Papierkram: Vielen lieben Dank für eure Reviews! Was denn, nur drei davon diesmal? Wisst ihr, ich könnte ehrlich auf die Idee kommen, diese Geschichte in den Mülleimer zu schmeißen, wenn so wenige Leute diese Geschichte lesen... :fies grins:. Also, lasst bitte kurz von euch hören, sagt mir, wie euch die Geschichte gefällt, der Stil, ob ich die Charaktere richtig übernehme, ob es spannend oder doch zu langatmig ist...

Auf das Review von Padfoot's Mate hin noch mal ein Hinweis: In meiner Geschichte sind etwa anderthalb Jahre seit dem Schulabschluss der Rumtreiber vergangen, und in dieser Zeit ist nichts passiert, was ich nicht schon erwähnt hätte. Es gibt noch keine Prophezeiung, die Potters haben noch nie Voldemort getroffen usw.

Bitte geduldet euch noch ein weiteres Kapitel für Remus, dann kommt er aber bestimmt. Ach ja, und bevor ich es vergesse: Mir gehört immer noch nichts :schnüff:...


Mors Ante Infamiam

Eine Geschichte der vergessenen Helden


Januar 1979. Unterricht mit Jepedina.

Seien Sie froh, dass ich keine Zeit für eine Närrin wie Sie habe, Bagnold. 39 Auroren mögen nach viel klingen, aber vergessen Sie nicht, dass auf einen von ihnen zehn verdammte Todesser kommen." - Alastor Moody, Antwortschreiben an Millicent Bagnold.


Die zehn Rekruten der 77er Klasse fläzten sich in einem der Unterrichtsräume auf ihren Sitzen und nutzten die Verspätung ihres Lehrers dankbar, um sich von einem vierstündigen Basistraining zu erholen. Sirius streckte sich, seufzte, als ein Wirbel mit einem Knacken zurück in seine Ausgangsposition sprang, und neben ihm gähnte Altair Pepples offen und haltlos.

Man hatte sie in zwei Teams geteilt - Sirius hatte sich neben Lucia Sarinelli, Kenneth Thomas, Nancy Malt und dem unsäglichen Artemis Clearwater in Alice Longbottoms Team wieder gefunden. Die Trainingsbereiche der Zentrale zählten zu den magischsten Orten im ganzen Ministerium, waren mit Lage um Lage fieser Zauber ausgestattet, und Longbottom hatte nach der Hälfte der Zeit ihre Zauberstäbe konfisziert und sie hartherzig schuften lassen. Sirius verspürte jetzt noch den Drang, instinktiv auszuweichen, wenn er sich beobachtet fühlte, und wenn er Altairs zitternde Hände musterte, musste es Gruppe 2 noch schlimmer ergangen sein. Longbottom war okay; Meadowes kannte keine Gnade.

Sirius nutzte die Gelegenheit, seine noch immer flatternden Muskeln zu entspannen, während er halbherzig zuhörte, wie Sarinelli über ihre Probleme mit Duellzaubern jammerte, ab und zu kommentiert von einem abwesenden, vermutlich zustimmend gemeinten Brummen Rockwoods. Sarinelli hatte jeden Grund zu jammern - wann auch immer sie den Zauberstab hob, sie hinterließ ein Schlachtfeld. Stieß man auf explodierte Möbel, nur halb verwandelte Gegenstände oder Löcher in Wänden, die nur von gescheiterten Levitationsversuchen stammen konnten, konnte man sich Sarinellis Anwesenheit sicher sein. Rein von ihrem Talent gehörte Lucia nicht wirklich in die Zentrale, doch ihre Entschlossenheit, einfach zu agieren, was auch immer geschah, ließ Sirius sicher werden, dass Fenwick sie nicht nach Hause schicken würde. Immerhin setzte eine verwandelte Keule einen Todesser außer Gefecht, ganz egal, ob sie Federn hatte oder nicht.

Apropos Fenwick - Altair neben ihm spielte schon ungeduldig mit seinen roten Haaren, ein deutliches Zeichen dafür, dass er ungeduldig wurde...

Sirius warf gerade einen Blick auf die Uhr, nur um festzustellen, dass der Trainingsleiter sich bereits fünf Minuten verspätet hatte, als sich die Tür öffnete und eine Aurorin herein schritt, die sie bisher nur aus der Ferne gesehen hatten - außer Sirius natürlich, der gelernt hatte, die schlanke, hoch gewachsene Frau mit dem unordentlichen Haar als Ersatzmutter zu lieben. Dennoch beeilte er sich bei ihrem Anblick ebenso wie seine Klassenkameraden, die Beine vom Tisch zu nehmen und sich zurecht zu setzen. In dieser Situation war Jepedina Potter nicht die Mutter seines besten Freundes, sondern die hochrangigste Aurorin des Ministeriums.

„Guten Morgen", sagte sie gelassen und ließ den Blick über die zehn so unterschiedlichen Rekruten streifen. Einen Augenblick später schien sie zu einer Entscheidung zu kommen, denn sie legte sacht die Finger aufeinander und lächelte leicht. „Benjy Fenwick ist heute nicht verfügbar, also werde ich diesen Unterricht übernehmen."

Altair grinste ihn begeistert an, und Sirius erwiderte das Grinsen, während andere um ihn herum sich ebenfalls Seitenblicke zuwarfen - dann jedoch verdüsterte sich sein Blick. Fenwick hatte sich in anderthalb Jahren kein einziges Mal entschuldigen lassen. Seine Abwesenheit konnte nichts Gutes bedeuten... Dennoch, es ergab sich selten eine Gelegenheit, von der berüchtigten Potter selbst unterrichtet zu werden.

„Also", fuhr Potter fort. Sie stand einfach im Raum, unterstrich ihre Worte mit knappen Gesten, die dem aufmerksamen Beobachter viel zu sanft erschienen wären. „Das heutige Thema ist der Imperius-Fluch. Ich weiß, langsam wird es langweilig, aber die Unverzeihlichen sind ein Thema, über das man nicht häufig genug sprechen kann. Auf keine anderen Flüche werdet ihr im Feld häufiger treffen. Im Gegensatz zum Folterfluch besitzt Imperius auch breiten praktischen Nutzen, und ihr werdet oft in die Situation kommen, in der er euch selbst nützlich werden kann."

Sie hielt einen Augenblick inne, um sich auf das Lehrerpult zu setzen, und rutschte gelassen hin und her, bis sie eine bequeme Position gefunden hatte. Einen Augenblick lang ähnelte sie sehr James, obwohl sie nur Statur und Haar an ihren Sohn weitergegeben hatte. Sirius nutzte die Pause, um sich zu fragen, ob Fenwicks Abwesenheit mit dem Thema zu tun hatte - immerhin wusste jeder von dem ewigen Hass zwischen dem Auroren und Mulciber, und Mulciber galt als Spezialist in der Anwendung des Imperius-Fluchs. Dann jedoch - nein, Fenwick war besser als das. Doch der leichten Unruhe im Raum nach schienen auch andere seinen Gedanken gefolgt zu sein.

„Nach diesem Desaster 1976, das manche Leute immer noch Kriegsbeginn nennen, hat das Ministerium Auroren die Anwendung der Unverzeihlichen erlaubt.", fuhr Potter fort. Nur ein leichtes Zucken ihres Mundwinkels verriet, was sie davon hielt. Nicht jeder Auror unterstützte diesen Erlass, wie Sirius wusste, und fairer Weise überließ man die Entscheidung, ihn zu nutzen, jedem einzelnen. Jepedina sprach beim Sonntagsessen nicht über Arbeit, doch ihre Abneigung gegen diese Flüche konnte in der Zeitung nachgelesen werden. „Entsprechend müsst ihr euch mit den Anwendungsmöglichkeiten der Flüche vertraut machen. Dorcas Meadowes wird euch nächste Woche praktisch einweisen. Sie ist mit dem Imperius-Fluch sehr vertraut."

Irgendwie überraschte Sirius das nicht im Geringsten. Als er vor einigen Tagen Fabian Prewett bei einer Recherche assistierte, hatte er mitgehört, wie Meadowes Moody über eine ihrer „Ideen" bekniete - offenbar hatte sie vorgeschlagen, Eingreifzauberer mit Muggel-Pistolen auszustatten. Und Kugeln, die bei Hautkontakt einen kleinen Cruciatus zündeten. Moody war nicht sonderlich begeistert gewesen.

Wieder dachte Sirius an Fenwick. Er konnte den Auroren nicht leiden, und das Gefühl beruhte auf Gegenseitigkeit - aber seine Abwesenheit war ungewöhnlich. So es in der Zentrale je etwas Gewöhnliches gegeben hatte zumindest.

„Ebenso wie die Legilimentik dient der Imperius-Fluch dazu, den Geist eures Ziels zu penetrieren", fuhr Potter ruhig fort. „Im Gegensatz zu Legilimens jedoch bleiben euch seine Gedanken verschlossen. Versuche, die Absichten eurer Ziele zu verändern, sind daher zum Scheitern verurteilt. Eure Konzentration muss auf ihren Handlungen liegen. Das ist zu Anfang eine Umstellung, lässt sich mit unterstützenden Zauberstabbewegungen jedoch schnell erlernen...

Und jetzt fragt endlich, was ihr fragen wollt, wenn ich anders nicht eure Aufmerksamkeit bekomme.", fügte sie nach einer Pause in amüsiertem Tonfall hinzu. Die Klasse wurde mit einem ernsten, fragenden Blick bedacht, und Sirius konnte nicht anders als zu schmunzeln, als sich rechts und links von ihm Augen schuldbewusst senkten.

„Mrs. Potter", sagte er schließlich, als kein anderer den Mut aufbrachte. Ihre Blicke trafen sich einen Moment lang, und Sirius sah, dass sich das Funkeln in seinen Augen in Jepedinas spiegelte, der die förmliche Anrede aus seinem Mund ebenso unvertraut war wie ihm. „Ich glaube, wir fragen uns alle, wo Fenwick ist. Er hat noch nie gefehlt. Es ist doch nichts passiert, oder?"

Es überraschte ihn nicht, dass Jepedina zur Antwort laut auflachte, aber dafür beruhigte es seine Sorgen. „Oh, muss das schlimm für euch sein!" Sie schüttelte grinsend den Kopf. „Fenwick ist nicht da, und ich rede auch noch von Imperius-Flüchen!" Dann beruhigte sie sich und kehrte zu ihrer vormaligen Gelassenheit zurück. „Benjy geht es bestens, und er ist aus ziemlich erfreulichen Gründen entschuldigt", erklärte sie. „Er bezieht heute eine eigene Wohnung."

Ungläubige Blicke antworteten ihr. „Aber wieso das denn?", fragte Artemis Clearwater, dem die ständige Anwesenheit ihres Ausbildungsleiters in der Zentrale sehr viel besser gefallen zu haben schien als ihm - Sirius verdrehte die Augen, und Altair neben ihm bemerkte es und schnaubte, als er ein Lachen unterdrückte.

Jepedinas Mundwinkel zuckten. „Nun ja, ich persönlich finde es nicht weiter schlimm, morgens mal wieder die erste im Büro sein zu können. Fenwick hat nicht immer hier bei den Unterrichtsräumen gewohnt, wie ihr wisst. Er ist erst letzten Winter eingezogen, und es war eine Notlösung. Ihr wart doch damals schon hier."

Protestierendes Murmeln antwortete. Alle Auroren, und insbesondere Rekruten, liebten die alten Geschichten. „Wir haben damals gar nicht genau mitbekommen, was passiert ist", widersprach Nancy Malt, und Altair nickte bekräftigend.

„Genau. Wir waren viel zu vergraben in die Zaubererethikessays, die er uns den ganzen Tag schreiben ließ." Er erntete verhaltenes Lachen, und auch Jepedina lächelte.

„Na, in dem Fall kann ich euch die Geschichte natürlich nicht vorenthalten", gab sie nach. Sirius hatte das Gefühl, dass Jepedina Potter den Unterricht an jedem Tag sehr viel strikter durchgezogen hätte, aber selbst sie schien erleichtert darüber, ein einziges Mal keine Todesnachricht überbringen zu müssen. Seit Theodore Vance hatten sie bereits einen weiteren Auroren verloren - Ernest Diggory, den ältesten Veteranen neben Moody. Er starb an dem Tag, an dem sein Enkelsohn geboren wurde.

„Wie ihr wahrscheinlich wisst, verbindet Benjy und den jüngeren Mulciber eine besondere Hassliebe", begann sie nach einem Augenblick des Überlegens. Bei ihren nächsten Worten verdrehte sie die Augen. „Wir haben nicht viel gegen Mulciber in der Hand, aber in der Zentrale ist es ohnehin ein offenes Geheimnis, also was soll's - solange ihr nicht direkt zum Tagespropheten damit rennt..."

Der beiläufige Kommentar wurde mit erwartungsvollem Schweigen beantwortet. Man konnte in der Zentrale nicht viel verbergen, und die meisten der anwesenden Rekruten waren schon rein zufällig über mehrere dieser offenen Geheimnisse gestolpert; es blieb so lange politisch inkorrekt, Mulciber einen Todesser zu nennen, wie er nicht überführt war. Daher erkannten Sirius und viele seiner Kameraden den Vertrauensbeweis - nun, außer vielleicht Artemis, der skeptisch die Stirn kräuselte. Im Gegensatz zu Sirius glaubte dieser Rekrut definitiv nicht, dass Regeln dazu da waren, gebrochen zu werden.

„Benjy ist möglicherweise der einzige Auror in dieser Zentrale, der keinen Angriff von Voldemort selbst fürchten muss", fuhr sie fort. Hier und da zuckte jemand zusammen. „Der Dunkle Lord hat Mulciber Benjy sozusagen ‚geschenkt'." Sie schnitt eine Grimasse. „Mulciber hat ihn 1977 ein halbes Dutzend Male angegriffen und kam ihm davon viermal nahe genug für einen Kampf. Benjy lebt noch, weil er ein hervorragender Auror ist und das Glück eines Banshee hat."

„Daher hat er auch diese Narbe, nicht wahr?", fragte Carl Spinnet neugierig. Natürlich wusste jeder, welche Narbe gemeint war - sie begann auf Kinnhöhe, zog sich an stechenden blauen Augen vorbei, bis sie unter blondem Haar verschwand, und zerfurchte ein ansonsten makelloses Gesicht in zwei Hälften. Die anderen Auroren hatten Fenwick eine Zeitlang schlicht „Narbe" genannt, bis der Witz alt wurde.

Jepedina nickte. „Ja, und er kann froh sein, dass er sein Auge nicht verloren hat.", stimmte sie zu. „Wie auch immer, vergangenen März war es vermutlich erneut Mulciber, der ein paar Kumpanen überredete, einen weiteren Angriff zu versuchen, und diesmal ging er schlauer vor als sonst. Wenn ich so darüber nachdenke, ist es ein ausgezeichneter Lehrfall." Sie dachte kurz darüber nach, nickte schließlich für sich und setzte sich zurecht, wieder ganz die Lehrerin.

„Benjy kam spätnachts von der Arbeit und besaß wie immer die Voraussicht, vor seine Wohnung, nicht in sie hinein zu apparieren - etwas, was ihr euch ebenfalls schleunigst angewöhnen solltet, wenn ihr es nicht schon getan habt. Er apparierte also in den Vorgarten und sah gerade noch seine Haustür hinter dem letzten Todesser zufallen." Ihr Blick schweifte erwartungsvoll über die Klasse. „Also?"

„Wenn er schnell reagiert hat, konnte er ihn vielleicht noch mit einem Fluch erwischen", spekulierte Marcus Filch, und Jepedina hob missbilligend die Augenbraue.

„Die Tür verzaubern und sie einsperren", schlug Sarinelli vor, und der eine oder andere hob zu Protest an. „Dann nichts wie weg und Verstärkung holen."

„Besser", kommentierte Jepedina trocken, doch ihr Ton konnte nicht verhüllen, dass sie die Idee für Selbstmord hielt. Als sie ihren Blick erneut schweifen ließ, blieb er schließlich an Sirius hängen, und wieder umspielte ihre Lippen ein leichtes Lächeln, als sie fragend die Augenbraue hob.

Sirius nahm sich Zeit, den Blick abschätzig zu erwidern, während er nachdachte. Ihm entging nicht die Neugierde in den Augen von James' Mutter. Naja, immerhin erlebte sie ihren erklärten Ersatzsohn gerade zum ersten Mal auf ihrem Gebiet. Bevor er antwortete, rief er sich die Situation vor Augen und wog ab. „Ich würde gleich verschwinden", entschied er sich sorgfältig. Sich in den Stuhl zurückfallen lassend, erklärte er. „Ich weiß nicht, wie viele es sind oder ob sie wirklich alle im Haus sind. Vielleicht warten sie schon auf mich und haben Schilde bereit. Wenn ich Zeit verliere, bin ich vielleicht jeden Moment tot."

„Sehr gut." In Jepedinas Augen schien echter Stolz, und Sirius' Herz zog sich einen Augenblick lang schmerzhaft zusammen. Es war der Blick, den er sich so viele Jahre lang von seiner Mutter erhofft hatte, bevor er endgültig die Realität akzeptierte - im Sommer nach dem fünften Schuljahr, kurz bevor Jepedina verkündete, dass er selbstverständlich bleiben konnte, solange er wollte.

„Genau das hat Benjy getan, und genau aus diesen Gründen", fuhr Jepedina fort, und ihre Augen nahmen wieder die ganze Klasse wahr, wurden wieder geschäftig. „Er apparierte, sah die Tür zufallen und disapparierte. Fünf Minuten später waren wir vor Ort, aber sie waren schon weg. Wir haben nie rausgefunden, wie sie die Schildzauber über dem Haus gebrochen haben, daher zog Fenwick in der Zentrale ein..." Ihre Augen funkelten wieder. „und quälte Rekruten durch seine pure Anwesenheit." Die Schüler schmunzelten. „Das ist auch der Hauptgrund, warum wir Fenwick hauptsächlich in der Ausbildung einsetzen. Nicht zum Quälen, meine ich, obwohl er das auch hervorragend beherrscht, sondern weil es sich durch seine Anwesenheit anbot.

An seiner Position als euer Ausbilder wird sich aber vorerst nichts ändern, jetzt, wo er eine neue Wohnung hat, also macht euch keine Hoffnung." Sie zuckte mit den Achseln, und dann faltete sie wieder die Hände, ein deutliches Zeichen, dass das Intermezzo beendet war. „Kommen wir also zu den Anwendungsmöglichkeiten des Imperius-Fluchs im Feld. Mein erstes Beispiel ist eine Mission letzten August, bei der Ace McKinnon und Claudia Shawn in der Winkelgasse angegriffen wurden und Imperius sehr erfolgreich einsetzen konnten..."

Bevor Jepedina ihren Zauberstab zog und ein Pergament mit einem Verlaufsschaubild entrollte, warf sie Sirius noch einen letzten Blick zu und schenkte ihm ein ermutigendes Lächeln.


Alice fand Frank im Garten, auf der kleinen Holzbank bei den hinteren Hecken. Man konnte das ganze Dorf von hier übersehen.

Er sah nicht auf, als sie näher kam, und auch nicht, als sie sich neben ihm niederließ, störte sich nicht daran, dass sie ihn musterte. Die Nachdenklichkeit in seinen Augen erinnerten sie an Hogwarts. Sie selbst hatte nach der Schule ein Jahr Quidditch gespielt, Jägerin bei den Londoner Löwen, bis sie es nicht mehr mit ansehen konnte - damals räumten sie noch Grindelwalds Chaos auf - und ihm in die AMS folgte. Doch Frank hatte sich schon in der fünften Klasse für den Aurorenberuf entschieden. Ihn jetzt in langen, weichen Roben zu sehen, kein Dreck im Gesicht, kein Zauberstab in der Hand, nicht auf dem Sprung in die Zentrale oder über einem Bericht an Dumbledore - das gehörte nach Hogwarts, nicht in die Gegenwart.

Vielleicht begann ihn die Musterung schließlich doch zu stören, denn er sah zu ihr auf, lächelte und ließ den Blick über den Schmutz in ihren Roben schweifen, bevor er die Hand hob und ihr mit einem Daumen etwas, vielleicht Dreck aus dem Gesicht wischte. „Langer Tag?", fragte er leise; seine Hand verharrte auf ihrer Wange, und Alice hob ihre, um sie zu ergreifen.

„Eigentlich nicht." Auch sie hielt die Stimme gesenkt, um den andächtigen Moment für ihn nicht zu stören, worüber auch immer er nachgedacht hatte; Frank hatte sich jeden Moment der Ruhe verdient. „Ich war den ganzen Tag mit den Zweitklässlern im Training. Malt macht sich gut. Und Clearwater wird endlich diese Zauberstabzuckungen los."

„Wurde auch langsam Zeit." Er wandte sich wieder ab, ließ erneut den Blick über die dämmernden Hügelketten und die ersten Lichter in den Häusern unter ihnen schweifen. Alice verstand, dass jetzt nicht der Zeitpunkt für nichts sagende Plaudereien war, und gab sich damit zufrieden, die Aussicht zu genießen. In den letzten anderthalb Monaten hatte sie Geduld gelernt. Der Anblick Franks, als sie ihn im Keller der Nott-Residenz fand, hatte es ihr leicht gemacht.

Sie hatte Amanda Nott persönlich nach Askaban eskortiert. Und irgendwann, hatte sie sich geschworen, würde Bellatrix Lestrange ihr folgen - die Frau, die ihren Mann verletzt hatte.

Minuten des Schweigens vergingen. Frank war immer ein ruhiger, ausgeglichener, gelassener Mann gewesen, selbst angesichts dessen, was ein Auror an den schlimmsten Tagen zu sehen bekam. Ihm war es gelungen, dass sie sich sicher fühlen konnte in einem Haus, das bereits einmal beinahe unter der Attacke Voldemorts selbst zerstört worden war - '76 war das gewesen, und nichts als Merlins Glück hatte sie gerettet. Zwei Tage, in denen sie geglaubt hatte, dass Frank verloren sei, hatten ihr Angst gemacht - doch zu sehen, wie er nach der Nott-Mission fast zerbrach, hätte sie beinahe gebrochen.

Und sie hatten erneut Voldemort gegenübergestanden, Frank so viel mehr als sie. Zum dritten Mal. Später in St. Mungo, als der Adrenalinstoß versiegt war, hatte Alice einen Beruhigungstrank akzeptieren müssen, weil alles in ihr zitterte. Der Tagesprophet hatte neben dem Missionsbericht sogar einen Artikel über die Magie der Zahl Drei gebracht... Und die Zentrale rumorte; Auroren waren ein abergläubisches Pack.

Dreieinhalb Wochen hatte Frank im Zaubererkrankenhaus verbracht... dreieinhalb Wochen, während all die gebrochenen Knochen heilten, andere zurück ins Gelenk sprangen, Peitschenmale und Wunden verheilten und einen vormals beinahe unversehrten Körper vernarben ließen. Selbst Alice hatte nur wenige Male einen solchen Anblick vor sich gehabt - sachtes Tippen von Bellatrix Lestranges Zauberstab hatte Franks rechten Unterarm zwölfmal gebrochen; zwölfmal, mit je einem sorgfältigen Zentimeter Abstand dazwischen. Und eine Woche war in der Abteilung für Magische Fluchschäden vergangen, bis er annähernd das Gewicht zurückerlangt hatte, das ihn zwei Tage ohne Nahrung und vier weitere in St. Mungo, bevor er wieder schmerzfrei schlucken konnte, gekostet hatten.

Jepedina hatte ihr eine Woche Urlaub gewährt, als er entlassen wurde, und auch wenn Frank kein Wort darüber verlor, was im Gewölbe der Nott-Residenz geschehen war, hatte sie sich um ihn gekümmert, für ihn gekocht (obwohl sie es nicht konnte), dafür gesorgt, dass er Ruhe bekam, und ihn gehalten, bis er nicht mehr zitterte. Der gehetzte Ausdruck in seinen Augen war jetzt die meiste Zeit verschwunden. In der letzten Woche hatte sie vorsichtig entschieden, dass Frank wieder er selbst wurde.

Er wird wieder er selbst - plötzlich wusste Alice sehr genau, was er gleich sagen würde, was dieses Schweigen bedeutete, so sehr sie gewünscht hätte, dass er sich dagegen entschied. Doch wer war sie, zu protestieren? Die Möglichkeit, auszusteigen, hatten sie beide schon lange verpasst.

„Wann fängst du wieder an?", fragte sie leise und drückte seine Hand.

Er schwieg noch einen Moment lang. „Eine Woche", sagte er dann und sah auf das Dorf hinab. „Genug Zeit für Konditionstraining. In einer Woche bin ich wieder im Feld."


Tbc...