Papierkram: Die Harry Potter-Bücher und ihre Inhalte gehören J.K. Rowling. Mir hingegen gehört immer noch nichts.

Vielen Dank für eure Reviews :-). Ich bin sehr erleichtert, dass das Kapitel so gut ankommt - immerhin war es eine der Schlüsselszenen, und Sirius' Gedanken zu formulieren war ziemlich schwierig. Padfoot's Mate - schön, dass du wieder da bist! Hab dich schon vermisst ;-). mono.tonie - Ja, ich erinnere mich an die GoF-Szene; ich hatte allerdings immer interpretiert, dass Dumbledore und Moody beide nur Zuschauer sind. Aber man könnte ja auch überlegen, ob Moody nicht nach Halloween irgendwann in den Zauberergamot „berufen" wurde. Wie auch immer - auch wenn es etwas wie Gewaltenteilung im Ministerium nicht zu geben scheint, glaube ich nicht, dass sie einen aktiven Auroren in den Zauberergamot setzen würden. Das wäre ja, als sei ein Polizist Richter.

Mein Gott, wir sind schon bei Oktober angekommen... Zur Erinnerung, drei Kapitel fehlen noch. Bitte schreibt mir, wo es doch bald vorbei ist, wieder viele Reviews :-). Ich wünsch euch viel Spaß beim Lesen!


Mors Ante Infamiam

Eine Geschichte der vergessenen Helden


Oktober 1981. Urlaub für immer.

Wir verlieren diesen Krieg." -- Amelia Bones, Diensttagebuch.


Die Aurorenzentrale lag in relativer Stelle da. Viele der Bürozellen bewohnte jetzt niemand mehr, vor allem, seit die Longbottoms sich auf unbegrenzte Zeit verabschiedet hatten. Manche der Schreibtische sammelten schon Staub - den von Dorcas hatte man nie neu besetzt, und an den Wänden hingen noch immer Fahndungsfotos von Todessern, die lange in Askaban saßen.

Sirius runzelte unwillig die Stirn, während er eine Tasche auf dem Tisch absetzte und sie mit Ersatzroben, Fotos und halbvollen Schokofroschboxen zu füllen begann. Er wollte nicht gehen. Die Zentrale brauchte ihn, jeden von ihnen. Es sollte nicht so still sein. Natürlich herrschte noch immer reges Treiben, Federn kratzten auf Pergament, Eulen flatterten, Stimmen drangen aus Moodys Büro... Aber gegen die Aktivität hier vor zwei Jahren wirkten siebzehn Auroren wie ein Windhauch. Herrje, siebzehn...

Er fuhr damit fort, seine persönlichen Sachen zusammenzusuchen. Niemand nahm heutzutage Urlaub, aber Amelia Bones hatte nicht viele Fragen gestellt, ihn nur prüfend gemustert und schließlich genickt. Niemand hatte nachgehakt. Es verstand sich von selbst, dass keiner der Auroren ihn wegen eines Geheimnisses bedrängte, das zu bewahren Leben retten würde. Außerdem glaubten sie ohnehin alle zu wissen, weshalb er Urlaub nahm. Sirius grinste fast bei dem Gedanken. Sie glaubten es. Sie hatten keine Ahnung.

Der perfekte Rumtreiberstreich.

Was die AMS anging, Dumbledore und natürlich Remus - er und James hatten sich entschlossen, auf maximale Sicherheit zu setzen. Natürlich vertrauten sie Dumbledore, wie könnte man nicht - doch was niemand wusste, konnte niemand verraten. Nur Lily, James, Peter und er wussten bescheid - die Potters waren sicher, der kleine Harry war sicher, sie alle würden diesen Krieg unbeschadet überleben. Außer, natürlich, vielleicht Sirius.

Wie lange es wohl dauern würde, bis sie ihn fanden? Der Gedanke ließ ihn schaudern. Er hatte eine kleine Wohnung gefunden, in Muggel-London, und wahrscheinlich würden sie ein paar Tage brauchen, um ihn aufzuspüren. Und vorsichtige Fragen an Moody hatten ihm geholfen, sich für den einen oder anderen unauffälligen Frühwarnzauber zu entscheiden.

Aber seine Zeit bei der AMS war vorbei. Für immer? Unsinn, schalt sich Sirius und schüttelte den Kopf. Wenn alles vorbei war, würde er natürlich zurückkommen. Er würde nicht sterben. Er, Sirius Black, starb nicht bei einer profanen Todesserattacke, oder nicht? Und was außer dem Tod könnte ihn davon abhalten, in seinen Job zurückzukehren?

Sirius warf einen letzten, langen Blick durch die Zentrale, bevor er seinen Rucksack schulterte und sich auf den Weg zum Atrium machte. Er gestand sich nicht ein, dass ihn Schuldgefühle quälten, weil der die Verantwortung zu sehr gefürchtet hatte.


Remus Lupin warf einen langen Blick aus dem Fenster der kleinen Hütte, die er alleine bewohnte. Er hasste es, wenn die Tage kürzer wurden, und die Nächte länger. Wenn der Mond früher aufging. In ein paar Tagen würde wieder Vollmond sein. An Halloween, nicht wahr? Wie passend für Halloween - Vollmond und heulende Werwölfe. Er schnitt eine Grimasse.

Natürlich würde er seine eigene ‚Party' allein feiern. Das hatte er in den letzten Monaten zu oft getan, und dann jetzt, wo James und Lily durch den Fidelius-Zauber geschützt sein würden... Wenn jemand sie beschützen konnte, dann war es Sirius. Er hatte nie in seinem Leben eine sturere Person getroffen. Sirius war meistens der eigentliche Grund gewesen, warum ihre Streiche oder so wilde Ideen wie die Verwandlung zum Animagus Erfolg gehabt hatten - weil er sich weigerte, aufzugeben. Remus bezweifelte, dass sein Freund das Wort ‚aufgeben' überhaupt kannte.

Und deshalb glaubte er auch nicht, dass Sirius der Verräter sein könnte (nein, niemand hatte etwas gesagt... aber Remus hatte Augen und Ohren). Sirius auf der Seite der Dunklen Künste würde bedeuten, dass er aufgegeben hatte, und schon allein deshalb würde er niemals die Seiten wechseln. Peter hingegen... Remus wand sich, als er an seinen anderen Freund dachte. Peter hatte sich verändert, nicht wahr? Sie alle hatten sich verändert, aber nur Peter gab sich Mühe, es vor den anderen zu verbergen... Er bezweifelte, dass James und Sirius es bemerkt hatten. Doch natürlich, niemand wäre so verrückt, Peter eine so große Bürde aufzulasten und ihn zum Geheimniswahrer zu machen, und deshalb bestand kein Grund zur Sorge.

Remus seufzte. Er wünschte nur, er hätte seine Freunde wieder. Er traute sich kaum, ihnen in die Augen zu sehen, dieser Tage. Natürlich, selbst den Kobolden hatte sein monatliches Problem irgendwann nicht mehr entgehen können, und sie hatten dafür gesorgt, dass Remus nie wieder bei einem Kobold beschäftigt sein würde. Aber trotzdem...

James, Sirius und Peter... sie würden nicht verstehen, was es bedeutete, nie genug Geld für ein paar neue Roben oder einen ordinären Restaurantbesuch zu haben. Wenn man kein Geld hatte, konnte man es sich nicht leisten, seine Ideale allzu hoch zu halten... Und ein paar fiese Flüche wie ein latenter Schmerzfluch auf einem Verlies, um Einbrecher fernzuhalten, machten ihn noch lange nicht zum Anhänger der Dunklen Künste. Ein anständiges Gehalt war etwas eher graue Zauberei durchaus wert. Remus wusste das. Leute wie Dumbledore wussten das. Aber die anderen? Nein, besser, wenn sie nie davon erfuhren.

Er warf einen letzten Blick aus dem Fenster, bevor er sich wieder seinen Bewerbungen zuwandte. Was momentan zählte, war allein die Sicherheit von James und Lily. Alles andere würden sie später klären können. Ihre Freundschaft hatte bisher noch alle Untiefen überstanden.


„Sirius!"

Sirius hielt inne, kaum dass er seine Bürozelle hinter sich gelassen hatte, und wandte sich um. Altair Pepples hatte das Büro aus Richtung der Trainingsbereiche betreten und kam mit großen Schritten in seine Richtung. Er wirkte verschwitzt - Altair trainierte letzte Zeit oft mit den Rekruten. Personalmangel und Zufall hatten seine verborgenen Talente als Lehrer enthüllt, so erstaunlich Sirius das auch erschien. Obwohl sie sich damals nicht gekannt hatten, Altair erinnerte ihn immer an Hogwarts.

Der Rotschopf grinste, als er ein wenig schwer atmend vor ihm zum Stehen kam und sich gegen die Wand der nächsten Bürozelle lehnte, doch sein Grinsen wurde etwas unsicherer, als sein Blick über Sirius schweifte, über seine dunkelblauen - nicht mehr schwarzsilbernen - Roben und den Rucksack auf seiner Schulter.

„Also ist es wahr?", fragte er leise. „Du gehst?"

Sirius verlagerte unbehaglich sein Gewicht und nickte. „Ja. Ich habe... andere Verpflichtungen."

Er hatte geplant, niemanden direkt zu belügen. Natürlich blieb es sich gleich, und er würde locker eher lügen als James und Lily zu verraten, doch er fühlte sich ein wenig unwohl dabei, die Zentrale zu hintergehen. Seit er mit Amelia gesprochen hatte, hatte er jedoch feststellen müssen, dass zwischen einer direkten Lüge und den falschen Implikationen praktisch kein Unterschied bestand.

Altair nickte langsam. „Ich verstehe." Er sah ihn aufmerksam an. „Ich nehme an, du versucht, jemanden, ähm, zu beschützen?"

Sirius hätte beinahe gegrinst. Falls der junge Auror gerade versuchte, subtil zu sein, scheiterte er um Längen. „Genau", stimmte er zu. Und er hoffte mit allem, was er hatte, dass es ihm gelingen würde. Niemals würde er James und Lily sterben lassen, und er verdankte Dumbledore alles dafür, dass er seine Unterstützung für den komplizierten Zauber angeboten hatte.

Altair zögerte, suchte nach Worten. Dann langte er aus und zog Sirius in eine kräftige Umarmung. „Naja... Man kann nicht nur als Auror kämpfen, nicht wahr? Du schaffst das schon. Was du machst, ist gut, Mann."

Er grinste verlegen, grüßte mit einer Art saloppem Salut, und dann ging er, ohne sich noch einmal umzudrehen. Sirius sah ihm einen Moment lang nach. Er schluckte.


Lily fand James im Kinderzimmer. Er hatte einen Stuhl neben das kleine Bett unter dem Fenster geschoben und sah schweigend auf seinen fast anderthalb Jahre alten Sohn hinab, der - endlich! - friedlich schlummerte. James wirkte nachdenklich, fast andächtig - ein Zustand, in dem man ihn selbst dieser Tage selten zu sehen bekam. Lily lächelte leicht, kam mit leisen Schritten näher und beugte sich vor, um ihn von hinten zu umarmen.

„He, worüber denkst du so angestrengt nach?", flüsterte sie neckend, beobachtete mit ihm ihren perfekten kleinen Jungen.

„Über Peter. Und Sirius.", erwiderte James ebenso leise, ein wenig unglücklich jedoch, und ergriff ihre Hand auf seiner Brust. „Und über uns. Wir haben wahnsinniges Glück, solche Freunde zu haben, weißt du das?"

Lilys Umarmung verstärkte sich. „Ja, das weiß ich.", erwiderte sie schlicht.

„Sirius macht sich zu einem noch größeren Ziel, und dann hat er auch noch Schuldgefühle deswegen", fuhr James fort, runzelte die Stirn und schmunzelte dann bei seinem nächsten Gedanken. „Gibt einfach für uns seinen Heldenkomplex auf. Und Peter, wow, Peter." Er schüttelte ungläubig den Kopf. „Ich hätte verstanden, wenn er abgelehnt hätte. Aber er hat mich so fassungslos angesehen und war dann so stolz, wie damals, als Dumbledore ihn in den Orden geholt hat. Ich bitte ihn, sein Leben für uns zu riskieren, und er ist stolz!" Mit diesem letzten Satz wurde er etwas lauter, und Lily shhte rasch, als Harry sich bei dem Geräusch zu regen begann.

„Sie sind großartig, alle beide", bestärkte Lily in betont gesenktem Ton und nickte in James' Nacken. „In Hogwarts dachte ich immer, ihr wärt ein Haufen hochnäsiger Idioten... Streiche, Snape quälen, Peters Applaus genießen, und dabei immer widerlich gute Noten..." - James grinste - „Ich hätte nie gedacht, dass euch etwas so viel bedeuten kann... Der Krieg, und Freundschaft. Jedem von euch. Himmel, Sirius hat mir mal die Haare blau gehext..." Betont vermied sie es, Remus zu erwähnen. Remus war zum Thema geworden, das man mit James vermeiden musste. Völlig vermeiden.

James, nicht von ihren Nachgedanken erahnend, gluckste bei der Erinnerung. Als er aufstand, lag ein verspieltes Grinsen in seinem Gesicht. „Sah nicht schlecht aus. Ich könnte das wiederholen... Es sei denn natürlich, du hast etwas Besseres vor?"

Lily hob abschätzig die Augenbrauen und schaffte es, ein eigenes Grinsen zu unterdrücken. „In der Tat, ich wüsste da was..." Nun kicherte sie doch, ziemlich kindisch, und zog ihren Ehemann mit sich aus dem Raum.

Zum ersten Mal seit Monaten fühlte sie sich völlig sicher.


„Black."

Zum zweiten Mal an diesem Tag verzögerte sich Sirius' Abschied. Der junge Auror blieb stehen, wo er war - mitten im Atrium -, versteifte sich kurz und atmete tief durch. Wenn jemand ihren Bluff durchschaute - und wenn es jemanden gab, dem er sich mehr anvertrauen, den er weniger enttäuschen wollte... Doch als er sich umdrehte, lag das übliche selbstsichere Lächeln in seinem Gesicht.

„Moody."

Der alte Mann war näher an ihn herangetreten. Seit St. Mungo Moody nach der Rosier-Mission entlassen hatte, waren seine Verletzungen gut verheilt - anstelle seiner Nase prangte jetzt ein schräger Stumpf in der Mitte seines Gesichts. Ein Dutzend verschiedener Narben hatte es über die Jahre so ausdruckslos wie ein verwittertes Stück Holz werden lassen, doch seine kleinen, lebhaften Augen, denen niemals etwas entging, ruhten nun fest auf ihm - und beinahe freundlich.

„Amelia hat mir gesagt, dass du gehst", sagte der alte Auror jetzt. Er begann wieder, scharf die Umgebung zu mustern und jeden Ministeriumsangestellten zu registrieren, der so früh in den Feierabend ging. Der eine oder andere Zauberer beschleunigte seine Schritte und sah sich beunruhigt über die Schulter nach ihm um, wenn er den Blick des berüchtigten Auroren auf sich fühlte. Zu Sirius' Erstaunen legte er ihm nun eine Hand auf die Schulter. „Gutes Versteck gefunden, he?"

Sirius grinste leicht. „Ich denke schon", erwiderte er. „Muggel-Gegend."

„Natürlich." Moody nickte. „Schutzzauber gesprochen?"

„Die besten." Der junge Auror richtete sich leicht auf. Mehr gab es nicht zu sagen. Doch er hätte sich auch denken können, dass sein Mentor nicht nach mehr fragen würde. Immerhin war er es gewesen, der ihm beigebracht hatte, wann und wie man Informationen weitergab.

„Was du vorhast, Junge, ist mehr wert, als du da draußen im Feld tun könntest", sprach Moody leise weiter, damit niemand sie belauschte, und verjagte eine alte Hexe so gründlich mit seinem Starren, dass sie auf dem Weg in den Apparationsbereich stolperte. „Ein Leben zu retten ist immer mehr wert, als zu töten."

Er verstummte, und Sirius, nicht sicher, was er sagen sollte, warf ihm einen Seitenblick zu. Doch Moody beobachtete noch immer seine Umgebung, und er schien auch keine Antwort zu erwarten. Nach ein paar Sekunden sprach er weiter. „Hätte nicht gedacht, dass du irgendwann genug lernen würdest, um auch mal irgendwo untertauchen und warten zu können." Er schnaubte. „Für Beschattungsarbeit warst du schon immer unbrauchbar, he?"

„Ich lerne von den Großen", erwiderte Sirius achselzuckend. Seit Moody sich seine Aufgaben selbst aussuchen konnte, hatte er weder ermittelt, noch beschattet. Nur noch zugeschlagen, wann immer es ihm möglich war, gründlich und effizient. Sirius kannte die Geschichten, manche sogar von Moody persönlich.

Jetzt grinste der alte Mann, schmunzelte - Moody schmunzelte? - und hob seine Hand zu einem harten Schulterklopfen. „Ich hätte keinen besseren Auror aus dir machen können", sagte er sanft und eindringlich. „Und du weißt, dass ich nicht mit Lob um mich schmeiße. Du warst mein verdammter brillantester Schüler, also lass dich nicht durch Dummheiten verpulvern. Komm wieder, und ich mach dich zu Amelias Nachfolger. Jepedina wäre stolz auf dich. Ich bin stolz auf dich."

Sirius schluckte, öffnete den Mund zu einem Dank, doch Moody schubste ihn bereits in Richtung des Apparationsbereichs. „Und jetzt geh schon", knurrte der alte Auror, zurück zu seinem üblichen Griesgram. „Nie Zeit verschwenden, nicht wahr? Und IMMER WACHSAM!"

Er bellte die letzten beiden Worte so laut, dass eine Delegation aus der Sportabteilung entsetzt zusammenfuhr, doch Sirius, der sie so oft gehört - und manchmal sogar geträumt - hatte, schulterte nur lässig seine Tasche neu und salutierte schnittig.

„Aye, Sir!", donnerte er spaßeshalber zurück. „Halt mir meinen Bürostuhl warm!"

Dann fuhr er herum und beeilte sich, zu verschwinden, bevor ihm Moodys Grollen folgen konnte. Sirius bezweifelte, dass ihn je etwas stolzer gemacht hatte, doch noch mehr überraschte ihn, dass er das Lob nicht mehr brauchte. Er hatte gelernt, ohne anderer Leute Beifall zu leben. Selbst, wenn ihn Angst und Schuld quälen würden, bis es vorbei war, er wusste, dass er das Richtige tat.


Tbc...