Am Abend füllte sich die die große Halle sehr schnell mit tanz- und liebeswütigen Pärchen. Carina stand um kurz vor sieben nervös vor dem Eingang, während Marianne und Draco ein wenig hinter ihr warteten. Elisabeth, die nach Hogwarts gekommen war, um sicherzustellen, daß ihre Schwester sich ordentlich anzog (und um Professor Snape zu sehen und vielleicht auch den einen oder anderen Kuß von ihm zu stehlen), hatte nicht nur Sabrina beim Einkleiden und Frisurenmachen geholfen, und Carina und Marianne sahen sehr elegant aus. Dracos Blick klebte förmlich an Mariannes Ausschnitt. Dann trat plötzlich ein Siebtklässler aus Ravenclaw auf Carina zu. Er hatte rötlich-braunes Haar, war stämmig und sehr groß und trug stolz zwei prominente Kotletten zur Schau.
„Hi!" sagte er und wurde rot.
„Hi!" sagte sie und sah zu Boden.
„Ähm... also, ich hoffe, der Ring gefällt dir."
„Ja sehr!" Jetzt sah sie wieder zu ihm auf, wobei sie den Kopf ganz weit in den Nacken legen mußte. Einige Sekunden verstrichen, in denen keiner etwas sagte.
„Tja, also, wollen wir hineingehen?" fragte er schließlich.
„Okay." Carina hakte sich bei dem ihr angebotenen Arm ein, dann drehte er sie aber noch einmal zu sich herum und sagte:
„Du siehst heute sehr hübsch aus!" Dann gingen sie beide mit hochroten Gesichtern hinein. Draco und Marianne folgten ihnen.
Im Saal angekommen sahen sie Sabrina und Harry schon tanzen. Den beiden Jungen fiel buchstäblich die Kinnlade herunter.
„Ich wußte gar nicht, daß deine Freundin so hübsch ist!" entfuhr es Andrew, Carinas Verehrer. Carina sah in säuerlich von der Seite an, er wurde noch dunkler und stotterte: „So habe ich das nicht gemeint! Ich meine, sonst läuft sie immer so langweilig herum, deswegen hab ich gedacht, daß sie gar nicht hübsch ist! Aber du gefällst mir viel besser." Mittlerweile hatte sein Gesicht die Farbe einer Kirsche erreicht.
„Ist schon okay! Ich kanns selbst kaum glauben!" Dabei starrte sie ihre Freundin an. Auch Draco schien zum ersten Mal wirklich beeindruckt von Sabrina. Er gaffte ihr mintgrünes Brokatkleid und die vielen Goldspangen an, die sie an den nackten Armen, Handgelenken, um den Hals, an den Ohren und als Gürtel trug. Ihre glatten Haare waren zu einer eleganten Frisur aufgetürmt und und mit gelblichen Perlen verziert.
„Sind die echt?" fragte er staunend. Sabrina drehte sich irritiert von Harry weg zu ihm.
„Was?"
„Sind die Perlen echt?"
„Ja schon." Dann tanzte sie weiter. Nun schaltete sich Pansy ein, die in der Nähe auf Draco gelauert hatte:
„Welche Muggelbank hast du denn überfallen, daß du dir so ein Kleid und solchen Schmuck leisten kannst?" Sabrina formte das Wort „Zicke" mit ihren Lippen, reagierte aber sonst nicht darauf. Auch Harrys Blick klebte die meiste Zeit an ihrem Ausschnitt, und irgendwann entschuldigte er sich dafür:
„Tut mir echt leid, aber ich kann nicht anders, das schaut einfach zu schön aus! Du solltest öfters sowas hübsches anziehen!"
„Ist schon okay." gab Sabrina zurück. Und es machte ihr tatsächlich nichts aus, daß alle sie ansahen.
Währenddessen fragte Draco Marianne über Sabrinas Familien- und Vermögensverhältnisse aus. Sie konnte buchstäblich sehen, wie er Kalkulationen anstellte und abwägte, wer jetzt die reichere war: sie selbst oder Sabrina. Was für eine Scheinheiligkeit! Zuerst hatte er sich geweigert, ihr auch nur einmal ordentlich in die Augen zu sehen, weil sie von Muggeln abstammte und arm zu sein schien, und nun, da sie offensichtlich viel Geld besaß, war sie plötzlich auch für einen Malfoy akzeptabel. Depp!
Sabrina, die immer noch schmollte und deswegen kein Wort mit Marianne oder Carina wechselte, war trotzdem das Gesprächsthema Nummer eins unter all ihren Freunden. Sie und Harry, um genau zu sein: „Sehen sie nicht total süß zusammen aus? Und er ist ganz bestimmt in sie verliebt, so wie er sie ansieht." oder „Und ihr seid sicher, daß ER ihr den Brief geschrieben hat?" oder „Ich glaube, sie mag ihn auch, sie hat ganz rote Wangen!" ist nur eine kleine Auswahl der Sätze, die Harrys und Sabrinas gemeinsame Zukunft besiegelten. Währenddessen (es war direkt nach dem großen Festessen) spielte sich folgende Konversation zwischen den beiden ab:
„Wie geht es Luna?"
„Gut, ich habe vorhin nochmal nach ihr gesehen, bevor ich mich mit dir getroffen habe." Harry wurde rot.
„Was ist?"
„Ich hab es ihr gesagt!"
„WAS? Und, was hat sie gesagt?" Dabei zerrte Sabrina ungeduldig an seinem Ärmel.
„Laß uns auf die Tanzfläche gehen, da können es nicht alle gleich hören!"
„Okay."
Auf der Tanzfläche:
„Also?"
„Ja, ich habs ihr gesagt, und da hat sie mich mit großen runden Augen angeguckt und gesagt: Ich weiß."
„Nein!" Harry winkte ungeduldig ab.
„Doch, genau das hat sie gesagt, und sonst nichts. Und dann wußte ich nicht, was ich sonst sagen sollte, also habe ich gefragt, ob sie mich auch liebt. Und da hat sie gesagt: Natürlich."
„Oh, HARRY!" Sabrina fiel ihm um den Hals. „Ich freue mich so!" Sie umarmte ihn um die Hüften und begann, mit ihm durch den Saal zu hüpfen.
Natürlich sah dieses Intermezzo für ihre von Vorurteilen belasteten Freunde wie der Beginn einer Partnerschaft zwischen Harry und Sabrina aus. Auch für ihre Feinde. Draco, der seine Felle davonschwimmen sah (obwohl er ja immer noch Marianne in petto hatte), tanzte sich unauffällig mit Marianne im Arm an die beiden heran und spuckte aus:
„Zwei Narbengesichter haben sich gefunden!" Dann walzte er weiter, und Marianne warf den beiden nur einen entschuldigenden Blick zu und gab ihnen mit der linken Hand einen hochgereckten Daumen, während sie die rechte aus Dracos befreite und ihm eine Ohrfeige verpaßte.
Andrew bat Carina um einen Spaziergang, auf dem er ihr etwas ungeschickt sein Herz ausschüttete. Carina, die ihn früher schon zur Kenntnis genommen hatte, weil er gar so groß und stattlich war, war überhaupt nicht abgeneigt, es mit ihm zu versuchen, und so kamen die beiden händchenhaltend und vor Glück strahlend zurück zum Fest. In der Zwischenzeit hatte Pansy Draco beschlagnahmt, und Marianne saß an einem Tisch und unterhielt sich angeregt mit Seamus über Quidditch. Als ein Foxtrott angespielt wurde, forderte er sie zum Tanzen auf, und die beiden schwebten diskutierend über das Parkett. Jeder, der ein bißchen genauer hinsah, konnte ein Glühen in beiden Augenpaaren erkennen, und Sabrina wunderte sich ein bißchen, wie das nun wieder zugegangen war, ohne daß sie es vorher bemerkt hatte. Deshalb beschloß sie, ihren Groll zu begraben und sich Marianne vorzuknöpfen. Dies gelang ihr an diesem Abend jedoch nicht mehr, da sie auf dem Weg dorthin von Neville abgefangen wurde und vier Tänze hintereinander vergnügt mit ihm über die Tanzfläche hopste. Danach fand sie sich nicht herzlos genug, Marianne und Seamus auseinanderzureißen, deshalb gesellte sie sich zu Carina und ihrem neuen Freund, den sie genau unter die Lupe nahm und Carina dann befriedigt zuflüsterte:
„Gute Wahl! Knackarsch!"
Danach entbrannte zwischen Carina, Sabrina und Andrew eine feurige Diskussion zum Thema Schottenröcke, denn Andrew war ein Schotte, trug aber keinen solchen. Die beiden Mädchen sahen es als nur recht und billig an, daß er zu einem Anlaß wie einem Ball seinem Land alle Ehre machen müsse, doch Andrew fühlte sich nicht ganz wohl bei dem Gedanken, „unten ohne", wie er es nannte, herumzulaufen, speziell nachdem er die lüsternen Gesichtsausdrücke seiner Diskussionspartnerinnen gesehen hatte.
„Warum sagst du nicht deinem Harry, er soll einen Rock anziehen?" warf Andrew schließlich ein. Sabrina schaute ihn kopfschüttelnd an:
„Haben sie dich auch schon angesteckt? Er ist nicht 'mein' Harry, sondern Lunas Freund, seit heute, also laßt mich endlich in Ruhe!"
„Das hat vorhin aber GANZ anders ausgeschaut." meinte Carina grinsend.
„Soso, das hat also anders AUSGESCHAUT, ja? Dann solltest du das nächste Mal vielleicht zuerst nachfragen, über was wir gesprochen haben, bevor ich ihm um den Hals gefallen bin!" gab Sabrina bissig zurück, stand auf und ging. Jetzt reichte es ihr wirklich. Sie wollte eigentlich abhauen, lief aber wieder Neville in die Arme, mit dem sie noch ein paar Tänze vergnügt tanzte. Er war außer Harry der einzige, der sie nicht mit diesem Thema nervte, sondern einfach nur den Abend genoß.
„Warum schaust du denn so grimmig?" fragte er sie einmal.
„Alle gehen mir auf den Wecker mit Harry! Vorhin haben sie gesehen, wie ich ihm um den Hals gefallen bin, und weil ich heute früh einen anonymen Liebesbrief bekommen habe", hier kicherte Neville, „und sie fest davon überzeugt sind, daß der von Harry ist, meinen jetzt alle, daß wir ein Paar sind!"
„Ich hatte mich schon gewundert", erwiderte Neville, „warum die ständig herumtuscheln. Ich habe Harry vorhin getroffen, als er aus der Krankenstation kam, und weil er über das ganze Gesicht gegrinst hat, habe ich ihn gleich gefragt, was los ist. Da hat er mir erzählt, daß er und Luna sich endlich zusammengefunden haben! Und als du dann auf der Tanzfläche so ausgeflippt bist, habe ich mir schon gedacht, daß ers dir auch erzählt hat." Damit war das Thema beendet, bis auf daß sie noch einvernehmlich darüber diskutierten, wie gut die beiden zusammenpaßten und wie romantisch sie das beide fanden.
Kurz vor Ende des Festes kam der österreichische Bodyguard zu Sabrina und forderte sie zum Tanz auf. Er hieß Peter und hatte extra bei der Band einen Ländler bestellt, weil er herausgefunden hatte, daß Sabrina österreichische Staatsangehörige war. Da sie allerdings das einzige Paar waren, das diesen Tanz richtig beherrschte, waren sie ganz allein auf dem Parkett, und alle sahen ihnen zu und klatschten, johlten oder riefen „Buh!" (namentlich Draco, Pansy und einige andere aus dem Hause Slytherin). Als sie danach von ihrem Partner zu ihrem Sitzplatz zurückgeführt wurde, und an eben jenem feindseligen Tisch vorbeikam, fauchte Pansy:
„Na, Spatz, hast du mal wieder eine Möglichkeit gefunden, dich aufzuspielen!" Wiederum formte Sabrina das deutsche Wort „Zicke" mit ihren Lippen, und Peter fing ein tiefes, herzliches Lachen an. Er drückte ihr zum Abschied die Hand und sagte ihr, daß sie das hübscheste Mädchen heute Abend war.
