Das restliche Schuljahr war sehr schnell verstrichen, zuerst kamen die Abschlußarbeiten, für die eifrig gebüffelt werden mußte, dann endlich die erlösenden Ferien.

Marianne und Carina sahen einem wunderschönen Sommer mit Seamus und Andrew entgegen. Andrew, der die Schule abgeschlossen hatte und sowieso schon volljährig war, konnte apparieren, so oft und wohin er wollte, und natürlich würde es ihn sehr oft nach München ziehen. Seamus hatte Marianne zu sich nach Hause eingeladen, denn ihre eigenen Eltern tobten wütend und hatten sie vom Stammbaum entfernt, seitdem sie erfahren hatten, daß sie einen Freund hatte, der nicht reinblütig war. Harry, Ron, Hermine, Neville, Ginny und Luna hatten sich am Ende des Schuljahres wieder irgendwie in Schwierigkeiten gebracht, aber alle überlebt, und nun gab es keinen dunklen Lord mehr. Keiner wußte so genau, was eigentlich passiert war. Harry war lange Zeit in St. Mungo's in Behandlung, Ron hatte ein Stückchen seines linken Ohres eingebüßt, Hermine waren alle Haare ausgefallen und nur langsam wuchs ein seidiger Flaum nach, Ginny war das Rückgrat gebrochen worden, doch sie konnte noch einmal gerettet werden, mußte aber komplett neu laufen lernen, Neville, der ein paar starke Flüche abbekommen hatte, als er seine Freundin beschützt hatte, mußte den ganzen Sommer über jeden Tag vier verschiedene Zaubertränke zu sich nehmen (seine Großmutter war im übrigen mächtig stolz auf ihn), und Luna hatte ein Auge eingebüßt. Die Bodyguards waren auf drei zusammengeschrumpft, es waren nur die junge Polin, der Kroate und der Finne übriggeblieben. Ins Zauberministerium kehrte fast sofort die alte Bürokratie und Hierarchie ein, und Dumbledore seufzte oft darüber.

Sabrina verbrachte den Sommer auf dem Schiff ihres Vaters. Sie schrieb sich treu mit ihren Freunden und hatte viel Zeit, beim Plankenschrubben mit Elisabeth zu reden. Sie erzählte ihr von ihrem Kummer, daß jemand, der sie offensichtlich geliebt hatte, sie für schlecht hielt und sich völlig aus ihrem Leben zurückgezogen hatte. Elisabeth war der Meinung, daß ihre Schwester einem anonymen Briefschreiber viel zu viel Bedeutung beimaß und fragte sich, ob nicht etwas anderes dahinter steckte. Doch sie bekam nicht viel heraus, außer einer Vermutung, daß Sabrina verliebt war. Doch sie war in Herzensangelegenheiten immer wahnsinnig scheu, und würde nicht einmal, wenn sie glücklich verheiratet war, gegenüber irgendjemandem zugeben, daß sie Liebe empfand. Manchmal fragte sich Elisabeth, wie sie mit dieser Disposition jemals einen Mann finden würde, denn ein bißchen Aufmunterung mußte eine Frau schon geben, bevor ein Mann sich näher an sie heran traute.

Kurz vor Beginn des neuen Schuljahres trafen sich alle Freunde in der Diagon Alley. Die meisten hatten sich auch über die Sommerferien gesehen. Seamus und Marianne waren beide schon siebzehn, durften also auch außerhalb der Schule Magie anwenden und besuchten Carina oft zusammen mit Andrew.

Aus Mariannes Tagebuch:

Ich bin eigentlich am liebsten allein zu Carina appariert. Sie hat oben im Haus einen kleinen Bereich für sich, der fast wie eine kleine Wohnung ist, da gibt es sogar eine Küche in Miniaturformat! Dort oben steht ein Fernseher, und sie hat auch einen Videorekorder, und auf ihrer Couch ist es richtig gemütlich. Dort haben wir uns den Film mit Liam Neeson angeschaut. Er heißt „Rob Roy" und ohhhhh... wenn ich nicht mit Seamus zusammenwäre, dann könnte ich glatt...

Auf jeden Fall haben wir auch noch andere Filme angesehen. Ich hab jetzt auch endlich kapiert, was ein Film ist und wie das mit dem Fernseher undsoweiter läuft. Seamus hat bei sich zu Hause auch sowas, denn sein Vater ist kein Zauberer. Aber der hat nicht so viele Schlonzfilme und außerdem kann man mit ihm gar nicht schlonzen, weil er ja ein Mann ist. Und Seamus lacht mich immer bloß aus, wenn ich ihm von irgendwelchen Schauspielern vorschwärme. Bei LN muß ich allerdings aufpassen, einmal haben wir uns deswegen total gestritten, weil er voll eifersüchtig geworden ist! Er war stinksauer, als ich gesagt habe, daß ich Liam nicht von der Bettkante stoßen würde. Derweil ist das doch bloß so eine Redensweise, nicht daß ich schon jemals Sex gehabt hätte. Leider. Aber Seamus ist total ausgeflippt und hat mir gesagt, ich soll doch zu „dem Deppen" gehen, wenn ich ihn so viel toller finde. Naja, ich find ihn ja gar nicht toller als Seamus. Das ist irgendwie was anderes, der ist fern und soll es auch bleiben! Aber das hat er nicht einsehen wollen, und ich bin angekrochen gekommen wie ein Wurm und habe mich tausendmal entschuldigt, und seitdem vermeide ich es tunlichst, zu enthusiastisch von LN zu reden (zumindest vor meinem schottenrocktragenden Iren).

Anfang August ist ein Brief von Hogwarts gekommen. Meine Eltern hatten das Schulgeld nicht bezahlt (eine horrende Summe übrigens!), und da ich enterbt worden bin und keinen Pfennig besitze, bin ich total erschrocken. Ich wußte gar nicht, was ich machen soll, und habe mich nicht getraut, irgendjemandem davon zu erzählen, weil ich mir so dumm vorkam. Darüber hatte ich noch gar nicht nachgedacht! Daß ich jetzt arm bin undso. Aber zwei Tage später kam noch ein Brief von Hogwarts, daß jetzt alles in Ordnung sei und sie mich am ersten September erwarten. Ich hab zuerst gedacht, meine Eltern haben sich doch erweichen lassen, aber als ich ihnen einen Brief schrieb, kam die Eule schnurstracks zurück mit dem Hinweis, daß sie sich weder mit Fremden (und da sie mich aus dem Familienkreis ausgeschlossen haben, zähle ich dazu) noch mit Blutschändern abgeben, geschweige denn ihnen finanzielle Unterstützung zukommen lassen. Also hatte ich echt keine Ahnung, wer da so generös gewesen ist, und vermutete schon Seamus' Eltern dahinter, als von Sabrina ein Brief kam. Sie hatte sich gedacht, daß ich kein Geld habe, also hat sie zusammen mit ihrer Gebühr meine gleich mitgezahlt und ihre Eltern haben mir sogar ein Konto eingerichtet, auf das ich jederzeit zugreifen kann und in dem sogar eine beträchtliche Summe liegt! Sabrina schrieb mir, daß es alles Piratengeld ist, ich mich also nicht schämen soll, es anzunehmen, weil sie das im Laufe des letzten Jahres den Todesserfamilien gestohlen haben, die entweder alle tot oder in Askaban sind, wo sie es bestimmt nicht brauchen. Ich wundere mich manchmal, warum Sabrina nicht in Slytherin gelandet ist!

Ich bin mir auf jeden Fall gar nicht zu schade, diese Freundlichkeit anzunehmen, und habe ihr und der ganzen Mannschaft der Schwarzen Perle (so heißt das Schiff ihres Vaters) ein paar Kästen Augustinerbier aus München geschickt.

Vincent und Gregory kamen mit ihren Freundinnen geradewegs vom Schneider, wo sie sich neue Festtagsroben bestellt hatten, Hermine und Ron schleckten händchenhaltend am selben Eis, Harry, der immer noch ein bißchen blaß aussah, saß mit Luna auf den Treppenstufen vor Gringott's und hatte seinen Kopf auf ihre Schulter gelegt, Ginny und Neville kitzelten sich gegenseitig, und Marianne, Seamus, Carina und Andrew (er hatte sich den Tag freigenommen) sangen Kinderlieder. Ernie hatte abgesagt, er hatte an dem Tag keine Zeit, so war Sabrina unter vielen Pärchen der einzige Single. Sie freute sich zwar sehr, alle wiederzusehen, doch bald verfiel sie in eine sehr melancholische Stimmung und beschloß, dem ganzen Geküsse und Geschmuse wegzurennen. So ging sie alleine Schulbücher kaufen, neue Kleidung machen lassen, Zaubertränkezutaten aufstocken undsoweiter undsofort. Die anderen vergnügten sich derweil beim Eisessen. Vince und Greg hatten wenigstens über den Sommer ihren Groll gegen Sabrina vergessen. Sie hatten Draco zuliebe kein Wort mehr mit ihr geredet, als die Sache mit ihren Eltern rausgekommen war.

Im Buchladen rannte sie in Ernie rein.

„Hey, was machst du denn hier!" rief sie erfreut und fiel ihm um den Hals. Seine Wangen verfärbten sich rosa:

„Ich bin nur ganz kurz hier, weil ich was erledigen mußte, war kurz beim Schneider und muß jetzt gleich wieder los!"

„Schade! Da draußen ist Pärchenalarm angesagt. Die knutschen die ganze Zeit wie wild herum, und machen andere Dinge, die einem Alleinstehenden sehr auf die Nerven fallen können." Ernie lächelte verständnisvoll. Dann verabschiedete er sich und verschwand draußen im Gedränge. Als nächstes ging Sabrina selbst zum Schneider. Sie war zwar nicht gewachsen, hatte aber beschlossen, ihre alte schäbige Robe gegen eine neue auszutauschen. Elisabeth hatte sie nach langer Bearbeitung soweit gebracht. Im hinteren Teil des Schneiderladens stand Draco und ließ sich ausmessen. Er war ein gutes Stück gewachsen und konnte neue Roben definitiv gebrauchen. Er schenkte ihr einen feindseligen Blick, als er sie erkannte. Wenigstens hatte Sabrina kein so schlechtes Gewissen mehr. Sie hatte ihre Mutter dazu überredet, ihren Vater und seine Crew dazu zu bringen, das Gold und alle Güter der Malfoys an Draco zurückzugeben, weil sie pausenlos Alpträume hatte. In einem davon träumte sie, wie sie in dem Gold schwamm und nicht mehr herauskam, von einem Strudel nach unten gezogen wurde und erstickte. Da hatte es ihr gereicht und sie hatte solange auf ihre Mutter eingeredet (die speziell vom gekaperten Malfoyschmuck angetan war), bis diese ihren Einfluß beim Vater geltend gemacht hatte. Sie nickte ihm also höflich zu, stellte sich neben ihn auf das Podest und wurde ausgemessen.

Am ersten Schultag verkündete Professor Dumbledore, daß dieses Schuljahr ein paar knallige Feste stattfinden würden. Jetzt wo Voldemort hopps gegangen war, konnte man endlich mal wieder in altem Hogwartsstil feiern. So gab es eine Halloweenparty, einen Weihnachtsball, einen Valentinsball, einen Frühlingstanz ende April, ein Konzert von der neu zu gründenden Schulband mitte Mai, und eine riesen Abschlußparty im Freien am letzten Schultag. Das Jahr schien heiter zu werden!

Zur Halloweenparty ließ sich Marianne etwas ganz besonderes einfallen. Sie war von Sabrina und Carina mehrmals darauf hingewiesen worden, wie ähnlich sie Professor Snape sah: sie war fast so groß wie er, hatte fast schwarze Haare und sehr dunkle Augen. Daraus mußte sich doch was machen lassen, und mit Elisabeths Hilfe, die in Kleidungs- und Make-Up-Angelegenheiten der erste Ansprechpartner aller Freundinnen Sabrinas geworden war, betrat am 31. Oktober ein schlecht gelaunter Snape die große Halle, stellte sich neben Harry auf, der in einem rosa Hasenkostüm steckte, und fauchte „Potter!". Harry zuckte zusammen, doch als er den vermeintlichen Snape anblickte, stutzte er kurz, dann brach er in Gelächter aus. Marianne hatte sich von Elisabeth eine Nase modellieren lassen, die der des Lehrers täuschend ähnlich sah, und in der schwarzen Kleidung mit dem wehenden Umhang konnte man sie auf den ersten Blick nicht vom Original unterscheiden. Als der Professor höchstpersönlich Marianne zum Tanzen aufforderte, johlte die ganze Schülerschaft ausgelassen. Marianne genoß ihre Rolle als falscher Snape, segelte mit langen Schritten in der großen Halle umher, fauchte Schüler an, die ihren Blick zufällig in ihre Richtung gedreht hatten, zog wüst Punkte ab für das falsche Halten der Gabel, und verteilte ungeheure Strafarbeiten für das Atmen in ihrer Nähe. Professor Snape nahm diese Karikatur seiner selbst erstaunlicherweise gelassen hin, doch vielleicht lag das auch an Elisabeth, die beim Fest geblieben war und in ihrem Sklavin-Leia-Outfit die Aufmerksamkeit nicht nur des Lehrers auf sich zog. Als sie ihre Schwester mit ihrem Lehrer an sich vorbeitanzen sah, dachte Sabrina bei sich, daß Elisabeth langsam einen Bierbauch bekam, obwohl sie seit einigen Monaten keinen Alkohol anrührte. Anscheinend jedoch gefiel das Professor Snape, denn er legte eine Hand immer wieder auf ihr kleines Bäuchlein, und Elisabeth glühte als sei sie neu geboren.

Carina hatte sich als Walfisch verkleidet, was allgemein Gelächter hervorrief. Vincent und Greg, die vom Umfang her Carina noch um einiges übertrafen (speziell seit Carina über den Sommer zehn Kilo verloren hatte) gingen als Trolle. Der Renner jedoch kam, als Harry, der die Halle in seinem Hasenkostüm verlassen hatte, um aufs Klo zu gehen, unverkleidet wiederkam. Er setzte sich zu seinen Freunden an den Tisch, und als er gefragt wurde, warum er sich umgezogen habe, antwortete er:

„Malfoy dieser Depp hat die Kloschüssel explodieren lassen, bevor ich aus der Kabine gegangen bin. Mein schönes Kostüm ist vollkommen ruiniert!" Als er mit Luna an Sabrina vorbeitanzte und ihr zuzwinkerte (hatte er sie etwa erkannt?), hörte sie Luna sagen:

„Harry gefällt mir besser!" Luna war als Pirat verkleidet, und ausnahmsweise sah die Augenklappe nicht fehl am Platz aus. Sabrina verstand nicht ganz, was Luna gemeint hatte, bis Harry im rosa Hasenkostüm zurückkam und wie vom Donner gerührt vor sich selbst und seiner Freundin stehenblieb. Der unverkleidete Harry bot ihm galant Lunas Hand dar und forderte dann Jennifer aus Slytherin zum Tanz auf. Es dauerte eine Weile, bis man dahinterkam, wer sich da so frech als Harry verkleidet hatte: es war Malfoy selbst! Soviel Witz hätte ihm niemand zugetraut, und er hatte es tatsächlich geschafft, bis auf Luna alle hinters Licht zu führen.

Langsam wurde es Sabrina langweilig. Sie trottete in der großen Halle umher, schob Ernie (der im Gozillakostüm mit Jane aus Ravenclaw tanzte) auf die Seite, als er ihr im Weg stand, er entschuldigte sich, doch auch er erkannte sie nicht. Sie war vor Beginn des Festes in Stellung gegangen, im Verlauf des Tanzes mehrmals ein und aus gegangen, hatte auf verschiedene Arten versucht, die allgemeine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, um endlich erkannt zu werden, doch anscheinend spielte sie ihre Rolle zu gut. Sogar der Direktor, den sie in eine Unterhaltung verwickelt hatte, schien nicht zu bemerken, wen er da wirklich vor sich hatte. Schließlich kam ihr Mrs. Norris zu Hilfe. Sie hatte sie kurz angesehen und war dann aus der Halle gestoben, um Filch Bescheid zu geben. Alsbald platzte dieser denn auch herein und schrie wütend, auf Sabrina deutend:

„Ein Betrüger! Hochstapler!" und lud eine unverständliche Schimpftirade auf ihr ab. Jetzt kam Tumult in die Menge. Zwei Filches standen sich gegenüber, einer schrie und schimpfte, der andere wies die Beschuldigungen von sich und fing seinerseits an, auf den angeblich falschen Filch zu deuten und ihn des Gauklertums zu beschuldigen. Keiner der Anwesenden schien erkennen zu können, wer der richtige war, bis Mrs. Norris sich zu Füßen ihres echten Herrn aufstellte und Sabrina anklagend ansah. Damit gab sie auf und fiel in ihr eigenes Ich zurück, mitsamt ihrem kaum mehr hörbaren deutschen Akzent, an dem sie trotzdem sofort erkannt wurde.

Ernie sicherte sich lachend sofort ihrer Hand und sie tanzten vergnügt.

„Ich hab mich schon gefragt, wo du bleibst!" sagte er zu ihr.