Papierkram: Harry Potter und das Universum, das sich um ihn rankt, gehören J.K. Rowling, nicht mir.

Ich liebe eure Reviews. All das Lob macht furchtbar süchtig; ich glaube, ich schreibe jetzt nur noch Fan Fiction :lach:. Danke dafür, Katharina-B, wie du immer alles reflektierst und Details hervorhebst. Danke, MaryJaneKelly, für das grandiose Lob über Lilys Schwangerschaft (immerhin habe ich extra recherchiert! Äh, meine Mutter angerufen...). Danke, Avallyn, für das Lob (wenn du geschwollen klingst, wie kling dann erst ich!). He, wohin ist eigentlich Padfoot's Mate verschwunden? Ich vermiss deine Reviews... Danke auch allen anderen, aber ich will nicht den Rahmen sprengen, indem ich jeden aufliste :-).

Kirschblüte - „Mors Ante Infamiam" heißt „Tod über Unehre", oder „eher sterben als die Ehre verlieren", so was in der Art. Wie versprochen (und nicht nur für Dracolein ;-)) kommen jetzt die Rumtreiber. Alle. Hach, ich liebe den Namen des Kapitels. Wendepunkte. Je nach Stimmung zähle ich bis zu fünf Wendepunkte in diesem Kapitel - manche als solche erkennbar, andere nicht...


Mors Ante Infamiam

Eine Geschichte der vergessenen Helden


August 1980. Wendepunkte.

Millicent - Wissen Sie noch, wie ich sagte, wir seien zehn zu eins unterlegen? Vergessen Sie das. Auf einen von uns kommen mittlerweile zwanzig Todesser, sie töten einen nach dem anderen. Kein Spion, he? Mir ist egal, was Sie unternehmen, aber tun Sie es schnell." -- Alastor Moody, in einem Schreiben an Millicent Bagnold.


„Oooh!", rief Lydia Corday erstaunlich mädchenhaft. Dorcas Meadowes' Kopf fuhr bei dem Geräusch scharf hoch - Fabian und Gideon Prewett sprangen beinahe simultan in ihren Bürozellen auf und sahen sich alarmiert um - Caradoc Dearborn drängte sich schon begeistert an Lydia vorbei, um zuerst am Eingang zu sein, konnte sie jedoch nicht schlagen - Ace McKinnon setzte einen verwirrte Miene auf, bis er die Situation durchschaute, und begann dann verhalten zu lachen. Sirius schüttelte grinsend den Kopf.

Frank Longbottom und James Potter hatten die Aurorenzentrale betreten. Jeder von ihnen trug ein zappelndes Bündel im Arm, und während Franks Gepäck verwirrt mit winzigen Händen vor sich hin wedelte, sah sich James' nur mit Augen groß wie Quaffeln in der neuen Umgebung um.

„Sind die süß!", quietschte Lydia, als sie schlitternd vor den beiden Vätern zum Stehen kam, und Sirius hatte Mühe, ein Lachen zu unterdrücken. Er wünschte sich eine Kamera - er könnte die Frau noch im nächsten Jahrhundert damit erpressen. „Darf ich ihn halten?"

James und Frank warfen sich amüsierte Blicke zu, während James der Aurorin wortlos seinen Sohn aushändigte. Sofort begann Lydia auf Harry einzuschwatzen, und er starrte sie mit verwunderten Augen an. Offensichtlich froh, die Arme einen Augenblick lang freizuhaben, gesellte der frisch gebackene Vater sich zu Sirius, wenn er auch Lydia kritisch im Auge behielt.

„Lily bringt dich um, wenn sie erfährt, dass du ihn mitgebracht hast", bemerkte Sirius und lehnte sich gegen die Wand der nächsten Zelle - jedoch nicht, bevor er sich nicht vorsichtig umgesehen und festgestellt hatte, dass von Moody tatsächlich ausnahmsweise nichts zu sehen war.

James grinste. „Und die AMS-Leute hätten uns umgebracht, wenn wir nicht wenigstens kurz vorbei gesehen hätten. Gib Frank die Schuld."

Sirius überlegte kurz, ob er seinen Freund darauf hinweisen sollte, dass es besser wäre, nicht mit Frank Longbottom zu konspirieren. Immerhin hatte der es nur mit Alice zu tun, einer so abgebrühten Frau, dass sie während der Schwangerschaft mindestens zwei Todesser getötet hatte. Er wurde jedoch in der schwierigen Entscheidung unterbrochen, als Caradoc Dearborn sich näherte.

„Dein Baby hat dieselben Augen wie Lily!", rief der Auror beeindruckt und gestikulierte in Richtung von Lydia, als ob er Harry für James identifizieren müsste. „Ich habe noch nie ein Baby gesehen, das so sehr seiner Mutter ähnlich gesehen hat..."

„Du hast noch nie irgendein Baby gesehen, Dearborn", unterbrach ihn Dorcas trocken, die sich mittlerweile erbarmt und der Versammlung angeschlossen hatte. Sie verschränkte demonstrativ die Arme vor der Brust, damit niemand auf die Idee kam, dass sie freiwillig ihre Arbeit unterbrach. „Ist ja auch kein Wunder. Welcher Irre lässt sein Kind schon in deine Nähe? Nichts für ungut, Potter." Doch James grinste nur zur Antwort.

Das ist nicht wahr, Meadowes. Zu deiner Information, ich habe dreizehn jüngere Cousins." Caradoc richtete sich ein wenig auf, um seinen pointierten Worten eine größere Bedeutung zu verleihen, doch auch er wurde unterbrochen. Lydia Corday (Harry war in Fabian Prewetts Arme gewandert und wurde von Gideon gekitzelt) und Ace McKinnon schlenderten näher. Frank folgte ihnen gemächlich; Neville nahm jetzt Susanna Smith in Beschlag.

„Glückwunsch, James. Und Glückwunsch, Onkel Sirius, nehme ich an", begann Ace ohne Vorrede, warf Lydia einen Seitenblick zu und rieb sich die Hände. „Lydia und ich haben gerade die Zukunft eurer Kinder diskutiert."

James und Sirius warfen sich einen fragenden Blick zu - Sirius' Blick wanderte weiter zu Longbottom, doch der Seniorauror grinste nur friedlich. Irgendwie ahnte Sirius, was jetzt kommen würde. Er trat schon einmal einen vorsorglichen Schritt von James weg.

„Wäre es nicht weiser abzuwarten, bis Harry so fünfzehn, sechzehn ist?", fragte James vorsichtig. „Vielleicht will er ja gar kein Auror werden. Ich meine, die Frauen stehen alle auf die Fluchbrecher, nicht wahr?" Er grinste breit.

Sirius zupfte beiläufig an seinen Robenärmeln. „Und wieso sollten Frauen an Bürohengsten interessiert sein?"

„Wegen der größeren Überlebenschancen", antwortete James prompt. „Rein statistisch lauft ihr die größere Gefahr, vorzeitig im Bett zu sterben."

Als Antwort stieß Sirius sein bellendes Lachen aus, das ihm die Chance auf einen Gegenschlag nahm, und Ace und Corday nutzten die Gelegenheit. „Eigentlich geht es nicht ganz darum", erwiderte Ace schulterzuckend und holte ein Pergament aus der Tasche. „Lydia hier wettet drei Galleonen und zehn Sickel, dass Neville und Harry mit demselben Job enden, und zwar entweder..." Er sah auf das Pergament. „...professionelle Quidditch-Spieler oder Auroren. Gideon hingegen ist überzeugt, dass Harry durch den verderbten Einfluss seines Paten in einem Scherzartikelladen enden wird, während Neville in die, und ich zitiere, ‚übergroßen Fußstapfen seines nichtsnutzigen Vaters' tritt. Er bietet dafür zwei Galleonen, neun Sickel und fünf Knuts. Dann wäre da noch Caradoc, der eine Höchstsumme von vier Galleonen und fünf Sickeln darauf setzt, dass..."

„Das könnt ihr doch unmöglich in den letzten fünf Minuten fabriziert haben." Ungläubig riss James Ace sein Pergament aus der Hand und warf einen Blick darauf. Sirius nahm an, dass er Namen wie ‚Benjy Fenwick' oder auch ‚Jepedina Potter' entdeckt hatte, als er aufsah. „Wie lange läuft das schon?"

„Öhm, seit Januar." Ace schien nichts Ungewöhnliches an dieser Antwort zu erkennen, und James, noch ungläubiger, vertiefte sich wieder in die Liste. Sirius blieb wachsam, doch er nutzte die Chance, einen weiteren Blick durch die Zentrale zu werfen. Immer noch kein Moody in Sicht - gerade, wo er ihn brauchen könnte...

„Sirius", sagte James dann leise und ungläubig. Möglichst unschuldig drehte der Auror sich zu ihm um; im Augenwinkel bekam er mit, dass Frank Longbottom Mühe hatte, ein Lachen zu unterdrücken.

„Was gibt's, Krone-Schatzie?", erwiderte er in einem Versuch, ahnungslos zu klingen.

James' Augenbraue hob sich gefährlich. „Warum genau glaubst du, dass mein Sohn als Lehrer für Pflege Magischer Geschöpfe enden wird, anstatt sich eine sinnvolle Arbeit zu suchen, die seinen überlegenen magischen und geistigen Fähigkeiten entspricht, die er selbstverständlich von seinen Eltern übernehmen wird?" Nur James konnte so lange Sätze bilden. Man konnte in seinen Augen sehen, welches Bild er vor Augen hatte - eine jüngere Version von James, dem ein zutraulicher Hippogreif gerade die Ohren abknabberte - blanker Horror.

„Das war einfach." Sirius blieb unbeeindruckt und schaffte es sogar, ernst zu bleiben. „Immerhin wird er Tag für Tag mit ansehen können, wie man gefährliche, unintelligente und gänzlich hässliche Geschöpfe bändigt. Lily macht das jeden Tag mit dir, oder nicht? Und jetzt, Krone" Noch nie in seinem Leben war Sirius dankbarer gewesen, seinen Mentor entdeckt zu haben, der in Begleitung von Amelia Bones durch den Fluchbrecherkorridor erschien. Timing war eben doch alles. „muss ich wirklich gehen, bevor Alastor wieder den Klatscher macht."

Fröhlich grüßte er und setzte seine eigenen überlegenen Aurorenfähigkeiten ein, um sich so schnell wie möglich aus dem Staub zu machen - noch als er schon die Hälfte des Aurorenbüros durchquert hatte, spürte er trotz Franks offenem Prusten James' stechenden Blick im Rücken. Wenn sein Freund eins hasste, dann bei einem Schlagabtausch nicht das letzte Wort zu haben, wenngleich Sirius sicher war, dass er darüber hinwegkommen würde.

Moody hatte ihn bereits bemerkt - der alte Mann winkte ihn näher und bedeutete ihm zu warten, während er sein Gespräch beendete. Tänzerisch kam Sirius zum Stehen.

„...weiß nicht, was Bartemius plant", beendete Amelia gerade gereizt, ohne ihn eines zweiten Blickes zu würdigen. Nach beinahe einem Jahr Mentorenzeit war Sirius es lange gewohnt, als eine Art zweiter Schatten behandelt zu werden. „Es ist nicht so, als würde er mich in seine Pläne einweihen. Und ganz ehrlich, wenn er bei ein paar überführten Todessern Gerichtsverhandlungen verkürzen will, soll er das gerne tun."

„Er will nicht Gerichtsverhandlungen verkürzen!", grollte Moody düster. „Er will sie streichen! Und ich bin nicht so sicher, ob ich das zulassen kann. Das hier ist immerhin das verdammte Ministerium!" Er warf Amelia einen letzten scharfen Blick zu, bevor er herumfuhr und in Richtung Apparationsbereich davon schritt. „Black! Uns erwartet Arbeit! Du hast drei Sätze, um mir zu erklären, was zur Hölle hier los ist! Sind das etwa Bälger da vorne!"

Sirius seufzte leise und unterdrückte ein Grinsen. Wie er zufällig wusste, hatte Alastor Moody schon vor Monaten auf ‚Harry Potter - Hogwarts-Schulleiter' und ‚Neville Longbottom - Zaubereiminister' gesetzt, und dafür vier Galleonen und drei Sickel in den Pott wandern lassen.


Es gab Leute, die behaupteten, dass man einen Menschen nach dem Ort beurteilen konnte, an dem er lebte. Es stand zu bezweifeln, ob das in diesem speziellen Fall zutraf.

Man hatte das geräumige Büro zu einer Art Wohnzimmer umfunktioniert. So etwas geschah häufig, in den Zaubererfamilien, wenn eine Linie ausstarb und ein großes Haus in die Hände des allerletzten Erben fiel. Was sollte man schon ein ganzes Haus beheizen? Der Salon in dem alten Londoner Stadthaus war schon seit Jahren nur noch von Hauselfen betreten worden.

An den Wänden reihten sich Bücherregale. Interessante Bücher - Caradoc Dearborn hätte seine Freude an ihnen gehabt, aber wenn man es sich recht überlegte, hätte wahrscheinlich jeder Auror seine Freude daran gehabt, wenn auch aus anderen Gründen als ihr von Zaubertränken besessener Kollege. Aus diesen Büchern troffen die Dunklen Künste, beinahe wie aus einem lecken Krug.

Pflanzen säumten die Simse der mit dunklen Vorhängen verdeckten, hohen Fenster. Ein Pflanzenfreund soll ein freundlicher, sanfter Mensch sein? Nun, diese Pflanzen dienten pragmatischen Zwecken - ihre Blätter oder Wurzeln ließen sich ausgezeichnet in jene interessanten Dinge aus den Büchern weiterverarbeiten.

In einer Ecke, in einer Halterung stand ein Cello. Es gab dem Raum eine gemütliche Note, doch wenn man genau hinsah, konnte man feststellen, dass die Hauselfe es nicht an allen Stellen abgestaubt hatte, und dass man es schon seit einer sehr langen Zeit nicht mehr gespielt hatte. Vielleicht gehörte es dem Voreigentümer dieses Zimmers.

An den Wänden hingen alte Portraits, vielleicht von Ahnen und Familienmitgliedern. Eine einzige Stelle blieb leer; ein weißer Fleck zeigte, dass dort einst ein anderer Rahmen gehangen hatte, und Rußflecken bewiesen, dass man es auf recht unsanfte Weise entfernt hatte - mit einem Fluch wohl. Ein stürmischer, aggressiver Mensch also, der hier lebte.

Und der Schreibtisch: Schwer und aus dunkler Eiche, überfüllt mit Pergament um Pergament, in einer engen, krakeligen Schrift gefüllt mit hastigen Notizen. Ein ungeduldiger Mann. Und der Kamin: Die Hauselfe hatte das Feuer erst kürzlich wieder entfacht. Ein sorgsamer Mann, der sich so gut um seine Diener kümmerte, dass sie diese Aufgabe frühzeitig erfüllten.

Kein Eindruck hätte mehr täuschen können.

Viele Male war der junge Mann bereits hierher appariert, zurück in das Haus seiner Ahnen und in sein Arbeitszimmer, wo er Tag für Tag seine Studien fortführte, während er Nacht für Nacht ihre Ergebnisse zur Anwendung brachte. Manchmal war er zusammengesunken, wenn er ankam, hatte gestöhnt und den Zauberstab fallenlassen, anstatt ihn zurück in seine Todesserroben zu stecken, bevor er nach einem dankbar bereitstehenden Gegenmittel griff, das ihn zumindest vorübergehend von den Nachwirkungen des Cruciatus-Fluches befreite. War man ein Todesser und stand man dem Dunklen Lord so nahe, kam das ab und zu vor.

Heute stand der Todesser aufrecht, die Kapuze seiner Kutte noch über dem Gesicht, und als er sich unwillig den linken Unterarm rieb, schnitt er eine Grimasse. Es wäre leichter, wenn er diese Entscheidung getroffen hätte, weil er ein Feigling war, der vor den Schmerzen floh. Alle Slytherins waren Feiglinge, oder nicht? Es war eine nützliche Eigenschaft.

Nun, dieser Mann hatte es noch nie geschafft, mit dem Strom zu schwimmen. Nicht in Hogwarts, wo er der Freak gewesen war, den selbst das eigene Haus nur für die so interessanten Flüche akzeptierte, die er aus seinen Büchern hatte, und der es nie schaffte, diese Gryffindors von sich fernzuhalten. Er hatte das, woran er glaubte, damals schon einmal verraten, in seinem sechsten Schuljahr, unter Druck gesetzt von Dumbledore, auch wenn er eher erneut den Cruciatus-Fluch akzeptiert als es zugegeben hätte. Er würde es wieder verraten. Schon seit Wochen stand sein Entschluss. Er würde mit Leuten konspirieren, die er hasste, alle miteinander hasste.

Aber im Krieg ging es kaum um persönliche Freundschaften, oder nicht? Er wählte die Seite nicht nach seinen Freunden. Oh nein.

Er kämpfte diesen Krieg schon lange nicht mehr, weil er es für das Richtige hielt. Er kämpfte, um zu überleben. Hier ging es nicht um Ideale. Der Todesser schnaubte leise bei dem Gedanken.

Auf dem Treffen in dieser Nacht hatte er etwas erfahren, was der Gegenseite von zu großem Nutzen sein würde, als dass sie sein Angebot ausschlagen, ihn nach Askaban abschieben könnten. Die Entscheidung war getroffen. Er würde die Seiten wechseln.

Severus Snape ließ sich hinter seinem Schreibtisch nieder, hob nachdenklich die Augenbrauen. Er wusste, an wen er sich wenden musste, und nun begann er darüber nachzudenken, wie er es tat, ohne dass der Dunkle Lord davon erfuhr.


Keine Wolke bedeckte die hellblauen Himmelfetzen, auf die die hohen Gebäude der Winkelgasse den Blick freigaben; klares Sommersonnenlicht schien auf die merkwürdig verlassenen kleinen Tische des Fortescue-Eissalons. Der Tag war so wunderschön, dass das unbehagliche Ziehen in Remus' Magengrube beinahe ebenso surreal wirkte wie die allgemeine Leere der Straße vor ihnen - kaum einer ging heute noch vor die Tür, wenn er nicht musste.

Peter schien all die Kontraste nicht wahrzunehmen - nichts Neues hier -, und Remus amüsierte es beinahe zuzusehen, wie sein pummeliger Freund blind, taub und friedlich große Mengen von Eis in eine Öffnung schaufelte, die James vor vielen Jahren in ‚Futterluke' umgetauft hatte. Gleichzeitig war seine Stirn jedoch in einem Muster der Konzentration gerunzelt; er tat, was er (erstaunlich genug) am besten konnte - über Geschäfte nachdenken, und gerade jetzt handelte es sich um Remus' Geschäfte.

„Also zusammengefasst", sagte der junge Kesselverkäufer undeutlich, während er genießerisch einen Klumpen Vanilleeis auf seiner Zunge zergehen ließ, und gestikulierte mit seinem Löffel. „Gringotts bietet dir zwanzig Galleonen monatlich und variable Gefahrenaufschläge. Du bekommst Urlaubstage garantiert und eine teilweise Fluchversicherung ist inklusive. Und du wurdest zu keinem Zeitpunkt im Bewerbungsverfahren gefragt, ob du ein Werwolf bist?"

Remus sah sich vorsichtshalber um, bevor er antwortete, doch niemand befand sich nahe genug, um sie belauschen zu können. „Richtig", bestätigte er schließlich unbehaglich und warf seinem Freund einen vorsichtigen Blick zu, doch Peter war bereits wieder in seinen Becher vertieft, gänzlich glücklich mit sich und der Welt.

Jetzt zuckte er nach kurzem Nachdenken mit den Schultern. „Klingt für mich nach einem tollen Job. Nimm ihn an, wenn du mich fragst."

Remus war, als schrumpfe er in seinem Stuhl mehrere Zentimeter. Seinen eigenen Eisbecher hatte er vergessen, und der Klumpen in seinem Magen wuchs. Ich belüge meine Freunde, wiederholte er innerlich kläglich. Zurzeit konnte er sich selbst nicht leiden. Da sitze ich und bin frech genug, Peter um seine Meinung zu dem Job zu fragen, und nicht mal ihm sage ich, was das eigentlich genau für ein Job ist!

Innerlich stöhnte er; der Gedanke an Eis kam ihm trotz des Schweißes, der ihm bei der Hitze auf der Stirn stand, plötzlich mehr als abstoßend vor, und der Anblick der Türme aus Schokolade und Zucker auf Peters Löffel erleichterten die Sache nicht.

Nicht, dass er selbst genau wusste, was er überhaupt für einen Job annahm. Die Kobolde hatten sich zu dem Thema nicht gerade aussagefreudig gezeigt, und Remus nahm an, dass das genau der Grund war, warum ihnen die Bewerber ausgingen. Er brauchte kein Ohnegleichen in Geschichte der Zauberei, um sich denken zu können, über welche Sorte Job man sich besser bis nach Vertragsabschluss ausschwieg.

Und seine Freunde wussten es auch. Er wollte nicht wissen, was James oder Sirius ihm zu sagen hätten... die in der Ministeriumsabteilung arbeiteten, die in solchen Fällen ermittelten!

„Ich dachte nur... Naja, du kennst den Ruf der Kobolde...", setzte er zögerlich an, doch Peter wischte den Einwurf mit einer Handbewegung beiseite.

„Mach dir darüber keine Sorgen", schnitt er ihm kurzerhand das Wort an und klang so selbstsicher und wissend wie ein Zaubereranwalt. Zu jedem anderen Zeitpunkt wäre Remus wie so oft positiv überrascht gewesen, wie Peter in Pettigrews Kesselparadies aufgegangen war - wie er plötzlich die gänzlich unmagischen Talente eines Geschäftsmanns entdeckt hatte, die selbst James und Sirius in den Schatten stellten, und die konnten immerhin alles.

„Gringotts ist sauber", fuhr Peter jetzt fort. Er kratzte gerade die letzten Reste aus seinem Becher, während ein paar Tische entfernt ein Pärchen aufstand und sie beide als die tatsächlich einzigen Fortescue-Besucher an einem der heißesten Tage des Jahres zurückließ. „Wenn es das ist, was dir Sorgen macht. Ihre Fluchbrecher haben einen erstklassigen Ruf, und die Schreibtischjobs sind sogar noch heißer begehrt."

„Ja, aber das sind die Jobs, die die Öffentlichkeit sieht", erwiderte Remus bitter. Er hasste es, dass er überhaupt über einen Job wie diesen nachdachte, obwohl Peter kaum die Hälfte seiner Sorgen kannte. Peter hatte sich nicht für Vorstellungsgespräche tief unten in den Verliesen mit zwielichtigen Kobolden getroffen. Peter hatte nicht die Schatten, die Dunklen Künste, gespürt, in den Tiefen seines zukünftigen ‚Arbeitsbereichs'. Alles in allem glaubte Peter wie immer an das Gute im Menschen. Wenn er, Remus doch nur wüsste, was sie genau von ihm wollten! „Der Ruf von Gringotts kommt ja nun nicht von den Fluchbrechern."

Peter zuckte mit den Schultern. Er legte - mit einem letzten Blick des Bedauerns - seinen jetzt unbrauchbaren Löffel weg und lächelte Remus bestärkend zu. „Die AMS hat Gringotts schon immer im Auge gehabt", versicherte er und gluckste. „Du glaubst doch nicht, dass Tatze und Krone was Zweifelhaftes entgehen würde, oder nicht?"

Unwissend hatte er das Falsche gesagt. Remus starrte ihn eine sekundelang entsetzt an, bevor er sich fing. „Nein", antwortete er schwach. „Vermutlich nicht."

„Na also", fuhr Peter aufgeräumt fort. Abwesend fragte Remus sich, was in aller Welt ihn in so bemerkenswert gute Laune versetzt hatte. Nur in so einem Zustand konnte sein Freund aufhören, sich über alles und jeden Sorgen zu machen. Hatte er ihm je gesagt, wie unheimlich er dann James ähneln konnte? „Nimm den Job an, behalt ihn so lange wie möglich, und dann machen wir uns darüber Gedanken, wie wir das Geld am Besten anlegen. So ein gutes Angebot kriegst du so schnell nicht mehr, fürchte ich. Denk mal über Zaubererfonts nach."

Bevor Remus etwas erwidern konnte, war sein kleinwüchsiger Freund aufgesprungen und begann sich die Roben gerade zu ziehen. Wie konnte er es bei diesem Wetter nur mit langen Roben aushalten? Im Gegensatz zu Remus hatte er immerhin keine Narben auf den Armen zu verstecken... „Ich muss los, wir haben gleich ein Meeting. Wir sehen uns nächsten Vollmond?"

„Nächsten Vollmond", wiederholte Remus lahm. Ihm war danach, noch ein wenig weiter zu schrumpfen.

Bevor er sich wehren konnte, fielen ein paar Sickel auf den Tisch. „Das Eis geht auf mich!", rief Peter noch und winkte, bevor er mit beinahe hüpfenden Schritten davon ging und auf dem Weg zum Kesselparadies zwischen den spärlichen Passanten der Winkelgasse verschwand. Remus starrte ihm nach, ohne ihn richtig zu sehen.

So ein gutes Angebot kriegst du so schnell nicht mehr. Es stimmte. Er lebte seit Monaten von Dumbledores Almosen. Für die Ordensarbeit. Dass er nicht lachte. Niemand sonst wurde im Orden bezahlt - gut, niemand außer Lily, aber bei ihr war es anders. Die Stelle bei Gringotts war die erste, bei der er es seit Monaten zu einem Vorstellungsgespräch geschafft hatte. Die Kobolde waren gierig, jemanden mit seinen Fähigkeiten für... für was auch immer engagieren zu können, der Vertrag lag praktisch bereit...

Er schluckte. Sie werden es verstehen, dachte er und versuchte sich selbst zu überzeugen. Ich brauche den Job. Natürlich werden sie es verstehen!

Schließlich erhob auch er sich, und gleichzeitig fasste er den Entschluss. Er würde die Stelle annehmen, und wenn sich seine Befürchtungen bestätigten, würde er mit James, Sirius und Peter darüber reden. Sie würden es verstehen. Er brauchte das Geld. Und irgendwann würden sie ihn ohnehin wieder feuern.

Remus bemerkte weder die Hitze der Sonne in seinem Nacken, noch das fröhliche Zwinkern der Kellnerin, als er sich auf den Weg nachhause machte. Der Klumpen in seinem Magen wuchs.


Tbc...