht euch immens gut, und schmachtet euch die ganze Zeit an, und kebbelt euch ständig, aber ihr wollt ja nix voneinander, nö nö!" antwortete Marianne.
„Wir schmachten uns GAR NIE an!" ereiferte sich Sabrina.
„Nein, ÜBERHAUPT nicht!" rief Carina. Sabrina wurde langsam wütend. Sie wollte nichts von Harry, und er mochte sie garantiert nicht mehr als seinen besten Freund Ron.
„Okay, wir verstehen uns sehr gut, aber das heißt doch noch lange nicht, daß wir ineinander verliebt sind. Außerdem ist er gar nicht der Typ, der solche ewiglangen Liebesbriefe schreiben würde, und ich kenne seine Schrift."
„Die kann er mit einem einfachen Zauber so verändern, daß sie ganz anders als seine eigene ausschaut..."
„Und außerdem", unterbrach Sabrina Carina, „schwärmt er mir die ganze Zeit von Luna vor und holt sich Tips ein, wie er ihr zeigen kann, daß er sie sehr gern mag, weil sie es einfach nicht checkt, weil sie immer ganz woanders mit ihren Gedanken zu sein scheint, und jedesmal, wenn er versucht, ihr irgendwie zu zeigen, was er fühlt, reagiert sie auf so eine weltfremde Art und Weise, daß er sich manchmal nicht sicher ist, ob sie das mit Absicht macht, um ihm zu zeigen, daß sie kein Interesse an ihm hat, ihn aber nicht verletzen will. Also habe ich ihm Tips gegeben undsoweiter, und da ist er mir halt dankbar, aber eigentlich wollte er ihr zum Valentinsball einfach mal sagen, daß er in sie verliebt ist, deswegen war er zuerst so sauer auf mich, daß ich Luna angesteckt habe..." Carina und Marianne warfen sich wieder diesen wissenden Blick zu.
„WAS?" rief Sabrina.
„Er geht doch mit dir zum Ball, oder?" begann Marianne.
„Ja, und?"
„Naja... ist dir noch nie der Gedanke gekommen, daß alle diese Ausführungen von Weltfremdheit und nicht checken, wenn einer auf dich steht, genausogut auf dich zutreffen?" versuchte Carina es behutsam.
„Wie jetzt?"
„Denk doch mal an letztes Jahr, als der Olli total in dich verknallt war und du es einfach nicht kapiert hast, obwohl ich dir ständig damit in den Ohren gelegen habe, und erst, als ers dir ins Gesicht gesagt hat, wolltest dus glauben, und warst aber wie vom Donner gerührt, weil du das nie vermutet hättest!" Sabrina wurde dabei rot.
„Ja schon... aber..."
„Nix aber! Wir glauben, daß Harry dir heute Abend sagen wird, daß er den Brief geschrieben hat." Sabrina schüttelte den Kopf. Sie stand auf, schnappte sich den Brief und stürmte raus.
„Wo will sie denn jetzt hin?" fragte Marianne. Carina hob ratlos die Schultern, dann schrie sie:
„Oh Mann, wir kommen ja viel zu spät zum Unterricht!" Die beiden rasten in windeseile hinunter zu den Kellergewölben, wo sie heute in der ersten Stunde Zaubertränke hatten. Sie kamen über eine halbe Stunde zu spät, doch Professor Snape war noch nicht da. Stattdessen stand Sabrina vor Harry, wedelte mit dem Brief in ihrer Hand, erklärte lautstark, daß es sich hierbei um einen anonymen Liebesbrief handle und wollte geradeheraus wissen, ob er ihn geschrieben habe. Harry lief puterrot an, sagte aber:
„Nein!" Sie drehte sich wütend zu Carina und Marianne herum und schrie:
„Seht ihr!" Dann stapfte sie schnaubend zu ihrem eigenen Unterricht bei Professor Vector.
„Na, Potter, hast du dir eine kleine Schlammblutfreundin gefunden!" rief Draco verächtlich. Carina stürzte sich auf ihn, gab ihm einen Kinnhaken und schrie:
„Beleidige meine Freundin NIE WIEDER!" Auch Marianne schimpfte wütend auf Draco ein, der sich die blutende Lippe hielt. Erstaunlicherweise war noch immer kein Professor Snape in Sicht.
Sabrina rannte schnaufend den langen Gang zur Treppe entlang. Diese Idioten! Harry mochte Luna, das wußte sie ganz genau, aber die beiden abgedrehten Gören konnten das nicht akzeptieren, weil sie ihre eigenen romantischen Vorstellungen hatten. Nerv! Sie mochte Luna sehr gern, und sie hatte Harry mit ihr zusammen beobachtet. Erstens war er in ihrer Nähe ganz anders, er wurde rot, stotterte und wußte nicht, was er sagen sollte, zweitens hatte sie ihm versichert, daß Luna sicher nicht so weltfremd war (Harry hatte es schon fast als abweisend bezeichnet), um ihn in die Schranken zu weisen, sondern weil sie es wirklich nicht kapierte. Also hatte sie ihm gesagt, er solle es ihr offen ins Gesicht sagen (ja, und dabei hatte sie selbst an Olli gedacht und wie es ihr wie Schuppen von den Augen gefallen war), dann wüßte er wenigstens endlich, ob sie ihn vielleicht auch ein bißchen mehr mochte als andere Jungs. Sie hatte Harry aber auch ganz ehrlich gesagt, daß sie vermutete, daß Luna Ron gern hatte, da sie ihm gegenüber oft ihre Entrücktheit ablegte, und vor allem gerne vor sich hinlächelte, wenn sie den Rotschopf ansah...
Als sie soweit in ihren Gedanken gekommen war, stieß sie mit Professor Snape zusammen.
„Oh, entschuldigung Professor!" stieß sie hervor. Ausgerechnet in den mußte sie reinrennen, der gab ihr sicher wieder eine fiese Strafarbeit.
„SABRINCHEN!" rief die junge Frau, die bei dem Lehrer stand und fiel ihr um den Hals.
„Elisabeth, was machst du denn hier?"
„Ich bin wegen dem Ball gekommen."
„?" Sabrina sah Professor Snape verstört an, dieser zuckte jedoch mit den Achseln.
„Und warum sind Sie nicht im Unterricht, Fräulein Spatz?"
„Ähhh... ich hab eine falsche Abzweigung genommen, dann hat eine Treppe die Richtung geändert, und ich bin irgendwie hier gelandet." log sie.
„Fünf Punkte Abzug und eine Strafarbeit morgen um sieben Uhr abends, melden Sie sich in Herrn Filchs Büro." Dann wandte er sich an Elisabeth: „Sie entschuldigen mich jetzt bitte, ich muß zu meinem Unterricht."
„Klaro, bis nachher dann, freu mich schon!" strahlte Elisabeth, dann packte sie Sabrina am Arm und zog sie mit sich fort.
„Wie hat er ausgesehen, als er meinen Valentinsgruß bekommen hat?" flüsterte sie, als sie ein Stück gegangen waren. Sabrina fragte sich, warum sie flüsterte, da hier sowieso keiner Deutsch verstand.
„Ich weiß nicht, ich hab nicht so drauf geachtet."
„Oh Mann, was bist du für eine Schwester!"
„Wieso hast du ihm denn überhaupt einen geschickt?"
„Sabrina, das erklär ich dir, wenn du erwachsen bist!" erwiderte Elisabeth resigniert.
„Wieso nicht jetzt? Ist ja nicht so, daß ich nicht aufgeklärt wäre..."
„Also, wenn du mit all deinen vielen Strafarbeiten, die dich in die unmittelbare Nähe (und ALLEIN!) mit diesem GOTT von einem Mann gebracht haben, bis jetzt noch nicht gemerkt hast, daß er den KNACKIGSTEN Hintern hat, den ich in meiner langjährigen Karriere als Knackarschexpertin gesehen habe, bist du ein hoffnungsloser Fall und mein Bedauern nicht wert!"
„Aber woher weißt du denn, wie sein Hintern aussieht? Woher kennst du ihn überhaupt?"
„Als ich dich im Januar kurz besucht habe, hab ich ihn in der großen Halle gesehen, und dann hab ich es eingerichtet, daß ich ihn mal in der Diagon Alley getroffen habe, und da hab ich ganz aus Versehen Tee über seinen Umhang geschüttet, sodaß ich den dann saubermachen mußte, und da habe ich natürlich seinen Hintern angeschaut."
„Wow!" Sabrina war ehrlich beeindruckt. Auch sie war vernarrt in männliche Hinterteile, aber, das sah sie jetzt ein, von ihrer Schwester konnte sie sich noch eine große Scheibe abschneiden.
„Mit wem gehst du denn zum Ball?" fragte Elisabeth.
„Mit Harry."
„Oh, und was ziehst du an?"
„Keine Ahnung... ich hatte nicht vor, was großartiges anzuziehen!"
„Sabrina! Du mußt endlich mal anfangen, dich zu den richtigen Anlässen auch ordentlich einzukleiden! Willst du denn nie, daß die anderen Leute merken, daß du nur in Jeans und Pullovern gewöhnlich ausschaust?"
„Aussehen ist nicht wichtig! Außerdem kann ich die Narbe ja sowieso nicht verstecken."
„Aber darum geht es doch gar nicht. Die Narbe macht meiner Meinung nach dein Gesicht nur interessanter, und du hast so eine hübsche Figur, zeig den anderen doch auch mal, was du hast!" Sabrina schüttelte abweisend den Kopf. „Okay", Elisabeth hielt Sabrina an, nahm sie bei den Schultern und kommandierte, „ich werde dich heute herrichten, und keine Widerrede! Unsere Eltern würden sich schämen, wenn sie wüßten, daß du so schäbig zu einem Ball gehen willst!" Dem konnte Sabrina nichts entgegensetzen, deshalb verschwand sie nur grollend in Professor Vectors Unterricht, zu dem sie fast 45 Minuten zu spät kam.
